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“Sturm 34“: Lückenhafte Zeitreise mit dem Staatsschutz-“Joker“

Dresden. Nach wie vor wird während des laufenden Prozesses gegen fünf führende Köpfe der rechtsextremen Kameradschaft nicht eindeutig ersichtlich, welche Rolle der Staatsschutz-Informant unter den Angeklagten zu welchem Zeitpunkt und mit wem gespielt hat. Die offenen Fragen werden nicht weniger.

Nach Darstellungen des Angeklagten Matthias R. habe er bereits mehrere Monate vor Gründung des “Sturm 34“ regelmäßige Kontakte zum Staatsschutz der Chemnitzer Polizei gehabt. Am gestrigen dritten Verhandlungstag wurde vor dem Landgericht Dresden eine Zusammenarbeit mit der Polizeibehörde mittlerweile auch offiziell nicht mehr in Abrede gestellt. Zwei Polizeibeamte bestätigten vor Gericht die Existenz des Informanten. Für seine Dienste erhielt der “Joker“ des Staatsschutzes 910 Euro sowie mehrere Telefonkarten im Wert von 100 Euro. Die durchaus brisante Frage, ob Matthias R. bereits vor der Gründung des “Sturm 34“ Staatsschutz-Informant gewesen ist, steht allerdings nach wie vor ungeklärt im Raum.

Matthias R. hatte erst kürzlich erklärt, er habe sich bereits Anfang Februar 2006 – vier Wochen vor der danach bekannt gewordenen Gründung des “Sturm 34“ – erstmals mit dem Staatsschutz getroffen. Mittlerweile stellt der “Joker“ des Staatsschutzes dar, “dass er bereits Ende 2005 auf die Ermittler zugegangen sei und ihnen seine Dienste angeboten habe“ (ddp). Unterdessen sagte einer der vor Gericht geladenen Staatsschützer aus, der 40-jährige Angeklagte habe sich erstmals im Januar 2006 an die Behörde gewandt. “Bislang hatte die Staatsanwaltschaft angegeben, dass der Angeklagte erst nach der Gründung der inzwischen verbotenen Gruppierung im März 2006 als Informant für die Staatsschutzabteilung der Polizei gearbeitet hat“ (ddp). Die Treffen, so die gegenwärtigen Staatsschutzangaben, hätten Mitte März beginnend stattgefunden – also gut eine Woche nach Gründung der militant-rechtsextremistischen Kameradschaft. Am 26. April 2007 wurde der “Sturm 34“ offiziell verboten.

Die gegenwärtige Sachlage stellt sich also – so die Dresdner Morgenpost – mehr oder weniger wie folgt dar: “Matthias R. will ab Oktober 2005 Informant gewesen sein. Polizist Jens L. (38) im Zeugenstand: ’Nein. Erst im März 2006.’“

Im Dunklen ist zudem nach wie vor, wie ein – wann auch immer stattgefundenes – erstes Date zwischen Staatsschutz und Informant zustande gekommen ist. So habe Matthias R. “am 8. März“ (ddp) eine SMS auf das Diensttelefon der Staatsschützer gesendet. Woher er zum damaligen Zeitpunkt allerdings “die geheime Nummer hatte, konnten weder Jens L. noch dessen Kollege Enrico K. (36) bei der Vernehmung erklären“ (Freie Presse).

Auch sei die Informanten-Tätigkeit von Matthias R. “bisher nicht in den Akten vermerkt“ (Dresdner MoPo). Dazu erklärten die beiden Staatsschützer vor Gericht, dies wiederum wüsste nur allein der Dezernatsleiter. Der Staatsschutz-Vorgesetze sei nun für den kommenden Donnerstag als Zeuge geladen worden, kündigte der Vorsitzende Richter Martin Schultze-Griebler an – der besagte Beamte “kommt heute erst aus dem Urlaub zurück“ (Dresdner MoPo).

Unterdessen lieferte der sächsische Landesverband der NPD mittels einer Erklärung – “Politisch inszenierte ’rechte Gewalt’ durch V-Leute von Polizei und Geheimdiensten?“ – ein durchaus pikantes Detail zum “Sturm 34“-Prozess. So erklärte der Parteisprecher Andreas Storr, der Angeklagte Matthias R. habe ab 2. November 2005 der NPD angehört – also lange vor dem ersten Treffen mit der Polizei (Freie Presse). Matthias R. hatte bislang behauptet, er sei auf Geheiß des Staatsschutzes Mitglied der NPD geworden.

Zudem werden – beispielsweise in der Sächsischen Zeitung – neue Fragen laut: Warum beantragten die Ermittler schon nach zwei Wochen eine Prämie von 500 Euro für ihren Informanten? Enttarnten sie R. durch eine Ungeschicklichkeit möglicherweise selbst? Und unter welchen Umständen wechselte der V-Mann vom Zeugen zum Beschuldigten und Angeklagten? – Fragen über Fragen.

[Dieser Artikel wurde am 18. April 2008 bei redok veröffentlicht.]

Staatsschutz-“Joker“ beim “Sturm 34“

Dresden. Am zweiten Prozesstag gegen fünf führende Kader der rechtsextremistisch-militanten Kameradschaft outete sich einer der Angeklagten nun auch öffentlich als Informant des polizeilichen Staatsschutzes – es bleiben weiter offene Fragen.

Bislang wurde eher orakelt, ob überhaupt und wenn, für welche Behörde – Polizei, Staatsschutz oder LKA – der als “Joker“ titulierte Angeklagte tätig gewesen sein könnte. “Aus den Akten ergebe sich nichts. Was vermuten lässt, dass sie unvollständig sind“ (Dresdner Morgenpost). Der 40-jährige hatte sich vor kurzem an den Petitionsausschuss des sächsischen Landtages gewandt, weil ihm die angeblich als Informant zugesicherte Straffreiheit nicht realisiert wurde. Der Vorsitzende Richter Martin Schultze-Griebler nannte es zu Beginn des zweiten Prozesstages einen “ausgesprochen schlechten Stil“, dass der Angeklagte in einer Zeitung detaillierte Angaben zu seiner vermeintlichen Tätigkeit für den Staatsschutz der Chemnitzer Polizei gemacht hatte, bevor er sich im Prozess dazu geäußert habe.

Nach seiner heutigen Darstellung hatte der “Joker“ bereits mehrere Monate vor Gründung des “Sturm 34“ regelmäßige Kontakte zum Staatsschutz gehabt. So habe er per SMS Hinweise über Aktivitäten der Kameradschaft an Mitarbeiter der Staatsschutzabteilung bei der Chemnitzer Polizei gesendet, zudem auch Fotos übergeben. Im Gegenzug habe er Handykarten und etwa 1.000 Euro erhalten. Außerdem bestätigte der Angeklagte Vorwürfe aus der Anklageschrift. Der “Sturm 34“ sei gegründet worden, um in der Region Mittweida eine “national befreite Zone“ zu schaffen. “Der Staatsschutz war über die Gründung informiert“, betonte er. Im bisherigen Prozessverlauf hatte die Staatsanwaltschaft angegeben, Matthias R. sei erst nach der Gründung der Kameradschaft auf die Ermittler zugegangen. Bei der Gründung des “Sturm 34“ Anfang März 2005 wäre er, so der Angeklagte, aber dabei gewesen.

In gewisser Weise merkwürdig ist es allerdings wiederum schon, dass in der –  redok vorliegenden – Verfügung zum Verbot der Kameradschaft durch den sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo (CDU) vom 23. April 2007 bei den detaillierten Schilderungen der “Sturm 34“-Gründung besagter Informant nicht namentlich erwähnt wird.

Unterdessen verlangt die Abgeordnete Kerstin Köditz (Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag) von Minister Buttolo Antworten darauf, warum durch das Innenministerium über Jahre und auch nach dem Verbot von “Sturm 34“ die Existenz der Vorläuferorganisation “Division Sächsischer Sturm“ verschwiegen und zudem nicht darüber informiert wurde, dass ein erheblicher Teil der Tatverdächtigen des “Sturm 34“ nicht aus dem Kreis Mittweida, sondern aus dem Kreis Stollberg beziehungsweise aus Chemnitz stammt. Zudem sollen durch die Staatsregierung Erkenntnisse über die “enge Verflechtung zwischen dem gewalttätigen ’Sturm 34’ und der NPD“ offen gelegt werden. So seien nach einem Bericht der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge aus dem Mai 2006 die meisten Angehörigen des “Sturm 34“ ausdrücklich dem NPD-Kreisverband Mittweida zugeordnet worden. Zudem gebe es Berichte, dass der “Sturm 34“ – wie vormals ebenso die Skinheads Sächsische Schweiz – den Saalschutz bei NPD-Veranstaltungen gestellt habe.

Der Vorsitzende Richter vor dem Landgericht Dresden machte schon am ersten Prozesstag deutlich: “Das Gericht wird nicht zögern, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, auch wenn das für einige Behörden unangenehm ist“. Gleichfalls hatte Schultze-Griebler klar gestellt, dass das Verfahren platzt, wenn eine Mitwirkung des Staatsschutzes an der Gründung der Kameradschaft offenkundig wird.

[Dieser Artikel wurde am 11. April 2008 bei redok veröffentlicht.]

“Sturm 34” – under construction by Staatsschutz?

Dresden/Mittweida. Unter den Angeklagten der führenden Kräfte der militant rechtsradikalen Kameradschaft “Sturm 34“ soll sich auch ein V-Mann des Staatsschutzes befinden, der zudem laut Medienberichten maßgeblich an der Gründung der mittlerweile verbotenen Gruppierung beteiligt gewesen sei. Die Behörden halten sich bedeckt.

Publik wurde der Sachverhalt durch ein Hilfeersuchen an den Petitionsausschuss des sächsischen Landtages. Der Petent offenbarte – nach Darstellung der Sächsischen Zeitung – er sei Mitglied einer Neonazi-Kameradschaft in Mittweida und außerdem Informant des Staatschutzes der Chemnitzer Polizei. Ihm sei im Zuge der Ermittlungen gegen die rechtsextremistische Kameradschaft “Sturm 34“ durch die Staatsanwaltschaft zwar eine Kronzeugenregelung angeboten worden, allerdings ist er trotz seiner – wohl szeneinternen – Informationen verurteilt worden und befindet sich nunmehr seit Juli 2007 wegen Körperverletzung in Haft.

Durchaus pikant wird der Sachverhalt allein schon dadurch, dass der Staatsschutz-Informant – angeklagt als einer der führenden Köpfe des “Sturm 34“ – wohl der Einzige der Beschuldigten gewesen ist, der bei der damaligen Gründung des “Sturm 34“ schon volljährig war. Nach einem Bericht der Chemnitzer Freien Presse ist der Fall allerdings noch pikanter. So soll der besagte Informant “bereits vor der Gründung des ’Sturm 34’ im März 2006 mit der Chemnitzer Polizei zusammengearbeitet haben“. Im Juni 2006 dann sei der Staatsschutz-Informant enttarnt worden und wurde daraufhin für kurze Zeit in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen (dpa). Fast unmittelbar folgend gab es die erste Razzia gegen die rechtsextreme Kameradschaft – im April 2007 wurde der “Sturm 34“ verboten.

Das zuständige Innenministerium und auch das Justizministerium halten sich – mit Hinweis auf das laufende Verfahren – bedeckt. Allerdings stellt sich schon die Frage, “ob der Schlägertrupp in Mittweida unter aktiver Mitwirkung eines V-Mannes der Polizei gegründet wurde“ (Sächsische Zeitung). Prozessauftakt gegen die fünf Angeklagten “wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung“ ist am 10. April vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden.

[Dieser Artikel wurde am 3. April 2008 bei redok veröffentlicht.]

Treffen des “Sturm 34“ verhindert

Mittweida. Nur mit einem Großaufgebot der Polizei konnte in der westsächsischen Stadt am gestrigen Abend ein größeres Treffen der rechtsextremen Szene unterbunden werden. Mitglieder der verbotenen Neonazi-Kameradschaft “Sturm 34“ wurden in Gewahrsam genommen.

So hatten Polizeikräfte an den Zufahrtstraßen zur Stadt Kontrollpunkte eingerichtet sowie zusätzliche Streifen im Stadtgebiet eingesetzt. Im Laufe des Abends wurden 13 mutmaßliche Mitglieder der verbotenen rechtsextremen Kameradschaft “Sturm 34“ wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot in Gewahrsam genommen. Darüber hinaus erhielten weitere 59 Personen an den Kontrollstellen und in der Stadt Platzverweise. Der “Sturm 34“ war im April vom sächsischen Innenminister verboten worden.

Im Einsatz waren Beamte der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge sowie der Bereitschaftspolizeien Sachsens und des Nachbarlandes Thüringen. Nach einem indymedia-Bericht sind bei der Aktion mindestens zwei Polizeihundertschaften beteiligt gewesen. Abseits der Polizeipräsenz habe es Übergriffe seitens der Rechtsextremisten gegeben, “die gezielt auf der Jagd nach Alternativen und Linken waren“. Das Polizeirevier Mittweida wollte sich gegenüber redok dazu nicht äußern, die Polizeidirektion Chemnitz verwies auf die Berichterstattung des MDR.

Erst am 8. Dezember erfolgte in Mittweida durch rund 150 Rechtsextremisten ein brauner Adventsauftritt. Kurz danach resümierte auch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) eine “neue Qualität bei der Vernetzung rechtsextremistischer Szenen im Freistaat Sachsen“. Laut indymedia waren die Rechtsextremisten gestern Abend koordiniert unter anderem aus Chemnitz sowie den Regionen Döbeln und Zittau nach Mittweida angereist.

[Dieser Artikel wurde am 22. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Chaoswochen bei sächsischer Polizei und Justiz

Mittweida/Chemnitz. Knapp vier Wochen nach der Aufsehen erregenden Bekanntgabe eines Neonazi-Überfalls auf eine 17-Jährige in Mittweida (Sachsen) haben Polizei und Staatsanwaltschaft Chemnitz heute den Rückwärtsgang eingelegt. Bisher war von vier Tätern die Rede gewesen, die der jungen Frau ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt haben sollen. Nun wird sogar gegen die junge Frau wegen Vortäuschens einer Straftat ermittelt.

Der Vorfall war am 23. November von Polizei und Staatsanwaltschaft als sichere Tatsache vermeldet worden. Insbesondere zwei Angaben der Behörden ließen kaum Zweifel an den mitgeteilten Vorgängen: Ein sechsjähriges Kind, das von den Neonazis bedrängt worden sei, habe den Hergang bestätigt, darüber hinaus hätten Rechtsmediziner ausgeschlossen, dass sich die junge Frau die Verletzung selbst zufügte.

Offenbar stimmte jedoch gerade an diesen beiden Angaben nicht viel. Heute gab die Chemnitzer Staatsanwaltschaft der Geschichte eine Kehrtwendung: Demnach hat die Mutter des sechsjährigen Kindes später nach der ersten behördlichen Bekanntmachung erklärt, ihr Kind könne gar nichts bestätigen, weil es zum Zeitpunkt des angeblichen Vorfalls gar nicht in Mittweida gewesen sei. Ob die 17-Jährige vielleicht einem anderen Kind zu Hilfe gekommen war, bleibt offen: Jedenfalls haben die Ermittler kein Kind finden können, das tatsächlich die Angaben bestätigen könnte.

Eine weitere Umkehrung der bisherigen Aussagen präsentierte die Staatsanwaltschaft mit zwei rechtsmedizinischen Gutachten, die inzwischen vorlägen. Hatte es anfangs noch geheißen, eine Selbstverletzung der jungen Frau könne rechtsmedizinisch ausgeschlossen werden, so wird sie jetzt “zumindest nicht ausgeschlossen“.

“Übermittlungsfehler“ und “Suggestivfragen“

Wie es zu den Falschmeldungen kam, versuchte heute Oberstaatsanwalt Bernd Vogel gegenüber Spiegel online zu erklären. Am 23. November habe schließlich keines der rechtsmedizinischen Gutachten vorgelegen, und die Mitteilung von einem “Rechtsmediziner“, der eine Selbstverletzung ausgeschlossen habe, sei “offensichtlich ein Übermittlungsfehler“ gewesen.

Die als sichere Bestätigung bekannt gegebene Aussage des sechsjährigen Kindes sei möglicherweise auf “Suggestivfragen“ zurückzuführen, auf die das Kind “entsprechend geantwortet“ habe, obwohl bei der Befragung eine Psychologin anwesend war.

Um das verwirrende Hin und Her vollends ausgewogen zu gestalten, erklärte Oberstaatsanwalt Vogel, dass trotz der neuen Erkenntnisse auch weiterhin ein Neonazi-Überfall denkbar sei. Und so ermittelt die Staatsanwaltschaft ab jetzt in zwei Richtungen: Einerseits wird gegen die 17-Jährige wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat ermittelt, andererseits laufen auch die Ermittlungen gegen die vermeintlichen Täter weiter.

Ermittlung wegen schlechten Bildes der “Bevölkerung“?

Gegen die 17-Jährige wird nach Angabe der Staatsanwaltschaft auch deshalb ermittelt, weil der wohl falsche Eindruck entstanden sei, dass Teile der Mittweidaer Bevölkerung nicht über genügend Zivilcourage verfügten. Die Strafverfolger sprachen in dem Zusammenhang von einem “Gebot der Fairness“. Trotz der Auslobung einer Belohnung von 5.000 Euro hatten sich keine Zeugen gemeldet, die den Vorfall bestätigen hätten können; das Ausbleiben solcher Aussagen war vielfach als “mangelnde Zivilcourage“ angeprangert worden.

“In Misskredit“ sei die Stadt Mittweida durch den Fall geraten, sorgte sich heute der neue Beauftragte des Bürgermeisters für Extremismusbekämpfung, Udo Göckeritz. Bürgermeister Matthias Damm (CDU), der mehr als 100 Briefe an Anwohner mit der Bitte um Aussagen verschickt hatte, zeigte sich heute einerseits erleichtert: “Wir sind aber – wie oft dargestellt – keine Nazi-Stadt“, blieb aber dabei, dass die Stadt “ein Rechtsextremismus-Problem“ habe.

(“Abends in Mittweida“: Straßenszene mit Rechtsextremismus-Problem – Foto: medienschlampen.com)

Tatsächlich hatten in der Region um Mittweida seit 2006 rechtsextreme Übergriffe massiv zugenommen, vor allem durch die Aktivitäten der Neonazi-Kameradschaft Sturm 34. Die Truppe wurde zwar vom sächsischen Innenminister im April dieses Jahres verboten, doch auch nach dem Verbot kam es weiter zu einschlägigen Auftritten und Gewalttaten aus dem Dunstkreis der verbotenen Gruppe.

Justiz: Bilanzen und Pleiten

Doch die Justiz tut sich bislang schwer mit der Bearbeitung des Sturm 34. Ende November hatte das sächsische Justizministerium noch eine positiv gestimmte Zwischenbilanz veröffentlicht, doch diese konnte die Serie der Pleiten und Pannen bei der praktischen Rechtsprechung nicht verdecken. Erst gestern musste ein leitender Staatsschutz-Polizist in einer Gerichtsverhandlung in Chemnitz einräumen, dass ein Tatverdächtiger eineinhalb Jahre lang nicht als Beschuldigter, sondern lediglich als Zeuge geführt worden war.

Dazu kam noch ein peinliches Hin- und Hergeschiebe von drei Anklagepunkten im Prozess gegen Tom Woost, der als Anführer des Sturm 34 gilt. Das Amtsgericht Chemnitz hatte diese Anklagepunkte, bei denen es um Überfälle auf einen Studenten aus Kamerun und das Café Courage in Döbeln geht, vom laufenden Prozess abgetrennt und – zuständigkeitshalber – an die Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden verwiesen. Doch dort sah man sich ebenfalls nicht zuständig und schickte die Anklagen zurück. Das Oberlandesgericht Dresden musste heute über den Verbleib der Strafsachen entscheiden: Nun ist wieder das Amtsgericht Chemnitz am Zuge. Dort wird nun also über Strafen für den mutmaßlichen Sturm 34-Anführer entschieden – und vielleicht auch über eine 17-Jährige, die der Stadt zu zweifelhafter Bekanntheit verholfen hat, indem sie möglicherweise einen Vorfall erfunden hat, dessen Hintergründe jedoch alles andere als fantasiert sind.

[Dieser Artikel (Albrecht Kolthoff/Olaf Meyer) wurde am 18. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]