Archiv der Kategorie: PoliticalScene

Gesichtsscanner her? Stehplätze weg? – Da geht noch was in deutschen Stadien

An diesem zweiten Januar-Wochenende 2012 tagt in Berlin ein Kongress. Auf dem geht es unter anderem um die Rechte von Fans im alltäglichen Fußballbetrieb, ob nun in Liga oder im Pokal. Es ist ein so betitelter Fan-Kongress, der beispielsweise auch via Ticker bei schwatzgelb.de aktuell verfolgt werden kann.

Kurz vor diesem Wochenende trat im Januar 2012 Lorenz Caffier (CDU) seine Amtszeit als nunmehr fungierender Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) der Bundesrepublik Deutschland an. Sogleich – quasi als Einstand in der IMK – verkündigte Caffier vorerst scheinbar nur für seinen eigentlichen Amstsbereich Mecklenburg-Vorpommern postulierend “schärfere Einlasskontrollen mit modernster Technik bei Heimspielen des Zweitligisten Hansa Rostock“. Dabei wiederum will der amtierende IMK-Vorsitzende “Kameras mit Gesichtserkennungs-Software zum Einsatz bringen. Die Kameras sollen in den Eingangsbereichen des Stadions biometrische Daten von Gesichtern aufnehmen, die dann automatisch mit Bildern aus der Hooligan-Datei verglichen werden. Die Kameras sollen in Verbindung mit personifizierten Eintrittskarten zum Einsatz kommen. Gespräche mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz seien geplant“, so jedenfalls berichtete die Schweriner Volkszeitung.

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(Foto: pyrotechnik-legalisieren.de)

Für Stehplätze in bundesdeutschen Fußballstadien treten DFB und DFL angeblich weiterhin ein, obwohl auch da nach gewissen Medienberichten in den letzten Tagen die eine oder andere Möglichkeit halboffiziell erörtert worden sein soll, und zugleich auch wiederum dementiert wurde – vorerst jedenfalls. Allerdings scheinen die Innenminister der Bundesländer nach wie vor an einem Konzept zu arbeiten, das ein Verbot der Stehplätze in der Bundesliga zur Folge haben könnte, wenn Gewalt und das Abbrennen von Pyrotechnik in der Rückrunde nicht nachlassen. Die DFL wiederum will bislang die “heilige Kuh Stehplätze“ noch nicht anfassen, war bei welt.de zu lesen.

Offiziell monolog offen lag vor diesem zweiten Januar-Wochenende natürlich auch der Komplex Pyrotechnik – Schluss!, Aus!, Sense!, Finito! Wer dahingehend jemals etwas anderes vom DFB oder der DFL erwartet haben mag, möge sich melden – oder wische sich bitte endlich seine träumenden Äuglein aus. Für wen und was ist denn die vom DFB und der DFL bei tns-infratest beauftragte so genannte Pyro-Umfrage, mittlerweile fast schon bis zum Erbrechen unkritisch vom Mainstream herbeizitiert, so letztendlich eigentlich repräsentativ? – “Fans gegen Pyrotechnik? Was sagt die DFB-Umfrage wirklich aus?“(turus.net)

Veräppeln können wir uns auch selbst – aber nichtsdestotrotz und sowieso liegt Ostfussball.com garantiert nicht nur allein mit sich weiter träumend im Rasenbett der Fußball-Geschichte 2012, im Gegensatz zu anderen vielleicht.

[Dieser Artikel wurde am 14. Januar 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

FSV Zwickau: Kein Fußballstadion mehr auf der Halde?

Das Westsachsenstadion – volksmundlich WESA oder auch HALDE – soll nun wohl wirklich keine Zukunft mehr als Fußballspielstätte des FSV Zwickau haben. Der Stadtrat von Zwickau jedenfalls hat in seiner Sitzung am 8. November 2011 die Umbau- und Modernisierungspläne endgültig beerdigt, berichtet aktuell die Dresdner Morgenpost.

Wegen der scheinbar ständig weiter ausufernden Baukosten weit über den vormaligen Kostenvoranschlag hinaus war bereits im September ein Baustopp angeordnet worden. Die damalige Entscheidung von Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD) wurde nunmehr mit deutlicher Mehrheit vom Stadtrat der westsächsischen Kommune bestätigt.

“(…) Gleichzeitig stimmten die Räte einem Antrag der Fraktionen CDU, SPD/Grüne, Die Linke und FDP/Freie Wähler mehrheitlich zu, einen Grundsatzbeschluss für eine neue Fußballarena auf der grünen Wiese zu fassen. Bis März 2012 soll die Stadtverwaltung unter anderem Möglichkeiten zum Standort, zur Finanzierung sowie den Sicherheitsrichtlinien prüfen (…)“

Irgendwann also wird eine, numehr fast schon allerorts so geheißene, Fußballarena auch in Zwickau erblühen? Gelobpreist seist du – du bundesdeutsches durch und durch Profi-Fußball-Kommerz-Land.

Nach Darstellung der Dresdner Morgenpost soll das Westsachsenstadion nunmehr “unterdessen zu einer Multifunktionsarena umgebaut werden“ – Überraschung? Applaus? Fragen?

[Dieser Artikel wurde am 9. November 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Chemnitzer FC: Neues Stadion auf der Kippe?

Einst schon schien ein modernisiertes Stadion für den derzeitigen Drittligisten Chemnitzer FC (CFC) in so genannten trockenen Tüchern wohlbehalten zu sein, der Stadt in Westsachsen neben anderen sächsischen Kommunen eine annähernd zeitgemäße Profifußball-Spielstätte in nähere Aussicht stellend und gleichzeitig ebenso die Auflagen des DFB für zukünftige Spielzeiten erfüllend. Allerdings sind die letztjünglich sportpolitischen Geschehnisse rund um die Chemnitzer Fischerwiese durchaus bekannt.

(…) In Chemnitz wird durch einen Antrag auf Befangenheit durch die Piratenpartei der Beginn des Stadionsbaus weiter nach hinten verschoben, ein Zwangsabstieg wegen Nichteinhaltung der Fristen durch den DFB könnte schlimmstenfalls die Folge sein (…) [Ostfussball.com, 1. November]

Mittlerweile muss nun der Chemnitzer Stadtrat am 9. November erneut über die Zukunft des Stadions entscheiden. “Die von der außerparlamentarischen Piratenpartei eingeschaltete Landesdirektion hatte zuvor eine Neuabstimmung empfohlen“ (mdr.de, 4. November). Zudem wurde auch die Videoübertragung der damaligen Stadtratssitzung auf den Chemnitzer Neumarkt “aufgrund möglicher Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Frage gestellt“ (sachsen-fernsehen.de, 4. November).

Die Landesdirektion empfahl nunmehr, von einer erneuten Außenübertragung auf den Marktplatz abzusehen – “die dort herrschende Stimmung hätte die Stadträte unter Druck gesetzt“. Gleichzeitig betonte die örtliche Piratenpartei erneut, “nicht gegen das CFC-Stadion zu sein“, lediglich “gegen Korruption und viel zu lax befolgte Verfahren“.

Unterdessen berichtetete sachsen-fernsehen.de, mit Berufung auf Finanzbürgermeister Berthold Brehm, dass die Stadt Chemnitz ihre eigenen Sparpläne nicht einhalten könne. Gründe dafür seien unter anderem ’steigende Personalkosten durch anstehende Tarifverhandlungen, die Miete für das geplante CFC-Stadion und der Ausbau der Stadthalle’. Der bezügliche Haushaltsplanentwurf soll dem Chemnitzer Stadtrat allerdings erst am 25. Januar 2012 vorgelegt werden.

Offene Fragen über Fragen also – oder …?

[Dieser Artikel wurde am 5. November 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Dynamo Dresden: Zappendusterer Stadionstreit

Es geht – wie so oft schon in der Vergangenheit des jetzigen Zweitligisten SG Dynamo Dresden (SGD) – um das liebe Geld für das nun nicht mehr ganz so neue Stadion an der Lennéstraße. Diesmal ist nur die Klaviatur ein wenig anders, düsterer?

Wie die Dresdner Morgenpost aktuell berichet, werde nunmehr der Stadionbetreiber, eine Tochterfirma des Bauherren HBM Stadien- und Sportstättenbau GmbH, vorerst das Flutlicht auf dem Kunstrasenplatz nicht mehr in Betrieb nehmen und ebenso das vormals beheizt plätschernde Entmüdungsbecken für die Spieler eher nur noch müde vor sich hin schlummern lassen.

Es ist “der vorläufige Höhepunkt eines zurzeit hinter den Kulissen erbarmungslos geführten Streites zwischen den juristischen Abteilungen beider Parteien. Laut MOPO-Informationen sollen die Schwarz-Gelben Verbindlichkeiten gegenüber der Stadion-Projektgesellschaft in Höhe von 1,5 Millionen Euro (!) haben. Davon sollen 700.000 Euro strittig sein (…) 800.000 Euro würde angeblich der Zweitligist nicht bezahlen, solange das erste Problem nicht geklärt ist“ (MoPo Dresden, 7. September).

Offenbar geht es bei alledem um unterschiedliche Auslegungen des Nutzungsvertrages für das Stadion. Während sich HBM-Geschäftsführer Axel Eichholtz zu den augenscheinlichen Zerwürfnissen offiziell nicht weiter äußert, betont Volker Oppitz, Hauptgeschäftsführer der SGD: “Wir haben keine Verbindlichkeiten“. Gleichzeitig stellt Oppitz dar, “dass aus der Saison 2009/2010 rund 360.000 Euro offen sind“. Von diesen 360.000 Euro wiederum glauben allerdings die Dresdner Dynamos, dass sie ihnen zustehen würden. Ob diese Auslegung der aufgemachten Rechnung auch wirklich zutreffend ist, wollte aus dem Dresdner Rathaus bislang niemand eilfertig bestätigen. “Dabei muss offenbar noch geklärt werden, wie die Einnahmen aus Business- und VIP-Tickets aufzuteilen sind“ (radiodresden.de, 7. September).

Vielleicht spielt nachfolgend auch die 40-Millionen-Euro-Bürgschaft der sächsischen Landeshauptstadt für die SGD nunmehr bald wieder eine Rolle? Fragen über Fragen – in Dresden business as usual?

[Dieser Artikel wurde am 7. September 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 10 [In memory of Lutz Eigendorf]

[Fundstück] Frank Willmann: “Die Legende vom Eisenfuß“, jungewelt.de, 6. September 2011 –

(…) In der Spätphase der DDR kickten beim BFC Dynamo allerhand junge Männer mit entwickeltem Konsumdenken. Als staatlich anerkannte Amateure mit dickem Gehalt, die ausschließlich fürs Kicken bezahlt wurden, konnten gute Oberligaspieler durchaus mit einem Schlossermeister der PGH “Fröhliche Laubsägekunst“ mithalten. Wer einmal fett Kohle gesehen hatte, wollte selbstredend gern auch noch mehr davon. Spielerwechsel innerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft waren nur schwer möglich. Und welcher Spieler hatte schon Bock auf mongolische Melonen, tschetschenische Bohnensuppe oder rumänische Krautwickel? Die richtig harte Kohle und das ganze schicke Drumherum, das gab’s in Massen nur im Westen zu holen (…) Der goldene Westen lockte etliche Kandidaten, doch nicht alle hatten den Mut eines Lutz “Eisenfuß“ Eigendorf.

1956 in Brandenburg geboren, kam Lutz schon im zarten Alter von vierzehn zum BFC Dynamo (…) insgesamt kickte er 100mal in der DDR-Oberliga für den BFC. 1978 schoß er bei seinem Debüt in der Nationalmannschaft gleich zwei Tore. Ein Jahr später, am 20. März, nutze Lutz Eigendorf einen Stadtbummel durchs dröge Gießen, um sich von der Mannschaft des BFC Dynamo abzusetzen. Das DDR-Team war anläßlich eines Freundschaftsspieles gegen den 1. FC Kaiserslautern im Westen. Ob er während des Spiels von Kaiserslauterer Seite angeworben wurde, ist nur zu erahnen. Mielke soll getobt haben, als er von Eigendorfs Abgang erfuhr (…)

Nach Eigendorfs Flucht sperrte ihn die UEFA für ein Jahr wegen Vertragsbruchs. Während dieser Sperre arbeitete er in Kaiserslautern als Trainer. Als er endlich wieder Fußball spielen konnte, war ihm die alte Stärke verlorengegangen. Er wurde in Kaiserslautern nie glücklich und wechselte 1982 zu Eintracht Braunschweig. In Westdeutschland wurde er von knapp fünfzig westdeutschen MfS-Informanten bespitzelt. In den Stadien der DDR erscholl hinfort bei Spielen des vermeintlichen Stasiclubs BFC Dynamo der provokative Gesang “Wo bleibt denn der Eigendorf“ und trieb die Funktionäre auf die Palme.

In der Nacht des 5. März 1983 wurde Eigendorf bei einem Verkehrsunfall in Braunschweig schwer verletzt. Er starb zwei Tage später. Er hatte 2,2 Promill im Blut. Doch manche vermuteten einen MfS-Auftragsmord. Der Unfall wurde immer wieder aufgerollt. Anfang 2011 gab dann die zuständige Staatsanwaltschaft bekannt, es gebe im Fall Eigendorf keine objektiven Hinweise auf ein Fremdverschulden.

Nach seinem Unfalltod hatten die BFC-Fans Flagge gezeigt. Mit einem Spruchband gedachten sie beim nächsten BFC-Spiel ihres “Eisenfußes“. Ordner und Polizisten versuchten, das Spruchband zu konfiszieren, doch der BFC-Block verteidigte diese letzte Erinnerung bis aufs Blut.

[Dieser Beitrag wurde am 6. September 2011 bei Ostfussball.com publiziert.]