Wir erinnern uns, was bisher geschah – Edgar wollte Rasen mähen …
Der Rasen musste nicht lange warten und Eddi – von seinen Freunden immer noch so genannt – hatte auch sonst genügend zu tun, von wegen Rentner haben niemals Zeit.
Vor allem während der gärtnerischen Saison kam er nur selten dazu, dem sonnabendlichen Sport im Osten beim MDR eine Chance zu geben.
“Ach, der MDR“, murmelte Edgar öfter vor sich hin, wenn er in seinen Beeten werkelte oder wieder einmal den Rasen mähte. “Mit Deiner Rente, so verballhornen die Leute das Senderkürzel, das ham’ die aber nicht wirklich verdient.“ Was er nun damit genau meinte, wurde aus seinem Gemurmel allerdings nie so richtig deutlich.
Fast ein Jahr war unterdessen ins Land gegangen, viel Wasser die Elbe und die Pleiße seitdem hinabgeplätschert, als Eddi sich damals fragte, ob die Sendung Sport im Osten nicht auch schon einmal besser und der Fußballsport als solcher noch früher nicht irgendwie ehrlicher war, wenigstens ein bisschen?
Und er hat oft nachgedacht, über den Fußball in seiner Region und auch den MDR. Aber das mit dem MDR würde er nie zugeben, nicht einmal in der trauten – durchaus zuweilen weise vor sich hin philosophierenden – Rentner-Runde bei Grohmann Siggi seinem Getränkestützpunkt um die Ecke.
Nun ist es fast schon wieder Herbst und Sonnabend, die Gartenarbeit im Großen und Ganzen getan. “Vielleicht einen Rasenschnitt noch?“, überlegt Edgar vor sich hin. Und beschließt dann, doch wieder einmal bei Sport im Osten ’reinzuschauen. Wer weiß, wer weiß?
Aber etwas Zeit bleibt noch, zumal er seinem Enkel versprochen hat, ihm bei dessen Hausaufgaben ein wenig zu helfen. Schließlich soll ja der Junior nächste Woche eine gelungene Arbeit rund um das Thema ’Peinlichkeiten’ in der Schule abgeben. Und versprochen ist versprochen, so als Ehrenwort zwischen Opa und Enkel – aber pssssst.
Ganz old school – ja, auch Eddi hat eine Vergangenheit – greift der Fußball-Opa nach dem sechzehnten Band der Brockhaus Enzyklopädie und findet an entsprechender Stelle Schlagworte wie ’unangenehm’ und ’beschämend’. “Naja, das Gelbe vom Ei ist das nun aber noch nicht“, nuschelt Edgar vor sich hin.
Also auf ins Internet, denkt sich Eddi, die wissen dort doch immer alles. Jedenfalls soll man einiges in diesem WorldWideWeb finden können, hat er von seinem Enkel gehört. Und Dank dem schnellen Anschluss, den sein Enkel wohl auch eigennützigerweise in Edgars Häuschen eingerichtet hat, flutschen die Daten nur so über den Bildschirm.
Erst vergaloppiert sich Eddi virtuell ein wenig, alldieweil der kleine Racker als Browser-Startseite Ostfussball.com eingerichtet hat. “Wie kann ich das nur ändern?“, grübelt Edgar, amüsiert sich aber nebenbei dortselbst erst einmal über die Diskussion um einen 11Freunde-Artikel zum RasenBall-Verein aus Leipzig.
“Vielleicht sollte ich doch wieder öfter Sport im Osten schauen, die scheinen den Verein ja richtig zu mögen“, murmelt Eddi erstaunt vor sich hin. “Aber Red Bull?“ – Edgar schüttelt den Kopf und schielt nach einer Hülse aus der regionalen Bierproduktion. “Mal langsam“, sagt er für sich, “Sport im Osten fängt noch lange nicht an, erst kommt der Enkel“. “Und vielleicht später dann eine Hülse“, kichert er noch leise hinterher.
“Also weiter durch dieses Internet“, murmelt Eddi, drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus und lässt die Finger auf der Tastatur spielen. “Vom Enkel lernen, heißt siegen lernen“, spricht er sich dabei selbst Mut zu. Aber auch Wikipedia liefert auf die fingerfertig bezügliche Suchanfrage von Edgar nur pseudoerklärende Stichworte wie ’sehr unangenehme Belästigung’.
Edgar denkt an seinen Enkel, denkt an die abzuliefernde Hausarbeit des Juniors – Eddi mag nicht aufgeben, schließlich ist noch ein Quentchen old school in ihm lebendig.
Hoppla, was ist das denn? Edgar stutzt. Irgendwie muss er auf der Tastatur abgerutscht sein, ein zweites Fenster in seinem Browser hat sich wie von Geisterhand geöffnet. Ein Schnappschuss aus irgend so einem Ultra-Forum flimmert plötzlich auf seinem Bildschirm –
“Sind das nicht die lustigen Anhänger von diesen RasenBallsportlern aus Leipzig letztens im Stadion von Osnabrück?“, überlegt Eddi. Und er denkt an die Hausarbeit seines Enkels. “Na, wenn das nicht peinlich ist“, murmelt er leise vor sich hin.
Die schulische Arbeit des Enkels scheint gerettet. Edgar lehnt sich leicht zurück, tastet nach einer Hülse, seufzt leise, da er noch mehr Hülsen aus der regionalen Bierproduktion im Hause weiß – aber kein Red Bull. Seine Recherchen zur Hausarbeit wird Eddi dann seinem Enkel später via E-Mail schicken, das ist für ihn mittlerweile kein Problem mehr.
“Davon werden noch die Kinder seiner Kinder erzählen“, grinst Edgar in sich hinein. “Oder vielleicht wird davon auch gar nichts groß übrig bleiben, wenn’s dann das Zeug die Pleiße hinab gespült hat irgendwann“, klingt seine Stimme nachdenklich. “Die Kinder deiner Kinder kennen deinen Namen schon nicht mehr“, melodiert es wie zufällig leise nachhallend aus den Lautsprecherboxen durch den kleinen Arbeitsraum im beschaulichen Häuschen.
Aber jetzt gleich läuft erst einmal Sport im Osten über den Bildschirm. Eddi will es wissen. Er hat die Fernbedienung schon in der Hand. Edgar denkt an seinen Enkel, grübelt über Peinlichkeiten – und schaut trotzdem MDR.
Leise summt Eddi vor sich hin: The Times They Are a-Changin’ …
[Dieser Beitrag wurde am 21. September 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]
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