Alles Nazis, außer MoPo

Die mehr oder weniger geneigte Leserin will gelockt sein. Der unentschlossene Leser sowieso. Auch im täglich mittelgroßen Buchstaben-Boulevard. Nicht nur bei der ’BLÖD-Zeitung’ (Unvergessen: Tatort-Kommissar Stoever). Lesen soll bilden. Eigentlich. Ja? Und Auflage bringen. Ja. In der täglichen Gazetten-Flut. Da kommt das gemeine Nazi immer gut. Quasi als Lockmittel. Für politische Bildung. In journalistischer Mission. Ein Traum. Wie im Märchen.

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(Dresdner MoPo, 29. Februar 2016 – Foto: O.M.)

Im Inneren der Zeitung wird die Geschichte dann unter der Überschrift “Clown, Esel und Shrek – Polizei fängt tierische Nazi-Sippe“ auserzählt.

Die Kurzfassung des Beitrags, garniert mit Morgenpost-Zitaten: Kostüm-Trio auf Tour – Taxifahrt in Chemnitz – Schläge für den Fahrer – “Der Mann flüchtete erschrocken aus dem Wagen. Draußen konnte er noch einem Tritt des Esels ausweichen. Während der Attacke brüllten die Faschings-Freunde unter anderem lautstark ’Sieg Heil’“ – Flucht des Trios in eine Diskothek – “Zeugen wählten sofort den Notruf. Polizisten stürmten wenig später ins Lokal – und fingen Esel, Clown und Shrek kurzerhand ein … Der Esel hatte noch eine Geldstrafe offen. Weil er die nicht bezahlen konnte, kam er wenig später hinter Gitter. Seine Begleiter hatten mehr Glück: Sie wurden nach der Anzeigenaufnahme (Verdacht auf gefährliche Körperverletzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) freigelassen“ – Ende.

Das Nazi als solches in Sachsen. Kostümiert. Sieg Alaaf. Lustig. Ein Traum?

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(Headline ohne märchenhafte Nazis in der Online-Version – Screenshot: O.M.)

Fraglos eine journalistischen Perle. Und politische Bildung vom Feinsten. In Sachsen. Ganz ohne Hintergedanken. Wetten?

Ronny Licht, you just made my day.

MedienScreen # 84 [Die Tillichs dieses Landes]

[Fundstück] Sascha Lobo, “Die geleugnete Krankheit“, SPIEGEL ONLINE, 24. Februar 2016 –

(…) In den sozialen Medien sammeln sich nicht nur die Hetzer, sondern auch die Tillichs. Weil für jeden, der im Netz Gewalt gegen Andersartige fordert, zehn liken, hundert nicht widersprechen und tausend tillichhaft ignorieren und ablenken. Aber nicht nur Tillich, nicht nur Sachsen (…)

Old School Hooligans in Bulgaria?

Nach Darstellungen von Faszination Fankurve konferierten am 19. Februar dieses Jahres in Plovdiv Protagonisten der bulgarischen Hooliganszene mit Vertetern von Ultragruppen des südosteuropäischen Landes. Bei diesem Treffen seien folgende “Regeln für Auseinandersetzungen unter Fußballfans“ – quasi ein Codex Bulgaria – beschlossen worden.

  1. Die Verwendung jeder Art von “Waffen“ und “Hilfsmittel“ bei Auseinandersetzungen mit Fans ist verboten. Dazu gehören z. B. Messer, Schlagstöcke, Baseballschläger, Rohre, usw.
  2. Angriffe “viele gegen einen“ sind verboten. In einem Kampf mit anderen Fans soll auf die ungefähr gleiche Anzahl an Rivalen geachtet werden.
  3. Wer liegt der liegt. Der Kampf ist beendet, wenn ein Rivale zu Boden gehauen wurde.
  4. Frauen, Kinder und gewöhnliche Fans dürfen nicht angegriffen werden.
  5. Rivalisierende Ultras und Hooligans dürfen nicht am Arbeitsplatz oder vor den Augen der Familie angegriffen werden.
  6. Keine Auseinandersetzungen mit anderen bulgarischen Hooligans an nationalen Feiertagen und Spieltagen der Nationalmannschaft.
  7. Der Diebstahl von persönlichen Gegenständen des Gegners ist verboten, solange es sich nicht um Fanmaterialien seines Vereins oder seiner Gruppe handelt.
  8. Keine Anzeigen bei der Polizei gegen Fans, die gegen diese Regeln verstoßen.
  9. Falls eine dieser Regeln verletzt wird, sind die führenden Personen der eigenen Fanszene für eine “Bestrafung“ verantwortlich.
  10. Die Verwendung von Waffensymbolen auf Kleidung, Aufklebern, Fahnen und Graffiti soll unterbunden werden.
  11. Stattdessen soll auf Kleidung, Aufklebern, Fahnen und Graffiti der “saubere“ Kampf ohne Waffen beworben werden.
  12. Graffiti des Gegners im Gebiet von dessen Stadion werden nicht zerstört.

Mit diesem Codex sollen – so jedenfalls die Annahme von Faszination Fankurve – “negative Entwicklungen, zum Beispiel beim Einsatz von Waffen“ in der fußballtangierenden Fanszene gestoppt werden. Angelehnt an den politischen Wahlspruch der Republik ’In der Einigkeit liegt die Stärke’? Quo vadis, Bulgaria?