Archiv der Kategorie: GamesPixel

MedienScreen # 183 [E-Sport is running …]

”Ich glaube, dass Kinder schon in einigen Jahren als Traumberuf Pro-Gamer angeben werden” (Kai ’Hensoo’ Hense, E-Sport-Gamer).

[Fundstück] “Der Spieler – Millionen Deutsche sind am Computer zu E-Sportlern geworden. Tausende treffen sich seit Freitag [26. Januar d.J.] in Leipzig. Kai ’Hensoo’ Hense ist einer von ihnen. Auch er ist ein Spieler. Allerdings ein Profi, der mit dem Daddeln sein Geld verdient“, Jürgen Becker zitiert ’Hensoo’ in Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 27. Januar 2018.

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Virtueller Krieg gegen den Terrorismus

Das Echtzeit-Strategiespiel “War on Terror“ verspricht rein technisch viel im Terrorismus-Kampf. Titel und Inhalt deuten allerdings auch über den Cyber-Bildschirmrand hinaus

Der von der US-Regierung nach dem 11. September 2001 postulierte War on Terrorism wird zwar auch im eigenen Land zunehmend kritisiert. Allerdings hat die so geführte und mittlerweile fast durchgängig als Global War on Terror titulierte Politik unter dem amtierenden Präsidenten George W. Bush zumindest scheinbar eines erreicht: Bei mehr und mehr US -Amerikanern ist ein negativ besetztes sowie potentiell gewaltunterstellendes Bild des Islam vorherrschend (Ihr Sieg ist auch ein Sieg Bin Ladens) – und das nicht erst seit gestern und zudem nicht allein in den USA.

Die virtuelle Spielewelt kann als mehr oder weniger deutliche Widerspiegelung verstanden oder ebenso als Resultat einer Entwicklung gesehen werden. Wer beispielsweise einmal seinen Blick durch Free-Mini-Game-Plattformen im Internet schweifen lässt, vermag sich dort beispielsweise auch mit Spielen wie War on Terrorism auf virtuelle Missionen begeben. Der erste Teil von War on Terrorism wurde von TechRadium noch im Jahr 2001 veröffentlicht, der zweite Teil folgte fast umgehend im darauffolgenden Jahr.

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(Screenshots von “War on Terror”)

Beide Teile lassen – bei nicht einmal mittelmäßig einzustufender Performance – an Deutlichkeit sowie Umsetzung des virtuellen Kampfziels nichts zu wünschen übrig. In den zwei Spielversionen steht fast ausschließlich ein Scheibenschießen auf nicht näher spezifizierte – aber eindeutig zuordenbare – Terroristen im Mittelpunkt. Darüber hinaus kann im ersten Teil von War on Terrorism während der Mission “Bin Laden Capture“ Osama selbst prügelnd bearbeitet werden – bis dieser durch die Schläge zusammenbricht. Die politische Botschaft, wenn solchen Spielen denn eine unterstellt wird, ist nicht nur in dieser Sequenz – bis dahin allerdings rein technisch gesehen schlecht umgesetzt – deutlich.

Eine Entwicklung mit durchaus politischen Bezügen kann seit dem 11.9. auf dem Spielesektor wohl auch von jenen, die hier nicht unbedingt einen Zusammenhang sehen möchten, nicht geleugnet werden. Zudem nimmt der “Kampf gegen den internationalen Terrorismus völlig neue Dimensionen“ an. Mit dem PC-Spiel War on Terror wird “ein bedrückend authentisches Zukunftsszenario“ versprochen.

In der Game-Story plant ein Terrornetzwerk namens The Order Anschläge “auf die Metropolen der zivilisierten Welt“. Doch damit nicht genug: “Der Orden sät obendrein aus dem Untergrund heraus Zwietracht zwischen der NATO-Nachfolgeorganisation World Forces und der Großmacht China.“ Nun liegt es allein in den Händen des Spielers, “die weltweite Verschwörung aufzudecken und der Menschheit den Frieden zurückzubringen“.

Der Publisher von War on Terror, Deep Silver, scheint sich allerdings über die historische Verortung des virtuell anbrechenden allumfassenden Terrorkriegs selbst nicht ganz sicher. Auf der offiziellen Website zum Spiel befindet sich “im Jahr 2006 … der Terror auf seinem finsteren Höhepunkt“, während in der Printwerbung der Orden auch schon mal erst 2008 seinen Terror-Großangriff beginnt. Aber letztendlich ist allein das Ziel bestimmend, nämlich “die Welt ein für alle Male vom Terrorismus zu befreien“.

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In der Ankündigung der technischen Umsetzung des Echtzeit-Strategiespiels durch den ungarischen Entwickler Digital Reality – der Mitentwickler Monte Christo ist gegenwärtig “under construction“ – wird mit Superlativen nicht gerade sparsam umgegangen. Ein Augenmerk liegt dabei darauf, dass die von D-Day und Afrika Korps vs. Desert Rats bekannte Walker-Engine von Digital Reality zur Walker 3 Engine weiter entwickelt wurde. So wäre jetzt mit bis zu 2.500 Polygonen für einen Soldaten in der Darstellung eine enorme Detailvielfalt möglich geworden. “Liebevoll gestaltete und im Genre unverbrauchte Schauplätze rund um den Globus“ – wie beispielsweise der Pariser Eiffelturm, das Brandenburger Tor und die Kathedrale von Canterbury – seien aus bis zu 40.000 Polygonen zusammengesetzt und würden – “zum Verwechseln ähnlich“ – in der 3D-Grafik durch realistische Schatten- und Beleuchtungseffekte umspielt.

War on Terror bietet zudem einen Multiplayer-Modus mit 20 Karten für bis zu acht Mitspieler. Weitere Mehrspieler-Karten können auf Wunsch von einem Zufallgenerator zusätzlich erstellt werden. Zudem soll die Unterstützung mit GameSpy War-on-Terror-Kämpfe via Internet effektiver möglich machen. Besonders hervorhebenswert scheint die für das Spiel entwickelte künstliche Intelligenz (KI). Hier zeichnen nunmehr für die meisten Spielaktionen nicht mehr feststehende Skripts verantwortlich, “sondern eine flexible KI, die sich der jeweiligen Situation anpasst“. Ein kleinwenig klingt es so, als sei Digital Reality bei der KI-Programmierung zumindest ansatzweise etwas gelungen, woran andere Entwickler seit längerem nach wie vor eher weniger als mehr erfolgreich zu Gange sind (S.T.A.L.K.E.R. – ein Nachruf?).

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Der Medien-Hype um War on Terror ist zudem nicht gering. Wohl einmalig in der bisherigen Geschichte wurde ein Spiel in der Zeitschrift PC GAMES gleich über sechs Seiten beworben und zudem vorab als “Prachtspiel“ eingestuft: “Effekte wie im Actionfilm“. GameStar betont in seiner Beurteilung “eine sehr realistisch wirkende Umgebung“. PC AKTION lässt sprachlich herausragend während erster Tests “oft mal vor lauter Grafikpracht den Bildschirm vollsabbern“ und stellt resümierend fest: “So nah an einem virtuellen Kriegsgeschehen waren Sie noch nie.“ Getrübt wird das Ganze allerdings von scheinbar aufgetretenen Turbulenzen um den letztendlichen Release-Termin des Spiels, der eigentlich für den 17. März angekündigt war, aber nun laut der “War on Terror“-Website offenbar auf den 7. April verschoben worden ist.

Ein stringenter Vergleich sowie thematisch fortführende Zusammenhänge und deren inhaltliche zusammenhängende Orientierung von War on Terrorism und War on Terror scheinen nur konstruierter Natur sein zu können. In der technischen Umsetzung verbieten sie sich überdies geradezu. Zumal es sich ja auch nur um Computerspiele handelt.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) War on Terror nach Prüfung der spielbaren Demo-Version mit der Altersfreigabe ab 16 Jahren eingestuft hat. Manchmal erhalten aber auch durchaus unterstellte Bezüge zum Krieg gegen den Terror wiederum außer-virtuelle Nuancen: “Nur wer alle taktischen Möglichkeiten in Betracht zieht und Helden sowie Spezialfähigkeiten sinnvoll einsetzt, wird am Ende des Tages den Sieg davontragen … oder beim Versuch kläglich scheitern.“ Real oder virtuell? Allein im Cyberspace ist es nur ein Spiel.

[Dieser Artikel wurde am 17. März 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

Im Auge des E-Sports

Bis hin zum Finale in Singapur setzte die diesjährige World-Cyber-Games-Saison erneut Maßstäbe – mit einer scheinbar weiter nach oben offenen Zukunft

Die Statistik der World Cyber Games (WCG) beeindruckt in ihrem fünften Jahr mittlerweile mehr denn je. Weltweit beteiligten sich seit dem Saison-Start im März rund 1,2 Millionen Spielerinnen und Spieler aus 80 Nationen. Zirka 1 Million Euro wurden an Preisgeldern und Sachpreisen ausgereicht, ermöglicht durch namhafte Sponsoren vor allem aus dem Elektronik-Bereich. Offizielle Spiele der WCG 2005 waren Need for Speed: Underground 2, FIFA Football 2005, Warcraft 3: The Frozen Throne, Starcraft: Broodwar, Dawn of War je im PC-Einzelspielermodus, dazu Counterstrike: Source im Fünf gegen Fünf sowie die Xbox-Einzel-Disziplin Dead or Alive Ultimate sowie Halo 2 im Duo gegeneinander.

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(Counterstrike-Wettbewerb – Bild: worldcybergames.com)

Deutschsprachige Printmedien begleiteten auch diese WCG-Saison zumeist emotionslos zurückhaltend und mitunter versteckt in Spezial-Rubriken. Der unmittelbar nach den WCG-Finaltagen erschienene Spiegel griff eine – spätestens nach dem damaligen tödlichen Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium (Aufmerksamkeitsterror) – immer wieder kontrovers diskutierte Problematik auf. Die TNS-Infratest-Frage “Halten Sie ein Verbot von gewalttätigen Computer- und Videospielen wie ’Counterstrike’ zum Schutz von Kindern und Jugendlichen für sinnvoll?“ beantworteten nicht weniger als 83 Prozent der Befragten mit “Ja“.

Einer der Mitorganisatoren der WCG, Thomas von Treichel, bezeichnete fast zeitgleich im Deutschlandradio Kultur ein beispielsweise im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD gefordertes Verbot von so genannten Killerspielen dagegen für “wirkungslos“ und prognostizierte dahingehend “keine größeren Auswirkungen“ (“Unsere Forderung ist nicht populistisch“). Die Frage, ob die bundesdeutsche Fußball-Nationalmannschaft real besser kicken würde, wenn das FIFA-Football-Game zum offiziellen Trainingsprogramm gehören würde, ist in diesem Zusammenhang schon öfter mehr oder weniger sinnhaft persifliert worden.

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(Need-for-Speed-Spieler – Bild: worldcybergames.com)

Dabei sind die gut 180.000 registrierten WCG-Spielerinnen und -Spieler aus der Bundesrepublik Deutschland ja eine nicht gerade zu vernachlässigende Größe. Wer beispielsweise einmal die Games Convention in den Leipziger Messehallen (Großereignis der Spaßgesellschaft) besucht hat, weiß um die ständig wachsende Begeisterung für Gaming und E-Sport. Zudem kann an den WCG theoretisch jeder teilnehmen, der sich registrieren lässt und hernach über nationale Liga-Ausscheide dann vielleicht sogar auch noch die Qualifikation ins jeweilige Final-Nationalteam schafft.

In der Szene vorherrschend sind allerdings mittlerweile durchaus bekannte Einzelspielerpersönlichkeiten und mehr oder weniger schon länger miteinander eingespielte Clans mit futuristisch anmutenden Namensgebungen. Wie beim Profi-Fußball auf dem grünen Rasen gibt es, dann in einschlägigen Communities teils heftig kommentierte, Clan-Wechsel, -Auflösungen und –Neugründungen. Kolportiert werden eben so auch Gerüchte um angebliche Ablösesummen und Transferzahlungen in der Game-Clan-Szene. Hauptsächliche Grundlage für die Erfolge beim E-Sport ist allerdings unbestritten ausdauerndes Training, darüber sollte sich niemand mit einer wie auch immer gearteten Daddel-Romantik täuschen lassen.

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(Dawn of War-Spieler – Bild: worldcybergames.com)

Zum diesjährigen Finale der vom Veranstalter der WCG gern so bezeichneten “Olympischen Spiele der PC- und Videospieler“ trafen sich über 700 Gamer aus 67 Ländern vom 16. bis 20. November unter dem Motto: “Beyond the Game“ im süd-ostasiatischen Singapur. Die rund 1.000 Vor- und Endrunden-Spiele in den acht Game-Bereichen wurden in einer auf 18 Grad Celsius abgekühlten Hallenumgebung unter der Leitung von 47 Schiedsrichtern an 600 Monitoren um ein Gesamt-Final-Preisgeld von seriös geschätzten 450.000 US-Dollar ausgetragen. Dabei schlugen sich einzelne Prämierungen für Games-Winner – mit beispielsweise 50.000 US-Dollar bei Counter-Strike: Source sowie 20.000 US-Dollar bei FIFA Soccer 2005, Need for Speed: Underground 2 und Dawn of War – mit nicht gerade unerquicklichen Summen aufs jeweilige Konto nieder. Die Spiele in Singapur konnten natürlich live im Internet verfolgt werden.

Nach den koreanischen Seoul (2001 und 2003) sowie Daejeon (2002) und dem US-amerikanischen San Francisco (2004) fiel die Wahl auf Singapur als Finalort für die WCG 2005 nicht unbedingt zufällig: E-Sports hat außerhalb Europas längst einen lukrativen Status erreicht. So soll der vorjährige Starcraft-Weltmeister Ji-Hoon Seo alias XellOs[yG] aus Korea jährlich mehr als 50.000 US-Dollar allein als Profi-PC-Spieler verdienen. Dafür sind allerdings Trainingszeiten von 12 Stunden täglich nicht unüblich, aber PC-Games vor mehreren 10.000 Zuschauern auch keine Seltenheit. Zum finanziellen Vergleich sei erwähnt, dass beispielsweise bei den nicht gerade unbedeutenden WCG 2005 – Samsung Euro Championship auf der CeBIT unter 300 Teilnehmern um ein Gesamtpreisgeld von rund 150.000 Euro gespielt wurde. Das Auge des E-Sports scheint nach wie vor eher östlich glänzend zu sein.

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(Siegerehrung für FIFA 2005, in der Mitte Dennis ’Styla’ Schellhase – Bild: wcg-europe.org)

Wenige Monate vor der schon jetzt zum Mega-Hype stilisierten Fußball-Weltmeisterschaft in den bundesdeutschen Stadien ist – allerdings weit weniger beachtet – zumindest der Cyber-WM-Titel ins Land geholt worden. Neben weiteren beachtlichen Ergebnissen aus deutscher Sicht gewann Dennis Schellhase alias styla in Singapur herausragend Gold beim FIFA Soccer 2005 und wiederholte damit seinen Erfolg aus dem Jahr 2003. Insgesamt belegte das deutsche Game-Team mit seinen 23 Cyberathleten den vierten Platz in der Nationenwertung, hinter den USA, Korea und Brasilien. Das Finale der WCG 2006 findet erstmals in Europa statt, Austragungsort wird dann das italienische Monza sein. The games go on.

[Dieser Artikel wurde am 28. November 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

S.T.A.L.K.E.R. – ein Nachruf?

Der Rollenspiel-Ego-Shooter sollte spektakulärer als Half-Life 2 werden, noch kursieren um das virtuelle Tschernobyl jedoch vor allem Gerüchte

Die unendliche Geschichte Half-Life 2 war vor gut einem Jahr gerade zu Ende geschrieben – und wird bis heute durchaus erfolgreich fortgesetzt. Während damals in Game-Communities noch beispielsweise heftig über die Steam-Zwangsregistrierung für Half-Life 2 diskutiert wurde, flackerte am virtuellen Spielhorizont bereits S.T.A.L.K.E.R. – der immer wieder gern so titulierte Frontalangriff auf Half-Life 2.

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Die Story von S.T.A.L.K.E.R. spielt im Jahr 2006 und rankt sich um eine fiktive Reaktorkatastrophe. In deren Folge besetzt Militär das Gebiet, atomar verstrahlte Tiere entwickeln sich zu gefährlichen Bloodsucker-Kreaturen. Auf geldgieriger Suche nach Artefakten dringen schließlich, quasi als Namensgeber für das Spiel, so genannte Stalker in die verbotene und abgeriegelte Zone ein, versuchen ihre Ziele zu erreichen und dabei am Leben zu bleiben.

Über genauere Einzelheiten der Gesamtstory breiten die Entwickler nach wie vor den Mantel ihres Schweigens. So kursieren verschiedentlich nur weitere Story-Andeutungen von Verschwörungen, Intrigen und wissenschaftlichen Experimenten im virtuellen Spielareal. Nicht fiktiv dagegen ist allerdings die geografische Verortung des Katastrophenszenarios in Tschernobyl. So seien vom ukrainischen Entwicklerteam GSC Game World – nach Vorab-Berichten – rund 30 Quadratkilometer um Tschernobyl Detail für Detail anhand fotografischer Aufnahmen für S.T.A.L.K.E.R. exakt nachempfunden und umgesetzt worden.

Über Sinnhaftigkeit der Story im Einzelnen und die geografische Ansiedlung in Tschernobyl im Besonderen mag trefflich gestritten werden können. Die spielerischen Meilensteine, welche der “Survival-Shooter“ (4Players.de) wohl immer noch nach wie vor durch sich zu setzen beansprucht, sollen andere sein. So ist – abgesehen von den wieder und wieder beschriebenen facetten- und detailreichen Charakteren und Spielgebieten – die von GSC speziell für S.T.A.L.K.E.R. entwickelte “X-Ray“-Engine angeblich in der Lage, mehr als eine Million Polygone pro Einzelbild flüssig darzustellen. Sie soll zudem entsprechende Physikberechnungen für realistische Szenen möglich machen.

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Doch über die Zusammenführung von Ego-Shooter und Rollenspiel hinaus wird noch mehr versprochen: Im Gegensatz zu beispielsweise Half-Life 2 soll es in den 18 Levels von S.T.A.L.K.E.R. keine geskripteten Ereignisse mehr geben. Dadurch wäre das Spiel “nichlinear und damit das Morrowind der Ego-Shooter“ (PC-GAMES). Für den jeweiligen Spieler würde das bei gelungener Umsetzung dann fast volle individuelle Bewegungsfreiheit sowie verschiedene Lösungswege in den einzelnen S.T.A.L.K.E.R.-Missionen bedeuten. Die letztendliche Realisierung scheint allerdings schwieriger als von den Entwicklern selbst erwartet – oder ist das Ziel zu hoch gesteckt?

Als ein Grund für die mittlerweile jahrelangen Verzögerungen wird immer wieder die entsprechend schwierig zu programmierende künstliche Intelligenz (KI) angegeben, bei S.T.A.L.K.E.R. wird sie mit “Lebenssimulation“ umschrieben. Die Crux kann durchaus darin vermutet werden, dass auch in den gerade bei S.T.A.L.K.E.R. angestrebten Lebenssimulationen jeder der so genannten Non-Player Characters divergent sowie gleichfalls teilweise unabhängig von Game-Aktivitäten reagieren kann und zudem Stereotype vermieden werden sollen. Die KI-Latte liegt also dementsprechend hoch, beim selbst postulierten S.T.A.L.K.E.R.-Anspruch etwa noch zu hoch?

Jedenfalls verstrichen immer wieder angekündigte Release-Termine. Noch Anfang diesen Jahres hatte Oleg Yavorsky von GSC Game World auf die Frage, ob für S.T.A.L.K.E.R. als Veröffentlichungszeitpunkt “der Mai 2005 in Gefahr“ sei mit “Ich denke nicht“ reagiert. Nach der im besagten Mai in Los Angeles stattgefundenen Spielefachmesse E3 verlautbarte dann der S.T.A.L.K.E.R.-Anbieter THQ Entertaiment, mit dem Spiel sei 2005 nicht mehr zu rechnen. Im aktuellen Release-Ticker von THQ steht hinsichtlich eines möglichen Termins nach wie vor “noch nicht bekannt“.

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Mittlerweile kursieren Gerüchte, S.T.A.L.K.E.R. stehe angeblich kurz vor der Fertigstellung. Eine der dahingehend letzten Meldungen vom Oktober besagt, die Entwickler von GSC Game World sollen sich mit dem Spiel bereits in der Debug-Phase befinden, auch der getestete Mehrspielermodus sei vielversprechend. Allerdings wurde noch im September gerüchteweise vermeldet, die Designer arbeiteten noch an der Handlung und die zu erledigende Liste der Programmierarbeiten sei noch lang. Zudem gibt es auch noch keinerlei gesicherte Aussagen hinsichtlich der mindestens benötigten beziehungsweise optimal ausgerichteten Rechner-Hardware-Konfiguration der mittlerweile bereits lang als länger lauernden S.T.A.L.K.E.R.-Gemeinde. Etwas sicherer dagegen scheint, dass bereits im November – also jenseits aller etwaigen Release-Deutungen – angeblich schon der erste Roman zu S.T.A.L.K.E.R. auf den Markt kommen soll.

Als nächst möglicher Start-Termin wurde zwischenzeitlich das Frühjahr 2006 gehandelt, aber auch der Herbst des nächsten Jahres ist bereits im Terminspiel. Betrachtet man die Aussage von Anton Bolshakov (GSC Game World), die im offiziellen russischen S.T.A.L.K.E.R.-Forum kolportiert wurde – den endgültigen Release-Termin könne man an einer groß angelegten Werbekampagne absehen, die etwa ein halbes Jahr vor der Veröffentlichung beginnen soll -, ist allerdings auch das Frühjahr 2006 bereits S.T.A.L.K.E.R.-Geschichte. Wenn nicht etwa das eintritt, was bereits hier und da ebenfalls vermutet wurde: Am 26. April 2006 wird die sehr reale nukleare Katastrophe von Tschernobyl 20 Jahre alt. Ein äußerst makabrer Anlass wäre es – unterstellt – allerdings schon, ein solches Datum für einen wie auch immer gearteten Game-Hype nutzen zu wollen.

Vielleicht scheint ja ein Nachruf vorab auf S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl zum jetzigen Zeitpunkt wie ein wenig verfrüht. Allerdings muss aber nicht nur auch das letztendliche let’s play erst noch bewiesen werden.

[Dieser Artikel wurde am 31. Oktober 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]