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Die unendliche Geschichte “Thor Steinar“

Berlin/Dresden. Während Norwegen die Kleidungsmarke “Thor Steinar“ wegen widerrechtlichen Verwendens staatlicher Hoheitszeichen verklagt, erklärt das Dresdner Oberlandesgericht das öffentliche Tragen des früheren “Thor-Steinar“-Logos in Sachsen für straffrei.

Am 14. Februar erklärte der Gesandte von Norwegen, Andreas Gaarder, gegenüber dem Tagesspiegel: “Wir wollen, dass unsere Staatsflagge als Symbol des demokratischen Norwegens nicht weiter in Verbindung mit dem rechtsextremen Milieu gebracht wird“. So sei dahingehend bereits im November 2007 an die Protex GmbH in Brandenburg ein Bußgeldbescheid über 2.000 Euro ergangen. Auf diesem Weg sollte unterbunden werden, dass “die unter Neonazis beliebte Marke“ (dpa) weiterhin die norwegische Flagge auf ihre Textilien druckt und gleichfalls für Werbezwecke missbraucht. Der Geschäftsführer besagter Firma, Uwe Meusel, hat allerdings Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Der Vorgang soll nun am 31. März vor dem Amtsgericht Potsdam verhandelt werden. Nach bundesdeutschem Markengesetz dürfen Staatssymbole nicht zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden.

“Thor Steinar“ wird vom Verfassungsschutz Brandenburg als “identitätsstiftendes Erkennungszeichen“ für Rechtsextremisten eingeschätzt. Nach mehreren – teilweise gegensätzlichen – Gerichtsentscheiden über die strafrechtlich relevante Deutung des “Thor-Steinar“-Logos aus Tyr- und Sig-Rune änderte die damalige Firma Media Tex Anfang des Jahres 2005 das ursprüngliche Logo in eine – nach Eigenwerbung – lediglich “dem Andreaskreuz ähnelnde“ Darstellung.

Fast zeitgleich mit der aktuellen Klage Norwegens gegen “Thor Steinar“ hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden mit einer am 12. Februar verkündeten Entscheidung nunmehr das öffentliche Tragen des bis vor drei Jahren üblichen “Thor-Steinar“-Logos in Sachsen für straffrei erklärt. Damit wies das Gericht Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen Urteile vor dem Amtsgericht Dresden und dem Amtsgericht Leipzig aus dem Jahr 2005 zurück, in denen zwei Angeklagte von dem Vorwurf freigesprochen worden waren, “Thor Steinar“ als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen getragen zu haben.

Der 3. Strafsenat des OLG führte in seinen Urteilen vom 12. Februar (Az.: 3 Ss 89/06 und 3 Ss 375/06) an, “die verwendeten Runenzeichen wiesen zwar einen relevanten Bezug zu verfassungswidrigen Organisationen auf“ – zumal seien “die vorhandenen Farbabweichungen zwischen den verwendeten Runenzeichen und den Originalrunen nicht erheblich“ – hob aber gleichzeitig hervor, “dass hier die Verbindung mehrerer Runen zu einem Zeichen den Straftatbestand des § 86a StGB nicht erfülle, weil kein verbotenes Kennzeichen besonders hervorsteche oder dominiere“. Somit sei “nach geltender Rechtslage das verwendete (zusammengesetzte) Kennzeichen straffrei, weil die Verbindung der Runen hier so gestaltet wurde, dass ein Phantasiekennzeichen entstanden sei, weshalb eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ausscheide“ (juraforum.de).

Das Dresdner OLG sieht sich mit seinen Urteilen in Übereinstimmung mit diesbezüglich ähnlichen Entscheiden des Oberlandesgerichts Braunschweig, des Brandenburgischen Oberlandesgerichts und des Berliner Kammergerichts. In Sachsen-Anhalt dagegen wird beispielsweise das öffentliche Tragen des älteren “Thor-Steinar“-Logos als rechtes Propagandadelikt nach wie vor strafrechtlich verfolgt.

Bereits vor über drei Jahren attestierte die Agentur für soziale Perspektiven (ASP) in der Broschüre “Versteckspiel“ im Zuge damaliger juristischer Auseinandersetzungen um die Marke “Thor Steinar“ dem Szene-Label einen mehr als deutlich rechten Hintergrund.

[Dieser Artikel wurde am 15. Februar 2008 bei redok veröffentlicht.]