Staatsanwalts-Akten bei Neonazis?

Dresden. Neonazis in der sächsischen Landeshauptstadt haben offenbar eine Datensammlung über politische Gegner angelegt, die Dossiers von über 150 Personen enthalten soll. Die “Anti-Antifa-Akte“ soll auch Material aus staatsanwaltlichen Ermittlungsakten enthalten. Die Staatsanwaltschaft Dresden will den Vorwurf aufklären.

Bereits Ende November 2006 hatten Antifa-Aktivisten in Dresden-Reick einen Neonazi-Treffpunkt unter die Lupe genommen. Im Zuge dieser Aktion war offenbar eine “Anti-Antifa-Akte“ gefunden worden, die persönliche Daten und Fotos von über 150 Personen vor allem aus dem Raum Dresden enthielt.

In der Liste sind laut der Dresdner Gruppe a.l.i.a.s. unter anderem aktive Antifaschisten, Gewerkschafter, Mitarbeiter einer Jugendzeitung und linke Parteifunktionäre enthalten. “Ihre Informationen haben die Nazis offensichtlich aus der Einsichtnahme in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten erlangt“, so der Vorwurf der Gruppe in einer Pressemitteilung am Montag.

In der “Anti-Antifa“-Akte seien Kopien von Bildmappen der Behörde gefunden worden, die ausschließlich linke Personen unter Nennung des Namens beinhalteten. Um an Daten und Bilder zu kommen, hätten die Neonazis eine Strafanzeigen-Strategie angewendet: gezielt seien Verfahren gegen missliebige Personen angestrengt worden, um dann als “Betroffene“ per Akteneinsicht aus den Ermittlungsakten Informationen über politische Gegner zu bekommen.

Einige der von Neonazis Angezeigten hätten der Staatsanwaltschaft bereits im Vorfeld ihre Befürchtung mitgeteilt, dass ihre Daten zu “Anti-Antifa“-Zwecken verwendet werden könnten. Die Strafverfolgungsbehörde sieht sich selbst nicht als Akten-Boten für Neonazis, denn ihre Ermittlungsakten würden weder Beschuldigten noch Opfern einer Straftat zur Verfügung gestellt.

Dennoch will die Staatsanwaltschaft den Vorwürfen nachgehen. Wie die Ermittlungs-Daten möglicherweise zu den Neonazis gerieten, klang aber bereits in einer Stellungnahme an. Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, Leiter der Staatsschutzabteilung bei der Staatsanwaltschaft Dresden, zur Tageszeitung junge Welt: “Vorschrift der Strafprozessordnung ist, dass Privatpersonen keinen Zugang zu Ermittlungsakten haben, wenn denn nicht über ihren Anwalt“.

Bei dem Neonazi-Treffpunkt in Dresden-Reick soll es sich um eine Baracke handeln, die bereits seit 2005 einschlägig genutzt wird. Mehrere Räume seien dort unter anderem für Bandproben und Kampfsporttrainings eingerichtet. In dem Gebäude soll sich das “Nationale Jugendbündnis“ (NJB) regelmäßig treffen; vor allem werde es von den “Freien Kräften Dresden“ genutzt, so die a.l.i.a.s.-Mitteilung.

Beobachter vor Ort wissen schon seit längerer Zeit von den “Anti-Antifa“-Aktivitäten der braunen Szene. Die jetzt aufgetauchte “Anti-Antifa-Akte“ sei da die “öffentlich gewordene Spitze von Ermittlungsumtrieben von Nazis weit in den persönlichen Bereich antifaschistisch-couragierter Leute hinein“, sagte der Dresdner Carlo Hagen gegenüber redok. Er beschäftigt sich seit Jahren journalistisch mit der rechtsextremistischen Szene in Sachsen und kennt die treibenden Kräfte bei den braunen Spähern: “Als führende Anti-Antifa-Aktivisten agierten und agieren da unter anderem Sven Hagendorf und Ronny Thomas, der auch für den Internet-Auftritt der ’Freien Kräfte Sachsen’ verantwortlich zeichnet. Mittlerweile versucht sich im Raum Dresden mit beispielsweise Maik Müller auch schon die nächste Generation von Anti-Antifa-Aktivisten entsprechend zu profilieren.“

[Dieser Artikel wurde am 25. Januar 2007 bei redok veröffentlicht.]

Polizei verhindert Demonstration von Rechtsradikalen

Brandenburg/Havel. Ein als Trauermarsch deklarierter Aufzug von 20 Neonazis wurde am Abend des 23. Januar von der Polizei beendet, bevor er überhaupt begonnen hatte.

Polizeiangaben zufolge stammten die angereisten Teilnehmer aus der Stadt Brandenburg/Havel, dem Landkreis Potsdam-Mittelmark und Potsdam. Einige von ihnen seien bereits durch rechtsextremistische Straftaten sowie andere Delikte in Erscheinung getreten. Wie die Rechtsextremisten gegenüber der Polizei erklärten, beabsichtigten sie im Bereich des örtlichen Trauerberges eine Versammlung in Form eines Trauermarsches zum Gedenken an den Todestag eines ehemaligen Brandenburgers aus der rechten Szene Dänemarks abzuhalten.

Der rechtsextremen Demonstrationsgruppe wurde ein polizeilicher Platzverweis für die Stadt Brandenburg erteilt, von allen Anwesenden die Identität festgestellt. Bei durchgeführten Kontrollen wurden in einem PKW zwei dänische Fahnen und mehrere Fackeln gefunden. Die Kriminalpolizei ermittelt nunmehr wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

[Dieser Artikel wurde am 25. Januar 2007 bei redok veröffentlicht.]

Neonazis als gewaltlose Kinderfreunde

Bremen. In Osterholz versammelten sich gestern gut zwei Dutzend Rechtsextremisten zu einer als Mahnwache betitelten Kundgebung. Als “Bremer Bündnis Keine Gewalt“ wollten sie gegen die psychiatrische Behandlung eines von ihnen als Kindermörder Bezeichneten protestieren.

Der drogenabhängige Ziehvater des zweijährigen Kevin wird verdächtigt, den Jungen zu Tode misshandelt zu haben. Die Leiche des Jungen war im Oktober 2006 im Kühlschrank des Mannes entdeckt worden. Der Mann ist zur Zeit in der geschlossenen Psychiatrie-Abteilung des Bremer Klinikums Ost untergebracht und muss psychiatrisch begutachtet werden. Gegen ihn soll in Kürze Anklage wegen Totschlags oder Mordes erhoben werden; derzeit verbüßt er eine ältere Strafe.

In den Mittagsstunden des 20. Januar fanden sich nach Angaben der Polizei Bremen an der Ostseite des Osterholzer Friedhofs zirka 25 Personen im Zusammenhang des “Bremer Bündnis Keine Gewalt“ zu einer so bezeichneten Mahnwache ein. Das Bündnis selbst wird aus polizeilicher Sicht als “ein Zusammenschluss von rechten Gruppierungen“ eingeordnet. Ursprünglich wollten sie vor dem Klinikum Ost demonstrieren.

Nach Selbstdarstellung erfährt das “Bremer Bündnis Keine Gewalt“ Unterstützung von Kreisen der “Freien Nationalisten“ aus Bremen und dem Umland, der NPD-Jugendgruppe Bremen, dem NPD-Kreisverband Bremen und den “Backstreet Skinheads“. Anmelder der Veranstaltung war Sascha Humpe, “Kreisjugendreferent“ der Bremer NPD.

Einem indymedia-Bericht zufolge waren bei dem sehr übersichtlichen Aufmarsch – neben örtlichen Unterstützern – auch Christian Worch aus Hamburg und der unter anderem als Anti-Antifa-Fotograf agierende Matthias Schulz aus Verden anwesend. Gegen die rechtsextremistische Mahnwache protestierten “zirka 320 Demonstranten des linken Spektrums“, teilte die Bremer Polizei mit. Gewalttätige Konfrontationen seien durch den Einsatz von rund 500 Polizeibeamten verhindert worden.

Zu der rechtsextremistischen Veranstaltung in Bremen-Osterholz war unter der Parole “Warum wollt ihr nicht kapieren, Kindermörder kann man nicht therapieren!“ mobilisiert worden. Abgesehen davon, dass der Tatverdächtige derzeit nicht therapiert, sondern begutachtet wird: die Neonazis verrieten in Bremen nicht, welche Vorstellungen sie statt Therapie für psychisch gestörte Mörder haben. Die in NPD-Kreisen bis vor kurzem üblichen und beliebten Forderungen nach “Todesstrafe für Kinderschänder“ beziehungsweise “Kindermörder“ sind seit der Affäre um Matthias Paul verstummt. Dem früheren sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Paul wird der Besitz von kinderpornografischem Material vorgeworfen.

[Dieser Artikel wurde am 21. Januar 2007 bei redok veröffentlicht.]

Kein Nazi-Aufmarsch am 1. Mai in Leipzig

Hamburg/Leipzig. Der am Maifeiertag geplante Aufzug von Rechtsextremisten aller Couleur durch Leipzig ist vom Anmelder Christian Worch abgesagt worden. Seit 1998 waren Neonazis jedes Jahr am 1. Mai durch Leipzig marschiert.

Seit dem 1. September 2001 behelligt allein der Hamburger Nazi Worch mit wiederholten Demonstrationen die Stadt Leipzig. Erfolgten die von ihm angemeldeten Aufmärsche zuerst noch relativ kurz nacheinander, so beschränkten sich Worch und seine rechtsextremistischen Mitläufer ab Oktober 2003 bis dato auf einen steten Wechsel zwischen dem 3. Oktober und dem 1. Mai als Aufmarsch-Termine. Beide Tage sollen von Worch zudem bereits bis ins Jahr 2014 mit Demonstrationsanmeldungen belegt sein.

Der für dieses Jahr am 1. Mai geplante und angemeldete Aufmarsch ist von Worch allerdings mittlerweile am 17. Januar gegenüber der Stadt Leipzig abgesagt worden, berichtete die Leipziger Volkszeitung. Der städtische Ordnungsbürgermeister bestätigte dem Blatt, Worch habe “ohne Angabe von Gründen schriftlich mitgeteilt, dass die Kundgebung am 1. Mai nicht stattfinden wird“. Mithin wäre es das erste Mal seit 1998, dass an diesem Tag in Leipzig keine offizielle Nazi-Veranstaltung versucht werden würde.

Auf Worchs Website selbst findet sich zum 1. Mai 2007 in Leipzig bisher keine Verlautbarung. Sein letzter so genannter Rundbrief datiert vom 15. Januar und bezieht sich lediglich auf “Termine im Ersten Quartal“.

[Dieser Artikel wurde am 21. Januar 2007 bei redok veröffentlicht.]

Berufsschüler offenbar politisch motiviert gequält

Altenburg. An einer Berufsschule in der ostthüringischen Stadt sollen einem 17-jährigen Nazi-Symbole in die Haut geritzt worden sein.

Der Vorfall habe sich bereits am 17. Januar an einem Beruflichen Schulzentrum in der auch als Skat-Stadt betitelten Gemeinde ereignet. Nach Darstellung der Nachrichtenagentur dpa am heutigen Nachmittag – bezugnehmend auf Angaben der Polizei – hätten an jenem Tag vier Jugendliche einen Berufsschüler zunächst mehrfach mit der Faust ins Gesicht und in den Unterkörper geschlagen. Danach sollen zwei der mutmaßlichen Täter ihrem Opfer mit einer Reißnadel verfassungswidrige Symbole in beide Unterarme eingeschnitten haben.

Durchaus anmerkenswert in diesem Zusammenhang: Die aktuellste Presseveröffentlichung des Thüringer Landeskriminalamtes (LKA) ist online auf den 16. November 2006 datiert. Bei der für Altenburg zuständigen Polizeidirektion Gera liest man derzeit lediglich “Sie werden hier in Zukunft Aktuelles und Informatives aus unserem Direktionsbereich finden“, bevor dort virtuell auf eine letzte Pressemitteilung vom 3. November 2006 verwiesen wird. Die Aktualität der Website des zuständigen Landesamtes für Verfassungsschutz schließt sich – getreu dem postulierten Leitsatz “Soviel Geheimhaltung wie nötig, soviel Offenheit wie möglich“ – da übrigens nahtlos an.

Die vier mutmaßlichen Täter im Alter zwischen 16 und 19 Jahren der offenbar rechtsextremistisch motivierten Aktion an besagtem Altenburger Berufsschulzentrum sind laut nachfolgenden Medienberichten namentlich bekannt. Inzwischen werden weitere Ermittlungen, unter anderem wegen des Verdachtes auf Körperverletzung, durch den Staatsschutz der Kriminalpolizei Altenburg durchgeführt.

[Dieser Artikel wurde am 19. Januar 2007 bei redok veröffentlicht.]

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