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LVZ-Fußballkrieg: Offene Fragen

Die Begegnung in der 3. Hauptrunde im diessaisonalen Wernesgrüner Pokal-Sachsen zwischen 1. FC Lokomotive Leipzig und RasenBallsport Leipzig endete am 12. Oktober mit einem 0:2 auf dem Rasen des Zentralstadions – ein friedliches Fußballfest. Aber offenbar nicht überall in Leipzig war es an diesem Tag gleichermaßen friedfertig, und sei dem nur an der einen oder anderen Tastatur elektronischer Geräte in öffentlich verantwortlichen Bereichen der Stadt so gewesen sein.

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(Foto: O.M.)

Für zirka zwei Stunden war auf dem Online-Portal der Leipziger Volkszeitung (LVZ) realtiv umfassend und auch detailliert von “Ausschreitungen während des Leipzig-Derbys“ zu lesen.

“(…) Während des Pokalspiels zwischen Lok und RB Leipzig (…) ist es nach Polizeiangaben zu Ausschreitungen gekommen. Gegen 16 Uhr – also mit Beginn der zweiten Halbzeit des Derbys – habe es außerhalb des Stadions eine Auseinandersetzung zwischen den Fan-Lagern gegeben. Etwa 500 Lok-Anhänger griffen demnach im Bereich des Parkplatzes Friedrich-Ebert-Straße auch den Ordnungsdienst an. Als die Polizei einschritt, warfen die Randalierer Steine und Flaschen nach den Beamten, schlugen und traten sie.

Wie die Polizei weiter mitteilte, wurde zunächst versucht, die Situation mit Lautsprecherdurchsagen zu beruhigen. Nachdem dies erfolglos blieb, setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Hunde ein. Den Angaben zufolge wurden die Angreifer so in Richtung Waldplatz abgedrängt und der Parkplatz gegen 16.25 Uhr geräumt. Die Polizisten nahmen elf Personen vorläufig fest und leiteten zahlreiche Ermittlungsverfahren ein. Insgesamt wurden offenbar fünf Polizeifahrzeuge durch Steinwürfe beschädigt, die Beamten wurden nicht verletzt (…)“ [© LVZ-Online].

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(Screenshot: LVZ-Online.de)

Die geneigte LVZ-Leserschar mag sich zuerst das eine und dann das andere Auge gerieben, umgehend vielleicht Bekannte in der Stadt auf medialen Wegen dringend vor den bürgerkriegsähnlichen Zuständen gewarnt, sich dann aber beide Augen gleichzeitig gerieben haben, denn LVZ-Online.de zog blank und verlautbarte, lediglich “eine fehlerhafte Pressemitteilung der Polizei“ habe “für Verwirrung“ gesorgt.

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(Screenshot: Polizeidirektion Leipzig)

Resümierend könnte der LVZ allerdings auch unterstellt werden: Kleinen journalistischen Blitzkrieg geführt, Vorurteile ausgelebt, Fußballmob wunschdenkend gedisst, ’Schwarzen Peter’ verteilt, Hände in Unschuld gewaschen, Pressekodex wieder aus der Schublade hervor geholt – fert’sch, wie zuweilen noch sächsisch gesagt wird.

Hernach die imaginären Wasserwerfersprühnebel verzogen und die virtuellen Lautsprecherdurchsagen verklungen sind, bleiben allerdings Fragen. Und diese öffentlich zu stellen, nimmt sich Ostfussball.com die Freiheit.

Sehr geehrte Damen und Herren in der Sportredaktion der LVZ,

nach dem unser telefonischer Kontaktversuch am heutigen Nachmittag – Ihrerseits ein wenig unüblich mit der Bitte auf eine schriftliche Anfrage verweisend – nicht zustand kam, erlauben wir uns, Ihnen auf eben diesem Weg folgende Fragen zu stellen –

Rund um das Sachsenpokalspiel zwischen Lok Leipzig und RasenBallsport Leipzig am 12. Oktober dieses Jahres wurde durch LVZ-Online.de vorübergehend in einem nicht gerade kurzen Artikel von “Ausschreitungen während des Leipzig-Derbys“ berichtet (Screenshot). Mit der Terminierung von 20:08 Uhr war dann einige Zeit später bei LVZ-Online.de zu lesen: “(…) Nach der Begegnung sorgte eine fehlerhafte Pressemitteilung der Polizei für Verwirrung. Anders als darin mitgeteilt, kam es während des Spiels nicht zu Ausschreitungen (…)“.

AD 1: Besteht Ihrer Auffassung nach die Möglichkeit, dass – so wie von Ihnen dargestellt – eine gut halbstündige gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Fußballfans und der Polizei unter Einsatz von Wasserwerfen [etc pp.] im Stadtbereich von Leipzig für andere Medien/Nachrichtenagenturen unbemerkt bleiben könnte?

AD 2: Gab es entsprechende Rückfragen Ihrerseits an den Führungsstab der polizeilichen Einsatzkräfte beziehungsweise Kolleginnen oder Kollegen Ihrer Redaktion am Ort des Geschehens?

AD 3: Welchen Wortlaut hatte die von Ihnen als Entschuldigung angeführte Pressemitteilung der Polizeidirektion Leipzig?

AD 4: Wann und auf welchem Weg hat Ihre Redaktion besagte Pressemitteilung erreicht?

In Erwartung Ihrer baldigen Antworten …

Eine vorab via E-Mail an die Leipziger Polizeibehörde gestellte Anfrage, ob die Darstellung der LVZ hinsichtlich ’einer fehlerhaften Pressemitteilung’ bei der Berichterstattung rund um die Pokalpartie 1. FC Lok Leipzig vs. RasenBallsport Leipzig so bestätigt werden könnte, blieb bis zum heutigen Nachmittag unbeantwortet. Ab 16:30 Uhr war in der Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig beziehungsweise jemand dort in der Angelegenheit Kundiger nicht mehr zu erreichen.

Sei’s drum, die Fragen bleiben, wir warten …

– Update 16. Oktober 2013 (17:15 Uhr) –

Wenn wir einmal die leichte Polemik eines Teils unserer Anfragen an die Leipziger Volkszeitung ein wenig außen vor lassen, ergibt sich nach Antworten aus der dortigen Sportredaktion – nicht aus der Online-Redaktion – mittlerweile ein noch nicht vollendetes Puzzle.

  • Der Ressortleiter Sport, Winfried Wächter, war am 12. Oktober selbst vor Ort und kann sich “nicht vorstellen, dass eine solche Auseinandersetzung in Stadionnähe unbemerkt geblieben wäre“.
  • Da die Leipziger Volkszeitung an Sonntagen nicht mit einer Print-Ausgabe erscheint, wurde “auch erst am Sonntag mit der Polizei Kontakt aufgenommen“. Da nach Kenntnis des Ressortleiters Sport nichts passiert war, sah dieser “auch keinen Grund, anders zu verfahren. Unsere Online-Kollegen werden sicher anders verfahren sein“.
  • Die Polizeidirektion Leipzig allerdings hat wohl eine E-Mail mit folgendem Wortlaut versandt –
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    anbei die Korrektur unserer PM, da fälschlicherweise eine zweite Seite mit veröffentlicht wurde.
    Wir bitten um Entschuldigung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Die Pressestelle
  • Der bereinigt korrigierte Inhalt der Pressemitteilung (Screenshot) wurde in der Montagausgabe der LVZ veröffentlicht.
  • Uwe Voigt, Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig, reagierte auf eine ganz eigene Art – “… ich bitte Sie die Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig zu Ihrer Anfrage zurückzurufen, ehe ich ellenlange Texte schreibe!!!“ – Chapeau! Und ellenlang erfolgloses Telefonläuten ohne Wasserwerferrauschen in der offenen Warteschleife der Leipziger Polizeidirektion …

Wann und an wen besagte Polizei-E-Mail gesendet wurde und welchen Inhalt die ominöse ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ gehabt hat, ist mithin nach wie vor offen. Genau wie gleichfalls weiterhin im Nebel liegt, wie die Online-Kollegen der LVZ letztendlich zu ihrem großen Auftritt gekommen sind.

– Update 16. Oktober 2013 (21:24 Uhr) –

Sehr geehrter Herr Pressesprecher Uwe Voigt,

zur Berichterstattung rund um das Sachsenpokalspiel 1. FC Lok Leipzig gegen RasenBallsport Leipzig am 12. Oktober nicht ellenlang, sondern kurz gefragt:

  1. Stimmt es, dass die Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig im bezüglichen Zusammenhang an Medien eine E-Mail mit folgendem Inhalt verschickte? – “(…) anbei die Korrektur unserer PM, da fälschlicherweise eine zweite Seite mit veröffentlicht wurde. Wir bitten um Entschuldigung (…)“
  2. Wenn Ja: Wann wurde diese E-Mail versandt?
  3. Wenn Ja: Wurde diese E-Mail lediglich an die LVZ-Sportredaktion beziehungsweise die LVZ-Online-Redaktion verschickt oder auch darüber hinaus verbreitet?
  4. Wenn Ja: Welchen Inhalt hatte die ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ der Pressemitteilung?
  5. Wenn Ja: Auf welcher Grundlage wurde die ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ erstellt?
  6. Wenn Ja: Wer zeichnet für den Inhalt der ’fälschlicherweise veröffentlichten zweiten Seite’ verantwortlich?
  7. Welcher Pressesprecher beziehunsgweise Medienbeauftragte der Polizeidirektion Leipzig war während der Absicherung der Fußballveranstaltung vor Ort?

Doch nicht ganz so kurz geworden, mea culpa, aber so ellenlang brauchen Sie ja nicht antworten.

In Erwartung …

… und mit freundlichen Grüßen …

[Dieser Artikel wurde – zuerst ohne Updates – am 15. Oktober 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

[Nachsatz vom 16. Oktober 2013 -> 6 vor 9 @ BILDblog.de]

RasenBall-Fans: Peinlicher geht immer

Wir erinnern uns, was bisher geschah – Edgar wollte Rasen mähen …

Der Rasen musste nicht lange warten und Eddi – von seinen Freunden immer noch so genannt – hatte auch sonst genügend zu tun, von wegen Rentner haben niemals Zeit.

Vor allem während der gärtnerischen Saison kam er nur selten dazu, dem sonnabendlichen Sport im Osten beim MDR eine Chance zu geben.

“Ach, der MDR“, murmelte Edgar öfter vor sich hin, wenn er in seinen Beeten werkelte oder wieder einmal den Rasen mähte. “Mit Deiner Rente, so verballhornen die Leute das Senderkürzel, das ham’ die aber nicht wirklich verdient.“ Was er nun damit genau meinte, wurde aus seinem Gemurmel allerdings nie so richtig deutlich.

Fast ein Jahr war unterdessen ins Land gegangen, viel Wasser die Elbe und die Pleiße seitdem hinabgeplätschert, als Eddi sich damals fragte, ob die Sendung Sport im Osten nicht auch schon einmal besser und der Fußballsport als solcher noch früher nicht irgendwie ehrlicher war, wenigstens ein bisschen?

Und er hat oft nachgedacht, über den Fußball in seiner Region und auch den MDR. Aber das mit dem MDR würde er nie zugeben, nicht einmal in der trauten – durchaus zuweilen weise vor sich hin philosophierenden – Rentner-Runde bei Grohmann Siggi seinem Getränkestützpunkt um die Ecke.

Nun ist es fast schon wieder Herbst und Sonnabend, die Gartenarbeit im Großen und Ganzen getan. “Vielleicht einen Rasenschnitt noch?“, überlegt Edgar vor sich hin. Und beschließt dann, doch wieder einmal bei Sport im Osten ’reinzuschauen. Wer weiß, wer weiß?

Aber etwas Zeit bleibt noch, zumal er seinem Enkel versprochen hat, ihm bei dessen Hausaufgaben ein wenig zu helfen. Schließlich soll ja der Junior nächste Woche eine gelungene Arbeit rund um das Thema ’Peinlichkeiten’ in der Schule abgeben. Und versprochen ist versprochen, so als Ehrenwort zwischen Opa und Enkel – aber pssssst.

Ganz old school – ja, auch Eddi hat eine Vergangenheit – greift der Fußball-Opa nach dem sechzehnten Band der Brockhaus Enzyklopädie und findet an entsprechender Stelle Schlagworte wie ’unangenehm’ und ’beschämend’. “Naja, das Gelbe vom Ei ist das nun aber noch nicht“, nuschelt Edgar vor sich hin.

Also auf ins Internet, denkt sich Eddi, die wissen dort doch immer alles. Jedenfalls soll man einiges in diesem WorldWideWeb finden können, hat er von seinem Enkel gehört. Und Dank dem schnellen Anschluss, den sein Enkel wohl auch eigennützigerweise in Edgars Häuschen eingerichtet hat, flutschen die Daten nur so über den Bildschirm.

Erst vergaloppiert sich Eddi virtuell ein wenig, alldieweil der kleine Racker als Browser-Startseite Ostfussball.com eingerichtet hat. “Wie kann ich das nur ändern?“, grübelt Edgar, amüsiert sich aber nebenbei dortselbst erst einmal über die Diskussion um einen 11Freunde-Artikel zum RasenBall-Verein aus Leipzig.

“Vielleicht sollte ich doch wieder öfter Sport im Osten schauen, die scheinen den Verein ja richtig zu mögen“, murmelt Eddi erstaunt vor sich hin. “Aber Red Bull?“ – Edgar schüttelt den Kopf und schielt nach einer Hülse aus der regionalen Bierproduktion. “Mal langsam“, sagt er für sich, “Sport im Osten fängt noch lange nicht an, erst kommt der Enkel“. “Und vielleicht später dann eine Hülse“, kichert er noch leise hinterher.

“Also weiter durch dieses Internet“, murmelt Eddi, drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus und lässt die Finger auf der Tastatur spielen. “Vom Enkel lernen, heißt siegen lernen“, spricht er sich dabei selbst Mut zu. Aber auch Wikipedia liefert auf die fingerfertig bezügliche Suchanfrage von Edgar nur pseudoerklärende Stichworte wie ’sehr unangenehme Belästigung’.

Edgar denkt an seinen Enkel, denkt an die abzuliefernde Hausarbeit des Juniors – Eddi mag nicht aufgeben, schließlich ist noch ein Quentchen old school in ihm lebendig.

Hoppla, was ist das denn? Edgar stutzt. Irgendwie muss er auf der Tastatur abgerutscht sein, ein zweites Fenster in seinem Browser hat sich wie von Geisterhand geöffnet. Ein Schnappschuss aus irgend so einem Ultra-Forum flimmert plötzlich auf seinem Bildschirm –

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(Screenshot: ultras.ws)

“Sind das nicht die lustigen Anhänger von diesen RasenBallsportlern aus Leipzig letztens im Stadion von Osnabrück?“, überlegt Eddi. Und er denkt an die Hausarbeit seines Enkels. “Na, wenn das nicht peinlich ist“, murmelt er leise vor sich hin.

Die schulische Arbeit des Enkels scheint gerettet. Edgar lehnt sich leicht zurück, tastet nach einer Hülse, seufzt leise, da er noch mehr Hülsen aus der regionalen Bierproduktion im Hause weiß – aber kein Red Bull. Seine Recherchen zur Hausarbeit wird Eddi dann seinem Enkel später via E-Mail schicken, das ist für ihn mittlerweile kein Problem mehr.

“Davon werden noch die Kinder seiner Kinder erzählen“, grinst Edgar in sich hinein. “Oder vielleicht wird davon auch gar nichts groß übrig bleiben, wenn’s dann das Zeug die Pleiße hinab gespült hat irgendwann“, klingt seine Stimme nachdenklich. “Die Kinder deiner Kinder kennen deinen Namen schon nicht mehr“, melodiert es wie zufällig leise nachhallend aus den Lautsprecherboxen durch den kleinen Arbeitsraum im beschaulichen Häuschen.

Aber jetzt gleich läuft erst einmal Sport im Osten über den Bildschirm. Eddi will es wissen. Er hat die Fernbedienung schon in der Hand. Edgar denkt an seinen Enkel, grübelt über Peinlichkeiten – und schaut trotzdem MDR.

Leise summt Eddi vor sich hin: The Times They Are a-Changin’ …

[Dieser Beitrag wurde am 21. September 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

***

MedienScreen # 30 [Red Bull Leipzig, Heuschrecke]

[Fundstück] Christoph Ruf, “Wer sehen will, muss hören“, Sonntagsschuss, neues-deutschland.de, 9. September 2013 –

(…) Wer Hoffnungen weckt, ruft RB Leipzig auf den Plan. Das Salzburger Brause-Imperium mit Filiale im Sächsischen will bekanntlich in möglichst kurzer Zeit in der ersten Liga den Ruhm des Kaugummi-Gesöffs mehren (…)

Auch wenn RB Leipzig es geschickt anstellt – die Werbebedröhnung ist nicht exzessiver als bei den meisten Traditionsvereinen (was gegen letztere und nicht für RB Leipzig spricht) – im Vergleich zum Salzburger Imperialismus nimmt sich das Hoffenheim des Dietmar Hopp ja tatsächlich fast schon harmlos aus.

Ich verstehe jedenfalls all die traurigen Leipziger Fußballfans, die zu Lok oder einem der unzähligen Spaltprodukte von Chemie halten und mit einer Mischung aus Wut und Resignation auf die Zuschauerzahlen des neureichen Konkurrenten mit seinen vielen “Fans” im brandneuen Fantrikot schauen (…)

Sie werden schon bald Erstligafußball sehen können. Doch wer sehen will, muss auch hören: Alle Fankurven von Hamburg bis München werden sehr deutlich machen, was sie von einem roten Bullen halten, der in Wahrheit eine Heuschrecke ist.

[Dieser Beitrag wurde am 11. September 2013 bei Ostfussball.com publiziert.]

ZFC Meuselwitz: Unmoralisches Aufstiegsangebot durch RasenBallsport Leipzig?

Bei relativ ungemütlichem Wetter beschließt Edgar, gemütlich zurück gelehnt im häuslichen Sessel, zur Abwechslung einmal wieder dem sonnabendlichen Sport im Osten beim MDR eine Chance zu geben, gedacht – getan. Eine Hülse aus der regionalen Bierproduktion ist zur Hand, die Fernbedienung wählt unter fingerfertiger Bedienung den entsprechenden TV-Kanal und los geht’s. Draußen ist es, wie gesagt, sowieso ungemütlich und Fußball als solcher, besonders der regionale, interessiert Edgar schon mehr als nur weniger.

Die Sendung plätschert so vor sich hin, genau wie Edgar – von seinen Freunden übrigens Eddi genannt – es von vormaligen Stippvisiten dortselbst in Erinnerung hat. Außerdem ärgert sich Edgar ein wenig, dass er voreilig nach den Ergebnissen der Spiele im Videotext geschaut hat, so toll ist es für die ostdeutschen Vereine am aktuellen Spieltag in den Ligen nicht gelaufen. Schade – aber was soll’s, draußen ist es nicht gemütlicher geworden und Edgar will die Sendung nun auch bis zum Ende schauen, genehmigt sich dafür sogar noch eine zweite Hülse aus regionaler Bierproduktion.

Als der Bericht zur Regionalliga-Begegnung RB Leipzig gegen ZFC Meuselwitz beginnt, murmelt Eddi kurz vor sich hin “RasenBallsport heißen die, RasenBallsport, fast genau so wie Red Bull, nur eben länger, für den MDR wohl zu lang“ und verpasst dadurch ein wenig den Reportage-Einstieg zur Partie. Was war da mit Rasen mähen?, grübelt Edgar. Rasen mähen als Prämie für die Meuselwitzer, falls sie den Rasenballern aus Leipzig gegenüber dem Halleschen FC in der Vorsaison letztendlich zum Aufstieg verholfen hätten?

War die Sendung nicht auch schon einmal besser, als sich unbedingt solcher Reporter-Späßchen bemühen zu müssen?, sinniert Edgar nun vor sich hin und denkt leise seufzend an seinen ungemähten Rasen vor dem Haus.

Das Spiel plätschert, vom Freitagabend zusammengefasst, genau so wie die ganze sonnabendliche MDR-Sendung vor sich hin, die Leipziger – Eddi nuschelt wiederholt “Retortenverein“ – besiegen die Meuselwitzer mit 2:0 scheinbar relativ mühelos. Aber das wusste Edgar ja sowieso schon vom Videotext her.

Fast schon will Eddi, nun doch ein wenig gelangweilt von der Trivialität der Berichterstattung, abschalten oder zumindest den Sender wechseln, da ist gegen Ende des fast achtminütigen MDR-Beitrages schon wieder vom “Rasen mähen“, diesmal regelrecht als Prämie tituliert, die Rede.

Ach Quatsch, denkt Edgar, wer mäht denn wohl billig, fast kostenneutral, den Rasen eines sportlichen Kontrahenten, wenn dieser sich bezüglich eines anderen Rivalen um den Aufstieg in eine höhere Liga mehr oder weniger devot ergebnisdienstlich zeigt? – und dreht unter fingerfertiger Betätigung der Fernbedienung nach ungefähr sechs Minuten und paarunddreißig Sekunden den Ton seines Fernsehgerätes trotzdem etwas lauter …

Meine Güte, Eddi erschrickt fast, als der MDR beim Kapitän von RasenBallsport Leipzig – Daniel Frahn: ’Wenn wir den Aufstieg geschafft hätten, hätte ich mich auch in ’nen Trecker gesetzt und dort den Rasen gemäht’ – sogar senderunüblich noch einmal nachhakt und Herr Frahn plötzlich von einer wohl dahingenend noch ’anderen Sache’ zu sprechen anhebt.

“Alles Quatsch?“, fragt der MDR-Reporter nochmals nach – Edgar reibt sich fast zeitgleich Augen und Ohren und hat die halbvolle Hülse aus regionaler Bierproduktion derweil fast vergessen – und hört nur noch ein genuscheltes ’Nö, nicht alles Quatsch’ aus dem Mund von Daniel Frahn. Die sich anschließend ein wenig aufgeregt wirkende Äußerung von ZFC-Kapitän Frank Müller – ’Es wurde gesagt, für eine Zielleistung, falls wir gewinnen, zeigt sich RB erkenntlich’ – nimmt Eddi allerdings kaum noch so richtig zur Kenntnis.

Edgar denkt derweil an seinen Rasen vor dem Haus, den er wohl morgen oder irgenwann doch allein mähen muss. Er schaltet den Fernseher fingerfertig fernbedienend aus, streicht innerlich ZFC Meuselwitz von der Liste bislang sympathischer Vereine und ist sich sicher, kein Red Bull im Hause zu haben. Und allein das schon stimmt Eddi einigermaßen zufrieden – und noch zufriedener, dass der Traditionsverein Hallescher FC zu seiner persönlichen Freude damals trotzdem aufgestiegen ist. Nur der Rasen müsste eben mal wieder gemäht werden, bilanziert Edgar, aus dem Fenster schauend.

“Und komme mir jetzt bitte nicht mit ’Ein Stück weit unmoralisch ist so ein Angebot schon. Aber auch nicht wirklich unüblich. Und schon gar nicht strafbar’, Blöd-Zeitung, Du“, ruft Edgar noch hinter her. Kolportierte 25.000 Euro – für was denn? Der Rasen wartet, Eddi hat zu tun …

[Dieser Beitrag wurde am 7. Oktober 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

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MedienScreen # 19 [Red Bull, Gefahr für den Fußball]

[Fundstück] “Die Dose der Pandora“, 11freunde.de, 27. April 2012 –

(…) Eigentlich dürfte es diesen Klub gar nicht geben. Jedenfalls dann nicht, wenn sich die Fußballverbände an ihre Regeln halten würden. Als RB Leipzig am 8. August 2009 zum ersten Spiel seiner Vereinsgeschichte gegen die zweite Mannschaft von Carl Zeiss Jena antrat, war das noch so. Damals hatte der Sächsische Fußball-Verband (SFV) alle Entwürfe für das Vereinsemblem abgelehnt, weil es dem Markenzeichen des Konzerns zu ähnlich war. Denn genau das verbietet die Satzung des Verbandes, in § 12 heißt es: “Änderungen, Ergänzungen oder Neugebung von Vereinsnamen und Vereinszeichen zum Zwecke der Werbung sind unzulässig.“ Das gilt nicht nur in Sachsen, sondern im gesamten deutschen Fußball. § 15 der Satzung des Deutschen Fußball-Bundes benutzt die exakt gleiche Formulierung, und auch für die Deutsche Fußball Liga ist sie verbindlich.

Ausnahmen von der Regel gibt es nur dort, wo Klubs als Betriebssportgemeinschaften gegründet wurden und daher Unternehmensnamen bzw. dessen Logo im Vereinsemblem tragen, wie etwa bei Bayer Leverkusen oder Carl Zeiss Jena. In den Siebzigern hatte es in der zweiten Liga noch zwei Fälle gegeben, bei denen Sponsoren Klubs umbenannten. Der SV Waldhof hieß damals nach einem Chipshersteller SV Chio Waldhof Mannheim, und ein Geldgeber brachte beim SC Westfalia Herne zwischenzeitlich den Namen seiner Tankstellenkette unter: Westfalia Goldin Herne. Ende der siebziger Jahre untersagte der DFB solche Umbenennungen.

Der Trick, das Verbot zu umgehen, wurde aber nicht in Leipzig erfunden, sondern in der westfälischen Provinz. Als der TuS Ahlen und Blau-Weiß Ahlen 1996 fusionierten, hieß der neue Verein verblüffend umständlich Leichtathletik und Rasensport Ahlen. Die Abkürzung LR stand wie zufällig auch für das Unternehmen des Sponsors Helmut Spikkers: LR International. Das Verbot, mit dem Vereinsnamen zu werben, unterläuft RB Leipzig jedoch viel konsequenter, als es LR Ahlen getan hat. Offiziell steht das Kürzel zwar für RasenBallsport, doch der Klub benutzt den Namen fast nirgends. Auf den Plakaten in der Stadt, der Stadionzeitung oder Homepage ist konsequent von den “Roten Bullen“ die Rede, als sei das ein Traditionsname wie “Die Roten Teufel“ oder “Die Knappen“. Einer besonderen Transferleistung von Roten Bullen zu Red Bull bedarf es da nicht mehr.

Doch wie konnte es passieren, dass der Sächsische Fußball-Verband so gegen Wort und Geist seiner Satzung verstoßen hat? Für Stephan Oberholz, als Vizepräsident für Rechtsfragen zuständig, stellt sich die Frage nicht. Das aktuelle Motiv habe “für alle Beteiligten ausgereicht“, sagt er. Eine hübsche Formulierung ist das, die nach Hinterzimmerabsprache klingt: Mach noch ein paar Striche dran, dann winken wir das durch. Im Mai 2010 wurde das heutige Emblem durch einen Präsidiumsbeschluss des SFV akzeptiert (…)

[Dieser Beitrag wurde am 2. Mai 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]