MedienScreen # 17 [Was von Ultra übrig bleibt – ein Szenario]

[Fundstück] Andrej Reisin, “Ultras: Wer mit dem Feuer spielt“, Publikative.org, 11. März 2012 –

(…) Innerhalb kürzester Zeit ist Ultra beinahe zu einer Art Staatsfeind avanciert, mindestens aber zur scheinbar größten Gefahr für die Sicherheit und Attraktivität des Profifußballs in Deutschland und Europa. Die Mahner, Warner, Prediger und Scharfmacher wider die Ultras beschwören jedoch Phänomene herauf, die aus den Kurven längst verdrängt schienen. Denn was nach Ultra kommen könnte, wollen viele offenbar weder sehen noch wahrhaben …

(…) Ohne jeden Zweifel hat das Aufkommen der Ultra-Bewegung ab Ende der Neunziger entscheidend dazu beigetragen, rechten Hools und Nazi-Schlägern die Dominanz in den Kurven zu nehmen, die sie bis dahin ebenso zweifellos hatten. Dass Fankultur heute weitgehend bunt statt braun ist, ist auch das Verdienst vieler, vieler Ultragruppen, die sich ausgehend vom Grundgedanken, dass der Support für den Verein im Mittelpunkt steht, nach und nach von Rassismus und Diskriminierung abgegrenzt haben. In vielen Städten und in vielen Stadien sind sie heute deshalb die Träger einer progressiven und bunten Fußballkultur, zu der aus ihrer Sicht eben auch Pyrotechnik gehören kann – neben der Gewaltbereitschaft sicherlich der momentan am heißesten umstrittene Punkt (…)

(…) Es wäre deshalb dingend geboten, verschiedene Themen endlich auch getrennt voneinander zu verhandeln – und nicht permanent in hysterischem Geschrei alles in einen Topf zu werfen, nur weil man mal wieder keinen Aufmacher und die Deutsche Polizeigewerkschaft noch nicht genug Resonanzraum für ihre Forderungen gefunden hat: Das derzeit an jedem Wochenende verstärkt zu beobachtende Abbrennen von Pyrotechnik hat den einfachen Grund, dass die Ultras DFB und DFL unmissverständlich deutlich machen wollen, dass der Abbruch eines Dialogs nur dazu führt, dass dann eben unkontrolliert überall gezündelt wird. Die Message ist ganz klar: “Hier sind wir, hier bleiben wir, wir machen, was wir wollen, Ihr könnt uns nicht verbieten!“ (…)

(…) Letzteres ist allerdings ein fataler Irrtum: Die Ultras können und werden den Krieg mit den Vereinen und Verbänden und vor allem mit der Polizei nicht gewinnen. Mit und zu Recht wird der Staat sein Gewaltmonopol durchsetzen, denn in der Tat kann kein demokratisch-zivilgesellschaftlich verfasstes Gemeinwesen dauerhaft dabei zusehen, wie eine gewisse Anzahl zumeist junger Männer für sich selbst entscheidet, wann sie Gewaltanwendung zur Durchsetzung ihrer Ziele für richtig hält. Aber: Die klügeren Ultra-Gruppen haben dies längst erkannt. Nicht umsonst versuchen sie, sich innerhalb der Vereinsgremien Gehör zu verschaffen, nicht ohne Grund starteten sie eine Dialog-Initiative über Pyrotechnik, nicht aus Gewaltverherrlichung beteiligen sie sich an Fankongressen und ähnlichen Veranstaltungen (…)

(…) Wer diesen durchaus demokratischen Partizipationsversuchen immer wieder nur die Tür ins Gesicht und den Knüppel hinterher schlägt, darf sich nicht wundern, wenn er ausgerechnet die radikalsten und gewaltbereitesten Kräfte fördert – und damit exakt die Zustände heraufbeschwört, die vermeintlich bekämpft werden sollen. Denn auch, wer die jugendlicher Lust an der Revolte in Ultra-Kurven ausleben will, wird sich überlegen, ob Stadionverbote, Strafbefehle und horrende Schadenersatzforderungen den ganzen Spaß wert sind. Übrig bleiben werden bei der “brutalst möglichen“ Repression, wie sie von Scharfmachern gerne gefordert wird, daher vor allem diejenigen, die eh nichts zu verlieren haben – und denen deswegen alles scheißegal ist – Knast inklusive. Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer – nur genau anders herum, als immer propagiert wird (…)

(…) Eine Lösung des Gewaltproblems ist deswegen schlechterdings nicht gegen die Ultras, sondern nur mit ihnen möglich. Denn die Alternative zu den Ultras könnte weitaus schlimmer sein. Wer die Repressionsschraube gegen die Ultras immer weiter zuzieht, läuft daher massiv Gefahr, ungewollt ganz anderen Kandidaten neue Spielfelder zu eröffnen, deren Zeit in der Kurve schon vorbei zu sein schien. Wer Gespräche abbricht und behauptet, diese hätten nie stattgefunden, verschafft denjenigen Stumpfis in den Stadien neues Gehör, die eh schon immer wussten, dass man Probleme nur mit dicken Armen, Alkohol und einer ordentlichen Portion Hass lösen kann. Wer immer mehr und immer öfter Pfefferspray einsetzt, wird die Anzahl der dumpfen “ACAB“-Gröler nicht verkleinern. Und wer ganze Gruppen mit Stadienverboten und ähnlichen Maßnahmen belegt, eröffnet die Räume, in denen rechte Gewaltgangs neue Spielfelder finden (…)

[Dieser Beitrag wurde am 21. März 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

Hooligans Elbflorenz: Wabernder Frühlingsnebel

Weniger oder mehr in Vergessenheit geraten stehen bekanntlich seit nunmehr August 2011 in Dresden nach wie vor fünf Männer vor Gericht, unter anderem wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung – der Hooligans Elbflorenz.

Mehr als zwei Monate nach zuletzt registrierten Verlautbarungen der regionalen Dresdner Medien, welche zuvorderst Interesse an der Berichterstattung zu diesem – allerdings auch bundesweit beachteten – Präzedenzfall schon aus Aktualitätsgründen haben, zwischenresümierte nun die Dresdner Morgenpost am 16. März: “Muster-Prozess droht Musterpleite“.

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(“… Der K-Block steht hinter euch!!“ – *Foto: O.M.)

Dem MoPo-Bericht zufolge sagten kürzlich Stuttgarter Zeugen in Dresden vor Gericht aus – “Männer, die in gleicher Sache freigesprochen wurden, weil die dortigen Richter weder strafbare Handlungen noch kriminelle Vereinigungen erkannten“. “Uns sagte ein szenekundiger Beamter im Stadion: ’Schlagt Euch auf der grünen Wiese. Da interessiert es keinen’. Das haben wir gemacht“, wird einer der Zeugen zitiert.

“Demnach herrschten bei den ’Matches’ Regeln des Fightclubs: Um Verletzungen vorzubeugen, finden derlei Keilereien nur auf Wiesen und Waldwegen statt. Die Truppstärke muss gleich sein. Leichtes Schuhwerk ist Pflicht. Gekämpft wird Mann gegen Mann. Liegt der Gegner am Boden, ist Schluss. Hernach reicht man sich die Hände. Filmer und Schiedsrichter dokumentieren und ahnden Verstöße. So wurden schon Schläger ausgeschlossen, die zu brutal austeilten“ (MoPo Dresden).

Zu der sächsisch selbsterkorenen Titulierung als Hooligans Elbflorenz zitiert die MoPo einen Zeugen aus dem Raum Stuttgart: “Die hatten keinen Namen. Bei uns im Westen hießen sie ’Ackertruppe’. Sie waren beliebte Gegner, weil sie gute Kämpfer hatten“. Und – “Ein Großteil unserer Leute sind Ausländer. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir gegen die Dresdner gekämpft hätten, wenn da auch nur ein Nazi dabei gewesen wäre?“

Wie weiter berichtet wird, haben die Verteidiger der angeklagten “Hools & the Gang“ (MoPo) nach der zugänglichen Aktenlage des laufenden Verfahrens zwischenzeitlich bislang vier – wie auch immer agierende – V-Männer erkennen können. “Das bedarf einer Klärung“, so einer der Anwälte.

“Ist da etwa jemand als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet?“, fragte Ostfussball.com schon bereits kurz nach dem Helau in das 2012’er Jahr. Der besagte Prozess am Landgericht Dresden ist mittlerweile vorerst aktuell bis Ende Mai terminiert.

[*Foto: Rudolf-Harbig-Stadion, SG Dynamo Dresden vs. SK Rapid Wien, Testspiel, 23. Januar 2010]

[Dieser Artikel wurde am 19. März 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 16 [Dynamo Dresden, Geisterspiel, Versuch eines Resümees]

[Fundstück] Gert ’Zimmi’ Zimmermann, Kolumne “Einwurf“, Dresdner Wochenkurier (Print-Ausgabe), 14. März 2012 –

(…) Der Sonntag gegen Ingolstadt ist in die Geschichte von Fußball-Deutschland eingegangen. Mit viel tiefsinnigem Humor wurde dem allmächtigen DFB gezeigt, dass auch im früheren Tal der Ahnungslosen schon lange nicht mehr alles so geht, wie es die Partei will. Denn die hatte bekanntlich immer Recht. Das haben die Genossen sogar aus voller Kraft gesungen. Allerdings meistens, wenn sie unter sich waren. Diesmal zeigte das Volk mit viel Ironie, was sie von Massenbestrafungen hält.

Ein Rentnerehepaar war genau so begeistert von der Leidenschaft der Dynamo-Anhänger wie die Kleinsten, die auf den Schultern ihrer Väter schon mal das Feindbild, den DFB, kennen lernten. Auf den durfte sogar neben dem Großen Garten in schnell aufgestellten Toiletten einmal für einen Euro Notdurft verrichtet werden. Für einen guten Zweck versteht sich. Die Verrichtung der meisten soll einer Befreiung gleich gekommen sein.

Allerdings war das Gelände sehr Rauch geschwängert. Auch die martialisch dröhnenden Böller sind nicht jedermanns Geschmack gewesen. Hier die Erklärung für die Duldung der Pyrotechnik. Da die Lennestraße in den Bereich der Polizei gehörte und nicht in den Herrschaftsbereich des Fußballbundes, war das Zünden diesmal abgesegnet. Das Vergehen gilt als Ordnungswidrigkeit und könnte mit einem Bußgeld von 35 Euro belangt werden. Musste aber nicht. Hat wer noch Fragen?

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(Faksimile: O.M.)

[Dieser Beitrag wurde am 14. März 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 15 [Bild und Co. sind eine Gefahr für den ganzen Journalismus]

[Fundstück] “IRRE! Bild und co. sind eine Gefahr für den ganzen Journalismus“, Benjamin Giebenrath für Blickfang Ultra (BFU) im Januar 2012 [BFU # 23] –

Wir, die Redaktion des Blickfang Ultrà, haben die Schnauze gestrichen voll und versuchen uns hiermit an einer Abrechnung mit den sogenannten Kollegen unter der schreibenden Zunft. Wir nehmen uns die Frechheit heraus, Journalisten und Autoren in den Massenmedien als Kollegen zu bezeichnen, was unter den Lohnschreibern wohl für einen Aufschrei sorgen und mit einem spöttischen Lächeln quittiert werden dürfte, doch ist uns das egal. Wir sind Ultras, wir schreiben über Ultras, wir scheren uns nicht um Titel, Regeln oder Konventionen und bilden uns hiermit unsere eigene Wahrheit und erlauben uns diese zu verbreiten. Wir nutzen hierbei die beliebten Stilmittel des Populismus, der Verallgemeinerung und scheren genüsslich und mit hohem Eifer alle über einen Kamm!

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Wir können es nicht mehr mit ansehen, wie Ultrasgruppen nach vermeintlich schlimmen Vorfällen ihre Zeit damit verschwenden, gut und vorsichtig formulierte Stellungnahmen zu verfassen, welche die Wahrheit der Zeitungen und Polizisten in Frage stellen und der eigentlichen Wahrheit recht nahe kommen. Die Schriften erscheinen in Magazinen, Infozines, Fanzines, auf den Blogs und Homepages der Gruppen. Sie haben fast keinerlei Wirkung, werden kaum beachtet und die Zahl der Richtigstellungen in den Massenmedien, die durch einen solchen Text erfolgten, tendiert gegen Null. Was in den Massenmedien geschrieben steht, ist Gesetz und die eigene Wahrheit, da helfen keine Richtigstellungen und Widerlegung der Presseberichte. Zwar mag es sogenannte Journalisten geben, die sich die Texte durchlesen, doch werden sie den Teufel tun, ihren selbst verfassten Artikel, oder den eines sogenannten Kollegen, zu widerlegen. Uns ist egal, was der einzelne sogenannte Journalist denkt, wir sehen nur, was geschrieben wird, wie gegen unsere Bewegung gehetzt und wir alle in einen Topf geschmissen werden. Nutzt eure Zeit anders, hängt mit euren Freunden herum, versucht eure Gruppe weiterzubringen, geht malen, geht kleben, schreibt an euren Magazinen oder feiert in Clubs. Egal was, alles ist sinnvoller, als das verbreiten der eigentlichen Wahrheit, die lediglich von einem Personenkreis angenommen wird, der diese sowieso schon kennt.

Journalisten stigmatisieren und verbreiten entgegen besserem Wissen Lug und Trug! Ihnen ist das egal, sie sehen nicht die Qualität ihrer Texte, sie sehen nicht den Wahrheitsgehalt, sie sehen nicht die Wirkung – sie sehen lediglich die Reaktion ihres Chefredakteurs. Ein gelungener und guter Artikel ist nicht gut oder gelungen, wenn er hohen literarischen Ansprüchen genügt, ist nicht gut, wenn er besonders gut geschrieben wurde, sondern hat einzig und allein seine Daseinsberechtigung, indem er gedruckt wird. Lohnschreiber leben vom Schreiben, es ist ihr Beruf, keinesfalls aber ihre Berufung. In unserem System braucht man Geld zum Leben, was selbst für sogenannte Journalisten gilt, denn diese verdienen durch die Veröffentlichung ihrer Texte! Veröffentlicht wird aber lediglich, was sich verkauft – die Schlagzeile und die Wirkung auf den Leser muss stimmen. Was verkauft sich denn heutzutage besser als Gewalt? Nicht viel und insbesondere die Fußballgewalt scheint eine große Wirkung zu haben, denn sie findet, vermeintlich, im Rahmen von Massenveranstaltungen statt. In den Redaktionen dieser Republik ertönt lauter Jubel, wenn über den Ticker wieder Ausschreitungen aus einem Stadion eintrudeln. Was schreibt sich für diese Zunft denn leichter als ein Artikel über Ultras und Hooligans?

Journalisten betreiben Rufmord und geben ein großes Nichts aus Einzelschicksalen und den Menschen. Ein Artikel über Ausschreitungen bei Dynamo schreibt sich fast von alleine, denn der Journalist kann in diesem Fall nichts falsch machen. Die öffentliche Meinung über Dynamo hat sich im Lauf der Jahre manifestiert. Jeder Artikel, in dem Dynamo-Fans nicht als besoffene Nazischläger dargestellt werden, verwundert den Leser und lässt ihn in allem vom Glauben abfallen. Verliert ein Fußballfan durch eine Aneinanderreihung von schrecklichen Ereignissen einen Arm, so wird nicht der Mensch an sich gesehen, sondern die sogenannten Journalisten versuchen den Menschen in eine Schublade zu pressen, um dem Artikel eine reißerische Note zu verpassen, die dafür sorgt, dass er auch gedruckt und Geld auf das Konto des Lohnschreibers überwiesen wird. “Hooligan verliert Arm“ klingt besser als “Fußballfan verliert Arm“. Die Wirkung der erstgenannten Schlagzeile macht den Leser aufmerksam und sorgt für Gedanken, die nicht das Schicksal des jungen Menschen sehen, der sein Leben lang gezeichnet sein wird, sondern der Leser denkt an einen Hooligan, der durch sein eigens Tun und Handeln selbst schuld an seinem Schicksal ist. Hooligans und Ultras sind für diese sogenannten Journalisten und Leser der Abschaum der Gesellschaft, Streunende Köter, um die es einem nicht leid tun muss, die selber daran schuld sind. Wie können Menschen im sogenannten Journalismus alle Menschlichkeit über Bord werfen und gleichzeitig das Unmenschliche unter Ultras und Hooligans anprangern? Ein Spagat, der wohl nur einem Lohnschreiber und dem hirnlose Gefolge, auch genannt “die Leser“, gelingt, da sie es sich seit vielen Jahren angeeignet haben!

Journalisten sind eines der Rädchen im System. Polizei, DFB, DFL und der Staat betreiben hemmungslosen Lobbyismus und die Massenmedien geben sich dafür gerne her. Gesetze, Maßnahmen, neue Regulierungen werden beschlossen und müssen an den Mann, respektive Fan gebracht werden. Was eignet sich aus Sicht der Regulierer besser als die Verbreitung über die Massenmedien? Eine Meinung wird durch den Lobbyismus an Millionen Empfänger gebracht, der Clou daran ist, dass die Oberen den Wortlaut vorgeben, bestimmen, was verbreitet wird und welche Reaktion dies bei der Öffentlichkeit auslösen soll und der Lohnschreiber, der sogenannte Journalist, spielt da gerne den Lakaien und tippt den Artikel fröhlich in sein MacBook. Egal ob vor der WM 2006 in Deutschland, neue Stadionverbotsrichtlinien, nach ausufernden Polizeieinsätzen oder erst kürzlich bei der Pyrodebatte: Geschrieben wird, was die Oberen haben wollen, sogenannte Journalisten, die ausscheren und sich mit der realen Wahrheit befassen wollen, sind nicht gerade eine große Masse und gehen in dieser unter. Der Fan ist dabei der Dumme und das Versuchsfeld für einen immer neuen Wahnsinn des Staates und der Verbände, deren Regulierungswahn keine Grenzen zu kennen scheint.

Journalisten sind gut organisiert und weit vernetzt. Sie nutzen die modernen Massenmedien, wie Zeitungen und das Internet, um ihre Botschaften, Lügen und Hysterie zu verbreiten. Regelmäßig schwärmen sie aus und begeben sich auf ihren Feldzug gegen aktive Fans und Ultras. Bewaffnet mit Handys, iPhones, Smartphones und MacBooks schlagen sie zu und senden ihre “Wahrheit“ in alle Welt. Ihre treuen und leicht gläubigen Leser lassen sich dabei als weiterer Multiplikator missbrauchen und verbreiten die Inhalte in Form von Kommentaren auf den Homepages der Medien weiter, sie verbreiten diese in sogenannten Fanforen, am Stammtisch oder in Gesprächen auf der Arbeit oder im privaten Umfeld. Der Journalist ist sich dessen durchaus bewusst und arbeitet gezielt daran, die Meldungen so zu formulieren, dass sie der einfache “Manfred“ kapiert und fröhlich weiterverbreiten kann. Schuldig machen sich auch die sogenannten Ultras selbst, welche diese Meldungen in den eigenen Medien, wie beispielsweise ultras.ws, ebenfalls weiterverbreiten und die Inhalte gar noch diskutieren und für bare Münze nehmen. Schämt euch, ihr seid der Abschaum innerhalb des Abschaums und die Lakaien eines Systems, das ihr angeblich ablehnt und bekämpfen wollt. Ihr seid nichts weiter als ein weiterer Teil der hirnlosen Herde, die unserer Bewegung schadet und den sogenannten Journalisten und den Oberen in die Karten spielt!

Der Journalismus an sich wird neben der Judikative, der Exekutive und der Legislative oftmals als die vierte Gewalt eines Staates bezeichnet. Er wirkt meinungsbildend und manipulativ auf seine Nutzer und Empfänger. Unabhängige Medien sucht man in Deutschland leider vergebens, denn diese kommen, im Bereich der Ultraskultur, von den Ultras selbst, die in der Regel, abgesehen von leider wenigen Ausnahmen, auch nur von den Ultras genutzt werden. Ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt und es ist nicht davon auszugehen, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändern wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die Gewalt zwar ablehnt, diese aber ausübt und gerne begafft, nur um danach seinen Ekel auszudrücken und durch die moderne Medienlandschaft kann sich ein Jeder durch einen Kommentar wichtig machen. Es ist der Moment gekommen, an dem wir uns auskotzen müssen, indem wir populistisch auf den Populismus reagieren, in dem wir mit Verallgemeinerung auf die Verallgemeinerung reagieren, in dem wir die Stigmatisierung durch Stigmatisierung anprangern, in dem wir die Verbreitung von fragwürdigen Inhalten durch die Verbreitung von (für viele sicherlich) fragwürdige Inhalte verbreiten. Wir nutzen unsere Medien, um die Nutzung und den Missbrauch der Medien zu kritisieren. Wir sind Ultras, wir müssen uns vor niemanden rechtfertigen, außer vor uns selbst!

[Dieser Beitrag wurde am 10. März 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

Datei “Gewalttäter Sport“ – Datenspiele

Seit Jahren schon speichert das Bundeskriminalamt (BKA) Informationen über Personen, die bei Sportereignissen, vor allem beim Fußball, auffällig geworden sein sollen. In einer so genannten Datei “Gewalttäter Sport“, inoffiziell auch “Hooligan-Datei“ genannt, wurden – nach dazumal ersten Verlautbarungen durch verschiedene Medien-Angaben – rund 10.000 Menschen aufgelistet und quasi katalogisiert.

Bereits im Dezember 2008 befand allerdings das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, dass besagter Datei eine Rechtsgrundlage fehle (abendblatt.de, 18. Dezember 2008). Unter den dahingehend registrierten Peronen “waren zweifellos viele Hooligans und Straftäter, aber offenbar auch Fans, deren Personalien lediglich festgestellt worden waren, weil sie sich in der Nähe einer Schlägerei aufhielten oder an einer Demonstration teilnahmen. Eine Verurteilung vor Gericht war und ist für eine Registrierung nicht notwendig, es reichen Hinweise von Polizeibeamten“ (spiegel.de, 15. Januar 2009).

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(Foto: O.M.)

Nachfolgend hat im April 2010 das Verwaltungsgericht Karlsruhe erneut die fehlende rechtliche Grundlage der Verbunddatei “Gewalttäter und Sport“ moniert. Angaben zufolge umfasste die bundesweite Datei “Gewalttäter und Sport“ dann schon zirka 11.000 Einträge (Sachsen: Aktuell rund 300 Menschen in der ’Kategorie C’ für Hooligans).

Im Juni 2010 stimmte der Bundesrat dem Entwurf für eine Verordnung des Bundesinnenministeriums zu, mit dem die umstrittene Datensammlung “Gewalttäter Sport“ nebst vielen anderen Warndateien des BKA auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden sollte (heise.de, 4. Juni 2010). “Eine Beratung der neuen Rechtsverordnung auch im Bundestag hielt das Innenministerium nicht für nötig.“ In gewissen Online-Foren kursierte im Februar 2011 die Information, zitierend aus einer am 15. November 2010 publizierten Erhebung des BKA, dass in besagter Verbunddatei “Gewalttäter Sport“ bundesweit nunmehr 16.799 Datensätze über insgesamt 12.800 Personen gespeichert seien – und der Status quo?

Stiller Status quo? Das Vorfeld der Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine wirft nicht erst seit gestern mitunter einige durchaus andeutungsvoll martialischen Bilder voraus.

Von alledem vielleicht abseits, aber scheinbar sowieso generell, dürfen sich in den Euro-12-Wochen Fußballfans – deren Daten in der beim BKA nach wie vor geführten Datei “Gewalttäter Sport“ gespeichert sind – auf Ausreiseverbote, Meldeauflagen während der Europameisterschaft und andere unerfreuliche Maßnahmen einrichten.

“Aber man muss nicht unbedingt Hooligan sein, um in die Datei aufgenommen zu werden“ – denn, “wessen Personalien … einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, findet Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ und sieht sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“, wird aktuell auf der Website anwalt.de resümiert.

[Dieser Artikel wurde am 2. März 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]