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Geheimnisse der Dresdner Heide

Wenige Tage nach dem Brandanschlag auf den Fuhrpark der Bundeswehr ist ein Bekennerschreiben aufgetaucht

In der Nacht zum Ostermontag waren bislang Unbekannte auf das Gelände der Offiziersschule des Heeres in Dresden vorgedrungen und hatten dort mehrere Brandsätze gezündet. Die Schadensbilanz beläuft sich auf 42 zerstörte Autos, Laster und Busse; die Schadenshöhe wird gegenwärtig auf rund drei Millionen Euro geschätzt. Verletzt worden ist niemand. Es gebe “zwar immer mal wieder Drohungen gegen die Bundeswehr, aber nicht im Raum Dresden“, so Kasernenkommandant Johannes Derichs nach dem Anschlag.

Die Albertstadt-Kaserne am Rand der Dresdner Heide wird – aus Kostengründen – durch eine private Wachschutzfirma gesichert. Die Offiziersschule sei, nach Angaben von Derichs, auch in besagter Nacht bewacht worden. Wie genau, wurde bislang nicht öffentlich. Die Täter jedenfalls gelangten unentdeckt auf das gut 40 Hektar große Gelände der Offiziersschule, in dem sie “vermutlich über einen zweieinhalb Meter hohen Zaun geklettert“ sind, so eine LKA-Sprecherin kurz nach dem Anschlag. Nach späteren Informationen der Dresdner Morgenpost “trugen die Täter hochexplosive und zentnerschwere Behälter zwischen die Fahrzeuge, wollten eine noch verheerendere Explosion erzeugen“.

Dass es sich bei den Brandsätzen wirklich um zentnerschwere Behälter gehandelt haben soll, wollte die LKA-Sprecherin auch gut drei Tage nach dem Anschlag “nicht bestätigen“ (ddp). Derzeit prüfe die Bundeswehr allerdings “keine rechtlichen Schritte gegen den privaten Wachdienst“ (Sächsische Zeitung). Am Dienstag nach Ostern berief das zuständige Landeskriminalamt Sachsen eine Sonder-Ermittlungsgruppe, für das Verfahren ist der Leiter der Staatsschutzabteilung, Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, zuständig. Die an drei Seiten die Albertstadt-Kaserne umschließende Dresdner Heide gab – offiziell jedenfalls – bislang nichts weiter preis, als dass sich die Spur der Attentäter im Flüsschen des nahen Prießnitzgrund verloren habe. Die nachfolgenden Ermittlungen konzentrierten sich auf mögliche links- oder rechtsextremistische Hintergründe des Anschlags, eine etwaige Tätergruppe aus dem Ausland und auf “daneben auch ganz andere Motive“ (LKA Sachsen).

Unterdessen glaubten einige User des eher linken Online-Medienzentrums indymedia, den Dresdner Brandanschlag auf ihre eigene Art kommentieren zu müssen: “Antimilitarismus muss praktisch werden“, “Schönes Osterfeuer!“, “Das könnt ich gern jeden Abend in den Nachrichten sehen …“, “Das Gefühl knisternder Wärme von Bundeswehrfahrzeugen, ist jenes welches man in Leipzig noch missen muss!“, “Für unzählige der dummen Bundis dürften laue Wachschichten von nun ab Vergangenheit sein …“, “Danke, das war nötig!“. Um ein fast unmittelbar nach der Attacke auf die Dresdner Offiziersschule bei YouTube veröffentlichtes Video – “Brandanschlag auf Bundeswehr in Dresden“ – entspann sich zeitweilig eine durchaus kontroverse Online-Diskussion – um dann nach relativ kurzer Zeit auf dem “Heul doch!!“-Niveau zu enden.

Am Mittwoch nach Ostern berichtete der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), dass dem MDR-Sachsenspiegel ein Bekennerschreiben zum Brand-Anschlag auf die Offiziersschule des Heeres per Post zugestellt worden sei, was auch das LKA bestätigt. Das Schreiben wäre nach Ermittlerangaben ebenso an die Redaktion der Frankfurter Rundschau geschickt worden. Danach habe sich eine bislang unbekannte “Initiative für ein neues blaues Wunder“ zu dem Anschlag bekannt und diesen – nach Darstellung des MDR – unter anderem mit den Worten “Wenn ihr nicht abrüstet, tun wir es!“ begründet. Zudem würden, auch auf Dresden bezogen, die militärischen Rituale in öffentlichen Gebäuden und auf öffentlichen Plätzen kritisiert. Dabei hätten sich die Verfasser des Schreibens auf die “Proklamation der provisorischen Regierung der Bunten Republik Neustadt“ bezogen, einem jährlich alternativen Stadtteilfest in Dresden.

Nach dem bislang die offiziellen Berichterstattungen und staatlichen Verlautbarungen über den Dresdner Brand-Anschlag auf die Bundeswehr eher ausgewogen und zurückhaltend ausfielen, darf man nunmehr durchaus gespannt auf die weitere Entwicklung sein. Wer weiß schon jetzt, gegen welche Strukturen sich ein so betiteltes Bekennerschreiben letztendlich gleichzeitig noch verwenden lassen könnte? Ein anonymer User artikulierte seine dahingehenden Befürchtungen bereits in den Abendstunden des 13. April auf indymedia: “… und in diesem Fall wird kaum Ermittlungsaufwand gescheut werden. Wenn Du also irgendwie in der linken Szene aktiv bist, auch wenn Du mit Antimilitarismus nicht viel zu tun hast: Räum’ Dein Zimmer auf!“. Oberstaatsanwalt Schär bestätigte gegenüber mehreren Medien mittlerweile die Existenz eines Bekennerschreibens.

[Dieser Artikel wurde am 16. April 2009 bei Telepolis veröffentlicht.]

Sächsischer April-Ausklang

Dresden/Mittweida. Gegen den im presserechtlichen Sinn Verantwortlichen für die Schülerzeitschrift “perplex“ wurde Anklage erhoben. Mitglieder und Sympathisanten des “Sturm 34“ verstießen wiederholt gegen Auflagen des Verbotes der rechtsextremistischen Kameradschaft.

Wegen des Vorwurfes der Verunglimpfung des Staates, der Volksverhetzung sowie Verstößen gegen das Jugendschutz- und Pressegesetz hat die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Publikation “perplex“ vor dem Landgericht Dresden Anklage gegen den Landesvorsitzenden der sächsischen Jungen Nationaldemokraten (JN), Jens Steinbach, erhoben, wie am 29. April mitgeteilt wurde. Im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Vertrieb besagter Zeitschrift führen Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt aktuell insgesamt zwölf Verfahren wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. So wird dahingehend unter anderem auch gegen den NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen W. Gansel ermittelt. Ob die Staatsanwaltschaft ihn anklagt, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden (ddp). Weiterhin seien bislang gegen insgesamt fünf Beschuldigte Anklagen erhoben worden, vier davon seien “perplex“-Verteiler im Alter zwischen 18 und 31 Jahren. Die erste Auflage der Zeitschrift der rechtsextremen NPD-Nachwuchsorganisation wurde kurz nach ihrem Erscheinen als jugendgefährdende Schrift bundesweit indiziert – die zweite “perplex“-Ausgabe wurde teilweise konfisziert, die entsprechende Online-Version musste als Internet-Angebot stillgelegt werden.

Unterdessen teilte die Chemnitzer Polizei mit, am Abend des 28. April hätten sich mehrere Personen – “augenscheinlich der rechten Szene“ – in Mittweida zusammengefunden. Eine Überprüfung der Personalien habe ergeben, dass von den zwölf vor Ort befindlichen Jugendlichen sechs von den in der Verbotsverfügung gegen die Kameradschaft “Sturm 34“ erteilten Auflagen betroffen seien. Demnach dürfen sie sich nicht mehr an bestimmten Orten versammeln (dpa). Allen anwesenden 12 Personen wurde ein Platzverweis ausgesprochen. Die gesondert Betroffenen erhielten – teilweise erneut – Anzeigen wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz.

[Dieser Artikel wurde am 2. Mai 2008 bei redok veröffentlicht.]

Staatsschutz-“Joker“ beim “Sturm 34“

Dresden. Am zweiten Prozesstag gegen fünf führende Kader der rechtsextremistisch-militanten Kameradschaft outete sich einer der Angeklagten nun auch öffentlich als Informant des polizeilichen Staatsschutzes – es bleiben weiter offene Fragen.

Bislang wurde eher orakelt, ob überhaupt und wenn, für welche Behörde – Polizei, Staatsschutz oder LKA – der als “Joker“ titulierte Angeklagte tätig gewesen sein könnte. “Aus den Akten ergebe sich nichts. Was vermuten lässt, dass sie unvollständig sind“ (Dresdner Morgenpost). Der 40-jährige hatte sich vor kurzem an den Petitionsausschuss des sächsischen Landtages gewandt, weil ihm die angeblich als Informant zugesicherte Straffreiheit nicht realisiert wurde. Der Vorsitzende Richter Martin Schultze-Griebler nannte es zu Beginn des zweiten Prozesstages einen “ausgesprochen schlechten Stil“, dass der Angeklagte in einer Zeitung detaillierte Angaben zu seiner vermeintlichen Tätigkeit für den Staatsschutz der Chemnitzer Polizei gemacht hatte, bevor er sich im Prozess dazu geäußert habe.

Nach seiner heutigen Darstellung hatte der “Joker“ bereits mehrere Monate vor Gründung des “Sturm 34“ regelmäßige Kontakte zum Staatsschutz gehabt. So habe er per SMS Hinweise über Aktivitäten der Kameradschaft an Mitarbeiter der Staatsschutzabteilung bei der Chemnitzer Polizei gesendet, zudem auch Fotos übergeben. Im Gegenzug habe er Handykarten und etwa 1.000 Euro erhalten. Außerdem bestätigte der Angeklagte Vorwürfe aus der Anklageschrift. Der “Sturm 34“ sei gegründet worden, um in der Region Mittweida eine “national befreite Zone“ zu schaffen. “Der Staatsschutz war über die Gründung informiert“, betonte er. Im bisherigen Prozessverlauf hatte die Staatsanwaltschaft angegeben, Matthias R. sei erst nach der Gründung der Kameradschaft auf die Ermittler zugegangen. Bei der Gründung des “Sturm 34“ Anfang März 2005 wäre er, so der Angeklagte, aber dabei gewesen.

In gewisser Weise merkwürdig ist es allerdings wiederum schon, dass in der –  redok vorliegenden – Verfügung zum Verbot der Kameradschaft durch den sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo (CDU) vom 23. April 2007 bei den detaillierten Schilderungen der “Sturm 34“-Gründung besagter Informant nicht namentlich erwähnt wird.

Unterdessen verlangt die Abgeordnete Kerstin Köditz (Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag) von Minister Buttolo Antworten darauf, warum durch das Innenministerium über Jahre und auch nach dem Verbot von “Sturm 34“ die Existenz der Vorläuferorganisation “Division Sächsischer Sturm“ verschwiegen und zudem nicht darüber informiert wurde, dass ein erheblicher Teil der Tatverdächtigen des “Sturm 34“ nicht aus dem Kreis Mittweida, sondern aus dem Kreis Stollberg beziehungsweise aus Chemnitz stammt. Zudem sollen durch die Staatsregierung Erkenntnisse über die “enge Verflechtung zwischen dem gewalttätigen ’Sturm 34’ und der NPD“ offen gelegt werden. So seien nach einem Bericht der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge aus dem Mai 2006 die meisten Angehörigen des “Sturm 34“ ausdrücklich dem NPD-Kreisverband Mittweida zugeordnet worden. Zudem gebe es Berichte, dass der “Sturm 34“ – wie vormals ebenso die Skinheads Sächsische Schweiz – den Saalschutz bei NPD-Veranstaltungen gestellt habe.

Der Vorsitzende Richter vor dem Landgericht Dresden machte schon am ersten Prozesstag deutlich: “Das Gericht wird nicht zögern, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, auch wenn das für einige Behörden unangenehm ist“. Gleichfalls hatte Schultze-Griebler klar gestellt, dass das Verfahren platzt, wenn eine Mitwirkung des Staatsschutzes an der Gründung der Kameradschaft offenkundig wird.

[Dieser Artikel wurde am 11. April 2008 bei redok veröffentlicht.]

“perplex“: Zweite Ausgabe beschlagnahmt

Görlitz/Dresden. Bei einer Durchsuchung der Geschäftsstelle der Jungen Nationaldemokraten in Görlitz sind rund 100 Exemplare der so genannten Schülerzeitung von der Polizei konfisziert worden. Das ursprüngliche Online-Angebot wurde stillgelegt.

Wie Landeskriminalamt (LKA) und Staatsanwaltschaft in Dresden mitteilten, wurden am 28. Dezember bei einer Durchsuchung von Büros der für perplex verantwortlich zeichnenden NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) in Görlitz “mehr als hundert Exemplare“ (ddp) sichergestellt. Bei den beschlagnahmten Asservaten handelt es sich weiteren Angaben zufolge um die zweite Ausgabe besagter Zeitschrift. Die Nachrichtenagentur AP berichtet, zudem sei die Online-Version der zweiten perplex-Nummer “auf den Internetseiten der NPD Sachsen vom verantwortlichen Internetdienstleister aus dem Netz entfernt“ worden.

Bereits die erste Ausgabe von perplex vom September diesen Jahres wurde relativ kurz nach dem Erscheinen von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) auf den Index gesetzt. Inhalte der jetzt beschlagnahmten zweiten Ausgabe der Zeitung seien darüber hinausgehend als volksverhetzend eingestuft worden, zitiert AP einen LKA-Sprecher; laut dpa ist das Blatt wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, wegen Volksverhetzung und Beleidigung strafrechtlich relevant. Deshalb habe – so dpa – das LKA Anfang Dezember bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien beantragt, die zweite Nummer von perplex gleichfalls zu indizieren.

In einem NPD-Internetforum hieß es, die zweite perplex-Ausgabe dürfe laut Beschluss des Landgerichts Dresden vom 21. Dezember nicht mehr beworben, verteilt oder im Netz angeboten werden. Im Gegensatz zur ersten indizierten Ausgabe sei sie damit verboten worden. Allerdings stehe, verlautbarte dpa bezüglich besagten juristischen Begehrens des LKA, “eine Entscheidung über den Eilantrag noch aus“.

Nach Darstellungen von MDR INFO ist davon auszugehen, dass aktuell seitens der Protagonisten für perplex eine Auflage “von mehreren zehntausend Stück“ geplant sei und eine entsprechende Verteilung “bundesweit an Schulen“ erfolgen soll. Ermittler gehen gegenwärtig davon aus, dass von perplex-Ausgaben “mittlerweile rund 3000 Exemplare verteilt worden sind“ (ddp). Der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen W. Gansel hatte im September die geplante Auflage von perplex auf 30.000 beziffert.

[Dieser Artikel wurde am 28. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Rechtsextreme Aktionsnacht

Sachsen. In mehreren Städten hinterließen auf den Nikolausmorgen hin offenbar Rechtsextremisten ihre deutlichen Spuren. Die Eingangsbereiche zahlreicher Behörden wurden mit Ketten verschlossen und mit Plakaten beklebt.

Laut Agenturberichten sind nach der Nacht auf den 6. Dezember im Freistaat Sachsen verstärkt augenscheinlich rechtsextremistische Aktivitäten zu registrieren gewesen, beispielsweise an Eingangstüren von Rathäusern, Amtsgerichten, Finanzämtern und Schulen.

Davon betroffen seien unter anderem Meißen, Triebischtal, Pirna, Görlitz, Zittau, Löbau, Ebersbach, Leipzig und Geithain. Den Berichten zufolge wurden Ketten und Plakate angebracht sowie Türschlösser verklebt, wie ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) bestätigte. Auf den Plakaten wären Schriftzüge wie “Wegen Volksverrat geschlossen“ und “Das System in Ketten legen“ zu lesen gewesen.

Auch in Dresden waren am Morgen des 6. Dezember an mehreren Orten weniger als mehr rechtsextrem verbrämte Parolen entdeckt worden. Ein extremistischer Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, so das LKA Sachsen.

[Dieser Artikel wurde am 6. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]