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Und jährlich grüßt das Murmeltier. Saisonrückblick 2018/19 von Blickfang Ultra.

Das Winterschlaf haltende Murmeltier könnte symbolbildlich wohl eher für den Rezensenten treffend sein, denn es ist nunmehr bereits etwas später im mittlerweile herbstlichen Jahr. Aber nicht zu spät, einen oder mehrere Blicke auf und in dieses Druckwerk zu werfen, welches immerhin schon seit Anfang August zum Beispiel bei nofb-shop.de gelistet ist.

In’s eigentlich zusammenhangliche Wortspiel gebracht hat Mirko Otto das pelzige Nagetier in seinem letztsaisonal rückblickenden Vorwort –

“… Nach einem selten dagewesenen Endspurt, der sich eher wie ein Marathonlauf anfühlte, grüßt nun schon zum neunten Mal das Murmeltier …“

Ja, wohlwahr, der neunte BFU-Saisonrückblick, Chapeau! Eigentlich braucht’s keiner weiteren Worte, denn – wer sich nur etwas auskennt – solch ein Projekt, noch dazu in den szenetypischen Zusammenhängen, (immer wieder) zu stemmen, das heißt was.

“Vielleicht wäre es für die zuweilen nur noch selbstverliebte Old- und Next-Generation der Ultras an der Zeit, einmal kurz zu schweigen. Und szeneübergreifend die Sonnenbrillen abzusetzen sowie zumindest symbolisch das Basecup zu lüften“ [MeyView.com in: BFU-Saisonrückblick 2014/15].

Wobei Mirko Otto, was in den letzten Jahren in der Art so nicht häufig geschah, diesjährig extra hervorhebt …

“… wie sehr mich die Zusammenarbeit mit den beteiligten Gruppen geflasht hat … der Austausch war auf einer absolut kollegialen, ja fast schon herzlichen Ebene … Umso mehr möchte ich in aller Öffentlichkeit meinen Respekt und ein fettes Danke an alle beteiligten Szenen ausrichten …“ [BFU-Saisonrückblick 2018/19, Vorwort].

Es scheinen zuweilen (wieder?) Wunder zu geschehen in Ultra-Deutschland – inclusive des vielmehr als kleinen ’Exkurses’ der Curva Viola Salzburg -, könnte vermutet werden. Da ist nach wie vor mehr als nur noch plakatives Leben in der Szene. Ja?

Beim BFU-Saisonrückblick bleibt’s auf alle Fälle stabil hochqualitativ – Konzept und Layout zum Vorjahr unverändert, Druckqualität wie immer bestens. Über die beitraglichen Inhalte der 34 beteiligten Ultra-Gruppierungen mag die geneigte Leserschaft selbst ’richten’.

Durch die subjektive Brille betrachtet, erscheint die aktuelle Ausgabe des BFU-Saisonrücklicks bedeutend bildlastiger als in einigen Vorjahren, was mitnichten als Negativum zu sehen wäre.

Und ja, das Titelcover, fast schon berühmt berüchtigt (?) bei BFU-Saisondruckwerken. Das diesjährige ist – gefühlt – fast schon richtige Kunst, so wie es daherkommt, auf alle Fälle ein Hingucker. Aber jenes vom BFU-Rückblick 2016/17? Unerreicht? Unerreichbar? Kunst ist frei, Geschmack ebenso.

“… Wir hören nächstes Jahr an gleicher Stelle sicher wieder voneinander …“ [Mirko Otto, ’Vorwort’ im BFU-Saisonrückblick 2018/19].

… es wäre, zehnjubelartig (?), mehr als bisschen besonders. Zeit für etwas Besonderes dann? Es wird zu sehen sein, einst.

In ’Dealer’-Kreisen des eigenen Vertrauens ist Blickfang Ultra Saisonrückblick 2018/19 zum Preis von 8,90 Euro garantiert nach wie vor erhältlich, 296 Seiten stark. Und stark sowieso, wer’s (noch) versteht – so.

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– Nachschiebsel –

Apropos ’Winterschlaf haltendes Murmeltier’: Erschien der bislang letzte, originäre, Blickfang Ultra (# 45) nunmehr wirklich bereits schon im November 2018 (nofb-shop.de)? Oder täuscht – mittlerweile Ende Oktober 2019 – der dahingehende Augenschein? Fragen über Fragen …

MedienScreen # 228 [Öffnet die Bummi-Akten! – Und die des ganzen Märchenwaldes!]

[Fundstück] “Dunkle deutsche Geschichte: Rollkommando im Märchenwald“, politplatschquatsch.com, 27. September 2019 –

(…) die Traumata, sie wirken nach, die ganze Generationen Ostdeutscher schon in frühester Kindheit erlitten – damals, als ihnen mit dem Bären Bummi, einem brummigen sandgelben Kerl, der seinem Meister Nadelöhr treu Gesellschaft leistet, eine Liebe genommen wurde, die niemals wiederkehrte.

Brutal zeigte die Staatsmacht den Ihren hier ihre Macht: Bummi, der die fröhlichen Kinder der Arbeiter und Bauern der sozialistischen DDR ab Ende der 50er Jahre immer Sonntagsnachmittags “Zu Besuch im Märchenland“ empfing, wurde beobachtet, beargwöhnt, gegriffen und entführt. Von einem Tag auf den anderen verschwand der liebenswerte Plüschteddy mit dem großen Herzen, der erst das Feld bereitet hatte für Schnattchen und Pittiplatsch, der 1962, kurz nach dem Mauerbau, in einem offensichtlichen Westpaket in die Schneiderstube kam, um systemerhaltende Streiche zu spielen und Rock-Roller-Sprüche wie “Ach, du meine Nase“ und das später durch PPQ weltweit bekannt gewordene “Platsch-Quatsch!“ in die Kamera zu sagen.

Doch war es nicht der schwarze Kobold, den der Bannstrahl traf. Pittiplatsch, bis heute Namensgeber eines der elaboriertesten Internetblogs, wurde nach Protesten von sozialistischen Pädagogen zwar für einige Zeit vom Sender genommen und hinter den Kulissen auf zahm umerzogen. Heiligabend 1962 durfte der runde schwarze Fex wieder Possen reißen und Schnatterinchen ärgern – nur wenige erkannten, dass der, der da wieder Faxen machte, ein gebrochener Mann war, ein Schatten seiner selbst. Ihm zur Seite gestellt worden waren nun die Kobolde Nickeneck, Drehrumbum der Runde und Wuschel, drei Figuren von großer Undurchsichtigkeit. Waren sie Spitzel, die auf ihn angesetzt wurden? Waren sie seine Betreuer, weil den Machthabern der labile Zustand Pittis nicht entgangen war und sie einen öffentlichkeitswirksamen Ausfall des Stars fürchteten?

Oder hatte Pitti selbst bei der Stasi unterschrieben? Entsprechende Gerüchte machten früh die Runde, konnten aber nie belegt werden. Doch der Ablauf der weiteren Ereignisse im Märchenwald spricht eine deutliche Sprache: So lange der gebürtige Wenigeröder Eckart Friedrichson, der in der Rolle seines Lebens den Nadelöhr gab, seine schützende Hand über die Märchenwäldler hielt, ging alles gut. Fröhlich sang er mit seiner großen Zauber-Elle, die als Ersatz für eine Gitarre diente, das Lied “Ich komme aus dem Märchenland“, kein leiser Hauch von kaltem Krieg wehte durch Studio.

Doch hinter den Kulissen, so behaupten Eingeweihte, schraubten die Realpolitiker längst an einer völligen Neuorientierung der kindlichen Sendung, der sie vorwarfen, zu wenig auf Klassenkampf zu setzen, die Völkerfreundschaft zu vernachlässigen und Anarchisten wie Pittiplatsch zu viel Raum zugeben. Mit Herrn Fuchs wurde von den maßgeblichen Kreisen in Pankow und Moskau ein typischer Vertreter des auf dem Boden der DDR endgültig geschlagenen Kleinbürgertums in die Wald-WG aufgenommen. Fuchs sollte als Zielscheibe für böse Späße Adenauer ersetzen. Der Hund Moppi kam als typischer Vertreter des Proletariats hinzu – er redete nicht viel, aber Blödsinn. Zeigte aber stets deutlich, dass er bereit war, die Sache der Arbeiter mit aller Kraft zu verteidigen. Gute Voraussetzungen für eine große Karriere nicht nur im Showgeschäft.

Dann kam der Tag, an dem Bummi-Bär starb. Ein Rollkommando aus Wünsdorf fuhr unangekündigt vor den Märchenwald-Studios in Babelsberg vor. Augenzeugen erinnern sich an sieben bis neun Männer in Uniformen der sowjetischen Fallschirmjägertruppe, eine Eliteeinheit, die für den KGB besonders knifflige Aufgaben erledigte. Während zwei Mann die Eingänge sicherten, so ein Zeitzeuge, seien die anderen in die Aufenthaltsräume der Darsteller gestürmt. “Dort wurde Bummi knallhart gepackt und rausgeschleift“, erinnert sich der Mann, der bis heute unter traumatischen Träumen wegen des Vorfalls leidet. Der in einem Lied besungene (“Bummi, Bummi“) Star wurde stellvertretend abgestraft, vermuten Forscher heute, wo Stasiakten, die PPQ vorliegen, zumindest die halbe Wahrheit verraten.

Es soll eine Intervention von ganz oben, sprich aus Moskau gewesen sein, die zu dieser Aktion führte. Bummi verschwand spurlos. Eckhard Friedrichson verkraftete es nicht. Das Herz. Meister Nadelöhr, seit seiner Kindheit an Diabetis erkrankt, starb völlig unerwartet, für eine ganze Generation endete mit diesen beiden Verlusten die Kindheit. Das Ende der DDR, es deutete sich bereits an. Im Herbst danach folgte die Biermann-Ausbürgerung, später gingen auch Manfred Krug und Nina Hagen in den Westen, um nicht ebenfalls wie Bummi in die Sowjetunion verschleppt zu werden.

Den Feinden des Friedens im Märchenwald aber kam das nur recht. Hintergrund der Disziplinierungsaktion gegen Bummi, so wurde es später bei einer geheimen Parteiversammlung mitgeteilt, seien Hinweise darauf gewesen, dass der altgediente Bär mit seiner Rolle als Sidekick der dominanten Schnattchen und Pitti nicht mehr zufrieden gewesen sei. Bummi sei in Kreise geraten, die der DDR nicht wohlgesonnen gewesen seien, der Verdacht der Spionage und des Dissidententums habe im Raum gestanden, heißt es in den Stasi-Unterlagen, die von Mielke selbst gegengezeichnet wurden.

Gemeinsam mit der Stasi-Kinderabteilung entwarf der KGB den Plan, Bummi “zu seiner eigenen Sicherheit“ nach Moskau zu bringen. Offiziell wurde dann über den Sender erklärt, der beliebte Bär sei auf Reisen im sozialistischen Ausland, um Freundschaft mit Bären aus aller Welt zu schließen.

Die Lücke im Märchenwald schloss sein bärbeißiger sowjetischer Vetter Mischka, ein hochrangiger KGB-Offizier mit Einzelkämpferausbildung, Typus Putin, der bis zum Ende der DDR tatsächlich mit Drohungen und zuweilen auch blanker Gewalt für stabile Verhältnisse im Märchenland sorgte. Gemeinsam mit Pittiplatsch und Schnatterinchen trat der alptraumhafte, dunkelhaarige Bär, der nach dem Chef der DDR-Auslandsaufklärung Mischa Wolf benannt worden war, auch in hunderten Ausgaben des Abendgrußes “Unser Sandmännchen“ auf. Noch laufen wissenschaftliche Untersuchungen, um zu ermitteln, welche Langzeitschäden die dauernde Konfrontation mit dem wortkargen Russen bei den Kindern verursacht hat.

Bummi hingegen, für viele ahnungslose DDR-Kinder immer noch ein Idol, wurde allenfalls zu hohen staatlichen Feiertagen aus seinem Moskauer Exil zugeschaltet. Er sagte dann ein paar Worte, Kenner spürten, dass er zuvor unter Drogen gesetzt worden war. Nach dem Mauerfall gab es einige hilflose Versuche des talentierten Plüschriesen, in sein altes Metier zurückzukehren. Keiner glückte. Heute lebt Bummi, immer noch schwer bewacht, inzwischen aber auch leicht umnachtet, in einem Heim für verdienstvolle Kulturschaffende der Sowjetunion in Wladiwostok. Interviewbitten von PPQ wurden von der Heimleitung ohne Begründung abgelehnt.

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Mit Dank & Gruß an PPQ und dortselbst im Original.

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Quote fishing made by BR

Ach, Bayrischer Rundfunk (BR), so geht das ja nun auch nicht. Auf der einen Seite klagen öffentlich-rechtliche TV-Medien über Zuschauerrückgänge in Größenordnungen. Auf der anderen Seite aber werden Menschengruppen – wie kürzlich durch den BR selbst – vom Genuss eines wie auch immer gearteten Bildungsfernsehens quasi regelrecht ferngehalten.

Oder besser treffend gefragt –

(Twitter, 22. August 2019, 19:58 Uhr – Screenshot: O.M.)

“Sol lucet omnibus“ (Titus Petronius Arbiter).

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Steimle – Doktor Stuber kann da wohl auch nicht mehr helfen …

“(…) ’Kraft durch Freunde’ steht in schwarzer Frakturschrift auf dem weißen Untergrund des T-Shirts mit roten Ärmeln zu lesen. ’Kraft durch Freude’ (KdF) hingegen waren ein Werbespruch und gleichzeitig eine Organisation im Dritten Reich (…) Getragen wurde das T-Shirt mit dem abgewandelten Nazi-Werbespruch am Pfingstmontag [2019] vom sächsischen Kabarettisten Uwe Steimle bei einem Besuch des Literaturfestes in Meißen. Hier hat der Künstler bereits seit längerer Zeit engen Kontakt zu dem CDU-Stadtrat Jörg Schlechte (…)“ [Sächsische Zeitung, Print-Ausgabe, 13. Juni 2019].

(’Ina Pompeule’ @ Twitter, 12. Juni 2019, 21:39)

Wohlan denn, Herr Uwe Steimle. Da ist ja nun mittlerweile aus einer quasi kabarettistisch verbrämten Brust (fast?) alles weniger oder mehr anzügliche herauspulsiert – auf (original?) sächsisch gewissermaßen – und sich dabei völlig unschuldig gebend, genossen worden. Chapeau, Kamerad Steimle.

(Twitter, 13. Juni 2019, 13:47)

“(…) Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), konfrontiert mit dem Posting, mag sich nicht so recht festlegen, was er von dem Auftritt seines Mitarbeiters im KdF-Shirt hält (…) Auf die Tagesspiegel-Anfrage wie der Sender den Auftritt im ’Kraft durch Freunde’-Shirt bewertet, erklärte die MDR-Pressestelle: ’Wir bewerten das, was Herr Steimle in unserem Programm tut.’ (…) Steimle sorgt für Quote. Trotz – oder möglicherweise sogar wegen – seiner regelmäßigen rechten Ausfälle (…) Inzwischen hat Steimle keine Berührungsängste mehr mit Rechtspopulisten (…) Steimle selbst verteidigte sein KdF-Shirt in der ’Bild’-Zeitung. Er sagte dem Blatt: ’Ich bin Satiriker! Vermutlich hätte Jan Böhmermann für diesen Spruch einen doppelten Grimme-Preis mit Eichenlaub bekommen.’ Die Debatte um ihn nannte Steimle ’Blödsinn’. Ein langjähriger Freund von ihm, der mit seiner Aussage nicht namentlich zitiert werden will, stellt fest: ’Uwe Steimle entwickelt eine immer größere Nähe zu politischen Kräften der äußersten rechten Seite.’ Der Mann sagt das mit Bedauern. Und Ratlosigkeit.“ [Der Kabarettist Uwe Steimle und seine rechte Mission, Matthias Meisner, Der Tagesspiegel Online, 13. Juni 2019]

(Twitter, 13. Juni 2019, 22:12)

“(…) Uwe Steimle selbst wollte sich nicht äußern. Er gebe derzeit keine Interviews, sagte sein Agent. Zum T-Shirt mit dem offenkundigen Bezug zum Nationalsozialismus erklärte der Chef der Agentur: ’Da steht doch ’Kraft durch Freunde’ drauf.’“ [Steimles neue Provokation, Oliver Hach, Freie Presse Online, 13. Juni 2019]

Post Scriptum

(Screenshots Twitter: O.M.)

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Post Post Scriptum

Der MDR hat ein Problem. Es heißt Uwe Steimle. Der Schauspieler und Kabarettist, vielen noch bekannt als Kommissar Jens Hinrichs aus dem Schweriner Polizeiruf, eckt immer wieder an. Mal sind es verleumderische Gerüchte über Geflüchtete, die er in seiner Sendung “Steimles Welt“ (MDR) zum besten gibt. Mal, wie jüngst, ein T-Shirt mit dem Aufdruck “Kraft durch Freunde“ – eine Abwandlung des NS-Slogans “Kraft durch Freude“ (…)

(…) “Das hat der Privatmann Uwe Steimle gemacht. Meine Meinung ist, das ist nicht originell. Das ist auch nicht lustig. Aber darüber hinaus, wenn er als Privatmann solche T-Shirts anzieht, warum sollte ich dann Konsequenzen ziehen?“ [MDR Fernseh-Unterhaltungschef Peter Dreckmann].

Zwei Monate vor den Landtagswahlen in Sachsen kann der MDR nur verlieren: Hält er an Uwe Steimle fest, wird er von dessen Kritikern mit Steimle zusammen in die rechte Ecke gestellt. Kündigt er die Zusammenarbeit auf, droht aus dem Lager der Steimle-Fans umso heftigere Kritik. Wohl niemand will Uwe Steimle in dieser Situation zum Märtyrer machen.

[Nadja Mitzkat, “Grenzen der Satire? Der MDR und Uwe Steimle“, ZAPP @ ndr.de, 26. Juni 2019]

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“… wie leicht man vergisst, dass alles, was man tut, für immer ist.“

Und aus gegebenem Anlass –

(Screenshot Twitter: O.M.)

* Wiglaf Droste, 27. Juni 1961 – 15. Mai 2019 *

“Wer sonst gar nichts hat, der hat doch ein Vaterland. Patriotismus ist die Religion der ganz armen Schweine“ (2003).

– without further words.

R.I.P.

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