Derbytime: Dynamo Dresden gegen Hansa Rostock

Das Aufeinandertreffen der SG Dynamo Dresden und des FC Hansa Rostock zum 13. Spieltag in der 3. Liga am 23. Oktober 2010 wirft schon seit Wochen seine Schatten voraus. Im Vorverkauf waren nach nur 55 Stunden alle Karten für diese Partie vergriffen und das neue Rudolf-Harbig-Stadion somit zum zweiten Mal nach seiner Inbetriebnahme in einem Pflichtspiel ausverkauft.

Ein vom Rostocker Anhang selbstverwalteter Sonderzug wird rund 1.400 Hansa-Fans nach Dresden bringen. Der Zug soll nach Verlautbarungen aber zumindest von einem Polizeihubschrauber begleitet werden. Das offizielle Kartenkontingent für die Rostocker Anhänger im Dresdner Stadion wird mit 2.370 Plätzen angegeben. Seitens des gastgebenden Vereins wird ausdrücklich darauf hingewiesen, “dass Fans des FC Hansa Rostock am Spieltag keinen Zutritt zum Heimbereich erhalten. Sollten Rostocker Anhänger Karten für den Heimbereich haben, ist ein Umsetzen in den Gästebereich aus Kapazitätsgründen nicht möglich. Die Karten verlieren ihre Gültigkeit, eine Kostenrückerstattung ist nicht möglich!“.

Im Rudolf-Harbig-Stadion werden 350 Security-Mitarbeiter vor Ort sein, um die Partie abzusichern. Zudem begleiten 14 professionelle Ordner und vier Fan-Betreuer die anreisenden Hansa-Fans. Von einem umfassenden Polizeiaufgebot am Hauptbahnhof sowie an neuralgischen Punkten und ebenso rings um das Stadion ist an diesem Tag in Dresden auszugehen. Details zum geplanten Polizeieinsatz wurden bislang nicht öffentlich. “Wir werden mehrere hundert Beamte aus ganz Sachsen im Einsatz haben“, kündigte jedenfalls Dresdens Polizeisprecher Thomas Geithner bereits an. Die Stadiontore öffnen am Spieltag bereits schon 12 Uhr. Für die Live-Übertragung im MDR wurde der Anstoß auf 14.05 Uhr verlegt.

Wie fast immer vor solchen durchaus brisanten Derbys kursieren auf diversen Video-Plattformen Clips zur Mobilisierung, es wird gesprayt und plakatiert, das Internet provozierend für die eigenen Ziele genutzt – letztendlich die unterschiedlichsten Informationskanäle aktivierend bedient. Gleichwohl wabern gewisse Parolen und Gerüchte durch die wie auch immer geartete Fan-Szene. Dessen vorerst ungeachtet plätschert derweil die Ostsee friedlich vor sich hin und es fließt ruhig Wasser die Elbe hinab.

Nach offizieller Leseart habe die derzeitige Mobilisierung – speziell innerhalb der Dresdner Fan-Szene – längst nicht die Ausmaße erreicht, wie beispielsweise noch im Oktober 2007, als es nach der damaligen Partie in der Sachsenliga zwischen der zweiten Mannschaft von Dynamo Dresden und dem 1. FC Lok Leipzig in der sächsischen Landeshauptstadt zu schweren Ausschreitungen gekommen war (Die “Freiheit“ der 5. Liga). Pilgert man derzeit ein wenig durch Dresden, kann sich dahingehend aber auch sehr wohl ein anderweitiger Eindruck offenbaren. Und Parolen und Gerüchte wabern …

Unterdessen publizierten Vertreter beider Vereine einen gemeinsamen Aufruf –

Liebe Dynamo-, liebe Hansa-Fans,

wenn am Sonnabend die Partie zwischen Dynamo Dresden und dem F.C. Hansa Rostock angepfiffen wird, beginnt für beide Vereine der emotionalste und stimmungsvollste Höhepunkt der laufenden Saison. Ein wochenlanges Warten auf den Spieltag und das Hoffen auf zusätzlich frei werdende Kartenkontingente für dieses Ausnahmespiel finden mit dem Anpfiff ein jähes Ende.

Stimmungstechnisch auf den Rängen wird die Partie ein Duell auf Augenhöhe, beide Fanlager sorgen stimmgewaltig für den Support ihrer Mannschaften, sei es auf fremden Plätzen oder im heimischen Stadion. Seit Jahrzehnten ist die Begegnung beider Klubs eine besondere, hart umkämpfte und immer spannende Angelegenheit.

Dynamo Dresden und Hansa Rostock waren stets harte Konkurrenten. Manchmal hatten die Dynamos die Nase vorn, manchmal die Hanseaten. Geschenkt haben wir uns jedenfalls nichts. Und auch die Fans lagen sich nicht in den Armen. Das erwartet auch am Sonnabend keiner.

Beide Fanlager haben gezeigt, dass Partien mit DDR-Oberliga-Charakter friedlich ablaufen können. Man hat sich zahlreich und mächtig, aber auch friedlich organisieren können und positiv am Ruf der Mannschaften arbeiten können.

Gefühlsausbrüche, freche Sprüche und Gesänge, ordentlicher Lärm auf den Rängen – das gehört zu unserem Fußball. Randale, Gewalt und Zündeleien aber brauchen wir nicht! Der Ost-Fußball und die Ost-Fans stehen da unter besonderer Beobachtung. Lasst Euch also nicht provozieren. Die Verlierer wären am Ende unsere Vereine – und die haben nun wirklich kein Geld für DFB-Strafen übrig.

Auf ein tolles Spiel, tolle Stimmung und darauf, dass zweimal 3 Punkte vergeben werden können: für die Besten auf dem Platz und die Besten auf den Rängen.

[Dieter Riedel, Gerd Kische, Thomas Hübener, Sebastian Pelzer, Dixie Dörner, Stefan Beinlich, Reiner Calmund, Juri Schlünz, Hauke Haensel, Bernd Hofmann]

Es gab übrigens früher, für die jetzigen Jüngelchen der Sonnenbrillen-Jogginghosen-Fraktionen aller Couleur wohl nicht mehr nachvollziehbar, schon auch zu DDR-Zeiten so etwas wie eine gewisse Fan-Freundschaft zwischen Dynamo Dresden und Hansa Rostock, von niemandem verordnet, eben einfach so erlebt und gelebt. Und nun? Jogginghose, Sonnenbrille und Handschuhe an? Basecap ab dafür? Wohin soll denn die Reise gehen?

[Dieser Artikel wurde am 21. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]