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Erfurter Preispolitik offenbart Generalverdacht gegen Fußballfans

Für das Punktspiel in der 3. Liga am 16. Oktober 2010 zwischen dem FC Rot-Weiß Erfurt und der SG Dynamo Dresden haben die Ultras Dynamo zu einem Boykott aufgerufen.

“(…) Die Entscheidung fiel uns bei weitem nicht leicht, denn gerade im sportlichen Aufschwung, in dem sich die Mannschaft derzeit befindet, fällt es uns besonders schwer, das Spiel nicht live zu verfolgen. Doch ist es in unseren Augen an der Zeit, den Finger gegen die Preistreiberei zu erheben! Reden wir heute über 13 Euro, sind es in einem Jahr vielleicht schon 20 Euro! Wann, wenn nicht heute, wollen wir dann auf die Machenschaften der Verantwortlichen aufmerksam machen? (…)“ [Ultras Dynamo, 7. Oktober]

Die Resonanz für den Boykott des Ost-Derbys in Erfurt scheint mittlerweile durchaus beachtlich. Mit Stand vom 14. Oktober (14:00 Uhr) haben sich bislang 40 Fan-Gruppierungen dem Aufruf der Ultras Dynamo unterstützend angeschlossen.

Unterdessen lieferte Wilfried Mohren, seines Zeichens amtierender Pressesprecher des FC Rot-Weiß Erfurt, eine fast schon verblüffend offenherzige Erklärung für das Zustandekommen exorbitant erhöhter Kartenpreise im Steigerwaldstadion.

“Erst die Partie gegen Jena hat gezeigt, dass bei solchen Klassikern die Emotionen der Fans hochschlagen. Die DFB-Strafen durch Böller und Co. muss der Verein tragen. Durch den Aufschlag kassieren wir das Geld dafür vorher von den Fans.“ [Dresdner Morgenpost, 14. Oktober]

Wenn dieses so praktizierte Beispiel des Generalverdachtes wirklich weiter Schule macht, könnten sich in Zukunft bisher vielleicht völlig ungeahnte Türchen zu verschieden angelegten, aber durchaus generell anwendbaren,  Szenarien im Umgang mit Fußballfans aller Couleur noch weiter öffnen. Irgendwie werden ja auch die unangepassten Auswärtsfahrer eines Fußballvereins zur Räson zu bringen sein – und letztendlich nicht nur die.

Ach ja, Herr Mohren, gibt es eigentlich den Preis-Aufschlag zurück erstattet, wenn die von Ihnen beschworenen “Böller und Co.“ dann gar nicht stattgefunden haben?

Post Scriptum: Es kursiert übrigens noch eine weitere Erklärung um die besagten Eintrittspreise für das Stadion in der thüringischen Landeshauptstadt. “Bei der Sicherheitsberatung hieß es, dass Erfurt die Stadionmiete angehoben hat und man jetzt gezwungen sei, dies auf Spitzenspiele umzulegen“, wird Jan Männig, Fanbeauftragter der SGD, dahingehend zitiert. Da kämen ja Auswärtsfans jeder Provenienz in nicht zu verachtender Größenordnung scheinbar gerade rechtzeitig, wenn sie denn auch alle kommen würden.

[Dieser Artikel wurde am 14. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Demonstration für den Erhalt der Fankultur: Was war? Was wird sein?

Beginnend ab den frühen Mittagsstunden nahmen am 9. Oktober 2010 in Berlin tausende Fußballfans jeder Provenienz an einer schon längere Zeit angekündigten Demonstration zum “Erhalt der Fankultur“ teil. Die Organisatoren der Veranstaltung gingen zwischenzeitlich bilanzierend von “mindestens 4.000 Teilnehmern und Anhängern von knapp 50 Vereinen“ aus (eurosport.yahoo.com, 9. Oktober, 16:32). Der Berliner Kurier berichtete später von über 5.000 Fußball-Anhängern, die “friedlich für den Erhalt der Fankultur“ demonstriert hätten.

Anliegen der Demonstration war es – neben den bereits weit vorab kontinuierlich von aktiven Fußballfans immer wieder erhobenen und mehr als deutlich artikulierten Forderungen der Fan-Szene hinsichtlich beispielsweise willkürlich verhängter Stadionverbote, steigender Eintrittspreise, fehlend zugelassener Meinungsfreiheit, zunehmender Kommerzialisierung, kaum noch nachvollziehbarer Splittung der Spieltagsanstoßzeiten sowie Willkür bei Polizeieinsätzen und nicht zuletzt fehlender Kennzeichnungspflicht für die Poilizeibeamte – “dass alle Gruppen ’den Schalter umlegen’ und ihre Rivalitäten während der Demonstration ruhen lassen“, so Steffen Toll, ProFans, zitiert von morgenpost.de (9. Oktober, 13:05).

Zu den Organisatoren der Demonstration gehörten Fan- und Ultraszenen quasi aus der ganzen Bundesrepublik, federführend die Vereinigungen ProFans, Bündnis Aktiver Fußballfans und Unsere Kurve. In Berlin vertreten waren augenscheinlich Fans von Bundesligisten bis hin zu Anhängern von Regionalligisten. Allerdings hatten auch einige Fan- beziehungsweise Ultra-Kreise – nur aus Westdeutschland (?) – ihre Teilnahme an der Demonstration mehr oder weniger öffentlichkeitsheischend via Online-Erklärung offiziell abgesagt.

Natürlich kann letztendlich eine relativ kurzfristige Reflektion einer wie auch immer gemeinsam agierenden Fan-Aktion höchstens ein allererster Versuch eines Resümees zur besagten Gesamtproblematik sein.

Ist nun der schon weit im Vorfeld auf vielerlei Art und Weise verschlammt wordene Trampelpfad zwischen besagten Parteien vielleicht plötzlich – wenigstens kommunikativ – begehbarer geworden, gar beidseitig offener als bisher?

Nach übermittelten Informationen soll es übrigens, trotz des postulierten kleinsten gemeinsamen Nenners der Demonstration “Getrennt in den Farben – Vereint in der Sache“, im Umfeld der Veranstaltung in Berlin doch zu einigen Rangeleien zwischen nicht gerade freundschaftlich verbundenen Fangruppierungen gekommen sein.

[Dieser Artikel wurde am 9. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Gunter A. Pilz und der verruchte Fußball im Osten

Einiges gibt es zuweilen schon zu lesen vom quasi “selbst ernannten Fan-Forscher Gunter A. Pilz“ [ultras.ws]. Gut, es mag mitunter Höhen und Tiefen in der Frequenz seiner publizistischen Tätigkeiten geben, denn schließlich ist Herr Pilz als Doktor der Philosophie und Diplom-Soziologe ein durchaus vielbeschäftigter Mensch: Honorar-Professor, Hochschuldozent, Projektleiter, Lehrbeauftragter, Mitglied unter anderem in der DFB-Kommission für Prävention und Sicherheit sowie Berater von Theo Zwanziger – und eben auch so genannter Fan-Forscher und Fan-Soziologe.

Abgesehen von sehr wohl akribischen Studien produzierte sich Gunter A. Pilz – während er wie nebenbei Hooltras und Hultras aus der Taufe hob – in der Vergangenheit öffentlich beispielsweise auch mit doch weniger differenzierenden Äußerungen über den Fußball-Fan als solchen –

“Für viele Ultras ist ein Gefängnisaufenthalt sogar die bessere Perspektive als das bisherige Leben.“ [sport1.de, 10. April 2008]

“(…) man darf nicht davon ausgehen, dass die Probleme nur in den neuen Bundesländern sind. Die haben wir im Westen genauso. Wir haben sie hier zum Teil in einer etwas weniger offenen und verdeckten Form. Was die Gewalteventkultur anbelangt, haben wir sie im Westen genauso wie im Osten. Insofern sind die Unterschiede etwas verwaschen (…)“ [dw-world.de, 16. September 2009]

Die vormals noch so ’verwaschenen Unterschiede’ scheinbar negierend, ließ Herr Pilz nun aktuell seine PR-Abteilung agieren und diktierte der Nachrichtenagentur DPA – von vielen Medien kommentarlos zitierend übernommen – folgendes …

(…) Das grundsätzliche Problem der Gewalt im Fußball gehe (…) aber ohnehin nicht von den eigentlichen Fans – auch nicht den Ultras – aus. Die wahren Krawallmacher benutzten die Spiele nur als Vorwand. “Bei Auswärtspartien sind plötzlich 50 bis 100 ’Fans’ dabei, die man bei Heimspielen gar nicht sieht“ (…) In dieser Hinsicht war vor allem der Osten immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten. “Dort gibt es noch großen Nachholbedarf“ (…) [newsticker.sueddeutsche.de, 17. September 2010, 15:45]

Nachholbedarf im Osten also, nur im Osten?

“(…) Selbst ernannte Fußball-Experten, angebliche Szene-Kenner aller Couleur, gibt es landauf und landab; sich zudem teilweise mit virtuellen Internet-Ultras und Foren-Hooligans gegenseitig fast perfekt niveaulos ergänzend (…)“ [Der Fußball-Fan als Persona non grata]

[Dieser Artikel wurde am 18. September 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

“Null-Plus-Sieben-Lösung“ für Hansa-Fans beim FC St. Pauli

Der mittlerweile dritte Akt des Vorab-Spektakels um die Partie FC St. Pauli gegen FC Hansa Rostock am 28. März in der 2. Liga dürfte in der jüngeren Geschichte des bundesdeutschen Fußballs bislang – wenn nicht gar überhaupt – ohne Beispiel sein.

Nach dem im ersten Akt die Polizei- und Sicherheitskräfte eine so genannte “Null-Lösung“ herbei zitiert hatten, sollten Rostocker Fans letztendlich zwar keine Stehplatzkarten für das Spiel im Millerntor-Stadion erhalten, konnten allerdings immerhin 500 Sitzplatzkarten von insgesamt 1.400 angestrebten Tickets erwerben – personifiziert, gegen Vorlage eines Ausweisdokumentes.

Während des zweiten Aktes der Inszenierung betitelte Corny Littmann, Präsident des FC St. Pauli, im Hamburger Abendblatt einen Großteil der Ossis als ’Nazis oder rechtsradikal’. Daraufhin zog der FC Hansa Rostock rechtliche Schritte “gegen diese populistische, polemische und beleidigende Aussage“ in Erwägung.

In Akt Numero drei der Aufführung zieht nunmehr Hansa Rostock einen definitiv anmutenden Schluss-Strich.

“(…) Der F.C. Hansa Rostock wird die 500 personalisierten Sitzplatzkarten nicht in den Verkauf geben.

Vielmehr wird der F.C. Hansa Rostock sieben Personen – die Rostocker Zahl – nach Hamburg schicken, um für den Erhalt von Fanrechten im Rostocker Zuschauerblock zu demonstrieren. Es ist geplant, dass diese Personen große Plakate und Transparente auslegen werden und mit Anpfiff der Partie den Block verlassen, so dass der Rostocker Zuschauerbereich komplett leer bleiben wird (…)

(…) Der F.C. Hansa Rostock bittet alle Hansa-Fans, am Sonntag nicht nach Hamburg zu fahren.“ [fc-hansa.de, 24. März 2010, 11:00]

“(…) Fakt ist, dass der Fußball und seine Vereine vor einem riesigen Problem stehen. Und das ist deutschlandweit verbreitet. Ob man die Gewalt beim Fußball mit Kartensanktionen in den Griff bekommt, scheint (…) jedoch fraglich.

Vielmehr brauchen wir eine deutschlandweite Diskussion mit allen Beteiligten (…) Credo: Kommunikation statt Konfrontation – und dabei müssen alle Seiten ihre verhärteten Fronten auflösen. Wir alle dürfen es nicht zulassen, dass sich die Spirale von Gewalt und Repressionen immer weiter dreht. Das wäre der Untergang für den Fußball (…)“ [fc-hansa.de, 24. März]

Und wie sieht die Handlung im vierten Akt auf dem scheinbar weiteren Weg zum ’Fußball-Fan als Persona non grata’ aus?

[Dieser Artikel wurde am 24. März 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

“Null-Lösung“ für Hansa-Fans beim FC St. Pauli?

Eigentlich jedes Mal in den letzten Jahren, wenn der FC Hansa Rostock und der FC St. Pauli aufeinander treffen, wirft diese Begegnung ihre Schatten, meistens vorab bereits schon. Mitunter allerdings auch berechtigte Schatten, denn eigentlich selten in letzter Zeit ging dieses so genannte Nord-Derby ohne größere Auseinandersetzungen zwischen den in tiefer Abneigung verbundenen Fan-Gruppierungen beider Vereine und nicht zuletzt auch den Polizei- und Sicherheitskräften über die Fußball-Bühne.

Vor der nächst anstehenden Partie von St. Pauli und Hansa am 28. März in der 2. Liga warf nun zunächst die Polizei den ersten Schatten. So wurde für dieses Spiel vorab eine so betitelte “Null-Lösung“ aus der Polizeimütze gezaubert, welche gleichbedeutend damit gewesen wäre, dass an diesem März-Tag in Hamburg kein Rostocker Fan irgend eine Chance auf einen Besuch im Millerntor-Stadion gehabt hätte.

Unterdessen wurde – wie berichtet hauptsächlich auf Interventionen des FC St. Pauli – ein vorläufiger Konsens mit den staatlichen Ordnungsbehörden gefunden. Danach erhält Hansa Rostock zwar immer noch keine Stehplatzkarten für seine Anhänger, allerdings könnten Hansa-Fans nun immerhin insgesamt 500 Sitzplatzkarten erwerben – personifiziert, gegen Vorlage eines Ausweisdokumentes.

“(…) Der F.C. Hansa hat diese Entscheidung zur Kenntnis genommen (…)

Bei den Gesprächen mit dem FC St. Pauli (…) hatten beide Vereine Lösungsansätze entwickelt, wie Auseinandersetzungen im und außerhalb des Stadions vermieden werden können.

Der F.C. Hansa Rostock hatte in diesem Gespräch klar zum Ausdruck gebracht, dass der Verein ein Kontingent von 1.400 Tickets anstrebt.

Diese Karten sollten nur an Mitglieder und Dauerkartenbesitzer verkauft werden. Die Eintrittskarten wären erst in Hamburg ausgehändigt worden. Es hätte zudem eine organisierte Anreise gegeben.

Diese Bemühungen scheinen der Hamburger Polizei nicht auszureichen.

Der F.C. Hansa Rostock bedankt sich an dieser Stelle beim FC St. Pauli für das professionelle Gespräch (…)“ [fc-hansa.de, 15. März 2010 – 18:16]

Und die allgemein gültige 10-Prozent-Regelung der Stadionplätze für Fans der Gastmannschaft existiert wirklich immer noch? Vielleicht ist es ja auch nur ein weiterer kleiner schleichender Schritt vom seinerzeitigen Versuch des Berliner Polizeipräsidenten, bereits vor Jahren schon generell allen Anhängern der SG Dynamo Dresden den Zutritt zum damaligen Regionalliga-Spiel beim 1. FC Union Berlin zu untersagen, als vormals “nur vorerst geplatzter Testballon für zukünftige Szenarien“ [Telepolis, 10. Mai 2008] – hin zum “nächsten Schritt zur Aussperrung von Gästefans“ (ultras.ws, 16. März 2010)?

[Dieser Artikel wurde am 17. März 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]