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Dynamo Dresden: Glücksgas Olé?

Am Ende ging dann doch alles relativ schnell über die Bühne. Nur gut zwei Wochen, nach dem erstmals konkreter ein neuer Name für das Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion in das öffentliche Gespräch kam, wurden nunmehr gewissermaßen Sponsoren-Nägel mit Köpfen gemacht. Zukünftig wird der jetzige Drittligist SG Dynamo Dresden (SGD) die Heimspiele also im Glücksgas-Stadion an der Lennéstraße absolvieren.

Daran konnten auch Diskussionen und Proteste in verschiedenen Online-Foren sowie hier und da geäußerte Befindlichkeiten nichts ändern, geschweige denn nur daran rütteln – genau so, wie grenzwertige Umfragen zum zukünftigen Dresdner Stadionnamen wenig hilfreich waren.

Berichten zufolge hat Glücksgas, ein Partner der Goldgas SL GmbH, sein Namensrecht für das Rudolf-Harbig-Stadion über eine Laufzeit von fünf Jahren gekauft. Über genaue Konditionen gibt es bislang keine offiziellen Angaben. Kolportiert wird eine Summe von 300.000 Euro pro Saison, “die nach kompliziertem Schlüssel zwischen dem Vermarkter, der Betreibergesellschaft und dem Verein aufgeteilt werden müssen“ (Sächsische Zeitung, 11. Dezember). Hinzu kämen noch etwa rund 100.000 Euro für einen derzeit nicht näher konkretisierten Sponsoring-Vertrag mit der SGD. “Diese Zahlen seien ’so nicht richtig’, antwortete Hendrik Schiphorst von Sportfive auf Nachfrage der SZ [Sächsische Zeitung], wollte sie aber auch nicht korrigieren.“ Ist das so etwa – à la des Filmendes von Casablanca – der Beginn einer wunderbaren finanziellen Freundschaft?

Jedenfalls sprach Thomas Bohn, SGD-Aufsichtsrat, erst einmal von einem “angemessenen Betrag“. Was allerdings letztendlich bei der ’wunderbaren finanziellen Freundschaft’ unter dem Strich in der Abrechnung stehen wird, ist gegenwärtig eigentlich gar nicht genau verifizierbar. Die wiederum kolportierte nunmehrige Exklusivpartnerschaft mit Goldgas nämlich “schließt ein Engagement des städtischen Energieversorgers Drewag bei dem Verein de facto aus. Die vereinbarte Unterstützung des Nachwuchsleistungszentrums liegt deshalb auf Eis (…) Dabei geht es (…) um eine sechsstellige Summe“ (Sächsische Zeitung).

Darüber hinaus keinesfalls zu vernachlässigen ist, dass die Drewag in den letzten Jahren für die SGD ein durchaus verlässlicher Bürgschaftsgeber bei den nicht immer einfachen Lizenzierungsverfahren für einen weiteren Spielbetrieb gewesen ist. Volker Oppitz, SGD-Geschäftsführer, wollte sich zu dahingehend möglichen Konsequenzen allerdings nicht konkret äußern. Ja – “Die Wahrheit ist immer konkret“ (Lenin).

Fragen über Fragen also? Oder nicht? Oder einfach nur eine ’wunderbare finanzielle Freundschaft’? Gehen, wie die Sächsische Zeitung kommentierend anmerkte, “die Dresdner Fans sowieso weiter in ihr Dynamo-Stadion“? Oder finden sie den Hergang, wie ein kommentierender User im entsprechenden Teil des Forums bei ultras.ws postulierte, einfach nur “Total zum Kotzen“?

“Dresden ist anders“ (Volkmar Köster) – seit dem 10. Dezember 2010 jedenfalls nicht nur ein wenig beliebig anders. Und die ’Kinder der Wende’ sind jetzt wohl eher ’Glücksgas-Kinder’.

Post Scriptum: Übrigens liest sich die in verschiedenen Print-Medien und wohl auch bei der offiziellen Präsentation so bildlich dargestellte neue Gestaltung der Fassade am Rudolf-Harbig-Stadion zukünftig als “glücksgas stadion“.

Post Post Scriptum: Wer war Rudolf Harbig?

[Dieser Artikel wurde am 11. Dezember 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 2 [Dresden: Glücksgas-Arena oder Stuka-Stadion?]

[Fundstück] “Sanitär-Stadion, Panzerkampf-Arena, oder was?“, Sächsische Zeitung (sz-online.de), 8. Dezember 2010 –

(…) Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ hat Humor, jedenfalls in seiner Online-Variante. Unter der Rubrik “Spam“ haben die Macher von “spiegel.de“ eine Umfrage gestartet, die das Dresdner Stadion ins Visier nimmt. Sie greifen die Debatte um den bayerischen Sponsor auf, der den Neubau “Glücksgas-Arena“ nennen will.

“Klingt komisch“, befinden die Autoren und geben dann sieben Alternativen für ein Online-Voting vor, die es in sich haben. “Stuka-Stadion“ ist eine der martialischen Varianten. “U-Boot Typ VII B-Kampfbahn“ die zweite. Die Vorschläge unterstellen, dass Dynamo ein in Teilen recht vergangenheitsfixiertes Publikum hat. Etwa bei: “V2-Sportplatz“. Man kann es ahnen, die folgenden Vorschläge lauten: “Selbstladepistole Haenel-Schmeisser M1 1920-Spielfeld“, “Phosgen Wettkampfplatz“ sowie “Panzerkampfwagen 6 Tiger-Arena“. Als letzte Vorgabe nennt die Abstimmung: “lieber was Regionales wie: Fa.-Adrian-Schmidt-Heizung-und-Sanitär-Stadion“. Bis zum späten Dienstagnachmittag [7. Dezember] klickten fast 4.000 Nutzer bei der nicht repräsentativen Umfrage mit.

Fast jeder zweite (knapp 47 Prozent) favorisierte einen lokalen Sanitärsponsor als Namensgeber. Die kriegerischen Offerten waren weit abgeschlagen, der “V2-Sportplatz“ schaffte nicht einmal zehn Prozent. Das legt nahe: Dynamo-Fans sind besser als ihr Ruf (…)

[Dieser Beitrag wurde am 9. Dezember 2010 bei Ostfussball.com publiziert.]

Dynamo Dresden: Glückliches Gas sponsert Glücksbärchen-Arena?

Die Kassen beim sächsischen Vertreter in der 3. Liga sind bekanntlich ein wenig klamm. Jährlich gibt es deswegen mehr oder weniger heftiges Bangen um das Lizenzierungsverfahren für die nächste Spielperiode der SG Dynamo Dresden. Und die Diskussionen über eine letztendlich solide Finanzierung des Konstruktes Rudolf-Harbig-Stadion währen, eigentlich bereits seit den ersten Planungen der baulichen Rekonstruktion, aktuell nach wie vor an.

Erstbesucher des neuen Stadions in Dresden zeigen sich übrigens wegen der baulichen Gestaltung begeistert ob des Eindruckes der einrangigen Arena; andere Besucher wiederum sprechen mittlerweile von einem beliebigen Event-Tempel, ähnlich anderer relativ lieblos vor sich hin sprießender Stadionanlagen.

Gut, im Rudolf-Harbig-Stadion (RHS) präsentieren zur Zeit noch die Fans die Mannschaftsaufstellung ihres Teams. Eckbälle und Freistöße werden mitnichten durch eine Firma XY begleitunterstützt. Nach Torerfolgen folgen – wie in anderen Stadien der Republik mittlerweile fast durchgängig üblich und so zuweilen nicht minder peinlich – im RHS keine Wechsel-Ansagen à la ’Wir haben Was – Die Anderen Irgendwas – Danke – Bitte’. Die Atmosphäre im RHS hat nach wie vor schon noch etwas Eigenes, nicht zuletzt auch Dank der Ultras Dynamo, trotz des neuen Event-Tempels, trotz des unsäglichen Caterings, trotz alledem – einfach so, Rudolf-Harbig-Stadion in Dresden eben.

(…) Jetzt ist ein Name gefunden: Glücksgas-Arena. Man spricht von 250.000 Euro, dass sich das bayrische Energie-Unternehmen sein Engagement jährlich kosten lassen will. Dynamo reagierte (…) auf Nachfrage geschockt, wenn gleich sich keiner offiziell äußern wollte. Schließlich haben die Schwarz-Gelben mit den Namensrechten nichts zu tun.

Die Stadt Dresden schon eher. Die kann sogar ihr Veto einlegen, wenn der Name sittenwidrig wäre. Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (…): “Wir kennen das Thema und finden den Namen nicht nur unglücklich gewählt, sondern sehen diese Sponsoren-Wahl sogar als einen Tritt vors städtische Schienbein.“ Vorjohann denkt dabei an die DREWAG, die als städtisches Unternehmen ein Konkurrent von Glücksgas ist: “Wir als Stadt haben maßgeblichen Anteil am Stadionbau und den Betreiberkosten. Doch die DREWAG selbst kann nicht als Namensgeber fungieren, weil Dynamo in der Stadt einfach zu sehr polarisiert.“ Und das Energie-Unternehmen fürchtet, eher einen Imageschaden zu nehmen, als dass mit einer DREWAG-Arena Kunden gewonnen würden.

Vorjohann schießt auch gegen den Dynamo- und Stadion-Vermarkter SPORTFIVE, der Glücksgas nach Dresden holen will: “Wenn diese Agentur keinen besseren Sponsor gewinnen kann und die Stadt so brüskiert, muss sie sich fragen, ob sie der richtige Vermarkter für die Arena ist.“ (…) [Dresdner Morgenpost, 25. November 2010]

[Dieser Artikel wurde am 25. November 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Pyrotechnik im Stadion: Offener Brief aus Chemnitz an den DFB

Mit einer durchaus nicht alltäglichen Überschrift wartete die Dresdner Morgenpost am 26. Oktober 2010 auf. So war in der dortigen Fußball-Rubrik zu lesen: “Offener Brief an den DFB: Chemnitz für Pyrotechnik in den Stadien! – Verein, Polizei, Ultras und Fanprojekt plädieren gemeinsam für ein kontrolliertes ‘Feuer frei’“.

Im zugehörigen Artikel heißt es dann unter anderem –

“(…) ’Pyrotechnik ist kein Verbrechen!’ – Seit vielen Monaten hallt dieser Ruf durch Deutschlands Fußballstadien. Weil der DFB in seinen Statuten verankert hat, dass das Abbrennen von Pyrotechnik in den Arenen von Hamburg bis München verboten ist, sind die Fans sauer.

Auch in Chemnitz macht sich dagegen Widerstand breit. In Deutschland bislang einmalig, haben sich zu diesem heißen Thema Vertreter des CFC, des Fanprojektes Chemnitz, der Ultragruppierung Chemnitz 99 und sogar der Polizei (!) in einem offenen Brief an DFB-Sicherheitsboss Helmut Spahn gewandt (…)

’Wir haben mit dem kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik in Chemnitz bislang sehr gute Erfahrungen gemacht’, sagt CFC-Marketingchef Sven-Uwe Kühn und erinnerte an die beiden Landesligapokalspiele der vergangenen Saison gegen Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue, als die Chemnitzer Fans in einem abgesperrten Bereich vor ihrem Block mit Rauchfackeln für farbenfrohe Effekte gesorgt hatten.“

“’Pyrotechnik gehört als optisches Stilmittel seit Jahren zum Fußball dazu’, plädiert auch Ronny Licht, Sprecher der Chemnitzer Ultras, für ein ’kontrolliertes und authentisches Abbrennen im Block’. Licht weiter: ’Ein vernünftig gezündeter Bengalo ist weiter ungefährlicher, als im Stadion fünf Bier zu trinken.’

Der offene Brief wurde (…) Spahn bereits am 12. Oktober per Einschreiben zugestellt. Eine Antwort blieb er bislang schuldig …“

“(…) Wie wir erfahren haben, wird diese auch explizit nicht stattfinden.“ [Ultras Dynamo, ’Zentralorgan’, 6. November 2010]

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen wird über das Schreiben – das Ostfussball.com vorliegt – und der darin postulierten Anliegen in verschiedenen Fan-Kreisen und auch Online-Foren sehr wohl diskutiert.

Die Verfasser besagten Briefes an den DFB formulierten zudem deutlich ihre Absicht, das Schriftstück ab dem 25. Oktober 2010 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, “um eine offene Debatte zu ermöglichen“.

Im Folgenden dokumentiert Ostfussball.com den offenen Brief aus Chemnitz und ist übrigens darüber hinaus der Meinung, damit – im Gegensatz zum schweigenden DFB – einen Beitrag zur allseitigen Bilateralität in der Sachdebatte zu leisten.

Offener Brief an den Deutschen Fußballbund

An: Leiter der Abteilung Prävention und Sicherheit des DFB, Helmut Spahn

Betreff: Offener Brief zur “Fan-Aktion“ im Rahmen des Heimspiels des Chemnitzer FC gegen den VfB Lübeck am 18.09.2010

Sehr geehrter Herr Spahn,

wir möchten uns heute aus gegebenem Anlass mit einem offenen Brief an den Deutschen Fußballbund wenden. Unser Thema soll die lang diskutierte Frage einer Teil-Legalisierung von Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien sein. Daher wenden wir uns an Sie, als Leiter der Abteilung Prävention und Sicherheit beim Deutschen Fußballbund. Den aktuellsten Anlass sehen wir in der Kommunikation rund um das Heimspiel des Chemnitzer FC gegen den VfB Lübeck am 18.09.2010.

Die “Ultras Chemnitz ’99“ haben sich im Vorfeld dieses Spiels dialogisch mit der Ultragruppe aus Lübeck in Verbindung gesetzt. Beide Fangemeinschaften entwickelten die Idee eines gemeinsamen Intros zu diesem Spiel. Geplant war das Entzünden von mehrfarbigen Rauchfackeln beim Einlaufen der Mannschaften in einem abgesperrten Bereich im Heim- und im Gästeblock. Der Arbeitstitel dieser gemeinsamen Aktion lautete: “Ist die Kurve bunt – wird der Ball erst rund“. Diesen konstruktiven Dialog zwischen beiden Gruppen interpretierten alle Beteiligten als deeskalierende Maßnahme im Vorfeld des Spiels. Daher wurden die Jugendlichen in ihrem Anliegen unterstützt und eine Genehmigung dieser Fanaktion beim Deutschen Fußballbund beantragt. Diesem Antrag wurde leider nicht stattgegeben. Die geplanten Rauchfackeln entsprachen im Übrigen einer Kategorie, die nicht unter das Sprengstoffgesetz fällt und somit nicht anmeldepflichtig ist.

Grundsätzlich wurde seitens des DFB jedoch diesbezüglich Gesprächsbereitschaft signalisiert und auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen. Diese Brücke der Kommunikationsbereitschaft möchten wir mit diesem Brief betreten.

Dahingehend sollen im Folgenden einige Erfahrungen einfließen, die wir im Chemnitz im Verlauf der letzten Jahre gemacht haben. Daraus sollen Anregungen abgeleitet werden, welche als Ausgangspunkt für eine breite Diskussion dieser Thematik dienen könnten.

Der “Chemnitzer Weg“ im Umgang mit Pyrotechnik begann mit einigen Aktionen, die sich vor dem Block der Chemnitzer Ultras abspielten. Dabei wurden Bengalfackeln mit gültiger BAM-Nummer gemäß der gesetzlichen Bestimmungen beim Einlaufen der Mannschaften kontrolliert abgebrannt. Im Vorfeld dieser Aktionen gab es Gespräche zwischen Ultras, Verein, Polizei und Ordnungsamt. Diese wurden vom Fanprojekt Chemnitz moderiert. Gemeinsam fand man Möglichkeiten, Pyrotechnik im Stadioninnenraum einzusetzen, ohne die Sicherheit der Stadionbesucher zu gefährden oder den Spielbetrieb zu beeinträchtigen. Somit wurden diese Aktionen im lokalen Kontext genehmigt. Nach und nach setzte sich so ein stetiger Prozess in Gang, welcher in einen dauerhaften und nachhaltigen Dialog zwischen Fans und allen beteiligten Institutionen mündete.

Nach einigen erfolgreichen Verläufen dieser Art entschied man sich einen weiteren Schritt zu gehen. Demnach war es den ultraorientierten Jugendlichen ein großes Bedürfnis, Pyrotechnik auch authentisch und gemäß ihrer spezifischen Jugend(fan)kultur im Block zu entzünden. Folglich suchte man gemeinsam nach Möglichkeiten, dies umzusetzen. Schnell wurde klar, dass diesbezüglich folgende Eckpunkte als unbedingte Voraussetzungen feststanden:

  • abgesperrter Bereich im Block
  • feste Zuweisung von Personen und Verantwortungsbereichen
  • ausschließliche Nutzung von Rauchfackeln, die nicht unter das Sprengstoffgesetz fallen
  • feste Zuweisung von Zeitpunkten vor oder nach dem Spiel, um den Spielbetrieb nicht zu beeinflussen

Basierend auf diesen Voraussetzungen wurden auch die weitegehenden Schritte genehmigt und erfolgreich umgesetzt. Im Rahmen des Sachsenpokalfinales zwischen dem Chemnitzer FC und dem FC Erzgebirge Aue gab es sogar eine gemeinsame Aktion auf beiden Fanseiten. Vor dem Hintergrund, dass die Fans beider Vereine eine Erzfeindschaft verbindet, ist dieser Akt des Dialoges vor dem Spiel sehr hoch einzuschätzen. Zudem kam es an diesem Tag zu keinen Zwischenfällen rund um das Spiel.

Aufgrund dieser positiven Erfahrungen im Umgang mit dem sinnvollen Einsatz von Pyrotechnik sind alle beteiligten Institutionen in Chemnitz von diesem Weg überzeugt und wollen diesen auch konsequent weitergehen. Sinnvoll meint hier, dass Fans dialogbereit sind, auch in Bezug auf Fanszenen und Institutionen, die sie ansonsten strikt meiden. Zudem sind die Fans am Spieltag aktiv an ihre Fankultur angebunden und eben nicht dem relevanten Spektrum zugeneigt. Weiterhin ist zu konstatieren, dass es seit Einführung der lokalen Genehmigungspraxis in Chemnitz keinerlei autonome Verwendung von pyrotechnischen Erzeugnissen auf Chemnitzer Seite gab.

Unser Ziel ist es, den Dialog weiter anzuschieben und diese Thematik noch breiter zu diskutieren. Dazu wäre es sinnvoll, sich die Rahmenbedingungen im Einzelnen vor Ort genau anzuschauen und konkrete Schlüsse daraus zu ziehen. Es ist uns klar, dass es nicht möglich sein wird, eine Art “General-Ermächtigung“ zu erteilen. Dazu sind die individuellen Bedingungen vor Ort zu heterogen. Wichtige Einflussfaktoren auf die Genehmigungspraxis, wie beispielsweise das Zuschaueraufkommen oder die Kommunikations-Strukturen am jeweiligen Standort, divergieren enorm. Aus diesem Grund wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, die Genehmigungspraxis auch tatsächlich am Standort anzusiedeln und das Hausrecht der jeweiligen Heimatvereine als Manifest dieser Problematik anzuerkennen.

Wir möchten Ihnen zuerst die Möglichkeit geben, von diesem Brief Kenntnis zu nehmen. Ab dem 25.10.2010 soll er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um eine offene Debatte zu ermöglichen.

Wir verbleiben mit freundlichen Grüßen:

Chemnitzer FC: Peter Müller (Leiter der Geschäftsstelle)

Szenekundiger Beamter der Polizei Chemnitz: Wolfgang Rücker

Ultras Chemnitz 99: Ronny Licht

Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Chemnitz und Umgebung e.V. (Träger des Fanprojektes Chemnitz): Jürgen Tautz (Geschäftsführer)

Fanprojekt Chemnitz: Kay Herrmann (Projektleiter)

[Dieser Beitrag wurde am 10. November 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Abenteuer Fußball im Osten: Stuttgart, Chemnitz und retour

Bekanntermaßen hat es in der 2. Hauptrunde um den diessaisonalen DFB-Pokal für den Chemnitzer FC gegen den VfB Stuttgart am 27. Oktober 2010 trotz eines großartigen Auftritts letztendlich nicht gereicht – aus ostneutraler Sicht betrachtet mit den Anmerkung: leider. Nach dem “Pokal-Aus mit Applaus“ resümierte CFC-Präsident Matthias Hänel: “Die Mannschaft hat unseren Verein deutschlandweit würdig vertreten. Dafür gebührt ihr ein großes Dankeschön“ (Dresdner Morgenpost, 30. Oktober).

Vom deutschlandweiten Applaus für den CFC ist der Natur der Sache nach die Anhängerschaft des VfB Stuttgart als Partie-Rivale de facto fast logischerweise ausgenommen, zumal einige Stuttgarter sowieso ihre ganz eigene Sicht zur Pokal-Begegnung auf der Chemnitzer Fischerwiese hatten und diese auch postulierten.

So gibt es im Online-Forum der Stuttgarter Nachrichten einen VfB-Stuttgart-Thread, in dem sich, unter zwischenzeitlich geänderter Headline (Original: “Wer ist heute Abend in der DDR dabei?“), gut zwanzig Jahre nach dem Wegfall der vormaligen Zonenrandförderung einige durchaus bemerkenswerte Auffassungen zur Pokal-Begegnung in Chemnitz widerspiegeln.

Der Eröffnungsbeitrag besagten Threads beginnt mit der durchaus prosaischen Frage an die VfB-Fangemeinde –

Wer von Euch traut sich denn heute Abend in den wilden Osten zum Spiel in der Stadt mit 3 Oh’s: Gorl-Morx-Stodt

– um gleichzeitig fürsorglich warnend anzufügen –

Wie man hört, sollte man gute Laufschuhe mitnehmen.

Gar aufklärerisch geht es aber weiter –

Ich kann nur jeden ermutigen mal hinzufahren und sich die “DDR“ mal anzuschauen, vielleicht hört das Ost-West-Karl-Marx-Stadt-Klischee-Gequatsche dann mal auf, wenn man feststellt, dass man echt mit der Lupe suchen muss, um andere Unterschiede als die Dialekte zu finden.

Einige folgende Beiträge reflektieren dann eher die Formalia der Einreisemodalitäten in die Ost-Zone –

Ich hoffe, ihr habt alle daran gedacht ein Visum zu beantragen!!!!!!!! (…) Begrüßungsgeld für die Brüder und Schwestern nicht vergessen (…) Wo fahret ihr über die Grenze? (…) Hoffentlich sind die Wartezeiten am Grenzübergang nicht zu lang und alle VfB-Fans kommen rechtzeitig in Gorl-Morgs-Stodt an (…)

Und wie nebenbei wird auch noch ein wenig pseudopolitisch vor sich hingepostet –

Hätte es bloß nie die Wiedervereinigung gegeben (…) Den Soli zahlen wir wohl noch bis zum St. Nimmerleinstag, warum zahlen den eigentlich alle, sollen doch nur die zahlen, die mit den Ossis solidarisch sind, ich bins jedenfalls nicht (…) Sächsisch ist der beschissenste Dialekt der jemals erfunden worden ist (…) Baut die Mauer wieder auf, diesmal aber richtig und alle Ossis wieder zurück!!! (…)

Nach einigen sexistischen Beiträgen über die Ossi-Frau als solche, à la –

Da kenn ich mindestens drei bildschöne junge Frauen, die geburtsmäßig aus den neuen Bundesländern kommen und die in dem Fall dringend hier bleiben sollten und gern auch bei mir Asyl beantragen könnten! (…) So eine Ossi-Maus nehme ich auch (…) die können einen Tennisball durch einen Gartenschlauch saugen (…)

– folgt dann unvermittelt ein völlig überalteter und zudem nur vorgegebener Link zum Chemnitzer Fight Club mit der Anmerkung –

Dann heute Abend noch 1000 VfB-Fans der Kategorien B & C

Einige Posts später wird in scheinbar lauter Vorab-Aufregung sogar noch ein älterer Ostfussball.comArtikel verlinkt, zudem flankierend garniert mit der gar mehr als bange klingenden Frage –

(…) Amole schaue wie viele von denne 1000 VfB’ler wieder hoimkommet heit Nacht.

Wobei da schon fast alles über den Osten als solchen weniger als mehr gesagt scheint –

Schbinnsch denn du, mir gehn doch ned in die Zone (…) Ich wäre gerne zum Spiel gefahren, aber die Bilder aus Bratislava haben davon abgehalten (…)

Ob Bratislava oder Chemnitz, was soll’s? Alles Osten halt, Sachsen-Slowakei-Sibirien-Gulag gewissermaßen oder wenigstens Protektorat –

So, angekommen! 1000 Leute für ein Spiel in der tiefsten Ossiprovinz unter der Woche ist doch gar nicht so schlecht! War grad mal vorsichtig ums Stadion laufen, sieht für unsere Spassfraktion gut aus! (…) Die ersten Cottbuser sind auch gerade eingetroffen! (…) So? Batscht man sich heut noch bissle? (…) Obacht vor diesen Nazi-Kämpfern (…) Leider wurden zirka 200 VfB-Fans zumeist grundlos von der Polizei einkassiert. Die sitzen jetzt auf dem Revier in Chemnitz und werden bis nach dem Spiel fest gehalten, also in Sippenhaft genommen. Grund sei, dass es angeblich Pyro-Vorfälle gegeben habe. Die meisten sitzen dort garantiert GRUNDLOS. So eine Schweinerei! (…) Ein Freund, der vor Ort war, hat von 200 Verhaftungen gesprochen (4 Busse Kategorie C)? (…) Im Stadion NULL Support, sieht aus als sei das CC auch nie in Karl-Marx-Stadt angekommen? (…) Im VfB-Block einige Cottbusser und Freunde aus Dresden (…) Der VfB-Block war als solcher mit dem Auge nicht auszumachen, sah aus, als wären 50 Mann aus Stuttgart angereist? (…) Geile Choreographie der Klasse 3 b der Ernst-Thälmann-Schule Chemnitz im Block der CFC-Fans (…) Da haben sich die Kinder wirklich Mühe gegeben. Herrlich! (…) Für ihre Verhältnisse haben die es ganz gut hingekriegt! Respekt! (…) Ein wahrer Hexenkessel das Stadion in Chemnitz (…) Da ist in Ditzingen mehr los (…) Genau so viel wie in Degerloch (…) Degerlocher Entwicklungshilfe für die DDR (…) Ich kann nicht glauben, dass da nur ein VfB-Fan im Stadion war. Stimmung wie in einer Gruft umschreibt ganz gut, was man da im TV nicht gesehen hat (…) Das Commando Bieberle ist wohl zu Hause geblieben, war denen sicher zu gefährlich in den Osten zu fahren (…) Man muss leider sagen, dass ohne die Stimmung der Ultras überhaupt nix los ist. Kein Support, der Gästeblock als solcher war nicht zu erkennen und nicht zu hören. Das hatte 5.-Liga-Niveau. Dass knapp 150 Stuttgarter-Kategorie-C-Hools verhaftet wurden ist schade, denn außer ein paar Böllern ist ja nix passiert (…) Es war tatsächlich wie auf dem Zentralfriedhof. Enttäuscht war ich auch von den Chemnitzern. Für das Spiel des Jahres waren außer Tribüne links C, rechts F und Mitte C Geschrei auch nicht viel zu hören (…) War super, tolles Stadion, super packendes Spiel. Stuttgart leider ziemlich schwach, aber egal, dadurch wurde es umso interessanter. Die Gerüchtelage war sehr diffus, scheinbar waren einige Kat Cler unterwegs, anscheinend auch ein paar K’lauterer dabei. Die wollten sich wohl mit den Chemnitzern anlegen, ein paar Ultras waren wohl auch dabei. Naja, die haben dann erstmal die Grünen attackiert und die haben sich das nicht lang angeschaut und gleich alle weggeschlossen. So gab es keine Stimmung (…) da niemand da war, der die Initiative übernehmen hätte können, und (…) wohl auch per Stimmungs-Boykott gegen die Festnahmen protestiert werden sollte.  Naja, auf Chemnitzer Seite war da auch eine extrem schlechte Stimmung. 200 Leute hinterm Tor supporten aktiv, der Rest leider großteils still. Naja, sonst keine großen Vorfälle, auch nach dem Spiel alles soweit ruhig. Ein paar Pöbeleien und so durfte man sich mit dem roten Schal schon anhören, aber unterm Strich gabs damit keine Probleme (…)

Und dann ward es Licht am Ende des Thread-Tunnels –

(…) Wieder im Ländle.

Ob nun besagtes VfB-Forum unter der Ägide der Stuttgarter Nachrichten etwa nur ein Spam-Modul ist, sei dahingestellt. Mithin verbringen einige Leute Zeit damit, sich dort zu artikulieren, wie auch immer. Und aus diesem gegebenen Anlass sollte freundlich darauf hingewiesen sein, dass Soljanka beileibe kein Brauchtumsritual oder gar Paarungstanz und Goldbroiler genau so wenig eine Währungseinheit ist – Helau.

Alle angeführten Zitate stammen übrigens, hier und da lediglich entsprechend leicht modifizierend redigiert, aus dem VfB-Stuttgart-Forum beim Online-Angebot der Stuttgarter Nachrichten.

[Dieser Artikel wurde am 30. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]