Berlin/Dresden. Während Norwegen die Kleidungsmarke “Thor Steinar“ wegen widerrechtlichen Verwendens staatlicher Hoheitszeichen verklagt, erklärt das Dresdner Oberlandesgericht das öffentliche Tragen des früheren “Thor-Steinar“-Logos in Sachsen für straffrei.
Am 14. Februar erklärte der Gesandte von Norwegen, Andreas Gaarder, gegenüber dem Tagesspiegel: “Wir wollen, dass unsere Staatsflagge als Symbol des demokratischen Norwegens nicht weiter in Verbindung mit dem rechtsextremen Milieu gebracht wird“. So sei dahingehend bereits im November 2007 an die Protex GmbH in Brandenburg ein Bußgeldbescheid über 2.000 Euro ergangen. Auf diesem Weg sollte unterbunden werden, dass “die unter Neonazis beliebte Marke“ (dpa) weiterhin die norwegische Flagge auf ihre Textilien druckt und gleichfalls für Werbezwecke missbraucht. Der Geschäftsführer besagter Firma, Uwe Meusel, hat allerdings Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Der Vorgang soll nun am 31. März vor dem Amtsgericht Potsdam verhandelt werden. Nach bundesdeutschem Markengesetz dürfen Staatssymbole nicht zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden.
“Thor Steinar“ wird vom Verfassungsschutz Brandenburg als “identitätsstiftendes Erkennungszeichen“ für Rechtsextremisten eingeschätzt. Nach mehreren – teilweise gegensätzlichen – Gerichtsentscheiden über die strafrechtlich relevante Deutung des “Thor-Steinar“-Logos aus Tyr- und Sig-Rune änderte die damalige Firma Media Tex Anfang des Jahres 2005 das ursprüngliche Logo in eine – nach Eigenwerbung – lediglich “dem Andreaskreuz ähnelnde“ Darstellung.
Fast zeitgleich mit der aktuellen Klage Norwegens gegen “Thor Steinar“ hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden mit einer am 12. Februar verkündeten Entscheidung nunmehr das öffentliche Tragen des bis vor drei Jahren üblichen “Thor-Steinar“-Logos in Sachsen für straffrei erklärt. Damit wies das Gericht Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen Urteile vor dem Amtsgericht Dresden und dem Amtsgericht Leipzig aus dem Jahr 2005 zurück, in denen zwei Angeklagte von dem Vorwurf freigesprochen worden waren, “Thor Steinar“ als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen getragen zu haben.
Der 3. Strafsenat des OLG führte in seinen Urteilen vom 12. Februar (Az.: 3 Ss 89/06 und 3 Ss 375/06) an, “die verwendeten Runenzeichen wiesen zwar einen relevanten Bezug zu verfassungswidrigen Organisationen auf“ – zumal seien “die vorhandenen Farbabweichungen zwischen den verwendeten Runenzeichen und den Originalrunen nicht erheblich“ – hob aber gleichzeitig hervor, “dass hier die Verbindung mehrerer Runen zu einem Zeichen den Straftatbestand des § 86a StGB nicht erfülle, weil kein verbotenes Kennzeichen besonders hervorsteche oder dominiere“. Somit sei “nach geltender Rechtslage das verwendete (zusammengesetzte) Kennzeichen straffrei, weil die Verbindung der Runen hier so gestaltet wurde, dass ein Phantasiekennzeichen entstanden sei, weshalb eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ausscheide“ (juraforum.de).
Das Dresdner OLG sieht sich mit seinen Urteilen in Übereinstimmung mit diesbezüglich ähnlichen Entscheiden des Oberlandesgerichts Braunschweig, des Brandenburgischen Oberlandesgerichts und des Berliner Kammergerichts. In Sachsen-Anhalt dagegen wird beispielsweise das öffentliche Tragen des älteren “Thor-Steinar“-Logos als rechtes Propagandadelikt nach wie vor strafrechtlich verfolgt.
Bereits vor über drei Jahren attestierte die Agentur für soziale Perspektiven (ASP) in der Broschüre “Versteckspiel“ im Zuge damaliger juristischer Auseinandersetzungen um die Marke “Thor Steinar“ dem Szene-Label einen mehr als deutlich rechten Hintergrund.
[Dieser Artikel wurde am 15. Februar 2008 bei redok veröffentlicht.]
Die NPD-Postille Deutsche Stimme versuchte, ihr diesjähriges “Pressefest“ am Stadtrand von Dresden zu zelebrieren
Zum fünften Mal richtete die Deutsche Stimme zusammen mit der NPD ein so genanntes “Pressefest“ aus. Das Ziel anreisender Rechtsextremisten aller Couleur war dabei am 5. August das private Gelände eines Unternehmers kurz vor dem Ortseingangsschild von Pappritz. Der zu Dresden gehörende Ortsteil im Schönfelder Hochland verzeichnet gut 2.000 Einwohner. Sachsens amtierender Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) dürfte wohl als der prominenteste gelten. Doch weder Sachsens- noch Dresdner Polit-Obere protestierten gegen das Nazi-Spektakel. So fühlten sich Pappritzer Einwohner – abgesehen von antifaschistischem und bürgerlich couragiertem Widerstand – relativ allein gelassen mit dem, was sich da vor ihren Haustüren abspielte. Zudem im Vorfeld die CDU im Schönfeld-Weißiger Ortschaftsrat eine gemeinsame Erklärung als Zeichen gegen das Nazi-Pressefest verhindert hatte.
Dabei zeigten sich die Pappritzer in ihrem Vor-Ort-Widerstand kreativ. Fast jeder Laternenpfahl im Ort trug am Morgen des 5. August Parolen gegen die Nazi-Veranstaltung. Transparente mit der Aufschrift “Pappritz ist bunt! Keine ’Rechten’ auf unserem Grund!“ überspannten die Ortseinfahrten. Größere Mengen Flugblätter wurden verteilt. Gleichzeitig parkten die Pappritzer ihren Ort teilweise selbst zu, um so anreisenden Nazis Abstellplätze zu verwehren. Dies wurde indes dadurch konterkariert, dass ein weiterer regionaler Unternehmer sein nahe gelegenes Feld als Parkplatz zur Verfügung stellte.
Bereits bei einer Informationsveranstaltung am 1. August in einem mit weit über 100 Teilnehmern überfüllten Pappritzer Gasthof artikulierte sich der Unmut der Anwohner über den Nazi-Auftritt deutlich. So erfuhr beispielsweise das Ansinnen eines Redners, die NPD-Veranstaltung doch aus demokratietheoretischen Gründen einfach einmal zu besuchen, deutlichen Widerspruch. Die Polizeidirektion Dresden hatte die Bürgerveranstaltung abgesagt. Das städtische Ordnungsamt entsandte lediglich eine Abteilungsleiterin. Die Sächsische Zeitung bilanzierte das städtische Verhalten zu Recht mit “völlig orientierungslos“.
Der Leiter des Ressorts Rechtsextremismus beim Landesamt für Verfassungsschutz, Martin Döring, machte immerhin die Wertigkeit des Deutsche-Stimme-Pressefestes deutlich. Nach den Rudolf-Heß-Gedenkmärschen und den jährlichen Demonstrationen anlässlich der Zerstörung Dresdens sei dieses so genannte Pressefest mittlerweile die dritte rechtsextremistisch überregional bedeutsame Großveranstaltung mit enormer Binnenwirkung unter internationaler Beteiligung. Die Grundlage seiner weiteren inhaltlichen Einschätzung allerdings dürfte nur Döring selbst bekannt sein. So behauptete der Verfassungsschützer zum Ablauf bisheriger Pressefeste allen Ernstes, “erst dann, im zweiten Teil, merkt man den Rechtsextremismus“. Dabei bezog er sich auf die abendlichen Auftritte von Rechts-Rock-Bands nach den nachmittäglich eher BDM-folkloristischen Bänkeleien zur Gitarre.
Die braune Veranstaltung begann dann am 5. August mit einer Pressekonferenz. Einem Fernsehteam vom MDR wurde der Zutritt auf das Gelände verwehrt. Foto-Journalisten bekamen teilweise eine Art Leibstandarte gestellt, um missliebige Schnappschüsse unterbinden zu können. Im Mittelpunkt der Pressekonferenz stand der Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei präsentierte sich der NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs in geradezu typisch norddeutsch krachledernem Outfit. Rhetorisch nicht gerade übermäßig gewandt gelang es ihm zudem auch noch, keine politischen Inhalte zu vermitteln. Allein seine Behauptung, dass aus der sächsischen NPD-Landtagsfraktion keinerlei finanzielle Mittel zur Unterstützung für den Wahlkampf nach Mecklenburg-Vorpommern fließen würden, war ihm ein markiges “So dumm sind wir doch nicht!“ wert. Holger Apfel, derzeitiger Wahlkampfleiter im Norden der Bundesrepublik und NPD-Fraktionsvorsitzender in Sachsen, kündigte “wenig interne Saalveranstaltungen“ an. Stattdessen wolle man “den Dialog mit Bürgern“, denn “wir fühlen uns aus der Mitte des Volkes“. Apfel legt übrigens dieser Tage gerade sein Mandat beim so genannten Nationalen Bündnis im Dresdner Stadtrat nieder.
Bereits im Vorfeld der Deutschen-Stimme-Veranstaltung hatte die Initiative “Keine Geschäfte mit Nazis“ auf die Unterstützung dieses Pressefestes durch verschiedene Firmen hingewiesen. Dennoch schienen sich einige renommierte Brauereien den Umsatz nicht entgehen lassen zu wollen. Schon in den Vormittagsstunden bildeten sich zuweilen Schlangen vorwiegend kahlköpfiger Besucher an den Ständen von Landskron, Ur-Krostitzer, Warsteiner, Holsten, Krombacher und Feldschlößchen. In den Abendstunden kam es zu einer kameradschaftlichen Prügelei, Verlautbarungen zufolge wegen des Bierpreises. In Nazi-Foren ist dahingehend von rund 50 Beteiligten zu lesen. Der Polizeibericht konstatierte “tätliche Auseinandersetzungen zwischen Veranstaltungsteilnehmern mit zwei Verletzten“.
In seiner Eröffnungsrede kurz nach 12 Uhr auf der noch lückenhaft gefüllten Wiese offenbarte Deutsche-Stimme-Verlagsleiter Jens Pühse, man habe doch “erhebliche Schwierigkeiten“ gehabt, die Veranstaltung an diesem Ort vorzubereiten. Aber es seien nunmehr ja “noch Tausende Kameraden auf dem Weg nach Pappritz“. Diese Ankündigung erwies sich allerdings als bloßes Wunschdenken. Statt mit der vom Verfassungsschutz noch am 1. August prognostizierten Teilnehmerzahl von bis zu 8.000 füllte sich die Wiese bis in die späten Nachmittagsstunden mit zirka 4.500 Rechtsextremisten. Von der NPD war zuvor gar von 9.000 bereits im Vorverkauf erworbenen Eintrittskarten zu hören gewesen. “Wir haben am Eingang sehr akribisch gezählt“, erklärte der Pressesprecher der Polizeidirektion Dresden, Thomas Herbst, gegenüber Telepolis. Somit würde die angegebene Teilnehmerzahl der Realität sehr nahe kommen.
Der Eintrittspreis zum braunen Spektakel betrug 22,50 Euro an der Tageskasse. Den Pappritzern wurde mittels einer Gutschein-Aktion kostenloser Zutritt angeboten. Für Kinder bis 12 Jahre war der Eintritt generell frei. Es gab ein Extra-Kinderprogramm – “Die Hexe Ragna kommt und geht mit allen Kindern auf eine lustig-spannende Märchenreise“. Erstaunt registriert wurde vom pilgernden nationalen Jung- und Altvolk, dass die am mecklenburgischen Wahlstand angebotene “Schulhof-CD“ (Aufdruck: “GRATIS!“) nur gegen 2 Euro Spende zu haben war.
Die verzögerte Anreise der “Fest“-Teilnehmer hatte eine ihrer Ursachen in einer auf der Hauptzufahrtsstraße stattfindenden Demonstration. Gut 600 vorwiegend dem autonomen Spektrum zuzuordnende Nazi-Gegner blockierten mit ihrem Aufzug über Stunden den Straßenverkehr auf der Bautzener Straße in Richtung Pappritz. Die von der NPD eiligst verbreitete Ausweich-Anreise-Route zeigte sich aus straßenbaulichen Gründen für Busse als nicht passierbar. Im Laufe des Tages verzeichnete die Polizei mehrere Sachbeschädigungen an Bussen und PKW sowie Angriffe auf anreisende Rechtsextremisten. Dahingehend wurden Ermittlungen wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung aufgenommen.
Am frühen Nachmittag inspizierte der Staatsschutz das Gelände der mit sich selbst feiernden Nazis nach indizierten Waren und Symbolen. Allein der Schriftzug “Selbst-Schutz Sachsen-Anhalt“ würde im Nachgang ob einer eventuell rechtlichen Relevanz bezüglich des darin groß dargestellten “SS“ weiter geprüft. Weitere Verdachtstatbestände wurden auf Nachfrage von Telepolis verneint. Allerdings räumten die Staatsschutzvertreter ein, auch in Sachsen sei das Zeigen der vormaligen Thor-Steinar-Runen nicht rechtmäßig. Man habe sich zudem beim Kontrollgang auch eher auf die Verkaufsstände, denn auf getragene Textilien oder Tätowierungen orientiert.
Den Beamten scheint – über die verboten Runen in Größenordnungen hinaus – einiges nicht beachtenswert gewesen zu sein. Beispielsweise mehrere Shirt-Träger mit der aufgedruckten Darstellung einer offensichtlichen Krematoriums-Silhouette und der im Rauch der Schornsteine zu lesenden unmissverständlichen Botschaft “Friedmann hörst Du uns“. Auffällig viele Anwesende postulieren ihren wohl übergreifend gleichen Ehrentag mit “Geboren am 20. April“. “White Power“, “Wir bleiben braun“, “Eure Galgen sind schon gezimmert“ und Codes wie “168:1“ sprechen darüber hinaus eine deutliche Sprache. Gegen sieben anreisende Rechtsextremisten wurden wegen des Tragens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Strafverfahren nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch eingeleitet. Ansonsten seien, so Polizeisprecher Herbst, “bei einer Jugendschutz- und Medienstreife auf dem Veranstaltungsgelände keine Verstöße festgestellt“ worden.
Siegfried Tittmann, stellvertretender DVU-Bundesvorsitzender und Mitglied der Bremer Bürgerschaft, suhlte sich verbal nachträglich im “Donnerhall“, der während der Fußball-Weltmeisterschaft durchs Land gegangen sei – “Steht auf, wenn Ihr Deutsche seid!“ Jürgen Rieger, bekannter rechtsextremer Szene-Anwalt, hetzte gegen dunkelhäutige Menschen. Herbert Schweiger, Freiwilliger der Waffen-SS und jetziger Buch-Autor, palaverte vom “Überleben der gesamten weißen Rasse“ in einem seiner Meinung nach kurz bevorstehenden Dritten Weltkrieg – “Heil Euch!“ Derweil regnete es immer wieder länger in Strömen. Die Festwiese versank mehr und mehr im Schlamm. Der Feld-Parkplatz verschlammte ebenso und war überfüllt. Im Dorf parkende Nazis stießen auf verbal heftigen Widerspruch aus der Bevölkerung.
Kurz nach 17 Uhr endete das Bürgerfest gegen die Nazi-Veranstaltung am einige Kilometer entfernten Ullersdorfer Platz. Daran beteiligten sich rund 300 Besucher. Viel zu wenige hätten dort ihren Protest deutlich gemacht, fanden die Mitinitiatoren von Bürger.Courage und DGB. Der gleichen Meinung waren die vereinzelt anwesenden Landtags- und Stadtratsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen, Linkspartei.PDS, CDU und SPD. In Pappritz selbst veranstalteten Einwohner ein Volleyball-Turnier und widmeten dies dem Protest gegen Rechts. Abends sahen Pappritzer mit Gleichgesinnten gemeinsam den Chaplin-Film “Der große Diktator“.
Während Dunkelheit und immer heftigerer Regen über dem rechtsextremistischen Pressefest nieder gingen, stieg dort der Alkoholpegel ins teilweise Komatöse. Mehrere Teilnehmer mussten nach Polizeiangaben “wegen übermäßigem Alkoholgenuss oder Unterkühlung behandelt werden“. Andere Nazi-Gruppen durchstreiften unbehelligt den Ort, traten Protest-Plakate herunter und präsentierten hernach stolz ihren Kameraden die Beute. Fraglich bleibt, was geschehen wäre, wenn nicht die Polizei wenigstens einen Teil des zum Ende hin in stürmisch-regnerischer Dunkelheit liegenden Veranstaltungsgeländes ausgeleuchtet hätte.
Die Abreise der Rechtsextremisten nach 23 Uhr verlief ähnlich unkoordiniert wie schon die Anreise. Wobei zu beobachten war, dass ein regelrechter Home-Run vom schlammigen Gelände – aus welchen Gründen auch immer – bereits weit vor 22 Uhr noch während des hämmernden Rechts-Rocks einsetzte. Der NPD dürfte es sehr schwer fallen, Pappritz nachträglich als erfolgreiches “Pressefest“ um zu interpretieren. Und daran hat nicht allein nur das Wetter seinen Anteil.
[Dieser Artikel wurde am 8. August 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]
Einmal mehr behandelt gegenwärtig die Rechtsprechung das öffentliche Tragen der von Neonazis bevorzugten Runen-Textilie regional unterschiedlich
Über einen nur relativ kurzen Zeitraum arrivierte Thor Steinar zur wohl bedeutendsten Modemarke in rechtsextremen Kreisen. Nach Angaben des Antifaschistischen Infoblatts (AIB) ist die Marke mit dem damals zugehörigen Runen-Logo erst im Oktober 2002 international registriert worden. Im Frühjahr 2003 gründeten die brandenburgischen Protagonisten mit nachweislichen Kontakten zur rechtsextremen Szene die MediaTex GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro. Fast gleichzeitig wurde unter rechtlicher Verantwortung der MediaTex eine entsprechende Thor-Steinar-Website ins Internet gestellt. Die Werbung für Kleidung mit Thor Steinar beziehungsweise DIVISION Thor Steinar war zudem eindeutig. So warb beispielsweise das einschlägig bekannte Magazin RockNord für “patriotische Kleidung“ mit “nordischer Attitüde“. Nach Darstellung der Berliner Zeitung werden die Jacken und Pullover der Marke Thor Steinar in der Türkei angefertigt.
Eine um sich greifende Bekanntheit und entsprechende Identifizierung erlangte Thor Steinar in rechtsextremen Kreisen wohl hauptsächlich durch zwei im Firmenlogo miteinander kombinierte Runen: “Jede für sich in der NS-Zeit als Symbol von SS-Unterorganisationen missbraucht“ (Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2004). Im Zusammenhang würden Tyr- und Sig-Rune letztlich die Doppel-Sig-Rune der ehemaligen Waffen-SS zeigen, beurteilte später das Landgericht Neuruppin. Darüber hinaus kann die Wahl des Firmennamens Thor Steinar – unter offensichtlicher Bezugnahme auf den General der Waffen-SS Felix Steiner – als nicht gerade zufällig eingeschätzt werden. Eindeutiger positioniert sich wohl nur noch der bundesweit bekannte Neonazi Thomas “Steiner“ Wulff mit seiner selbstgewählten Namenserweiterung.
Im Laufe der Zeit gelang der Aufklärungsarbeit über Thor Steinar die Sensibilisierung einer breiteren Öffentlichkeit. Im März 2004 wurden erste Strafverfahren gegen die Verwendung der Thor-Steinar-Runen eingeleitet. Diese Vorgehensweise erhielt im August 2004 ihre erste Bestätigung durch die vom Amtsgericht Prenzlau angeordnete Zahlung von 300 Euro wegen des Tragens eines Thor-Steinar-Pullovers. Kurze Zeit später, Ende Oktober 2004, wurden in einem einschlägigen Hennigsdorfer Szene-Laden Thor-Steinar-Textilien beschlagnahmt – und wegen der nicht eindeutigen Rechtslage wieder retour geführt.
Die Rechtsprechung erfolgte dann im November 2004 durch das Landgericht Neuruppin, welches die Beschwerde wegen der Beschlagnahme eines Thor-Steinar-Shirts als unbegründet zurück wies. Nach dem Urteil habe das Thor-Steinar-Firmenlogo “keinen anderen Zweck, als den Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen zum Verwechseln ähnlich zu sehen und damit ein entsprechendes verfassungsfeindliches Bekenntnis darzustellen“. Schlussfolgernd stand damit das öffentliche Tragen von Thor-Steinar-Bekleidung unter dem Strafbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Unmittelbar darauf folgte ein Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen gegen die Herstellerfirma zur Beschlagnahme von Thor-Steinar-Symbolen und damit markierter Kleidung. Das sich so bezeichnende Deutsche Rechtsbüro (Selbsthilfegruppe zur Wahrung der Grundrechte nationaler Deutscher) im brandenburgischen Birkenwerder bat hernach in seinen Monatsnachrichten: “Tragen Sie Bekleidungsstücke mit dem ’Thor-Steinar-Logo’ nicht in der Öffentlichkeit und halten Sie sie auch nicht vorrätig, – nur der private Besitz eines einzigen solchen Stückes ist erlaubt.“ Ebenfalls im November 2004 untersagte Tschechien den Verkauf von Thor-Steinar-Kleidung. Das Amtsgericht Neuruppin verurteilte noch im Dezember auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Träger einer Thor-Steinar-Kapuzenjacke, zuzüglich anderer Delikte, zu vier Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
Mit Beginn des Jahres 2005 präsentierte MediaTex ein neues Firmensymbol, welches nunmehr das verbotene Runen-Logo ersetzte. “Das neue Logo ähnelt dem Andreaskreuz, dem Kreuz an der Bahnschranke“, ließ MediaTex verlautbaren. Dieses Zeichen sei zudem “von der Staatsanwaltschaft begutachtet und nicht beanstandet worden“. Im darauffolgenden Februar befand das Landgericht Potsdam die Beschlagnahme der Runen-Symbole von Thor Steinar erneut als rechtens.
Gut ein halbes Jahr danach erklärte das Oberlandesgericht Brandenburg die Thor-Steinar-Runen für wiederum nicht verfassungswidrig. Zwar verkannte das Gericht bei seinem Urteil nicht, “dass die Textilien der Marke durch ihre farbliche Gestaltung und verwendeten Aufschriften gerade Personen der rechtsextremen Szene“ ansprechen würden. Allerdings sei derzeit “noch davon auszugehen, dass das Markenlogo – ähnlich der Assoziation der Zahl ’88’ mit dem Gruß ’Heil Hitler!’ – lediglich in rechtsextremen oder in polizeilichen oder juristischen Kreisen bekannt ist“. Somit waren Thor-Steinar-Verfahren wegen Benutzung verfassungswidriger Symbole eigentlich hinfällig und nichtig und das Tragen von jeglicher Thor-Steinar-Kleidung – zumindest in der Mark Brandenburg – generell wieder straffrei.
Aber es scheint für Neonazis durchaus schon beachtenswert, in welchen geografischen Gefilden sie mit Thor-Steiner-Runen in einer dahingehend – so jedenfalls nach Ansicht des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – ungebildeten Öffentlichkeit posen. Ende Februar 2006 fällte das Berliner Amtsgericht Tiergarten auch wegen des Tragens von Thor-Steinar-Runen ein Urteil von sieben Monaten Haft auf Bewährung, verbunden mit 150 Arbeitsstunden gegen den Kapuzenshirt-Besitzer. Im Land Brandenburg wäre ihm das nicht passiert. Allerdings ist auch in der Bundeshauptstadt die Rechtssprechung nicht konform. Die Revision beim Kammergericht Berlin durch die Staatsanwaltschaft gegen einen richterlichen Freispruch in einem ähnlichen Thor-Steinar-Fall ist noch nicht entschieden. Eine bundesgerichtliche Rechtsprechung bezüglich der Thor-Steinar-Runen gibt es bisher nicht. Überdies steht die Erwägung einer millionenschweren Schadenersatzklage von MediaTex gegen das Land Brandenburg nach wie vor im Raum.
Die Agentur für soziale Perspektiven (ASP) bilanzierte in der letzten Auflage der von ihr herausgegebenen Broschüre Versteckspiel (Lichtstrahl in den Code-Dschungel der Neonazi-Szene): “Thor Steinar ist in vielen nichtrechten Ladengeschäften und Bekleidungsketten weiterhin erhältlich, obwohl im Zuge der juristischen Auseinandersetzungen um diese Marke ein rechter Hintergrund mehr als deutlich wurde.“ Zudem lässt sich bekanntlich auch trefflich über den tieferen Sinn oder Unsinn staatlicher Verbote rechtsextremer Symbolik diskutieren. Die Gesinnung ausgewiesener Rechtsextremisten ändert das allerdings nicht. Aber Legenden mit einem – vorerst noch vagen – Märtyrerhauch wie Thor Steinar verbinden. Legenden können mitunter lange fortleben.
[Dieser Artikel wurde am 5. März 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]
Symbole wie C18, 168:1, 28, KC und WAW können vielfach nicht auf den ersten Blick entsprechend gedeutet werden. Eine kleine Broschüre schafft Abhilfe
In früheren Zeiten sei – wie landläufig oft kolportiert wird – wohl einiges besser gewesen, wie auch immer. Bestimmte politische Zusammenhänge waren zumindest visuell allerdings eindeutiger ersichtlich. So waren dazumal Neonazis – wo auch immer in der gerade wiedervereinigten Bundesrepublik – mehr als weniger deutlich schon an ihrem Outfit erkennbar: Spärlich oder gar nicht vorhandener Haarwuchs, so genannte Bomber-Jacke und Springerstiefel, diese zumeist noch mit weißen Schnürsenkeln. Die Lochzahl der Stiefel war da nicht einmal unbedingt ausschlaggebend.
Doch die Dinge sind längst nicht mehr so deutlich, wie sie zuweilen scheinen. Natürlich gibt es sie noch, die Stiefel-Nazis, gewandet wie eh und je, zudem eindeutig frisiert und auch tätowiert, oft mit militant-martialischem Auftreten.
Wer allerdings bereits in den späten Herbsttagen des Jahres 1998 unvermittelt Zeuge eines des ersten öffentlichkeitswirksamen Auftretens der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) wurde, mag sich damals noch leicht verwundert die Augen gerieben haben. In fast schon Autonome-Antifa-Outfit versuchten da mehrere Dutzend SSS’ler die Straßen des sächsischen Örtchens Königstein gegen eine bürgerliche Veranstaltung gegen Rechtsextremismus für sich zu beanspruchen.
Ob nun zeitlich den SSS (Trotz Verbot nach wie vor aktiv) nachfolgend oder nicht, bundesweit kopierten mehr und mehr so genannte Freie Kameradschaften und anderweitige rechtsextremistische Zusammenhänge – bis hin zu den Autonomen Nationalisten – Style und Parolen der autonomen Antifa. Darüber hinaus kann es mittlerweile ja durchaus vorkommen, dass aus einem Neonazi-Aufzug heraus – ohne auch nur den vagen Ansatz eines politischen Bezugs – beispielsweise Lieder von Ton Steine Scherben oder auch von Hannes Wader akustisch dominieren.
Axel W. Reitz, einer der führenden Protagonisten der bundesdeutschen rechtsextremen Bewegung, beschrieb im damals am 22.11.2004 noch so existenten Forum des so genannten Freien Widerstands (Neonazis virtuell und im real life nicht erwünscht) den Weg zum Ziel: “Diese ’Autonomen’ [gemeint sind hier die Autonomen Nationalisten] kopieren den Stil und die Aufmachung der linken Strukturen und von linken bisher agitierten Jugendkulturen, dabei werden die bekannten Symbole und Outfits mit unseren Inhalten besetzt und in unserem Sinne interpretiert.“
Abgesehen von diesen eher eindeutig zu interpretierenden rechtsextrem verklausulierten Hülsen gibt es eine weitere Kultur der Szene, auch in Folge verschiedener staatlicher Verbotsverfahren: Codes und Symbole – auf den ersten Blick nicht unbedingt eindeutig, aber um so deutlicher in ihrer Bedeutung. Generell sind längst bei Einlasskontrollen zu Neonazi-Aufzügen Ordnungsbeamte zu sehen, die in dicken Aktenordnern die Rechtmäßigkeit der gesichteten Kleidungsaufschriften überprüfen. Wie wirklich detail- und kenntnisreich dies mitunter geschieht, sei allerdings dahingestellt.
Da das Leben im Normalfall aber keine rechtsextreme Demonstration mit all ihren Begleiterscheinungen ist – wie also entschlüsselt Ottilie Normalverbraucher “Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen“?
Die Agentur für soziale Perspektiven e.V. (ASP) publiziert aus diesem Grund in der reihe antifaschistischer texte (rat) die kleine Broschüre Versteckspiel nunmehr bereits in der fünften Auflage mit inhaltlich bundesweiten Bezugspunkten. Konzipiert war die Broschüre vormals mit dem Schwerpunkt auf Berlin-Brandenburg. Für Interessierte wurden in einem A4-Heft aktuell “diejenigen Elemente zusammengetragen, die im Alltag rechter Jugendlicher tatsächlich eine Rolle spielen“. Zugleich wird betont, dass “eine bloße Auflistung verbotener Symbole, wie sie beispielsweise in den Publikationen des Verfassungsschutzes auftauchen … keinen Sinn“ habe. Stattdessen gehe “es darum, die Lebenswelt, Funktionsweise und Dynamik extrem rechter Orientierung verständlich zu machen“.
Illustriert beschreibt die Broschüre über 80 Styles des rechtsextremen Milieus, von Symbolen mit nationalsozialistischem Bezug, über Logos, jugendkulturelle Codes, Dresscodes, Symbolnutzung bis hin zu Publikationen und Musik. So werden – über durchaus allgemein bekannte Symbole wie beispielsweise Hakenkreuz, Reichskriegsfahne, Triskele sowie Keltenkreuz und die mittlerweile ja öfters zitierten Codes wie 18, 88 oder 14 Words beziehungsweise Thor Steinar hinaus – auch nicht ganz so geläufige Kombinationen wie C18, 168:1, 28, KC, WAW oder H.F.F.H. und deren Bedeutung bei Rechtsextremisten erläutert.
Wer jetzt allerdings einen fertigen Katalog erwartet, “sozusagen um Jugendliche in verschiedene Kategorien einzusortieren“, wird durch die Broschüre enttäuscht werden, so das postulierte ASP-Selbstverständnis. Vielmehr bedürfe es “einer intensiven Beschäftigung mit Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus, autoritären Denkweisen, Verherrlichung des Nationalsozialismus und tradierten Rollenbildern“. Denn nur dann und mit diesem Hintergrund sei “eine sinnvolle Arbeit mit Jugendlichen möglich“. Stellt sich nur die durchaus polemische Frage: Kann mit jugendlichen Neonazis im Wortsinn wirklich sinnvoll gearbeitet werden?
[Dieser Artikel wurde am 23. Dezember 2005 – bebildert – bei Telepolis veröffentlicht.]
ElbsandsteinPolemik
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