Archiv der Kategorie: Hooltras

MedienScreen # 18 [Kanonenrohre vs. Ultras]

[Fundstück] “Vortrag – ’Sind das alles Vollidioten?’ – Fanforscher Gabler in Osnabrück über das Image der Ultras“, noz.de, 24. April 2012 –

(…) “Manchmal müssen sich die Ultras vorkommen wie ein Kaninchen, das gleichzeitig in zehn Kanonenrohre schaut.“ Diesen drastischen Vergleich zog Fanforscher Jonas Gabler (…)

Gabler kam durch persönliche Erfahrungen in deutschen und italienischen Stadien auf die Idee, sein Studium der Politikwissenschaft mit einer Diplomarbeit über rechtsradikale Tendenzen in der Fanszene im Ländervergleich abzuschließen. Die Stigmatisierung der Ultras in der öffentlichen Wahrnehmung schilderte der 30-jähriger Berliner nicht, um sich Freunde (…) zu verschaffen. Sondern er begründete diese Brandmarkung – durchaus überzeugend – mit zusammenlaufenden historischen Entwicklungslinien in der Fan- und Jugendsubkultur, gepaart mit Druck vonseiten der Polizei und den Medien.

Gerade die letzten beiden Akteure würden oft ein Bild erzeugen, dass die Gewalt in den Stadien so ausgeprägt sei wie nie – was in der Tat vielen statistischen Erhebungen zu diesem Thema widerspricht. Gabler wies darauf hin, dass in den 70er und 80er Jahren gewaltbereite Hooligans den Fußball als Bühne missbraucht hatten: zu einer Zeit, als der Stadionbesuch Männerdomäne war. “Wenn sich Fans daneben benommen haben, hat man das abgehakt und gesagt: Das sind halt Vollidioten“, erklärte Gabler plastisch die Vorurteile, die über Fans seinerzeit entstanden: “laut, betrunken, aggressiv, im Zweifel rechts.“

“Mit der Kommerzialisierung des Fußballs durch Verbände, Vereine und Freizeitindustrie und dem Einzug der Familien ins Stadion wurden diese bis dato unbeachteten Verhaltensweisen tabuisiert“, erklärte Gabler. Weil sich Ende der 90er Jahre, die Hooligan-Szene auflöste und in den Blöcken gleichzeitig als neuer, dominant auftretender Akteur die Ultras auf den Plan traten, seien diese von Außenstehenden einfach mit den alten Vorurteilen über Fans überzogen worden.

Dies steht im krassen Widerspruch zur Selbstwahrnehmung dieser Fangruppierung als Stimmungsträger in den Kurven, als gegenüber der Dominanz des Geldes im Fußball kritisch eingestellte Fraktion, die auch in den Vereinen um Mitsprache und für ihre Belange kämpft. Gabler bezeichnete die Ultra-Bewegung als derzeit attraktivste Jugendsubkultur. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Aussage von Fanforscher Gunter A. Pilz, dass einige Ultras sich in Richtung “Hooltras“ entwickeln würden: Einer Jugendsubkultur sei es schon immer inhärent gewesen, ab und an mal über die Strenge zu schlagen. Dies sei nicht neu, nicht speziell auf die Ultras zu reduzieren.

“Eine Unterscheidung zwischen guten Ultras mit den schönen Choreografien und bösen Schläger-Ultras ist unzulässig“, erklärte Gabler, da die Grenzen fließend seien. Stattdessen müsse die Gesellschaft lernen, die Potenziale der Ultras zu erkennen (…) Und vor allem: In der Tatsache, dass sich innerhalb der Bewegung klare Regeln des Zusammenlebens herausgebildet hätten, liege die Chance auf “einen Prozess der Zivilisierung der Szene – aber nur, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt und anerkennt, dass sie immer eine Subkultur bleiben wird.“

[Dieser Beitrag wurde am 25. April 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

Datei “Gewalttäter Sport“ – Update

Wie erst Anfang März dieses Jahres beleuchtet, ranken sich um die so genannte Datei “Gewalttäter Sport“ nach wie vor justiz-politische, juristisch-anwaltliche und sonstige Ungereimtheiten, nicht zuletzt persönlichkeitsrechtliche Sphären einzelner Menschen auf die eine oder andere Weise mehr als weniger betreffend (Datei “Gewalttäter Sport” – Datenspiele).

Bereits im April 2010 wurde durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe eine fehlende rechtliche Grundlage des – inoffiziell auch “Hooligan-Datei“ genannten – Datenpools festgestellt. Zum damaligen Zeitpunkt soll die dahingehend bemäntelte Informationszusammenstellung zirka 11.000 Einträge beinhaltet haben. In gewissen Online-Foren kursierte im Februar 2011 dann die Information, dass in besagter Verbunddatei “Gewalttäter Sport“ nunmehr bundesweit Datensätze über insgesamt 12.800 Personen gespeichert seien.

13.032 Personen in Deutschland sind in der Datei “Gewalttäter Sport“ des Bundeskriminalamts erfasst. Sie gelten damit als potentiell gefährlich. 2.318 von ihnen sind mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt. (’Zahl der Woche’ in: DER SPIEGEL, 26. März 2012)

Vormals war durch den Bundesrat in seiner Plenarsitzung am 4. Juni 2010 dem Entwurf für eine Verordnung des Bundesinnenministeriums zugestimmt worden, mit dem die umstrittene Datensammlung “Gewalttäter Sport“ des Bundeskriminalamts auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden sollte (heise.de).

“Aber man muss nicht unbedingt Hooligan sein, um in die Datei aufgenommen zu werden“ – denn, “wessen Personalien … einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, findet Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ und sieht sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“ (anwalt.de).

[Dieser Artikel wurde am 6. April 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Hooligans Elbflorenz: Wabernder Frühlingsnebel

Weniger oder mehr in Vergessenheit geraten stehen bekanntlich seit nunmehr August 2011 in Dresden nach wie vor fünf Männer vor Gericht, unter anderem wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung – der Hooligans Elbflorenz.

Mehr als zwei Monate nach zuletzt registrierten Verlautbarungen der regionalen Dresdner Medien, welche zuvorderst Interesse an der Berichterstattung zu diesem – allerdings auch bundesweit beachteten – Präzedenzfall schon aus Aktualitätsgründen haben, zwischenresümierte nun die Dresdner Morgenpost am 16. März: “Muster-Prozess droht Musterpleite“.

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(“… Der K-Block steht hinter euch!!“ – *Foto: O.M.)

Dem MoPo-Bericht zufolge sagten kürzlich Stuttgarter Zeugen in Dresden vor Gericht aus – “Männer, die in gleicher Sache freigesprochen wurden, weil die dortigen Richter weder strafbare Handlungen noch kriminelle Vereinigungen erkannten“. “Uns sagte ein szenekundiger Beamter im Stadion: ’Schlagt Euch auf der grünen Wiese. Da interessiert es keinen’. Das haben wir gemacht“, wird einer der Zeugen zitiert.

“Demnach herrschten bei den ’Matches’ Regeln des Fightclubs: Um Verletzungen vorzubeugen, finden derlei Keilereien nur auf Wiesen und Waldwegen statt. Die Truppstärke muss gleich sein. Leichtes Schuhwerk ist Pflicht. Gekämpft wird Mann gegen Mann. Liegt der Gegner am Boden, ist Schluss. Hernach reicht man sich die Hände. Filmer und Schiedsrichter dokumentieren und ahnden Verstöße. So wurden schon Schläger ausgeschlossen, die zu brutal austeilten“ (MoPo Dresden).

Zu der sächsisch selbsterkorenen Titulierung als Hooligans Elbflorenz zitiert die MoPo einen Zeugen aus dem Raum Stuttgart: “Die hatten keinen Namen. Bei uns im Westen hießen sie ’Ackertruppe’. Sie waren beliebte Gegner, weil sie gute Kämpfer hatten“. Und – “Ein Großteil unserer Leute sind Ausländer. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir gegen die Dresdner gekämpft hätten, wenn da auch nur ein Nazi dabei gewesen wäre?“

Wie weiter berichtet wird, haben die Verteidiger der angeklagten “Hools & the Gang“ (MoPo) nach der zugänglichen Aktenlage des laufenden Verfahrens zwischenzeitlich bislang vier – wie auch immer agierende – V-Männer erkennen können. “Das bedarf einer Klärung“, so einer der Anwälte.

“Ist da etwa jemand als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet?“, fragte Ostfussball.com schon bereits kurz nach dem Helau in das 2012’er Jahr. Der besagte Prozess am Landgericht Dresden ist mittlerweile vorerst aktuell bis Ende Mai terminiert.

[*Foto: Rudolf-Harbig-Stadion, SG Dynamo Dresden vs. SK Rapid Wien, Testspiel, 23. Januar 2010]

[Dieser Artikel wurde am 19. März 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Datei “Gewalttäter Sport“ – Datenspiele

Seit Jahren schon speichert das Bundeskriminalamt (BKA) Informationen über Personen, die bei Sportereignissen, vor allem beim Fußball, auffällig geworden sein sollen. In einer so genannten Datei “Gewalttäter Sport“, inoffiziell auch “Hooligan-Datei“ genannt, wurden – nach dazumal ersten Verlautbarungen durch verschiedene Medien-Angaben – rund 10.000 Menschen aufgelistet und quasi katalogisiert.

Bereits im Dezember 2008 befand allerdings das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, dass besagter Datei eine Rechtsgrundlage fehle (abendblatt.de, 18. Dezember 2008). Unter den dahingehend registrierten Peronen “waren zweifellos viele Hooligans und Straftäter, aber offenbar auch Fans, deren Personalien lediglich festgestellt worden waren, weil sie sich in der Nähe einer Schlägerei aufhielten oder an einer Demonstration teilnahmen. Eine Verurteilung vor Gericht war und ist für eine Registrierung nicht notwendig, es reichen Hinweise von Polizeibeamten“ (spiegel.de, 15. Januar 2009).

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(Foto: O.M.)

Nachfolgend hat im April 2010 das Verwaltungsgericht Karlsruhe erneut die fehlende rechtliche Grundlage der Verbunddatei “Gewalttäter und Sport“ moniert. Angaben zufolge umfasste die bundesweite Datei “Gewalttäter und Sport“ dann schon zirka 11.000 Einträge (Sachsen: Aktuell rund 300 Menschen in der ’Kategorie C’ für Hooligans).

Im Juni 2010 stimmte der Bundesrat dem Entwurf für eine Verordnung des Bundesinnenministeriums zu, mit dem die umstrittene Datensammlung “Gewalttäter Sport“ nebst vielen anderen Warndateien des BKA auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden sollte (heise.de, 4. Juni 2010). “Eine Beratung der neuen Rechtsverordnung auch im Bundestag hielt das Innenministerium nicht für nötig.“ In gewissen Online-Foren kursierte im Februar 2011 die Information, zitierend aus einer am 15. November 2010 publizierten Erhebung des BKA, dass in besagter Verbunddatei “Gewalttäter Sport“ bundesweit nunmehr 16.799 Datensätze über insgesamt 12.800 Personen gespeichert seien – und der Status quo?

Stiller Status quo? Das Vorfeld der Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine wirft nicht erst seit gestern mitunter einige durchaus andeutungsvoll martialischen Bilder voraus.

Von alledem vielleicht abseits, aber scheinbar sowieso generell, dürfen sich in den Euro-12-Wochen Fußballfans – deren Daten in der beim BKA nach wie vor geführten Datei “Gewalttäter Sport“ gespeichert sind – auf Ausreiseverbote, Meldeauflagen während der Europameisterschaft und andere unerfreuliche Maßnahmen einrichten.

“Aber man muss nicht unbedingt Hooligan sein, um in die Datei aufgenommen zu werden“ – denn, “wessen Personalien … einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, findet Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ und sieht sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“, wird aktuell auf der Website anwalt.de resümiert.

[Dieser Artikel wurde am 2. März 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Hooligans Elbflorenz: Winternebel oder Frühlingsklarheit?

Es ist merklich ruhig geworden um den Prozess gegen die Hooligans Elbflorenz, fast schon auffällig still. Die anfänglich durchaus höheren Wellen der Berichterstattung plätschern mittlerweile eher nur noch flach vor sich hin, medial aktuell kaum noch wahrnehmbar.

(…) Fünf Männer stehen seit Mittwoch [24. August] unter anderem wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung vor dem Gericht. Die Gruppierung soll besonders für gewalttätige Randale bei Auswärtsspielen von Dynamo Dresden verantwortlich sein. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, die “Hooligans Elbflorenz“ gegründet und zahlreiche Gewalttaten in Zusammenhang mit Fußballspielen von Dynamo Dresden angezettelt zu haben. Die Gruppierung soll besonders für gewalttätige Randale bei Auswärtsspielen von Dynamo verantwortlich sein (…) Für den Mammut-Prozess sind 30 Verhandlungstage angesetzt (…) Nach Aussage der Staatsanwaltschaft handelt es sich bei den “Hooligans Elbflorenz“ um eine straff und regelrecht militärisch durchorganisierte Gruppierung. Ihr Ziel sei es, gemeinsam schwere Straftaten zu begehen, die sich nicht mehr nur auf das Umfeld von Fußballspielen konzentrieren (…) [25. August 2011]

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In Folge des bisherigen Gerichtsverfahrens wurden der Playboy und die Sittlichkeit als solche bemüht, die gerichtliche Rechtsauslegung hin und her gewendet, Feldforschungen vor Gericht betrieben und die Zeitläufe der Geschehnisse mehr oder weniger wissend erörtert.

Nicht viel Neues verkündete indes der in diesem Verfahren beim Landgericht Dresden zuständige Richter Peter Lames pseudo-aktuell offiziell zum Jahreswechsel: “Da liegt viel in einer Grauzone. Das wollen wir versuchen zu erhellen“.

(…) Bisher wurden Zeugen vernommen, Videos der Schlägereien angesehen, Kampfsportsachverständige gehört. Lames ließ sämtliche Akten der insgesamt 49 Beschuldigten des Komplexes “Hooligans Elbflorenz“ vorlesen, um sich ein Bild zu machen. Auf manchen Blättern tauchte plötzlich der Vermerk “Nicht für die Gerichtsakte bestimmt“ auf (…) [Dresdner Morgenpost, 2. Januar 2012]

Wie war das doch gleich noch mal …

(…) Zahlreiche Telefonate wurden über einen Zeitraum von wahrscheinlich mehr als zwölf Monaten abgehört, mindestens ein verdeckter Ermittler wurde eingeschleust, es wurden Observationen durchgeführt und Hausdurchsuchungen vorgenommen. Dass man in Sachsen manchmal zu einer speziellen Rechtsauslegung neigt, ist nicht neu (…) So wurden im Ermittlungsverfahren nach Angabe des Rechtsanwaltes Rolf Franek die Gespräche zwischen Verteidigung und Mandanten vom LKA abgehört und protokolliert. Bei der ersten Akteneinsicht seien diese Protokolle noch zugänglich gewesen, inzwischen seien sie entfernt worden (…) [8. September 2011]

Zudem wurden im Zusammenhang besagter Ermittlungen “Telefonüberwachungen (TÜ) mit Aussagen eines V-Mannes genehmigt. Seine Angaben wurden aber nie überprüft, später verlor er seinen V-Mann-Status. Trotzdem hörte die Polizei mit“, so berichtet jedenfalls die Dresdner Morgenpost.

Herr Lames – aus welchen Grauzonen lassen Sie sich denn eigentlich vorlesen; etwa zufällig aus “entfernten“ Akten oder noch zufälliger aus pi-pa-po weniger als mehr irregulär abgehörten Telefonaten? Ist da etwa jemand als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet? Fragen über Fragen …

[Dieser Artikel wurde am 7. Januar 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]