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Nazis in Dresden: Keinen Meter gelaufen

Dresden. Es sollte die größte europäische Neonazi-Demonstration werden, doch der rechtsextreme “Trauermarsch“ in Dresden kam nicht von der Stelle. Das jährliche Rechtsaußen-Spektakel musste sich auf eine Standkundgebung vor dem Bahnhof Dresden-Neustadt beschränken. Zudem waren deutlich weniger Rechtsextreme als zuletzt befürchtet in die sächsische Landeshauptstadt gekommen. Gegen deren Propagandaaktion wehrten sich weit über 10.000 Bürger und Nazigegner.

Die rechtsextreme Demonstration sollte um 12 Uhr beginnen. Doch am Mittag waren gerade ein paar Hunderte am Neustädter Bahnhof eingetroffen, darunter NPD-Chef Udo Voigt, der Parteibarde Frank Rennicke und der DVU-Vorsitzende Matthias Faust. Erst zwei Tage zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Rechtsextremen in Dresden demonstrieren dürfen. Ausgerechnet vor dem Bahnhof wollten sie sich versammeln, von dem aus während der Herrschaft des Nationalsozialismus Juden deportiert wurden. Dort hatten die Nazis im Oktober 1938 vor aller Augen über 700 Dresdner Juden nach Polen abgeschoben. Zwischen 1942 und 1944 war der Güterbahnhof Ausgangspunkt oder Zwischenstation für zahlreiche Deportationen in die Ghettos Riga und Theresienstadt sowie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Gegendemonstrationen waren am diesjährigen 13. Februar eigentlich nur jenseits der Elbe in der Altstadt erlaubt, in der Dresdner Neustadt waren sie nicht zugelassen. Dennoch versammelten sich Tausende dort, wo die Neonazis sich treffen wollten. Nach Angaben von Aktivisten hatten sich trotz Demonstrationsverbot an mindestens vier verschiedenen Orten um die 10.000 Menschen zusammengefunden, um den Neonazi-Aufmarsch zu blockieren. Polizei und Nachrichtenagenturen gaben sich zurückhaltender und sprachen von etwa 2.000 Blockierern, die den Aufrufen von linksgerichteten Organisationen und Bündnissen gefolgt waren.

Menschenkette in der Altstadt

In der Altstadt hatten sich Bürger aus verschiedenen politischen Richtungen versammelt. Erstmals sprach mit Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) eine hochrangige Vertreterin der Stadt zu Anti-Nazi-Demonstranten und selbst Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nahm an der Kundgebung teil. Später wurde eine Menschenkette als geschlossener Ring um die Altstadt gebildet, zu der sich erheblich mehr Teilnehmer fanden als erwartet. Zehntausend bildeten die Kette, hieß es von der Stadt; die Sächsische Zeitung berichtete sogar von 15.000.

Während dessen marschierten die Nazis in der Neustadt keinen Meter weit. Bis zum späteren Nachmittag waren es wohl an die 5.000, die der Monate langen Propaganda von rechtsextremen Parteien und Gruppen aller Schattierungen Folge geleistet hatten beziehungsweise zum Aufmarschort durchgekommen waren. Die Polizeidirektion Dresden bezifferte die Stand-Demonstrierer auf 6.400 Personen. Eigentlich war für diesen Tag bis zuletzt mit 8.000 Rechtsextremen gerechnet worden.

Die Blockaden der Nazigegner in der Neustadt hielten offenbar. Die Polizei hatte zunächst vereinzelt versucht, Sitzblockaden aufzulösen. Doch schon bald gestand Einsatzleiter Ludwig-Gerhard Danzl ein: “Die Polizei sieht sich außerstande, die Blockade zu räumen“. Nach Beendigung der Menschenkette in der Altstadt kamen noch viele von dort in die Neustadt und verstärkten die Blockaden. Zeitweilig schränkte die Polizei ohne ersichtlichen Grund die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten am Schlesischen Platz ein, mit der einzigen Erklärung: “Das ist jetzt eben mal so“.

Kein Marsch in der Neustadt

Den Neonazis blieb nichts anderes übrig, als vor dem Bahnhof Dresden-Neustadt zu verharren und dort eine Standkundgebung abzuhalten. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass sie keinen Meter ihrer vorgesehenen Demonstrationsroute laufen würden. Aber auch die Standkundgebung begann eigentlich nie so richtig, weil erheblich verspätet immer noch Demo-Teilnehmer eintrafen. Eine Gruppe von rund 100 Rechtsextremen beispielsweise erreichte den Versammlungsort quasi kurz vor Beendigung der Veranstaltung. Die bis dahin gehaltenen, fast endlos scheinenden Redebeiträge sowie die Sangesdarbietungen von Frank Rennicke waren ob der Akustik und zudem fast ständig über dem Platz kreisender Hubschrauber kaum weiter als bis zum inneren Rand des Schlesischen Platzes vernehmbar. Da ging es aber eigentlich auch schon nur noch darum, die rechte Menge ohne größere Zwischenfälle zurück zu ihren weiteren Abreisemöglichkeiten zu bringen.

Bereits früher am Nachmittag hatte offenbar eine Gruppe von Neonazis in der Neustadt das alternative Kulturzentrum Conni angegriffen; dabei soll es mehrere Verletzte gegeben haben. Auf rechtsextremen Internetseiten war vorab kaum verbrämt zur Gewalt gegen das Zentrum aufgerufen worden: “Kleiner Tipp an Dresdner: Das Conni liegt cirka 300 Meter rechts von der Hechtstraße, parallel in der Rudolf-Leonhard-Straße“, war durchgegeben worden.

Wurfgeschosse und Todes-Gerüchte

Gegen 16.30 Uhr wurden die Rechtsextremen auf dem Schlesischen Platz zunehmend aggressiver. Aus der Menge heraus flogen vereinzelt Wurfgeschosse und Böller in Richtung Polizei und Journalisten. Nach Angaben erlitten dabei sechs Polizei-Beamte leichte Verletzungen. Skandiert wurde unter anderem “Wir wollen marschieren“, “Straße frei für die deutsche Jugend“ und “Wir sind das Volk“. Es gab kurzzeitig einige Rangeleien der vorderen Reihen der Demo-Teilnehmer mit der Polizei. Über die Lautsprecher-Anlage wurde die Bundesrepublik Deutschland als “faschistisches System, wie es uns in der Schule gelehrt wurde“ tituliert, anwesende Polizeibeamte zum Wechseln auf die “richtige Seite“ aufgefordert. Das Absingen aller Strophen der deutschen Nationalhymne war eher kläglich. Die Lautsprecher-Verlautbarung der Demo-Leitung – mit dem gleichzeitigen Beschwichtigungsversuch “Bleibt ruhig!“ – es habe im Umfeld der Blockaden neben mehreren schwerverletzten Kameraden vielleicht “sogar durch die Polizei zu bestätigende zwei Tote“ gegeben, reihte sich nahtlos an.

Die Veranstalter des Nazi-Spektakels wollten eigentlich bis Mitternacht demonstrieren, doch die Veranstaltungsbehörde hatte den “Trauermarsch“ bis 17 Uhr begrenzt. Zu diesem Zeitpunkt erklärte die Polizei über Lautsprecher die Versammlung als beendet. Die Rechtsextremen aus ganz Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern wurden aufgefordert, in Züge zu steigen. Laut Polizei bestand für die Rechtsextremen “zur eigenen Sicherheit“ die einzig mögliche Fortbewegungsmöglichkeit per Bahn nach Dresden-Klotzsche, wo ein Großteil der Busse zur weiteren Abfahrt bereit gestellt wurde. Erfahrungsgemäß war während der Abreisebewegungen der Rechtsextremen noch mit verschiedenen Spontan-Aktionen zu rechnen. Tatsächlich wurde am Abend beispielsweise noch berichtet, dass mehrere Hunderte Rechtsextreme durch Pirna gezogen seien und das dortige Bürgerbüro der SPD-Landtagsabgeordneten Dagmar Neukirch militant attackiert hätten.

Nicht weit vom Versammlungsort der Rechtsextremen hatten die meisten Blockierer auch auf dem Albertplatz ausgeharrt. Dort begann gegen 18 Uhr eine Abschlusskundgebung, mit der die erfolgreiche Verhinderung des Neonazi-Marsches gefeiert wurde.

Erstmals ist es 2010 gelungen, den jährlichen Marsch der Rechtsextremen durch die sächsische Landeshauptstadt letztendlich so zu blockieren, dass er nicht einmal auch nur ansatzweise möglich wurde. Und erstmals seit Jahren hat die Zahl der sich zum 13. Februar in Dresden versammelnden rechtsextremen Demonstranten abgenommen.

[Letzte Bearbeitung: 23:55 Uhr]

[Dieser Artikel (Albrecht Kolthoff/Olaf Meyer) wurde am 13. Februar 2010 bei redok veröffentlicht.]

Betteln um “Kampfspende“

Berlin. Zum wiederholten Mal ruft der NPD-Vorsitzende Udo Voigt zu außerordentlichen finanziellen Zuwendungen in die offenbar nach wie vor klamme Parteikasse auf. Die Ergebnisse der bisherigen Spendenaufrufe sollen weit unter dem nötigen Betrag geblieben sein, um die Löcher in der Kasse zu stopfen.

Voigts aktueller Aufruf für eine so betitelte “Kampfspende“ in der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme sei durch die “angespannte Finanzsituation der NPD sowie laufende oder bevorstehende Wahlkämpfe“ begründet, berichtet das Online-Portal Endstation Rechts.

Schon seit weit über einem Jahr wird über die desolate Finanzlage der NPD mehr als nur gemunkelt. Bereits Anfang Dezember 2006 versuchte Voigt mit Bettelbriefen Sympathisanten der rechtsextremen Szene anzupumpen, um die augenscheinlich finanziell sehr ernste Lage wenigstens ein wenig lindern zu können. Der damalige Spendenaufruf soll mit einem Ergebnis von etwa 75.000 Euro allerdings weit hinter den ursprünglich erhofften Einnahme-Erwartungen zurück geblieben sein.

NPD-Rechenschaftsberichte der letzten Jahre werden gegenwärtig immer noch vom Bundestagspräsidium geprüft. Dabei scheint ein nicht unerheblich zu beachtendes Detail darin zu bestehen, dass “die NPD-Rechenschaftsberichte (…) 1997 bis 2004 (…) von dem Wirtschaftsprüfer Eberhard Müller verfasst“ wurden, so berichtet das NPD-Blog. Müller ist laut diesem Bericht “seit 1998 Gesellschafter der ’Deutschen Stimme Verlagsgesellschaft’“. Das Management des DS-Verlages besteht demnach “laut Auskunft von Creditreform vom April 2005“ unter anderem aus Erwin Kemna, der bei der NPD für die Finanzen zuständig ist. Das NPD-Blog weiter: “Gesellschafter beziehungsweise Eigentümer sind demnach neben Wirtschaftsprüfer Müller noch Wolfgang Schüler (Beisitzer im Vorstand des Landesverbandes Sachsen) sowie wiederum NPD-Schatzmeister Kemna. Das Unternehmen gibt die Parteizeitung ’Deutsche Stimme’ heraus, betreibt einen Online-Versandhandel und wird natürlich der NPD zugerechnet“.

Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz läge dahingehend allerdings nicht vor, “da der DS-Verlag rein rechtlich nicht zur Partei gehöre“. Wirtschaftsprüfer dürfen nach dem Parteiengesetz selbst keine Ämter in einer zu überprüfenden Partei ausüben.

Nach NPD-Sichtweise ist der ursprünglich Hauptverantwortliche für die fortdauernde Finanzmisere aus dem Ende 2006 bekannt gewordenen Thüringer Kassen-Chaos, der damals amtierende thüringische Partei-Vorsitzende Frank Golkowski, eine “äußerst zweifelhafte und kriminelle Person“, so Udo Voigt in seinem bislang letzten Spenden-Aufruf.

[Dieser Artikel wurde am 11. Januar 2008 bei redok veröffentlicht.]

Wo man singt …

Eigentlich wollen sie “weg von dem Zeugs“, verkündete kürzlich das Duo Prussian Blue. Da kann der Auftritt beim so genannten Sachsentag der Jungen Nationaldemokraten wohl nur ein Missverständnis gewesen sein

Die Zwillinge Lynx und Lamb Gaede aus Bakersfield in Kalifornien sorgten in den letzten Jahren immer wieder einmal für Schlagzeilen – unter dem Namen Prussian Blue. So nennen die beiden nunmehr 15-Jährigen ihr geschwisterliches Gesangs-Duo der ganz eigenen Art. Der Namensgebung – auf deutsch: Preußisch Blau – sollen eine angebliche Abstammung von deutschen Einwanderern sowie die Augenfarbe von Lynx und Lamb zu Grunde liegen. Beschäftigt man sich allerdings nur etwas näher mit dem Liedgut von Prussian Blue, erscheint eine darüber hinaus kolportierte Namensdeutung in arg braunem Licht nicht ganz abwegig.

“Die Zeiten sind hart für einen stolzen weißen Mann. Bald wird ein großer Krieg kommen, ein blutiger, aber heiliger Tag. Eine mächtige Rasse gilt es zu verteidigen.“ (Victory Day)

“Rudolf Heß, Mann des Friedens, er hat nicht aufgegeben, er hat niemals aufgehört. Erinnert euch seiner und schweigt.“ (Sacrifice)

In einer Darstellung der Zeitschrift Jungle World bieten Prussian Blue selbst noch eine andere Deutungsmöglichkeit für ihren Namen: “Es gibt die Diskussion über das Fehlen der Farbe ’Preußisch Blau’, die als Rückstand von Zyklon B übrig bleibt, an den Wänden der so genannten Gaskammern in den Konzentrationslagern“.

Nach einem Resümee der FAZ gehörten Prussian Blue bereits im November 2005 “in den Vereinigten Staaten zu den derzeit prominentesten Botschaftern des Rassenhasses“. Gestützt wurde diese Einschätzung zudem durch die dazumal bekannt gewordene Unterstützung des Duos durch den Ku Klux Klan.

Den Organisatoren aus Jungen Nationaldemokraten (JN) und so genannten Freien Kräften des diesjährig als Sachsentag bezeichneten rechtsextremen Events in Dresden-Pappritz mögen allerdings zwischenzeitlich die Ohren von der letzten Schlagzeile über die “Nazi Pop Twins“ (Channel 4) geklungen haben. Mitten in den letzten Vorbereitungen für den Sachsentag berichtete der britische Sender, den beiden Schwestern gehe es nach deren Darstellung

“gar nicht um ’white power’. In den letzten vier Jahren ging es nur um Politik – es hat uns total ausgelaugt. Wir wollen eine Pause. Wir wollen weg von dem Zeugs.“

Überlegt wurde, ob nach den Rissen im Image “der gesunden arischen Familie“ nun “gar die Entnazifizierung der Nazi-Twins“ folgen werde. Zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung verblieben noch knapp fünf Tage bis zum bereits angekündigten Auftritt von Prussian Blue beim Sachsentag in Dresden, am 11. August sind sie beim “Sommer- und Familienfest“ der NPD Saar.

Nachdem im Vorjahr das Parteiorgan der NPD sein Deutsches-Stimme-Pressefest im braunen Schlamm bei Pappritz versucht hatte zu zelebrieren, erfolgte in diesem Jahr lediglich eine kurze Mitteilung, dass erst “für das nächste Jahr die Veranstaltung mit einem veränderten Konzept wieder geplant“ sei. Insider vermuten hinter der Absage des Pressefestes der Deutschen Stimme (DS) momentane parteiinterne Schwierigkeiten mit der Finanzierung eines solchen bundesweiten Events. Nicht unerheblich dürften zu der Absage zudem auch die teilweise heftigen szene-internen Diskussionen um die Organisation und besonders die hohen Preise auf dem vorjährigen Pressefest-Gelände und der daraus resultierende Vorwurf der Kommerzialisierung beigetragen haben.

Stattdessen wurde auf dem gleichen Privatgelände wie 2006 zum “JN-Sachsentag – Arbeit, Familie, Vaterland“ eingeladen. Die diesjährige Veranstaltung des JN-Landesverbandes Sachsen, so wurde betont, stehe “mit dem DS-Pressefest nicht im Zusammenhang“.

Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) mutmaßte zuvor:

“Die JN versucht ansatzweise an das bisherige Konzept der in den letzten Jahren veranstalteten Pressefeste des DS-Verlages anzuknüpfen. Dort wurde versucht, mit einer Mischung aus Volksfest, politischen Vorträgen und Diskussionen, Verkaufsständen sowie rechtsextremistischer Skinheadmusik ein möglichst breites Publikum anzusprechen. … Der Schwerpunkt des Veranstalters wie auch des Teilnehmerinteresses dürfte aber eher auf die Auftritte der angekündigten rechtsextremistischen Skinheadbands beziehungsweise Liedermacher gerichtet sein … Mit der geplanten Veranstaltung zeigen sich damit einmal mehr die engen Verbindungen zwischen der JN und der rechtsextremistischen Skinhead- und Kameradschaftsszene.“

Für den 4. August in Dresden-Pappritz angekündigt waren verschiedene Redner aus dem rechtsextremen Spektrum sowie die musikalischen Darbietungen von Viking aus Italien, Asynja aus Schweden, Frontalkraft und Sachsonia aus der Bundesrepublik, Ferox aus Schweden – und Prussian Blue.

Gegen die rechtsextreme Veranstaltung protestierten Einwohnerinnen und Einwohner der Dresdner Randgemeinde mit einem bunten Bürgerfest in der Mitte ihres Dorfes. Und im Gegensatz zum Vorjahr zeigten mehrere Vertreter des Dresdner Rathauses ihre Unterstützung persönlich vor Ort. Im Vorfeld dieser Veranstaltung, die den ganzen Tag andauerte, waren wiederholt Plakate der örtlichen Bürgerinitiative gegen das Nazi-Fest von Unbekannten entfernt beziehungsweise zerstört worden. Im Laufe des frühen Nachmittags demonstrierten rund 280 meist jugendliche Demonstranten aus Antifa-Kreisen gegen die JN-Veranstaltung.

Umrahmt und begleitet wurde dieser Tag im Schönfelder Hochland von einem enormen Polizeiaufgebot. “Bis zum frühen Nachmittag und bis zum Einsatzende waren jeweils 550 Beamte zeitgleich im Einsatz. Insgesamt waren es damit 1.100“, so der Dresdner Polizei-Pressesprecher Thomas Herbst. Durch polizeiliche Vorkontrollen wurden bei anreisenden Rechtsextremisten und Sympathisanten unter anderem zwei Schreckschusswaffen, Baseballschläger, ein Samuraischwert, Messer und Reizstoffsprays sichergestellt. Es erfolgten Strafanzeigen sowie darüber hinaus mehrere Platzverweise wegen Verstößen gegen die Auflagenverfügungen, zu denen beispielsweise ein Alkoholverbot auf dem Veranstaltungsgelände gehörte. Die Polizei bilanzierte den Anreiseverkehr zum JN-Sachsentag zusammenfassend mit rund 1.000, wobei “zeitweise bis zu 600 Personen vor Ort“ gewesen seien.

Zeitlich nicht genau verbürgt ist das Eintreffen von Prussian Blue auf dem Open-Air-Gelände. Vielleicht haben sie den NPD-Parteivorsitzenden Udo Voigt ja auch nicht gegen den Multi-Kulti-Staat hetzen hören. Vielleicht haben sie sein “Großvater war kein Kriegsverbrecher“ genau so wenig gehört, wie den lautstark verkündeten “Stolz auf die Leistungen der deutschen Wehrmacht“. Vielleicht aber wurde den beiden auch flüsternd übersetzt, dass nach wie vor “ein Drittel des Deutschen Reiches unter polnischer Verwaltung steht“ und sich Teile von Österreich leider “nicht offen zu Deutschland bekennen“ könnten. Vielleicht aber reichen die Deutschkenntnisse von Lynx und Lamb ja sogar aus, um Voigts eindeutig bezügliches “Ich bin stolz ein Deutscher zu sein!“ verstehen zu können. Wenn die singenden Zwillinge denn ein wenig der Sprache ihrer angeblichen Vorfahren mächtig sein sollten, konnten sie auch im einbrechenden Dunkel der Veranstaltung beispielsweise “Braune Stadtmusikanten“- und “NAPOLA Löbau“-Aufdrucke entsprechend deuten.

Nun sind Schrift- und Lautsprache – besonders auch im Deutschen – durchaus zweierlei. So mag es, beim Auftritt von Frontalkraft unmittelbar vor ihrem eigenen, die beiden Schwestern akustisch vielleicht nur ein wenig verwirrt haben, warum – teils mit Bandunterstützung, teils a cappella durch die vor der Bühne Versammelten – wiederholend lautstark intoniert wurde:

“Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen, weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen, rot ist das Blut auf dem Asphalt.“

Aber vielleicht haben Lynx und Lamb auch gar nichts von alledem verstanden und wussten nicht einmal, wo und vor wem sie da am 4. August als letzter Konzert-Act aufgetreten sind – schließlich wollen sie “weg von dem Zeugs“. Und im Dunkeln war die in Dresden-Pappritz über allem wehende Fahne der NPD ja dann schließlich auch schon fast gar nicht mehr so richtig zu erkennen.

[Dieser Artikel wurde am 8. August 2007 – bebildert – bei Telepolis veröffentlicht.]

Rechtsextremer G8-Aufmarsch angemeldet

Rostock. Die NPD will am 7. Juni unter dem Motto “Für Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Nein zur Gewalt“ in der kreisfreien Stadt demonstrieren.

Wie die Nachrichtenagentur ddp heute mit Berufung auf die Rostocker Polizei meldet, beabsichtigt die NPD mit derzeit angegebenen 500 Teilnehmern während des G8-Gipfels am 7. Juni in der Hansestadt aufzumarschieren.

Vorab hatte bereits der Tagesspiegel berichtet, die Demonstration sei seitens der NPD “als Gegenveranstaltung zu den für Donnerstag geplanten Veranstaltungen der linken Gipfelgegner geplant“ worden. Als Anmelder dieser Demonstration agieren Berichten zufolge Udo Pastörs, Vorsitzender der NPD-Fraktion im mecklenburg-vorpommerschen Landtag, und Peter Marx, Generalsekretär der NPD. Als Redner sollen in Rostock der Parteivorsitzende Udo Voigt sowie Udo Pastörs auftreten.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald hatte eine für den 2. Juni in Schwerin angemeldete NPD-Demonstration gegen den G-8-Gipfel verboten und damit die Rechtsauffassung der Stadt Schwerin bestätigt. Wie der Tagesspiegel weiter berichtet, sei von Seiten des daraufhin von der NPD angerufenen Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) in Karlsruhe mit Stand von heute in dem Verfahren “noch keine Entscheidung in Sicht“. Als Reaktion auf das Demonstrationsverbot von Schwerin marschierten am 2. Juni mehrere hundert Rechtsextremisten bei dezentralen Aktionen in mehreren Bundesländern auf.

[Dieser Artikel wurde am 4. Juni 2007 bei redok veröffentlicht.]

“Der 1. Mai liegt dieses Jahr mitten in der Woche“

Hamburg. Der mitunter gar nicht so NPD-ferne “freie Nationalist“ Christian Worch fordert wie schon in den letzten Jahren “Heraus zum 1. Mai!“ – in diesem Jahr nicht nach Leipzig, sondern nach Dortmund. Darüber hinaus wollen Nazis an diesem Tag in Erfurt, Neubrandenburg sowie Nürnberg, Raunheim, Rüsselsheim und Vechta aufmarschieren.

Rechtsextreme Aufzüge am “Tag der Arbeit“ waren Ende März in Nürnberg, Raunheim, Rüsselsheim und Erfurt bekannt. Ein zwischenzeitlich avisierter Aufmarsch in Berlin sowie die jährlich wiederkehrenden Demonstrationsversuche in Leipzig waren für dieses Jahr bereits frühzeitig abgesagt worden.

Mittlerweile sind von NPD-Funktionären organisierte Demonstrationen in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) und Vechta (Niedersachsen) dazugekommen. An beiden Orten wurden die Aufzüge allerdings von den Stadtverwaltungen verboten. Gegen das Verbot in Neubrandenburg haben die Veranstalter Klage angekündigt. Dagegen ist von der NPD in Niedersachsen nichts über eine Klage zu hören, die Partei hat bislang noch nicht einmal über das Verbot selbst berichtet.

Von parteiunabhängigen Neonazis wird spekuliert, das Schweigen der Niedersachsen-NPD zum Vechta-Verbot könne mit dem morgigen Landesparteitag zusammenhängen, bei dem eine Neuwahl des Landesvorstandes auf der Tagesordnung steht. Der Termin für diesen Parteitag war offenbar unter großer Geheimhaltung angesetzt worden, nachdem der erste Versuch vor einem Monat im Raum Oldenburg gescheitert war. Der amtierende Landesvorsitzende Ulrich Eigenfeld will seinen Vorsitz verteidigen, während eine beachtliche innerparteiliche Opposition mit guten Kontakten zu den radikalen “Kameradschaften“ ihn ablösen will.

Dortmund ist in diesem Jahr der wichtigste Aufmarschort am 1. Mai für die rechte Szene. Die Demo wird von parteiunabhängigen Neonazis organisiert und von der NPD unterstützt. Als Redner sind unter anderem die Neonazis Siegfried Borchardt (“SS-Siggi“, Dortmund), Sascha Krolzig (Hamm) und Christian Worch (Hamburg) sowie der Vorsitzende der niederländischen NVU, Constant Kusters, vorgesehen; für die NPD werden deren Chef Udo Voigt und der stellvertretende NRW-Landesvorsitzende Claus Cremer das Wort ergreifen. Drei Nazi-Rockbands sollen das braune Ereignis begleiten.

Für seine lesende Kameraden- und Parteien-Gemeinde hat Worch noch einen bedeutsamen Hinweis parat: “Da der 1. Mai in diesem Jahr auf einen Dienstag fällt und somit mitten in der Woche liegt, ist es nicht möglich mit dem Wochenendticket der Deutschen Bahn anzureisen“.

[Dieser Artikel wurde am 14. April 2007 bei redok veröffentlicht.]