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Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag

Zwei Wochen staatlicher Antifa-Bemühungen reichen nicht, den ersten Einzug der NPD nach 36 Jahren in ein Länderparlament zu verhindern – der politische Rechtsruck in Sachsen kommt allerdings auch nicht überraschend

Es war 1998, als ein noch relativ unbekannter Fahrlehrer aus der Sächsischen Schweiz im Zuge seiner damaligen Bundestagsdirektkandidatur verlautbarte: “… es geht auch darum, Strukturen aufzubauen, um bereit zu sein, wenn es mal zum Aufstand Ost kommt“. Gut ein Jahr zuvor forderte ein damals fast ebenso Unbekannter in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift EINHEIT & KAMPF den Friedensnobelpreis für Rudolf Heß, “Märtyrer des Friedens!“. Der eine heißt Uwe Leichsenring – mittlerweile nicht nur in seiner Heimatstadt Königstein bekannt durch sehr gute Kontakte zur verbotenen rechtsradikalen Schlägertruppe Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), der andere ist Holger Apfel, Geschäftsführer des “Deutsche Stimme“-Verlags in Riesa. Beide sind Mitglieder der NPD und beide sind nunmehr auch Abgeordnete des Sächsischen Landtages.

Die letzten Tage vor der Landtagswahl in Sachsen erinnerten Beobachter durchaus an den staatlichen “Schickeria-Antifa-Sommer“ des Jahres 2000. Plötzlich öffneten Prominente und Wählerinitiativen – durchaus erschrocken über vorab prognostizierte Wahlchancen der NPD – ihr bis dato halb geschlossenes politisches rechtes Auge und riefen zu Wahlbeteiligung und Stimmabgabe für demokratische Parteien auf.

Die Studie des Bundesamtes für Verfassungsschutz “Ein Jahrzehnt rechtsextremistischer Politik“, in der eine sich mehr und mehr etablierende “organisationsübergreifende gemeinsame Front des völkisch-revolutionären Rechtsextremismus“ beschrieben wird, ist allerdings bereits spätestens seit Dezember 2001 jedem zugänglich. Selbst nach den diesjährigen Ergebnissen zur Europa- und Kommunalwahl herrschte im bürgerlich politischen Sachsen eher betreten beschwichtigendes Schweigen denn aktive Parteinahme gegen rechtsextremistische Parolen. Bezeichnenderweise sagte die bündnisgrüne Spitzenkandidatin Antje Hermenau dann am Landtags-Wahlabend: “Es ist Zeit, dass wir uns mit der NPD politisch auseinander setzen“.

Der Verlust der absoluten Mehrheit für die CDU, die erneuten Stimmrückgänge für die SPD, die auf einen weiteren historischen Tiefstand gesunken ist, der Wiedereinzug von Bündnis 90/Die Grünen und der F.D.P. in den Sächsischen Landtag – all das wird in den Berichterstattungen überlagert vom Stimmergebnis für die NPD. Es war an diesem Wahlsonntag genau 18.36 Uhr, als vor dem gläsernen Landtagsbau in Dresden das Medieninteresse nur noch ein Ziel kannte: die Spitzenkandidaten und die Parteispitze der NPD.

In Siegerpose, umschirmt von Bodyguards, schritt Holger Apfel – bereits auch Stadtrat für das so genannte “Nationale Bündnis“ in Dresden – mit seinem Gefolge die breite Freitreppe empor. Später musste dann selbst der amtierende Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) leicht genervt minutenlang im Vorbereich des MDR-Wahlstudios ausharren, weil dort erst einmal Apfel interviewt wurde. Mit kurzzeitig ausgestrecktem rechten Arm und an der Seite des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, im Hintergrund die NPD-Fahne, verkündete Apfel im Statement-Bereich des Landtages einen “großartigen Tag für alle Deutschen, die noch Deutsche sein wollen“. Begleitet wurde sein Auftritt allerdings von lautstarken Unmutsbekundungen und “Nazis raus!“-Rufen. Auch vor dem Sächsischen Landtag demonstrierten an diesem Abend rund 300 Menschen gegen den Einzug der NPD.

Bereits wie bei den Europa- und Kommunalwahlen (Die Mitte der Gesellschaft?) erreichte die NPD örtliche Spitzenwerte: Reinhardtsdorf-Schöna 23,1 Prozent; Hohnstein 18,3 Prozent; Kreba-Neudorf 16,8 Prozent; Sebnitz 15,8 Prozent. Und im Wahlkreis 22 – Mittweida 2 – konnte die NPD beispielsweise mit 18,1 Prozent hinter der CDU die zweit meisten Direktstimmen auf sich verbuchen.

Wenn Politikwissenschaftler nach dieser Sachsen-Wahl eine mittlere Kurzlebigkeit des NPD-Erfolges prognostizieren und – wie Parteienvertreter ebenso – auf eine “Entzauberung“ im Parlament und Selbstbeschäftigung der Rechtsextremen mit sich selbst setzen, dann lassen sie – auch im Vergleich mit Sachsen-Anhalt und Brandenburg – die durchaus straffe personelle Organisation sowie eine mittlerweile erfolgte Verankerung der NPD in der Mitte der Gesellschaft unbeachtet. Der sächsische Verfassungsschutz beispielsweise befürchtet – so berichtet die Tageszeitung “Rheinpfalz“ unter Berufung auf eine entsprechende Notiz – nach der Wahl steigende Mitgliederzahlen bei der NPD. Die finanziellen Mittel und die Logistik für die längst ins Auge gefassten Strukturen werden der NPD nun auch staatlicherseits zur Verfügung gestellt – mit garantierter Wirkung über Sachsen und den Osten der Bundesrepublik hinaus.

Wie formulierte der eingangs bereits zitierte Leichsenring schon vor Jahren: “Natürlich sind wir verfassungsfeindlich. Wir wollen eine andere Gesellschaftsordnung“. Sachsen hatte die Wahl.

[Dieser Artikel wurde am 20. September 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]

Der Weihnachtsosterhase

Eine ungewöhnliche Jahresendkartenaktion mit dem landeseigenen Ministerpräsidenten soll Aufsehen erregend für Sachsen werben

Zur Zeit kann man dem sächsischen Ministerpräsidenten, Georg Milbradt (CDU), kaum entgehen, obwohl die politische Weihnachtszeit auch in Sachsen fast schon angebrochen ist. Vielleicht liegt es aber am relativ bescheidenen Bekanntheitsgrad des CDU-Politikers Milbradt, dass die eine oder andere mit seinem Gesicht nicht unbedingt sofort einen Zusammenhang herstellen kann. Im Gegensatz jedenfalls zu seinem Vorgänger, Kurt Biedenkopf (CDU), der ja bekanntlich seiner Titulierung als “Landesvater“ gar geschmeichelt und gar nicht ablehnend gegenüberstand.

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(Faksimile: O.M.)

Nun steht, liegt oder hängt in vielen Gaststätten, Kinos und weiter derart prädestinierten Orten der sonst kaum so omnipräsente aktuelle sächsische Ministerpräsident, quasi als “Landespappi in immer noch Lauerstellung“. Damit aus dem “Landespappi“ vielleicht auch mal ein “Landesvater“ werden kann, wurden garantiert schlaue Taktiken in Erwägung gezogen, wieder verworfen, um dann durch noch geschicktere PR-Kampagnen den eher dürftigen politischen Inhalt schönend unters Wahlvolk zu bringen. Und mit so einem PR-Produkt werden nun beispielsweise unschuldige Kneipenbesucher und Kinogänger wie aus heiterem Weihnachtshimmel, sagen wir, konfrontiert, um die Worte “erschreckt“ oder “irritiert“ an dieser Stelle tunlichst doch zu vermeiden.

Sie sehen einen etwas krampfhaft grinsenden Ministerpräsidenten unter dem Weihnachtsbaum, der ihnen ein “Frohes Fest“ wünscht. So weit, so noch ganz gut. Für den vielleicht, der diese als City-Card angelegte propagandistische Fest-Botschaft per Post an die lieben Verwanden ins nicht CDU-regierte Ausland zu versenden beabsichtigt. Doch etwas mag den Betrachter, auch im CDU-regierten Sachsen, dann doch leicht stutzig machen: Im Arm des sächsischen Ministerpräsidenten kuschelt sich, unterm Weihnachtsbaum, ein Osterhase. Was will uns Herr Milbradt, was will uns die sächsische Union damit sagen?

Politische Geschenke vielleicht, zu jeder Zeit fürs Wahlvolk, ob Weihnachten oder Ostern? Die diese Karte zudem zierende Botschaft “Sachsen – wieder einen Schritt voraus“, macht eine treffende Erklärung auch nicht unbedingt einfacher. Aufhellende Auskunft erfährt der politinteressierte Weihnachtsosterforscher dann über die Website der CDU Sachsen. Die so genannte “WOster-Karte“, selbstredend online als “originell“ bezeichnet, “soll zeigen, dass Sachsen ein besonders innovatives und vorausschauendes Völkchen ist“.

[Dieser Artikel wurde am 24. Dezember 2003 bei Telepolis veröffentlicht.]