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Demonstration für den Erhalt der Fankultur: Was war? Was wird sein?

Beginnend ab den frühen Mittagsstunden nahmen am 9. Oktober 2010 in Berlin tausende Fußballfans jeder Provenienz an einer schon längere Zeit angekündigten Demonstration zum “Erhalt der Fankultur“ teil. Die Organisatoren der Veranstaltung gingen zwischenzeitlich bilanzierend von “mindestens 4.000 Teilnehmern und Anhängern von knapp 50 Vereinen“ aus (eurosport.yahoo.com, 9. Oktober, 16:32). Der Berliner Kurier berichtete später von über 5.000 Fußball-Anhängern, die “friedlich für den Erhalt der Fankultur“ demonstriert hätten.

Anliegen der Demonstration war es – neben den bereits weit vorab kontinuierlich von aktiven Fußballfans immer wieder erhobenen und mehr als deutlich artikulierten Forderungen der Fan-Szene hinsichtlich beispielsweise willkürlich verhängter Stadionverbote, steigender Eintrittspreise, fehlend zugelassener Meinungsfreiheit, zunehmender Kommerzialisierung, kaum noch nachvollziehbarer Splittung der Spieltagsanstoßzeiten sowie Willkür bei Polizeieinsätzen und nicht zuletzt fehlender Kennzeichnungspflicht für die Poilizeibeamte – “dass alle Gruppen ’den Schalter umlegen’ und ihre Rivalitäten während der Demonstration ruhen lassen“, so Steffen Toll, ProFans, zitiert von morgenpost.de (9. Oktober, 13:05).

Zu den Organisatoren der Demonstration gehörten Fan- und Ultraszenen quasi aus der ganzen Bundesrepublik, federführend die Vereinigungen ProFans, Bündnis Aktiver Fußballfans und Unsere Kurve. In Berlin vertreten waren augenscheinlich Fans von Bundesligisten bis hin zu Anhängern von Regionalligisten. Allerdings hatten auch einige Fan- beziehungsweise Ultra-Kreise – nur aus Westdeutschland (?) – ihre Teilnahme an der Demonstration mehr oder weniger öffentlichkeitsheischend via Online-Erklärung offiziell abgesagt.

Natürlich kann letztendlich eine relativ kurzfristige Reflektion einer wie auch immer gemeinsam agierenden Fan-Aktion höchstens ein allererster Versuch eines Resümees zur besagten Gesamtproblematik sein.

Ist nun der schon weit im Vorfeld auf vielerlei Art und Weise verschlammt wordene Trampelpfad zwischen besagten Parteien vielleicht plötzlich – wenigstens kommunikativ – begehbarer geworden, gar beidseitig offener als bisher?

Nach übermittelten Informationen soll es übrigens, trotz des postulierten kleinsten gemeinsamen Nenners der Demonstration “Getrennt in den Farben – Vereint in der Sache“, im Umfeld der Veranstaltung in Berlin doch zu einigen Rangeleien zwischen nicht gerade freundschaftlich verbundenen Fangruppierungen gekommen sein.

[Dieser Artikel wurde am 9. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Gunter A. Pilz und der verruchte Fußball im Osten

Einiges gibt es zuweilen schon zu lesen vom quasi “selbst ernannten Fan-Forscher Gunter A. Pilz“ [ultras.ws]. Gut, es mag mitunter Höhen und Tiefen in der Frequenz seiner publizistischen Tätigkeiten geben, denn schließlich ist Herr Pilz als Doktor der Philosophie und Diplom-Soziologe ein durchaus vielbeschäftigter Mensch: Honorar-Professor, Hochschuldozent, Projektleiter, Lehrbeauftragter, Mitglied unter anderem in der DFB-Kommission für Prävention und Sicherheit sowie Berater von Theo Zwanziger – und eben auch so genannter Fan-Forscher und Fan-Soziologe.

Abgesehen von sehr wohl akribischen Studien produzierte sich Gunter A. Pilz – während er wie nebenbei Hooltras und Hultras aus der Taufe hob – in der Vergangenheit öffentlich beispielsweise auch mit doch weniger differenzierenden Äußerungen über den Fußball-Fan als solchen –

“Für viele Ultras ist ein Gefängnisaufenthalt sogar die bessere Perspektive als das bisherige Leben.“ [sport1.de, 10. April 2008]

“(…) man darf nicht davon ausgehen, dass die Probleme nur in den neuen Bundesländern sind. Die haben wir im Westen genauso. Wir haben sie hier zum Teil in einer etwas weniger offenen und verdeckten Form. Was die Gewalteventkultur anbelangt, haben wir sie im Westen genauso wie im Osten. Insofern sind die Unterschiede etwas verwaschen (…)“ [dw-world.de, 16. September 2009]

Die vormals noch so ’verwaschenen Unterschiede’ scheinbar negierend, ließ Herr Pilz nun aktuell seine PR-Abteilung agieren und diktierte der Nachrichtenagentur DPA – von vielen Medien kommentarlos zitierend übernommen – folgendes …

(…) Das grundsätzliche Problem der Gewalt im Fußball gehe (…) aber ohnehin nicht von den eigentlichen Fans – auch nicht den Ultras – aus. Die wahren Krawallmacher benutzten die Spiele nur als Vorwand. “Bei Auswärtspartien sind plötzlich 50 bis 100 ’Fans’ dabei, die man bei Heimspielen gar nicht sieht“ (…) In dieser Hinsicht war vor allem der Osten immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten. “Dort gibt es noch großen Nachholbedarf“ (…) [newsticker.sueddeutsche.de, 17. September 2010, 15:45]

Nachholbedarf im Osten also, nur im Osten?

“(…) Selbst ernannte Fußball-Experten, angebliche Szene-Kenner aller Couleur, gibt es landauf und landab; sich zudem teilweise mit virtuellen Internet-Ultras und Foren-Hooligans gegenseitig fast perfekt niveaulos ergänzend (…)“ [Der Fußball-Fan als Persona non grata]

[Dieser Artikel wurde am 18. September 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Dynamo Dresden: DFB-Strafe, Ultras: Pyrotechnik ist kein Verbrechen

Die SG Dynamo Dresden (SGD) wurde für das vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) attestierte Fehlverhalten einiger Anhänger zum wiederholten Mal mit einer durchaus empfindlichen Geldstrafe belegt. Wie die SGD am 15. September mitteilte, hat das Sportgericht des DFB den Drittligisten zur Zahlung von 6.500 Euro verurteilt. Auslöser für diese erste finanzielle Bestrafung der SGD in der laufenden Saison 2010/2011 war das augenscheinliche Abbrennen von Pyrotechnik während der Auswärtsspiele gegen Eintracht Braunschweig (24. Juli) und SV Sandhausen (28. August), zudem seien in Sandhausen von Dresdner Anhängern verschiedene Gegenstände zweckentfremdet als Wurfmaterial verwendet worden.

Der aktuell einzige sächsische Vertreter in der 3. Liga hat das Urteil des DFB-Sportgerichtes anerkannt, unterdessen aber auch Anzeige gegen Unbekannt gestellt “und hofft, dass die Täter ermittelt und dann für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden können“, denn “die Schwarz-Gelben wollen einfach ihre Kohle zurück“ (Dresdner Morgenpost, 16. September). Allein in der Saison 2009/2010 hatte die SGD für 18 derartige oder ähnliche Vorfälle in der Summe über 33.000 Euro an Bußgeldern berappen müssen. Dabei war “in 16 Fällen Pyrotechnik gezündet worden“ (newsticker.sueddeutsche.de, 15. September).

Beim Heimspiel gegen die Amateure des FC Bayern München plakatierten Dynamo-Anhänger im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion (RHS) ein Zaunbanner “Mit Pyrotechnik müsst Ihr leben – denn es wird sie ewig geben!“ und skandierten minutenlang “Pyrotechnik ist kein Verbrechen!“.

Aus ihrer Unterstützung der ursprünglich österreichischen Initiative Pyrotechnik ist kein Verbrechen! haben die Ultras Dynamo, neben auch anderen bundesdeutschen Ultra- und Fangruppierungen, niemals ein Hehl gemacht – und dies allerspätestens beim Freundschaftsrückspiel gegen die Ultras von Red Chaos Zwickau optisch sowie akustisch deutlich unterstrichen.

Der vormalige Dresdner Fan-Beauftragte Martin Börner hatte, Medien-Zitaten zufolge, bereits vor Saisonbeginn eher weniger Hoffnung auf grundsätzliche Änderungen im dahingehenden Verhalten gewisser Fan-Kreise. Pyrotechnik – legal und kontrolliert, statt illegal und kriminalisiert?

[Dieser Artikel wurde am 16. September 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

FC Hansa: Politisch unpolitisch im Stadion?

Beim Heimspiel des FC Hansa Rostock in der 3. Liga am 8. August haben Ultras, Fans, Stadionbesucher scheinbar ein Zeichen gesetzt. So “drängten gut 150 Hansa-Fans [eine] etwa 25 Mann starke Abordnung um den NPD-Fraktionsvorsitzenden [Landtag von Mecklenburg-Vorpommern] Udo Pastörs aus dem Stadion (…) die Hansa-Fans auf der neu eröffneten Hintertortribüne hatten auf diese speziellen Gäste augenscheinlich gar keine Lust, so dass sie die NPD-Reisegruppe unter ’Nazis raus’-Rufen aus ’ihrem’ Block drängten. Einige Personen im Stadion meinten gar, die NPD sei regelrecht aus dem Stadion geprügelt worden (…)“ [endstation-rechts.de, 8. August 2010] – wie auch immer, jedenfalls eine Meldung mit bundesweiter Beachtung.

Sogleich wurden hier und da Fragen laut, ob Teile der Rostocker Fan-Szene mittlerweile gar antifaschistisch defilieren würden. Konnte man doch vor nicht all zu langer Zeit beispielsweise noch vom FC Hansa Nazi lesen. Politik im Stadion, beim Fußball? – nicht erst seit dem 8. August 2010 ein wahrlich weites Diskussionsfeld.

(…) Eine schier endlose Debatte – früher im Fanpulk und am Stammtisch, heute oftmals in Internetforen: Viele Fußballfans versuchen durch die Losung “Keine Politik im Stadion“ politische Einflüsse jeder Art von sich zu weisen (…)

[Keine Politik im Stadion? Über das Politische im so genannten Unpolitischen. In: Ballbesitz ist Diebstahl! Fußballfans zwischen Kultur und Kommerz. BAFF (Hrsg.). Göttingen. 2004.]

In ihrer eigenen Reflektierung der Ereignisse vom letzten Sonntag betonen die Suptras Rostock zwar unter anderem –

(…) Jede Politik, erst recht von extremistischer Art, hat bei Hansa Rostock nichts zu suchen!

Und nochmal an alle Erbsenzähler, Klugscheißer und politisch motivierten Spalter: damit sind links- und rechtsaußen gemeint! In Dinge, die aus unserer Sicht unsere Vereinspolitik und uns als Fußballszene betreffen , mischen auch wir uns ein.

Jeder Hansafan und Besucher unserer Tribünen kann und soll denken und meinen, was er will. Jeder Versuch, unseren Verein und seine Fanszene politisch zu beeinflussen oder komplett zu missbrauchen, ist allerdings zum Scheitern verurteilt! Jede Personengruppe, die entsprechendes versucht, hat die Konsequenzen zu tragen! (…)

– um dann allerdings noch ein Sätzchen nachzuschieben, welches den medienseitig konstruierten Kontext durchaus in einer doch noch etwas anderen Beleuchtung funzeln lässt –

(…) Das entschlossene Handeln gegen diese Leute kann man überdies nicht zuletzt auch auf eine kürzlich begangene Dummheit derer zurückführen, denn kein tätlicher Angriff auf einen unserer Mitstreiter, egal aus welchem Grund, bleibt ohne Antwort (…) [Politik & Fußball!, suptras.de, 9. August 2010]

Also war wohl doch eher eine vormalige Dünen-Pöbelei im mecklenburg-vorpommerischen Sand der Auslöser für die fast schon zum Antifa-Event hochgejubelte Anti-NPD-Aktion am 8. August in der Rostocker DKB-Arena? Fragen über Fragen …

(…) Noch dazu ist da die Frage, ob (…) eine Ignoranz rechten Haltungen bis hin zu Gesängen nicht doch Tür und Tor öffnet – und langfristig gesehen auch den neonazistischen Nestbauern (…)

(…) Wenn es politisch ist, seine Aufmerksamkeit oder sein Hirn am Stadioneingang abzugeben, dann sollten Fans nicht davor zurückschrecken, es reinzuschmuggeln, nur weil der Begriff verteufelt ist.

Es geht nicht darum, den Spaß am Fußball zu verderben. Provokationen und Pöbeleien gehören zum Fußball wie das Salz zur Suppe – ganz klar. Aber das Gefühl dafür, wann eine Suppe versalzen ist, sollten Fans nicht verlieren (…)

(…) Auch das Private ist und wirkt politisch. “Football without politics“ ist demnach eine verfängliche Losung, die am besten mit “Fußball ohne Nachdenken“ übersetzt werden sollte. [Ballbesitz ist Diebstahl!, BAFF]

“Muss man links sein, um was gegen Nazis zu haben“ [Forum ultras.ws, 9. August 2010, 01:00]

Für einen Teil der Anhänger von beispielsweise FC St. Pauli, SV Babelsberg 03, Roter Stern Leipzig, auch der SG Dynamo Dresden oder anderen – Ja; aber Hansa Rostock? Fragen über Fragen … Oder man belehre den Autor dieses Artikels eines Besseren.

[Dieser Artikel wurde am 9. August 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Angst vor Ultras: Lok Leipzig vs. FSV Zwickau abgesagt

Das eigentlich für den 13. März, 15 Uhr, angesetzte Spiel in der Oberliga NOFV-Süd zwischen 1. FC Lokomotive Leipzig und FSV Zwickau im Bruno-Plache-Stadion ist relativ kurzfristig abgesagt worden. Trotz des Insolvenzantrages des FSV Zwickau war die westsächsische Mannschaft gewillt, zum Oberliga-Punktspiel beim 1. FC Lok Leipzig anzutreten.

Die Spielabsage von Leipzig beruht allerdings auf einem Gesuch der Polizei- und Sicherheitskräfte. So sei mittlerweile das ursprünglich für dieses Spiel konzipierte Sicherheitskonzept nicht mehr durchsetzbar.

Offizielle Begründung: Da die ebenfalls am 13. März angesetzte Begegnung in der 3. Liga zwischen Holstein Kiel und der SG Dynamo Dresden witterungsbedingt verschoben wurde, sei in Leipzig “nunmehr von einer erhöhten Anreise Dresdner Ultras zur Unterstützung des FSV auszugehen“. Steffen Kubald, Vorsitzender des 1. FC Lok, erklärte auf der Homepage des Vereins: “Schweren Herzens müssen wir dem Wunsch der Polizei nachkommen“.

Fundiert belegt wurde die für den 13. März in Leipzig unterstellte Gefahrenbehauptung seitens der vorab scheinbar durch und durch akribisch ermittelnden Polizei- und Sicherheitskräfte bislang übrigens nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Ganz neu wiederum ist das so praktizierte Verfahren allerdings auch nicht unbedingt – auf dem weiteren Weg zum ’Fußball-Fan als Persona non grata’?

[Dieser Artikel wurde am 12. März 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]