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Justiz-Support beim “Sturm 34“? – Update einer Zwischenbilanz

Mittweida/Chemnitz/Dresden. Zum wiederholten Mal glänzen die staatlichen Rechtsorgane im Zuge der justiziablen Verfahren gegen die rechtsextreme Kameradschaft nicht gerade mit Professionalität – Eine mittlerweile fast schon unendlich peinliche Geschichte.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat bisher insgesamt 54 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der verbotenen Neonazi-Kameradschaft Sturm 34 geführt. Am 28. November ist vor dem Chemnitzer Amtsgericht der Prozess gegen den als einen der führenden Köpfe des Sturm 34 geltenden Tom Woost ausgesetzt worden – und das nunmehr nicht zum ersten Mal. Der Grund für diese Verfahrensunterbrechung wird offiziell damit begründet, dass dem Gericht und der Staatsanwaltschaft zur aktuellen Verhandlung gegen Woost nicht alle relevanten Ermittlungsakten vorlagen.

Der in dem Fall amtierende Verteidiger, Hansjörg Elbs, hatte diesbezüglich geltend gemacht, dass die Staatsanwaltschaft Dresden nach der Anklageerhebung durch die Chemnitzer Staatsanwaltschaft weiterhin gegen seinen Mandanten ermittelt hatte, die Resultate dieser Ermittlungen allerdings bislang nicht allen Prozessbeteiligten zugänglich seien. “Ich fühle mich vom Staatsschutz vereimert“, erklärte Elbs gegenüber der Sächsischen Zeitung.

Die Dresdner Morgenpost berichtet darüber hinaus, dass ein Staatsschutz-Beamter während der Zeugenanhörung vor dem Amtsgericht Chemnitz einräumte, die im Februar 2006 bei einem Angriff auf eine Schülergruppe verwendete “mögliche Tatwaffe, eine zerbrochene Flasche“ wäre “erst zwei Tage nach der Tat“ gesichert worden. Zitat der Aussage: “Spuren waren da aber keine mehr, da war viel Schneematsch.“ Zudem lauschte ein als Zeuge geladener Polizist aus Mittweida während der laufenden Chemnitzer Verhandlung im Zuschauerraum seiner anberaumten Vernehmung vorausgehenden Aussagen anderer Zeugen – sogar in nachmittäglichen TV-Gerichtssoaps wird so etwas anders gehandhabt. Mithin konnte der Polizist zu Protokoll geben, an besagtem 16. Februar von seiner Einsatzleitung lieber in das nicht gerade unmittelbar nahe Frankenberg – “zu einem unzulässigen Lärm“ – beordert worden zu sein, statt den militanten Übergriff in Mittweida näher untersuchen zu können.

Bereits Ende Oktober des Jahres musste in Folge einer Justiz-Panne die Hauptverhandlung gegen Woost “wegen eines Verfahrensfehlers“ ausgesetzt werden. Erstaunlich ist es mithin, dass Dresdner Ermittlungsakten dem aktuellen Verfahren – so dem Chemnitzer Gericht offenbar weniger als mehr vorliegend – nicht entsprechend zugeordnet werden konnten. “Es ist schon skandalös, dass das erst jetzt auffällt“, attestierte erst kürzlich Amal-Sachsen die bis dato diesbezüglich bekannt gewordene – eher unprofessionell anmutende – Verfahrensweise der sächsischen Justiz.

Der Prozess gegen Tom Woost wird am 7. Dezember fortgesetzt. “In der Pressestelle des Amtsgerichts wagt man inzwischen keine Prognose mehr, ob es dann ein Urteil geben wird“ (freiepresse.de).

[Dieser Artikel wurde am 29. November 2007 bei redok veröffentlicht.]

Hakenkreuz in menschlicher Haut

Mittweida. Die Kameradschaft Sturm 34 lässt offenbar nach wie vor grüßen. Eine 17-jährige Frau, die einer bedrängten sechsjährigen Spätaussiedlerin beistehen wollte, wurde von vier augenscheinlichen Rechtsextremisten schwer misshandelt.

Der Übergriff fand bereits am 3. November statt, wurde nach Polizeiangaben jedoch erst am 12. November angezeigt. Vorausgehend sei eine sechsjährige Spätaussiedlerin von den Rechtsextremisten herumgeschubst worden und habe laut geweint. Daraufhin kam die junge Frau dem kleinen Mädchen zu Hilfe. Berichten zufolge wurde die 17-jährige dann von drei Männern festgehalten, während ihr der Vierte mit einem skalpellähnlichen Gegenstand ein Hakenkreuz in die Haut ritzte. Der weitere Versuch, der 17-jährigen zudem noch ein SS-Zeichen in die Wange zu ritzen, scheiterte an der Gegenwehr des Opfers. Die junge Frau habe eine fünf Zentimeter große Schnittverletzung im Hüftbereich davon getragen. Tatbeteiligte seien vier glatzköpfige Männer gewesen, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.

Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, müssten eigentlich zahlreiche Menschen, die sich zum Tatzeitpunkt auf Balkons umliegender Häuser aufhielten, den Überfall bemerkt haben. Die Polizei hat allerdings bisher nach eigenen Angaben noch keine weiteren Zeugen ermitteln können. Das sechsjährige Mädchen habe den Hergang bestätigt, sagte ein Polizeisprecher. Rechtsmediziner hätten ausgeschlossen, dass sich die junge Frau die Verletzung selbst zufügte.

Mittlerweile gibt es einen Verdächtigen aus dem Raum Burgstädt, ein Haftbefehl wurde durch das Amtsgericht Chemnitz wegen nicht ausreichendem Tatverdacht allerdings abgelehnt. Der Beschuldigte sei nicht eindeutig identifiziert worden und habe Alibi-Zeugen gehabt (AFP). Bei einer Durchsuchung seines Zimmers in der Wohnung der Eltern wurden mit Sand gefüllte Lederhandschuhe und ein Abzeichen der rechtsextremen Kameradschaft Sturm 34 sicher gestellt.

Der Sturm 34 wurde Ende April 2007 vom sächsischen Innenminister nach dem Vereinsrecht als kriminelle Vereinigung verboten. Die staatliche Verbotsverfügung scheint die Strukturen dieser Kameradschaft jedoch nicht sehr nachhaltig beeinträchtigt zu haben, wie auch nach dem April 2007 wiederholt erfolgte rechtsextremistische Aktivitäten aus dem Umfeld des Sturm 34 in der westsächsischen Region zeigen.

Andererseits wurde Mitte November diesen Jahres die Verurteilung zu neun Monaten Haft auf Bewährung eines der führenden Köpfe des Sturm 34, Tom Woost, vor dem Landgericht Chemnitz rechtskräftig. Woost muss sich zudem noch vor dem Amtsgericht Chemnitz wegen gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen, Nötigungen, Beleidigungen und dem Tragen von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verantworten. Das Amtsgericht erklärte sich jedoch am Dienstag für einige der Anklagepunkte als nicht zuständig und verwies sie an die beim Landgericht Dresden angesiedelte Staatsschutzkammer, wo bereits gegen zehn Sturm 34-Mitglieder Verfahren anhängig sind.

Der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi wirft unterdessen Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) vor, diesem sei “es offenbar nicht gelungen, für Sicherheit in Mittweida zu sorgen“.

[Dieser Artikel wurde am 23. November 2007 bei redok veröffentlicht.]

Innenminister versus braune Parteifinanzen

Berlin. Im Dezember soll auf der Innenministerkonferenz darüber beraten werden, wie Auszahlungen an die NPD gestoppt oder auch zurückgefordert werden könnten.

Wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, werden derzeit von einer Arbeitsgruppe aus Verfassungsschützern und Juristen für die Innenministerkonferenz am 6. und 7. Dezember in Berlin Vorschläge erarbeitet, wie mit den Geldflüssen innerhalb der NPD-Szene umgegangen und diesen staatlich kontrolliert eventuell eine Einschränkung widerfahren könnte. Grundlage für diesbezügliche Überlegungen im Vorfeld der Konferenz unter derzeitigem Vorsitz des Berliner Innensenators Erhart Körting (SPD) sei ein als vertraulich klassifizierter Bericht einer länderoffenen “Arbeitsgruppe Finanzquellen der rechtsextremistischen Kreise“.

In dem 12-seitigen Bericht werden nach SPIEGEL-Darstellung “Maßnahmen, Gesetzes- und Verfassungsänderungen aufgeführt, mit denen die Finanzierung der Rechtsextremisten drastisch erschwert werden könnte“. Als Resümee des internen Berichtes würden von der Arbeitsgruppe unter anderem Rückforderungen beziehungsweise Entzüge staatlicher Finanzmittel bei rechtsextremen Stiftungen und Vereinen angeregt, so bei diesen eine Vermittlung von verfassungsfeindlichen Bildungsinhalten feststellbar wäre. Aber auch die staatlichen Parteienzuschüsse an die NPD sollen deutlich näher beleuchtet werden. “Man könnte erwägen, strafbewehrtes Verhalten von (führenden) Parteifunktionären mit dem (teilweisen) Entzug der staatlichen Teilfinanzierung zu belegen“, zitiert der SPIEGEL aus dem vertraulichen Arbeitsgruppenbericht. Weiterhin werde bezüglich einer dahingehend angedeuteten Änderung des Parteienfinanzierungsgesetzes eine Grundgesetzergänzung erwogen.

Nach SPIEGEL-Angaben erhielt die NPD allein im vorigen Jahr 1,4 Millionen Euro staatlicher Finanzhilfen. Allerdings ist auch schon seit längerer Zeit die fast schon notorische Ebbe in der braunen Kasse kein gut gehütetes Geheimnis mehr.

[Dieser Artikel wurde am 18. November 2007 bei redok veröffentlicht.]

“perplex“ – die Staatsanwaltschaft ermittelt

Dresden. Die auch als NPD-Schülerzeitung bezeichnete neue Jugendzeitung der Jungen Nationaldemokraten aus Sachsen kommt eher bunt als braun daher, lässt aber vom Inhalt kaum etwas an politischen Deutungen offen.

Überraschend ist das Auftauchen einer “Jugendzeitung für Sachsen“ keineswegs, der Zeitpunkt relativ kurz nach Schuljahresanfang kommt ebenso nicht von ungefähr. Zumal das Entstehen dieser Publikation in einschlägigen Kreisen nicht gerade ein Geheimnis darstellte. So warnte immerhin vor gut einer Woche sogar das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) “vor einer Schülerzeitung der rechtsextremistischen NPD“. Nach Einschätzungen der Behörde werde mit einer solchen Schrift seitens der NPD und der Jungen Nationaldemokraten (JN) versucht, “Jugendliche zu ködern und auf versteckte Art und Weise rechtsextremistische Anschauungen und Feindbilder zu transportieren. Ziel dürfte sein, Jugendliche sowohl für rechtsextremistische Positionen allgemein zu gewinnen, als auch zukünftiges Wählerpotenzial zu erschließen“ (AP).

“Ganz kostenlos“ und “jung – frech – deutsch“ schlägt perplex auf 16 Seiten einen comic-ähnlich gehaltenen Bogen vom “linksextremen Bildungsdesaster“ über die “drohende Entvölkerung Mitteldeutschlands“ hin zur “Handreichung für eine brisante, spannungsgeladene Geschichtsstunde an Deiner Schule“. Bei letzterem geht es beispielsweise schlicht und ergreifend um herbei zitierte Argumentationshilfen der Art, “dass Hitler vor seinem Einmarsch in Polen verzweifelt versucht hat, den Frieden zu retten“, wobei natürlich – nach Duktus der perplex-Redaktion – auch der vorgebliche “Friedensflieger“ Rudolf Heß keinesfalls unbeachtet rechts liegen gelassen wird. Die letzten Textzeilen dieser Postille dürften allerdings bezüglich eines – zugegeben unterstellten – inhaltlich-politischen Zusammenhangs nicht nur beim plakativ anvisierten Klientel einige Verwirrung hinterlassen: “… damit die Sonne, schön wie nie, über Deutschland scheint!“ – DDR reloaded?

Darüber hinaus ist das Heft, redok vorliegend, gespickt mit teaserhaften Einsprengseln von politischen Kurz-Botschaften à la “Jetzt Nationalen Widerstand organisieren!“, “Haken gegen die linken Spießer an den Schulen und im Fernsehen!“, “Das System hat keine Fehler, das System ist der Fehler!“ bis hin zu “Mach Deinen Schulhof zur national befreiten Zone!“. Garniert wird das Ganze mit einem Bericht über den JN-Sachsentag vom August in Dresden-Pappritz als “Grundlage für weitere Großveranstaltungen der Nationalen Jugend“.

Als der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen W. Gansel am 20. September vor einem Dresdner Berufsschulzentrum mit mehreren seiner Kameraden die Druckschrift verteilen wollte, konfiszierte die Polizei 150 Exemplare. Über die letzten Tage sind allerdings nicht nur an einer Bildungseinrichtung in der Region besagte Druckschriften gesichtet worden. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus hatte bereits vorab darauf hingewiesen, dass das Verteilen “dieser Zeitung“ auf dem Schulgelände verboten sei, auftauchende Hefte würden beschlagnahmt und der Polizei übergeben.

Gansel selbst hat die Auflage von perplex auf 30.000 beziffert. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden gegen die herausgebende JN – als Verantwortlicher im Sinne des Presserechtes zeichnet Jens Steinbach mit ostsächsischer Adresse – wegen des Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz. Gansel ist bis dato durch seinen Status als Landtagsabgeordneter geschützt – “gegen ihn kann die Behörde wegen der Immunität nicht vorgehen“ (AFP).

[Dieser Artikel wurde am 24. September 2007 bei redok veröffentlicht.]

Planungen nicht nur für nächsten NPD-Bundesparteitag

Coswig/Dresden. Die rechtsextreme Partei hat offenbar auch eine gastro-kulturelle Einrichtung nahe der sächsischen Landeshauptstadt als zukünftigen Tagungsort in engere Erwägung gezogen.

Wie das Dresdner Antifa Recherche Team (ART) bereits vor einigen Tagen mit Bezug auf eine regionale Tageszeitung darstellte, gab es seitens der NPD augenscheinlich Bestrebungen, den nächsten Bundesparteitag am 27./28. Oktober 2007 bei Dresden abhalten zu wollen. Im Fokus diesbezüglicher Planungen der rechtsextremistischen Partei sei dabei das nach Eigenwerbung “erste Haus am Platz“, die Börse in Coswig.

Nach Einschätzung des ART sei allerdings die lobenswerte Ablehnung des Ansinnens der NPD durch die Betreiber der Börse beziehungsweise ein verwaltungsrechtlicher Verhinderungsversuch dieser Partei-Veranstaltung der ganz besonderen Art allein nicht ausreichend.

Erst zum letzten NPD-Landesparteitag im März diesen Jahres hatten sich die Rechtsextremisten letztendlich in die Räume eines Beruflichen Schulzentrums in der Kreisstadt Pirna eingeklagt, um dortselbst dann rechtsextreme Schulstunden über ihr eigenes Gesellschafts- und Menschenbild zelebrieren zu können. Auch bei der Coswiger Börse handelt es sich um öffentliche Räume, in denen bereits Partei-Veranstaltungen stattgefunden haben. Die Begründung des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen zur Ermöglichung des NPD-Landesparteitages am 4. März in der Aula besagten Berufsschulzentrums in Pirna-Copitz fußte auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Parteiengesetz.

ART Dresden verweist allerdings auch darauf, “dass es typisch für die NPD ist, für derlei Großveranstaltungen mehrere Lokalitäten anzumieten, um für eventuelle juristische Streitigkeiten mit den Vermietern zusätzlich gewappnet zu sein“. Im offiziellen Online-Terminkalender der NPD für Oktober 2007 ist bis dato nur eine einzige “Saalveranstaltung in Leipzig mit Stefan Lux“ zu finden. Der letzte NPD-Bundesparteitag fand im November 2006 in Berlin statt.

Gleichwohl ob der nächste rechtsextreme Bundesparteitag in Coswig stattfindet oder nicht, hat die NPD bereits für den 31. Mai 2008 – mit acht möglichen Ausweichterminen in jenem Monat sowie sämtlichen Freitagen und Samstagen im April – eine Wahlveranstaltung in der Coswiger Börse schriftlich im Rathaus der Gemeinde eingereicht.

[Dieser Artikel wurde am 19. September 2007 bei redok veröffentlicht.]