Schlagwort-Archive: Patrick Gensing

Publikative.org goes Archive.org

Früher. Da gab es NPD-Blog. Und es gab redok. Ganz früher war da noch IDGR. Also, einmal holzschnittartig überregional betrachtet. Virtuell. Rückblickend. Die Älteren werden sich erinnern.

Aus NPD-Blog wurde Publikative. Nach Jahren der Berichte und Recherchen rund um das rechtsextreme Milieu im weitesten Sinne stellte redok fürderhin dann seine Tätigkeit ein; IDGR bereits schon weit davor. Irgendwie. Endstation Archive.org. Publikative blieb. Und das nicht gerade kurze Zeit. Bis jetzt.

publikative_23_1_16
(Screenshot: O.M.)

Wenn Patrick Gensing nun in seinem Publikative-Goodbye zwischenzeitlich früheres resümierend anmerkt, “die Geschichten“ wären “auserzählt“ gewesen, dann sei à jour Widerspruch erlaubt. Und das weißt Du auch, lieber Patrick. Irgendwie. Vielleicht. Aber sei’s drum. The Times They Are a-Changin’ …

twitter_25_1_16
(Twitter, 25. Januar, 06:20 Uhr – Screenshot: O.M.)

“Den Twitter- und Facebook-Kanal werden wir aber sicherlich noch nutzen, um weiterhin hemmungslos auf unsere journalistischen Werke hinzuweisen“ (Publikative.org).

Wohlan denn. Frei nach Matrix Revolutions hat alles, was ein Ende hat, auch einen Anfang. Venceremos.

“Los werdet ihr uns natürlich dennoch nicht! Wie Patrick werde ich weiterhin für andere Medien über die extreme Rechte berichten …“ (Felix M. Steiner, Publikative.org, 23. Januar 2016).

MedienScreen # 58 [Polemisches KZ?]

[Fundstück] Patrick Gensing, “Pirinccis PR-Coup: Gute KZs, schlechte KZs?“, Publikative.org, 1. November 2015 –

Er hatte eine Rede angekündigt, die Maßstäbe setzen würde – und er hat Wort gehalten. Der “Pegida“-Auftritt von Akif Pirincci beschäftigt weiterhin die Öffentlichkeit, die nun versucht, seine Hetzrede zu interpretieren, was angesichts von Inhalt und Form nicht ganz einfach ist. Immerhin Medienkritiker Niggemeier kennt die ganze (Un-)wahrheit.

Seit Monaten und Jahren versucht der Autor Akif Pirincci durch Beleidigungen und Obszönitäten sein Image als Bad Boy des deutschen Kulturbetriebs zu festigen. Doch nun wirft ausgerechnet Pirincci den deutschen Medien Rufschädigung vor und will, so ist es zu lesen, Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche durchsetzen.

Der Vorwurf: Medien hätten eine seiner Aussagen falsch wiedergegeben. Pirinçci sagte beim einjährigen Jubiläum der Pegida-Bewegung in Dresden vor knapp zwei Wochen:

“Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert. Es gäbe natürlich auch andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

In der Stellungnahme der Anwaltskanzlei, die der “Welt“ vorliegt, heißt es:

“Diverse Medien haben eine Äußerung unseres Mandanten aus seiner heftig kritisierten Pegida-Rede aufgenommen und in rechtswidriger Weise entstellt. Herrn Pirinçci wurde dabei unterstellt, er habe für die Wiedereröffnung von Konzentrationslagern zur Bewältigung der Flüchtlingskrise plädiert, wo genau das Gegenteil richtig ist. Tatsächlich äußerte er überspitzt-sarkastisch seine Sorge, dass sie wieder eröffnet werden könnten, und zwar gegen ’Fremdenfeinde’.“

Unterstützt wird diese Darstellung von Medienkritiker Stefan Niggemeier, der schreibt:

Man konnte das, was Pirinçci an diesem Abend gesagt, schon wenig später wörtlich nachlesen. Man konnte es sich unmittelbar danach und bis heute auf YouTube anschauen. Trotzdem hat ein großer Teil der Medien das, was er gesagt und gemeint hat, falsch wiedergegeben und tut es teils noch heute.

Also mal wieder die dummen, sensationsgeilen Medien! So eindeutig, wie Niggemeier es einfach behauptet, ist die Angelegenheit aber keineswegs: Viele Leute, die sich die Rede angehört haben, verstanden ebenfalls, dass Pirincci sich auf Flüchtlinge bezogen habe. Schon erstaunlich, dass sich ein Schriftsteller so ungenau auszudrücken weiß – und das auch noch in einer recht delikaten Angelegenheit, denn Pirincci wird sich wohl bewusst sein, dass die deutsche Öffentlichkeit bei dem Begriff KZ hellhörig wird.

Andere Begriffe wie “Umvolkung“ oder “Kinderfickerpartei Die Grünen“ oder “Vergewaltigungsfrühling“ oder die “üblichen deutschen Parasiten und Wichsmenschen aus der Migrationsmafia auf dem Schoße von Pro Asyl“ sowie anderer rassistischer Schmutz fallen da fast schon nicht mehr auf.

Medienkritiker Niggemeier beklagt nun, viele Medien hätten “den Zusammenhang weggelassen“ bei der Äußerung von Pirincci. Stimmt das? Vor der Äußerung Pirinccis zu den KZs als “andere Alternative“ hetzte er in bewährter Manier dagegen, dass sich Flüchtlinge, die illegal nach Deutschland kämen, hier sich und ihre Clans durchfüttern ließen. Zugleich sprach er von Politikern, die dem eigenen Volk die Ausreise nahelegen würden. Dann ließ er eine längere Pause, in der das Publikum “Widerstand“ skandierte. Als Pirincci dann den umstrittenen KZ-Satz geäußert hatte, gab es anerkennendes Gelächter im Publikum – und selbst “Pegida“-Gründer Bachmann entschuldigte sich nach der Rede öffentlich, so wie auch viele anderen Zuhören offenkundig genau das verstanden hatten, was laut Pirincci und Niggemeiner nicht gemeint war.

Die Interpretation von Texten ist zumeist nicht eindeutig, hier ist aus meiner Sicht ebenfalls keine absolute Unwahrheit, wie Niggemeier sie verkündet, auszumachen. Pirincci könnte die KZs als Alternative zu dem angeblichen Leben der Flüchtlinge in Deutschland auf Luxusniveau verstehen. Man kann aber auch argumentieren, Pirincci habe sich auf die Politik bezogen, die gerne “Asylkritiker“ in KZs sperren wolle. Darüber kann man natürlich diskutieren – aber was ist denn das bitte für eine Frage? Und aus vielen von Niggemeier ausgewählten Beispielen für ein angebliches Armutszeugnis der deutschen Medien geht übrigens auch gar nicht hervor, ob Pirincci das eine oder andere gemeint habe.

Wir sind der Volk?

Und selbst wenn man die Pause in der Rede ausklammert und nur den unmittelbaren Zusammenhang des Zitats anschaut, ist der Sachverhalt keineswegs ganz eindeutig, denn Pirincci sagte:

Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert.

Mit “ihm“ dürfte das Volk gemeint sein, aber wer ist “er“? Der Volk? Oder der Kasseler CDU-Politiker? Oder am Ende womöglich doch “der“ Flüchtling?

Selbstverständlich behauptet Pirincci nun, Letzteres könne gar nicht gemeint gewesen sein. Aber so eindeutig wahr oder unwahr wie Niggemeiers Medienkritik es gerne hätte, ist die Stelle selbst bei genauer Analyse nicht. Das grölende Publikum jedenfalls verstand das, was es hören wollte – und möglicherweise auch sollte.

Morgen, also Montag (19. 10. 2015), werde ich anläßlich des einjährigen Bestehens von PEGIDA in Dresden auftreten und einen hübschen Text vorlesen, der in Sachen Wutrede in diesem Lande Maßstäbe setzen wird. Es wird um die Verbrechen gehen, die man diesem Volk gegenwärtig antut. […] Ach, Herr Staatsanwalt, bitte immer den Gesamtzusammenhang sehen und sich keine Wort-Rosinen rauspicken. So doof bin ich nämlich auch nicht … (Akif Pirincci auf seiner Homepage)

Tatsächlich gab es in vielen Medien falsche oder zumindest irreführende Darstellungen der Pirincci-Rede, weil eine Eindeutigkeit des Gesagten behauptet wurde. Genau eine solche Eindeutigkeit behauptet Niggemeier nun gleichfalls, wenn er schlicht Pirinccis Argumentation folgt und von einem “Armutszeugnis“ für deutsche Medien schreibt.

Relativierung von Nazi-Verbrechen

Ganz unabhängig von der Frage, wie man den KZ-Satz nun interpretiert, wenn man sich auf so eine Diskussion einlassen möchte, könnte man darüber nachdenken, dass auch die “überspitzt-sarkastische“ Darstellung, wonach Politiker die Asylkritiker am liebsten in KZs (= Vernichtungslager) sperren würden und diese sozusagen die Juden von heute seien, den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen könnte.

Auch über eine mögliche Relativierung von NS-Verbrechen könnte man nachdenken. Das Internationale Auschwitz Komitee kritisierte die KZ-Bemerkung Pirinçcis treffend als “ein widerliches Signal der Schamlosigkeit“. Die Instrumentalisierung des Begriffes KZ lasse die Überlebenden deutscher Konzentrationslager, die KZ am eigenen Leib erfahren hätten, fassungslos und verstört zurück.

Und dabei ist es vollkommen zweitrangig, ob Pirincci selbst die KZs nun für Flüchtlinge auserkoren hätte oder ob er sich ein Szenario zusammenspinnt, in dem ein CDU-Politiker das Volk in solche Lager sperren möchte. Dem “Skandal-Autor“ ging es offenkundig darum, wie seine oben zitierte Ankündigung für die Rede zeigt, einfach mal “KZ“ zu sagen und einen Skandal zu provozieren. Das hat geklappt. Und nun kann er sich auch noch als Opfer der “Lügenpresse“ feiern lassen – mit gutem Leumund.

Realitätsverlust bei der Jungen Union

Rostock/Bad Doberan. Die CDU-Jugendorganisation wirft der Internetplattform endstation-rechts.de “eine beschämende Verknüpfung von Fußball und Rechtsextremismus“ vor.

Bei endstation-rechts.de bestehe offensichtlich ein “Mangel an Informationen“, zudem sei der objektive journalistische Anspruch parteipolitischen Zielen gewichen, erklärte am heutigen Tag der Rostocker Kreisvorsitzende der Jungen Union (JU), Mathias Kühl. So würden “besonders die Rostocker Fußballfans und unser hiesiger Verein F.C. Hansa Rostock unter der irreführenden Berichterstattung“ leiden.

Beispielsweise wären “Vorkommnisse“ bei der Zweitliga-Begegnung FC Hansa Rostock gegen FC St. Pauli am Abend des 26. September 2008 durch endstation-rechts.de einseitig und ohne Not mit dem Deckmantel des Rassismus und des Rechtsextremismus verhüllt und darüber hinaus der Rostocker Fanszene verstärkt rechtsextremes Gedankengut unterstellt worden, attestierte Marco Krüger als stellvertretender Landesvorsitzender der JU Mecklenburg-Vorpommern.

Gleichzeitig warnte die JU Rostock (“Damit Du informiert bist“) gemeinsam mit der JU Bad Doberan jetzt vor einem “üblen Imageschaden“ für den Fußball, die Stadt und das ganze Land, “wenn weiterhin eine Phantomjagd nach Rechtsradikalen“ stattfinden würde. MVregio.de übernahm die JU-Erklärung lediglich gänzlich unkommentiert im Original. Nur wenige Wochen nach den Rostocker Ausschreitungen (FC Hansa Nazi?) eine nicht wenig bezeichnende Artikulation der JU aus dem Nordosten der Bundesrepublik.

“Es ist nichts ungewöhnliches, dass Neonazis beim Fußball auftauchen, das ist nicht schön, kommt aber des Öfteren vor“, so der Journalist Patrick Gensing in einer Nachbetrachtung zu besagten Rostocker Ausschreitungen – mitnichten alle Hansa-Fans als Nazis bezeichnend. Allerdings stellt er fest: “Das Erschreckende in Rostock ist das (Nicht-)Verhalten der Masse der Zuschauer gegenüber Nazis und Schlägern, nicht einmal gab es Unmutsbekundungen über die aggressiven Pöbeleien“. Gensing sah darin durchaus Zeichen einer “volksgemeinschaftlichen Abwehrreaktion“, noch dazu im augenscheinlich praktizierten Verbund mit agierenden “rechten Hools [als] die Speerspitze und Vollstrecker des Hansa-Willens“. Botschaften, die der FC Hansa Rostock so wohl nicht sehr gerne lesen dürfte, resümierte damals telepolis.de – und die Junge Union?

[Dieser Artikel wurde am 12. Januar 2009 bei redok veröffentlicht.]

Hinkendes GehDenken in Dresden?

Im Vorfeld der Februar-Gedenkfeierlichkeiten scheinen im demokratischen Spektrum derzeit plakative Äußerungen tonangebend zu sein.

Weit über 100 Unterstützerinnen und Unterstützer haben bislang den Aufruf “Europas größten Naziaufmarsch stoppen – friedlich und entschlossen!“ von GehDenken unterzeichnet. Zwischenzeitlich – Wenn es wieder Februar wird in Dresden – erregte eine als generell angekündigte CDU-Verweigerung des Ansinnens der Kampagne die Öffentlichkeit. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker erschien, deutlich öffentlich beleuchtet, im Unterstützerkreis von GehDenken. Gleichwohl wurde über einen Passus in der über von Weizsäcker bei wikipedia nachzulesenden Biografie – “Mit der Annahme der Wahl zum Bundespräsidenten ließ er die Mitgliedschaft in der CDU ruhen und nahm sie auch nach dem Ende seiner Amtszeit nicht wieder auf“ – mehr oder weniger parteipolitisch argumentiert.

Richard von Weizsäcker blieb ob seines Dresdner Engagements nachfolgend eher schweigsam. Nicht so der Kreisverbandsvorsitzende der Dresdner CDU, Lars Rohwer, der von Weizsäcker in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung bescheinigte, dieser habe “den Aufruf möglicherweise gutgläubig unterschrieben“, um gleichzeitig mehr feststellend als fragend zu formulieren: “Ich hinterfrage, ob er sich umfassend mit den Initiatoren auseinandergesetzt hat“. Rohwer, auch Mitglied des Sächsischen Landtags, hat sich jedenfalls auseinandergesetzt und schlussfolgerte in besagtem Interview – nach dem er einen Teil des GehDenken-Aufrufes als “aggressiven Inhalt“ einstufte: “Mit der Gegendemonstration macht man folgende Fehler: Man geht auf die Argumentation der Neonazis ein, indem man sagt: Es gab Opfer im Ausland durch die Angriffsmaschinerie der Nazis. Und deshalb waren Opfer in Dresden nur logisch. Das ist eine gefährliche Richtung, die nicht für Versöhnung steht …“. Patrick Gensing schrieb im Zusammenhang diesen Interviews hernach vom “Extremismus der Mitte“.

Nun verkündete GehDenken, es habe sich “der Ministerpräsident a.D. des Freistaates Sachsen, Kurt Biedenkopf, dem Aufruf GEH DENKEN zum 13./14. Februar 2009 in Dresden angeschlossen“. Und endstation-rechts fragte: “Biedenkopf auch gutgläubig?“. Kurt Biedenkopf (CDU) äußerte sich bislang zu seinem Engagement selbst nicht. Als amtierender sächsischer Landesvater hatte Biedenkopf noch im November 2000 – also weit nach dem Tod von Jorge Joao Gomondai Ende März 1991 in Dresden und des im September 1991 stattgefundenen Pogroms von Hoyerswerda – festgestellt: “In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden“. Sei’s drum, GehDenken?

Nachtrag vom 7. November 2008

Am gestrigen 6. November bestätigte das Büro von Kurt Biedenkopf, dieser habe in einem Brief an die Amadeu-Antonio-Stiftung seine weitere Unterstützung für GehDenken verweigert. Biedenkopf äußerte sich persönlich nicht. Bekannt wurde lediglich, dass der frühere sächsische Ministerpräsident als Begründung für seinen Rückzug die Befürchtung geltend gemacht habe, die Initiative von GehDenken könnte als Wahlkampfplattform missbraucht werden.

[Dieser Artikel wurde – zuerst ohne Nachtrag – am 1. November 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]

FC Hansa Nazi?

Vier Tage nach den Ausschreitungen von Rostock schlagen die Betroffenheitswellen nach wie vor hoch, allerdings mehren sich auch Vorwürfe um das Versagen eigentlich Verantwortlicher.

Die Bilanz des Skandals am Rande der Zweitliga-Begegnung zwischen dem FC Hansa Rostock und dem FC St. Pauli am Abend des 26. September lautete aus offizieller Sicht: Einsatz von zwei Wasserwerfern und Tränengas, 52 vorläufige Festnahmen, 15 Verletzte, darunter sechs Polizisten. Die Polizei war, so die Nachrichtenagentur DPA, mit einer Deeskalationsstrategie und über 600 Beamten in Bereitschaft. Das Spiel war vorab nicht als Risikospiel eingestuft worden. Vielleicht auch deswegen, weil der Weltfußballverband Fifa den Spieltag weltweit als so genannten Fair-Play-Day tituliert hatte.

Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und sich gerade auf Promotion-Tour durch die fußballgeografische Landschaft des Ostens der Bundesrepublik befindend, reagierte mit Unverständnis (“enttäuschend und frustrierend“) auf die Rostocker Randale und befand zugleich, die Gesellschaft müsse sich fragen, “warum die Hemmschwelle für Gewalt so niedrig ist“. Nach Darstellungen der Rostocker Polizei hätten sich die einheimischen Fans nicht an eine Abmachung gehalten, die zuvor zwischen Anhängern, Verein, Ordnungsdienst und Polizei getroffen worden seien – Absprachen also mit einem Ordnungsdienst beispielsweise, der “sich davon machte, als Hansa-Hooligans zum Sturm auf den Gästeblock ansetzten“ (welt.de).

Mittlerweile hat der FC St. Pauli die skandalösen Umstände im Umfeld des Rostocker Zweitliga-Spiels zusammen gefasst und eine Stellungnahme mit dokumentierten Vorkommnissen des Abends beim DFB sowie bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) eingereicht. Einer unter mehreren aufgeführten Punkten ist, “dass St. Pauli-Profi Morike Sako aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe zum Opfer rassistischer Beschimpfungen durch die Rostocker Anhänger geworden war“.

“Es ist nichts ungewöhnliches, dass Neonazis beim Fußball auftauchen, das ist nicht schön, kommt aber des Öfteren vor“, so der auch fußballerisch bewanderte Journalist Patrick Gensing – mitnichten alle Hansa-Fans als Nazis bezeichnend – in seinem Erlebnisbericht zu besagtem Abend. “Das Erschreckende in Rostock ist das (Nicht-)Verhalten der Masse der Zuschauer gegenüber Nazis und Schlägern, nicht einmal gab es Unmutsbekundungen über die aggressiven Pöbeleien“. Für Gensing durchaus Zeichen einer “volksgemeinschaftlichen Abwehrreaktion“, zudem im Verbund mit augenscheinlich agierenden “rechten Hools [als] die Speerspitze und Vollstrecker des Hansa-Willens“. Eine Botschaft, die der FC Hansa Rostock so wohl nicht sehr gerne lesen dürfte. Oder? “Dazu kann man nicht mehr viel sagen“, scheinbar jedenfalls – so jedenfalls der lediglich als abhängig beschäftigt angestellte Hansa-Trainer Frank Pagelsdorf zum vergangenen Freitag Abend in Rostock. Wenigstens Hansa-Vorstandschef Dirk Grobow bezog Stellung und kündigte an, die Beteiligten zur Rechenschaft ziehen zu wollen.

Allerdings wird sich “ohne deutliche Distanzierungen der Verantwortlichen in Rostock niemals etwas ändern“ (Hamburger Abendblatt). Nach den Erfahrungen von Patrick Gensing dürfte es darüber hinaus sehr fraglich sein, “ob die Hansa-Verantwortlichen endlich einmal ihr rechtes Fanpotenzial thematisieren, ob sie die Feindseligkeit gegenüber Gästen ansprechen, ob sie die Gründe für den teilweise unzureichenden Schutz ihrer Gäste vor Angriffen aufgreifen“. Das versuchsweise Wortspiel, etwa gar einen Zwanziger dagegen wetten zu wollen, könnte man sich an dieser Stelle eigentlich sparen.

[Dieser Artikel wurde am 30. September 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]