MedienScreen # 9 [Hooligans Elbflorenz, Sittlichkeit, Justitia, Playboy]

(…) Die Frage ist tatsächlich, was da einmal herauskommen kann. Als die Verfahren nach einer Großrazzia Ende 2009 bekannt wurden, klangen die Vorwürfe weit gravierender. Zurzeit laufen noch Ermittlungsverfahren gegen 24 weitere Beschuldigte der “Hooligans Elbflorenz“.

[Quelle – “Hooligan-Maskerade vor Gericht“, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 25. August 2011]

(…) Der aggressive Gitarrenriff kündigt an: Gleich fliegen die Fetzen. Die Kamera schwenkt über eine enge Asphaltstraße in einem Waldstück. Auf dem Video, das (…) im Landgericht Dresden gezeigt wurde, ist eine Hooligan-Schlägerei zu sehen. Etwa 30 Männer in gelben Shirts und schwarzen Hosen marschieren auf eine zweite Gruppe zu. Ausladende Schritte, Imponiergehabe. Die Hände bandagiert, manche tragen Gesichtsschutz. Die anderen tragen rot, sind genauso groß und ansonsten nicht von den Gelben zu unterscheiden.

Ungebremst laufen die Kampfformationen ineinander – und prügeln los. Blitzschnell schlagen die Männer auf jeden, der ein andersfarbiges Shirt trägt. Hemmungslos. Nach einer knappen Minute ist alles vorbei. Fast alle Roten liegen am Boden, helfen sich gegenseitig auf, humpeln aus dem Videobild. Die Gelben jubeln. Das sind die “Hooligans Elbflorenz“ aus Dresden. Wieder ein Sieg. Für den kurzen “Spaß“ reisten sie 300 Kilometer an. In dem abseitigen Waldstück bei Wildeck-Obersuhl lehrten sie den Frankfurter Hools “Brigade Nassau 96“ das Fürchten. Es war ein ungleiches “Match“, wie solche Auseinandersetzungen in der Szene heißen (…)

Fünf führende Köpfe der “Hooligans Elbflorenz“ – Männer zwischen 19 und 35 – stehen seit Mittwoch [24. August] wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht. Das sichergestellte Video ist Teil der Beweisaufnahme. Solche verabredeten Matches sind laut Anklage eine Straftat. Angeblich gibt es keine Regeln. Gäbe es welche, würde sich niemand daran halten (…)

(…) Die Anwälte der Angeklagten spotteten. “Solche Matches sollen strafbar sein?“ (…) Jeder Fernseh-Kampfsport sei brutaler. Die Anwälte werden es der Staatsschutzkammer in den geplanten 30 Sitzungstagen nicht leicht machen (…)

[Quelle – “Hooligan-Match: Erste Videos im Prozess gezeigt“, sz-online.de, 30. August 2011]

(…) Auch am dritten Tag im Prozess gegen die Rädelsführer der “Hooligans Elbflorenz“ wurde (…) über die Sittenwidrigkeit von Hooligan-Schlägereien gestritten. Ist es strafbar, wenn sich zwei Gruppen zu je 30 Mann 25 Sekunden lang prügeln und zu diesen Kampf eingewilligt hatten? Immerhin: Auch wenn es laut Anklage keine Regeln für diese “Matches“ gab, so sagte (…) ein Ermittler als Zeuge, dass es bei den verabredeten Kämpfen “gewisse“ Regeln gegeben habe: So sollten etwa die gleiche Anzahl an Männern antreten, nur leichtes Schuhwerk und keine Schutzwaffen tragen. Außerdem gelte: Wer am Boden liegt, wird nicht mehr attackiert.

Die fünf Angeklagten müssen sich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten. Ihr Hooliganismus soll auch anderen, wirtschaftlichen Zwecken gedient haben – etwa um in der Türsteher-Szene Mitbewerber zu dominieren. Doch das wird im Prozess erst später eine Rolle spielen.

Noch geht es um ein Match, bei dem ein 27-Jähriger der “Brigade Nassau 98“, Hooligans aus Frankfurt/Main, schwer verletzt wurde. Ausgerechnet im aktuellen Männermagazin “Playboy“ fand Verteidiger Endrik Wilhelm Hinweise gegen die Sittenwidrigkeit. Dort steht eine Reportage über den “blutigsten Mannschaftssport der Welt“, wie es dort heißt. Das Turnier, eine Art Brutalo-Rugby, wird im Calcio Storico, einem Kirchplatz mitten in Florenz, ausgetragen. “Tod und Spiele“ heißt es da. Fotos zeigen blutverschmierte Spieler, die sich um einen Ball schlagen – ein alljährlicher Tourismus-Höhepunkt.

Wilhelm beantragte, nun den Autoren zu hören. Außerdem soll ein Sachverständiger zu Gefahren bei “normalen“ Kampfsportarten wie Boxen aussagen. Der Vorsitzende Richter Peter Lames wollte den Playboy als Ganzes nicht zur Akte nehmen. Er beharrte auf die einzelnen Seiten des Artikels. Auch das legten die guten Sitten nahe.

[Quelle – “Playboy-Artikel soll nun die Frage der Sittenwidrigkeit beantworten“, sz-online.de, 31. August 2011]

[Dieser Beitrag wurde am 31. August 2011 bei Ostfussball.com publiziert.]