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Mehr als nur Forza-Dynamo in der Fankneipe

Dresden. In “Ackis Sportsbar“ unweit des Rudolf-Harbig-Stadions treffen sich offenbar nicht allein Anhänger des runden Leders regelmäßig.

Die Fankneipe – auch als Ackis Bierstube geläufig – geriet spätestens bei der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft in den öffentlichen Fokus. Nach dem EM-Halbfinalspiel zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland am 25. Juni attackierten vermummte Angreifer in der Dresdner Neustadt mehrere Döner-Läden und türkische Einrichtungen. Nachdem die Polizei den für sie überraschenden Tat-Hergang rekonstruiert und den Angriff schließlich auch öffentlich als gezielt vorbereitete Aktion eingeschätzt hatte, wurde publik, dass “sich die Täter in einer Kneipe am Straßburger Platz, nahe des Dynamo-Stadions, getroffen“ hätten, um von dort aus ihren Angriff jenseits der Elbe zu starten.

Im Juli erfolgte die erste Festnahme eines Tatverdächtigen, eines durchaus szenebekannten Dynamo-Hools, der “fest in der rechten Szene der Stadt Dresden verankert“ ist und bis dato zudem auch als Angestellter für die Sicherheitsfirma “Ihre Wache“ tätig war. Besagte Firma zeichnet unter anderem für die sicherheitstechnischen Aspekte bei Heimspielen der SG Dynamo Dresden verantwortlich.

“Als Kellner kriegst du nicht mit, wenn plötzlich welche gehen“, so einer der Betreiber der Fankneipe noch am 3. November gegenüber der Sächsischen Zeitung. Ein aktueller Blick auf “Ackis Sportsbar“ wirft allerdings schon die Frage auf, ob es in der Nacht vor einer antifaschistischen Demonstration am 18. Oktober in Dresden nötig schien, das “Ackis“ auch von bekannten Rechtsextremisten “bewachen“ zu lassen. In dieser Nacht hat sich Beobachtungen zufolge – abgesehen von anderen – auch ein Vorstandsmitglied des NPD-Kreisverbandes vor Ort befunden. Am 18. Oktober selbst sind zudem augenscheinlich erneut organisierte Nazis zum vorgeblichen Schutz des “Ackis“ vor Ort gewesen. In Erscheinung getreten ist dabei unter anderen ein bekannter “Nazi aus dem Umfeld des hiesigen NPD-Kreisverbandes“, welcher am 21. Juni diesen Jahres in Dresden an einem brutalen Angriff auf einen tschechischen Journalisten beteiligt gewesen ist.

“Ackis Sportsbar“ – so resümiert aktuell zusammenfassend das Dresdner AntifaRechercheTeam (ART) – ist für denjenigen, der es sehen will, offenbar nicht nur Forza Dynamo, sondern auch ein “Treffpunkt von organisierten Nazis“.

[Dieser Artikel wurde am 8. November 2008 bei redok veröffentlicht.]

Hopperisierung der Fußball-Szene?

Der durchaus strittige Mäzen des Bundesligisten TSG Hoffenheim will augenscheinlich Kritiker aller Couleur auch virtuell zur Rechenschaft ziehen.

Wohl gelitten war Dietmar Hopp in gewissen Fan-Kreisen bereits vor dem letztendlichen Durchmarsch der TSG Hoffenheim in die 1. Bundesliga nicht unbedingt. Inzwischen wurde sein Wikipedia-Eintrag mehrmals verfälscht, es gibt bei fast jedem Spiel der TSG Bekundungen gegen seine als lediglich gönnerhaft persiflierte Person – die quasi dörfliche Gemeinde Hoffenheim als pseudo-künstlicher Brutkasten erfolgreichen Fußballs eingeschlossen.

Nach dem beim letzten Spiel der TSG Hoffenheim im gegnerischen Fan-Block der Dortmunder Borussen (BVB) “neben den schon üblichen ’Gegen den modernen Fussball’ hängenden Bannern ein Transparent mit dem Bild von Dietmar Hopp mit der Aufschrift: ’Hasta La Vista Hopp’ hochgehalten“ wurde (ultrafans.de), laufen gegen den mittlerweile ermittelten ’Täter’ Ermittlungen wegen Beleidigung. Philipp Markhardt von Pro-Fans findet das “überflüssig und sinnlos“.

Nach aktueller Darstellung der BVB-Freunde (“Diese Information kommt von höchster Stelle in Hoffenheim“) sei Dietmar Hopp mittlerweile “auf Fan-Jagd, anders kann man es nicht sagen“. So würden “seine Anwälte das Internet nach möglichen Beleidigungen und herablassenden Äußerungen gegen seine Person … durchforsten“. Daher sollten in besagtem Forum “sofort alle Avatare, Signaturen und eigene Beiträge löschen, die beleidigend gegen Hopp sind“ – zudem “bereits Anwälte … im Forum“ diesbezüglich aktiv gewesen wären.

Unterdessen persiflieren ultrafans.de aufgrund des offenbar auch hochoffiziell ausgerufenen Hopp-Kritik-Verbotes in ihrem Forum Hopp is’ ja nur ein kleiner Schoko-Riegel … Scha-la-la-la-la … – “wenn das mal keinen Ärger gibt“.

Eine wie auch immer – zivilisiert – kreativ geartete Kritik lässt sich virtuell nur schwer eindämmen – und Fußball-Fans sich in ihrer Meinung nicht gerne zensieren.

[Dieser Artikel wurde am 25. September 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]

Der Fußball-Fan als Persona non grata

War der Versuch des Berliner Polizeipräsidenten, generell allen Anhängern von Dynamo Dresden den Zutritt zum Regionalliga-Spiel bei Union Berlin zu untersagen, ein nur vorerst geplatzter Testballon für zukünftige Szenarien?

Nach der Lektüre des kleinen Buches “Die 100 ’schönsten’ Schikanen gegen Fußballfans – Repression und Willkür rund ums Stadion“, bereits vor einigen Jahren vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) veröffentlicht, mag mancher ungläubig den Kopf geschüttelt haben. Geschieht derartiges wie “selbstherrliches Auftreten der Polizei, Schikanen durch ’Ordner’ verschiedenster Sicherheitsdienste, Willkürakte beim Stadionzutritt, sexuelle Übergriffe bei Personenkontrollen“ wirklich in bundesdeutschen Gefilden?

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(Babelsberger Fan-Protest bei der Begegnung gegen Dynamo Dresden am 27. April 2008 – Foto: O.M.)

Wer als ausgewiesener Fan seinen Verein des öfteren und noch dazu auswärts unterstützt, schüttelt über so etwas nicht ungläubig den Kopf – er erlebt es fast jede Woche selbst. Auch infolge dessen gibt es seit einiger Zeit Projekte wie Fußballfans beobachten Polizei, Fanrechtefonds und Fansmedia. Denn dem bereits schon “öfters beschwerlichen Leben des Fußballfans“ (BAFF) widerfuhren in den letzten Jahren zunehmend Restriktionen durch Vereine und staatliche Institutionen wie Zensur, Stadionverbote, Reisebeschränkungen, Datensammlungen, DNA-Analysen sowie der vermehrte Technik-Einsatz zur Video-Überwachung, wie beispielsweise der in Sachsen am 30. April 2008 erstmals praktizierte Einsatz einer Drohne. Wohlgemerkt handelt es sich um die Reflektierung eines Umgangs mit aktiv engagierten und zuweilen auch sehr emotional agierenden Anhängern des runden Leders. Doch “Fußball-Fans haben keine Lobby“ und zudem lässt sich mit dem Hooligan-Totschlagargument “jede noch so absurde Maßnahme rechtfertigen“ (BAFF). Andeutungsvolle Parallelen zum täglichen Leben scheinen da nicht nur zufällig.

Es ist nicht überliefert, wie der amtierende Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch seine Entscheidungen fällt und welcher Argumente er sich dabei bedient. Überliefert dagegen ist, dass Glietsch dem 1. FC Union Berlin in einem Brief mit Posteingang am 18. April 2008 untersagte, für das Regionalliga-Heimspiel gegen die SG Dynamo Dresden auch nur irgendeine Gästekarte zu verkaufen. Als Grundlagen für dieses Vorgehen bemühte der Polizeipräsident angeblich gesichert vorliegende Erkenntnisse sächsischer Behörden, dass Dresdner-Hooligans bei dieser Begegnung in der Köpenicker Wuhlheide auf Krawall aus seien, sowie das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) des Landes Berlin, welches eine solche Maßnahme erlaube, um Gefahren für die Stadt abzuwehren. Ein daraufhin einberufener erster Krisengipfel mit Vertretern der Polizei, des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und des 1. FC Union endete ohne Ergebnis.

Am 21. April erklärte Glietsch vor dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden planten sogenannte Ultras aus dem Umfeld des Dresdner Vereins massive Ausschreitungen und nannte gleichzeitig die Verfügung, keine Karten an Dynamo Dresden abzugeben, das mildeste Mittel, dass den Behörden gegen diese Pläne zur Verfügung stehe. Bemerkenswert ist bei Glietschs Äußerungen allein schon der Wechsel von verdächtigen Hooligans zu Ultras, der von einzelnen Medien genau so unreflektiert übernommen wurde. Noch immer werden diese Begriffe (Ultras, Hooligans, Hooltras?) scheinbar beliebig austauschbar gehandhabt, “fehlt vielen Sportjournalisten jegliches Gespür für Fans und Fan-Interessen“ (BAFF).

Welche konkreten Anhaltspunkte die Berliner Polizei indes zu Grunde legte, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Im Gegensatz zu anderen Brisanz-Spielen, in deren Umfeld es quasi mit Ansage zu gewalttätigen Ausschreitungen kam (Die “Freiheit“ der 5. Liga), war in einschlägigen Internet-Foren für die Berliner Begegnung nicht einmal eine nur versehentliche Andeutung für eine wie auch immer geplanten “Hoolerei“ zu finden. Medienöffentlich wurde lediglich vage auf das vorsaisonale Gastspiel der Dresdner in Berlin verwiesen. “(…) Mit dem Großaufgebot von 1350 Beamten konnte die Polizei schwerere Ausschreitungen verhindern. Das habe die Gewalt-Szene als Niederlage empfunden, für die es nun Revanche zu nehmen gelte, wird vermutet (…)“ (Sächsische Zeitung).

Damals wurden 16 Personen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung festgenommen, 170 Fans wurde der Zugang zum Stadion verweigert. Nach Angaben der Ultras Dynamo soll nach besagtem Gastspiel der Dresdner ein Schreiben des Berliner Polizeipräsidenten an die Geschäftsführung und das Fanprojekt der SG Dynamo Dresden erfolgt sein, in dem Glietsch den ruhigen Ablauf der damaligen Partie gelobt habe und sich schon auf das nächste Spiel freue. Auch wenn dem wirklich so wäre: Das besagte Hooligan-Totschlagargument grüßt nach wie vor ganz normale Fußball-Interessierte, Fans, Ultras.

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(Schuhe aus am Gästeeingang der Alten Försterei am 8. Mai 2008 – Foto: O.M.)

“Wenn dieses Beispiel Schule macht, ist das das Ende des deutschen Fußballs“

Unterdessen hatte das bisher in der Bundesrepublik einmalige Ansinnen, eine ganze Fan-Gruppierung ohne auch nur den Ansatz einer Differenzierung unter Generalverdacht zu nehmen und ein Liga-Spiel unter Ausschluss von Gäste-Fans durchführen zu wollen, nicht nur in der Fan-Szene für Aufregung gesorgt – von “3.000 Mal Stadionverbot“ und einem “Novum in der Geschichte des deutschen Fußballs“ schrieb Spiegel-Online. In den offiziellen Foren der beiden Vereine erfolgten regelrechte Solidaritätsbekundungen – und das bei einer jahrelang gepflegten gegenseitigen Abneigung der Anhänger. Die Vorschläge reichten beispielsweise vom generellen Zuschauer-Boykott und einer Demonstration vor dem Stadion, über den ersatzweisen Kartenkauf für Fußball-Fans der Sachsen, hin zu einem gemeinsamen Fan-Block. Ein für die Szene erstaunlich einheitlicher Tenor – abgesehen von den üblichen Schmähungen – machte nicht nur in den offiziellen Fan-Foren der beiden betroffenen Vereine die virtuelle Runde: Heute ist es Dresden – morgen sind es wir …

Darüber hinaus wurden in dem gepflegten Durcheinander vor dem nächsten sportpolitischen Krisengipfel – diesmal dann auch mit Vertretern der Dresdner Dynamos – fanseitig verschiedenste verschwörungstheoretische Ansätze kolportiert. Soll die Union-Heimstätte “An der Alten Försterei“ in diesem Zusammenhang vielleicht so diskreditiert werden, um sie als Austragungsort der Union-Spiele letztendlich doch noch unmöglich zu machen? Wie profilierungssüchtig ist der Berliner Polizeipräsident – im nachhinein auch zu den Ereignissen am diesjährigen 1. Mai – und welche haushaltspolitischen Finanzierungsengpässe könnten mit derart ordnungspolitischer Omnipräsenz erweitert werden? Braucht etwa gar die Einsatzgruppe Hooligan (EGH) der Berliner Polizei eine Legitimation für ihre Daseinsberechtigung? Und nicht zuletzt: “Es gibt auch in Berlin Leute, die einen Spielabbruch mit null Punkten für Union genießen würden. Sie hassen zwar auch die Saxen, aber uns noch viel mehr! Und sie werden da sein!“ (Union-Forum) – “Mit dieser Aktion haben die Berliner Revierförster dieses Spiel erst recht zu einem Brisanzspiel werden lassen“ (Dynamo-Forum).

Die Lage nicht gerade erleichternd machte zudem der Fakt, dass dieses Ost-Derby an einem Donnerstag für 20.30 Uhr angesetzt wurde. Wer letztendlich diesen Zeitpunkt festlegte, mag dahin gestellt bleiben. Eine geschickte Planung sieht allerdings anders aus. Vielleicht erhofften sich die beiden live übertragenden Sender, RBB und MDR, besonders hohe Einschaltquoten. Es geht schließlich auch ums Geld. Besonders wenn – wie in der Regionalliga Nord – die Spanne zwischen 2. Liga, der in der nächsten Saison neuen 3. Liga und dem Absturz in die 4. Spielklasse nur wenige Punkte liegen. Dem 1. FC Union Berlin stand ohne Gäste-Fans ein Einnahmenverlust von geschätzten 30.000 Euro ins Haus. Das Datum und die sich androhenden Umstände der Begegnung ließen in Fankreisen zudem noch eine Frage entstehen: “Lassen wir den 8. Mai zum Tag der Befreiung werden, gegen die Willkür der Staatsmacht?“ (Union-Forum).

Die Verantwortlichen der beiden Vereine reagierten mit Unverständnis auf die geplante Polizei-Verfügung. “Wenn dieses Beispiel Schule macht, ist das das Ende des deutschen Fußballs“ (Dirk Zingler, Union). “Fans haben ein Recht, bei einem Spiel dabei zu sein … Ansonsten muss sich jeder über die Konsequenzen dieses Schrittes bewusst sein“ (Bernd Maas, Dynamo). Für das Dresdner Fanprojekt wiederum war die Ankündigung der Berliner Polizei “Provokation pur“ – Fans würden dadurch von vorn herein kriminalisiert (Torsten Rudolph). Das Fanprojekt wurde übrigens erst Anfang dieses Jahres für seine “auf Prävention angelegte vorbildliche Jugendarbeit weit über den sportlichen Bereich hinaus“ mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet.

Unterdessen reagierte auch der DFB “mit Sorge auf die Verbannung der Anhänger von Regionalligist Dynamo Dresden durch die Berliner Polizei im Ost-Derby bei Union Berlin“ und plädierte dafür, “eine einvernehmliche Lösung zu finden, damit die echten Dresdner Fans ins Stadion dürfen“. Beim DFB verstehe man die Sorge der Sicherheitsbehörden und nehme die Hinweise sehr ernst, das Vorgehen der Berliner Polizei könne in der Weise trotzdem nicht akzeptiert werden (DFB-Sprecher Harald Stenger).

Das Verhältnis der Dresdner Dynamo-Fans zur Berliner Polizei gilt spätestens seit Oktober 2006 als völlig zerrüttet. Damals war es beim Spiel gegen Hertha BSC (A) in Berlin zu Ausschreitungen gekommen. Nach offiziellen Angaben wurden dabei 38 Menschen, davon 23 Polizeibeamte, verletzt. Die anderen 15 Verletzten sollen nach Dresdner Fan-Darstellungen sämtlich Dynamo-Anhänger gewesen sein. Der damalige Geschäftsführer des Dresdner Vereins, Volkmar Köster, attestierte den Berliner Einsatzkräften im Nachhinein fahrlässiges Handeln und überhartes Vorgehen auch gegen völlig Unbeteiligte. Glietsch wiederum unterstellte Köster daraufhin eine “Förderung des Hooliganismus“.

Am 23. April 2008 vereinbarten beide Vereine und die Berliner Polizei hinsichtlich der Partie gemeinsame “Maßnahmen gegen Gewalt“. Diese beinhalteten unter anderem die geschlossene Anreise der Dresdner in Entlastungszügen, die Abgabe von Karten ausschließlich gegen Vorlage eines Personaldokuments am Zug in Dresden sowie vorab erfolgende Meldeauflagen und so genannte Gefährdenansprachen für zirka 400 bundesweit mit Stadionverbot belegten Problemfans der SG Dynamo Dresden durch die sächsische Polizei. Für Dynamo-Anhänger wurde das Kartenkontingent auf 1.200 beschränkt. Übrigens ist in einer DFB-Regelung für Gästefans ein 10 Prozent-Anteil an Eintrittskarten für das jeweilige Stadion vorgesehen. Das Fassungsvermögen der Union-Heimstätte “An der Alten Försterei“ in Berlin-Köpenick wird auf 18.100 Zuschauer beziffert.

Da allein aus logistischen Gründen die Kartenübergabe an Dynamo-Anhänger im Dresdner Hauptbahnhof doch schwerlich umsetzbar schien, erfolgte der registrierte Vorverkauf letztendlich doch im Fanshop des Rudolf-Harbig-Stadions in Dresden. Für auswärtige Fans – Wohnort mindestens 50 km von Dresden entfernt – wurden einigermaßen verträgliche Karten-Zugangsmöglichkeiten realisiert. Ebenso war überraschend eine individuelle Fahrzeug-Anreise von Dynamo-Fans möglich. Eigentlich wurden damit allerdings auch die Festlegungen mit der Berliner Polizei – beispielsweise die geforderte geschlossene Anreise in Entlastungszügen – unterlaufen. Aber irgendwie schien dies nun wiederum plötzlich niemanden mehr so richtig ernsthaft zu interessieren.

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(Protestbanner im Union-Block am 8. Mai 2008 – Foto: Bultras Dynamo)

Derweil plakatierte die Dresdner Initiative Pro Fankultur! ein in ehemalig ost-staatsparteilichem Duktus (“Liebe Genossen …“) gehaltenes “Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ Schon mehrere Tage vor dem Derby freuten sich Ultrafans (Infos aus der Fanszene – Die Wahrheit ist oft schmerzhaft!) “auf die vielen Protestbanner überall im Stadion gegen die Polizeiwillkür in unserem Land“. Von den Ultras Dynamo erfolgten zum Auswärtsspiel gegen den 1. FC Union Berlin keine weiteren Informationen, “da bestimmte Organe nur darauf warten, entsprechend reagieren zu können und so die Rechte und Freiheiten aller Dynamofans nur noch weiter einzuschränken“.

“Fußball-Fans sind keine Verbrecher!“

Um es noch einmal deutlich zu machen: Es geht nicht um “die Vollidioten, die nur Ärger wollen“ (Christian Beeck, Union). Diese sind allerdings in der bundesdeutschen Ultra-Szene in der Regel auch nicht wohl gelitten. Nach dem letzten schweren Zwischenfall beim Bundesliga-Spiel Arminia Bielefeld gegen VfL Bochum mit mehreren durch eine Böller-Explosion Verletzten und einem brutal attackierten Ordner verurteilten die Ultras Bochum diese Tat umgehend. Gleichzeitig kündigte die Gruppe in einer Erklärung an, in Zukunft zu versuchen, “so auf die Kurve einzuwirken, dass solche Szenen nicht wieder vorkommen“. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass Fan-Kurven in Stadien keine rechtsfreien Räume sind, in denen einige Unverbesserliche glauben, sich auf Kosten anderer mit krimineller Energie austoben zu können. Letzten Angaben zufolge werden bundesweit rund 3.500 Leute der polizeilichen Fan-Kategorisierung “C“ zugeordnet, davon im Umfeld von Dynamo Dresden zirka 100 und knapp 300 in der Stadt Berlin. Als “Kategorie A“ gelten in dieser Einteilung friedliche Fans, die nur das Spiel sehen wollen. Die “Kategorie B“ umfasst die so genannten “gewaltbereiten“ Fans, die nicht mit der Absicht kommen, Gewalt auszuüben, aber Aggressionspotenzial in sich tragen. In der “Kategorie C“ werden die “gewaltsuchenden“ Fans erfasst, die weniger an den Fußballspielen als an Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und der Polizei interessiert sind (wikipedia).

Die sich im Zusammenhang mit diesem Spiel der Regionalliga Nord sukzessiv andeutende weitere Einschränkung von Fan-Rechten reflektierte Frank Willmann, Autor des Buches “Stadionpartisanen“: “Ich sehe es als eine Gefahr für den Fußball an, wenn Polizeipräsidenten beginnen, ganzen Fangemeinden Stadionverbot zu erteilen. Zu Recht hat das einen riesigen Aufschrei gegeben. Die Fußballanhänger dürfen heute nicht mehr schadenfroh über Probleme gegnerischer Fans sein, sondern müssen solidarisch zusammen stehen“. Im Union-Forum wurde resümiert: “Wer glaubt, dass es hier um Dresden geht, der frisst gerade den Knochen, den die Strategen euch hingeschmissen haben“.

“Bei all den Einschränkungen, die Fußballfans allwöchentlich erleben müssen, gerät … in Vergessenheit, dass es diese Fans sind – unangepasst, lautstark, kreativ und erlebnishungrig -, die dem Fußball das Leben einhauchten, das ihn zum Zuschauersport ’Nummer Eins’ gemacht hat“ (BAFF).

Wie kreativ und eindrucksvoll diese Fankultur sein kann, zeigten nicht zuletzt die Ultras Dynamo Ende August 2006 mit einer Choreografie von 420 Bengalo-Feuern anlässlich der offiziellen Verabschiedung von den markanten Flutlichtmasten des alten Rudolf-Harbig-Stadions.

Übrigens hielt auch Gunter A. Pilz, Fanforscher vom sportwissenschaftlichen Institut an der Universität Hannover, die Vorab-Pauschalverurteilung der Dresdner Fans “für keine besonders pfiffige Idee“ (taz). So lange sich allerdings der “Vader Abraham der deutschen Fanszene“ (ultrafans.de) bezüglich der von ihm angeblich so differenziert beobachteten Fan-Szene eher abfällig äußert, wie beispielsweise am 10. April diesen Jahres geschehen, kann sein dahingehendes Engagement durchaus als lediglich populistisch eingeschätzt werden: “Für viele Ultras ist ein Gefängnisaufenthalt sogar die bessere Perspektive als das bisherige Leben.“ Selbst ernannte Fußball-Experten, angebliche Szene-Kenner aller Couleur, gibt es landauf und landab; sich zudem teilweise mit virtuellen Internet-Ultras und Foren-Hooligans gegenseitig fast perfekt niveaulos ergänzend.

Das brisante Ost-Derby entschied vor knapp 12.000 begeisterten Zuschauern im Stadion an der Alten Försterei in Köpenick Union Berlin mit 4:2 über die Dresdner Dynamos. Gegen Elf Leute – sieben Dresdner und vier Berliner – wurden vorab Aufenthaltsverbote verhängt. Weitere 120 als Gewalttäter Bekannte erhielten Meldeauflagen. Rund 800 Polizeibeamte wurden während der Regionalliga-Begegnung am 8. Mai eingesetzt, insgesamt waren 1.400 Polizisten vor Ort. Der Abend verlief ohne größere Zwischenfälle. Während des Spiels präsentierten die Union-Fans das Spruchband “Gleiches Recht für alle“ und intonierten schließlich gemeinsam mit den rund 500 anwesenden Dresdnern “Fußball-Fans sind keine Verbrecher!“

Allerdings wurde seitens der Dresdner nicht einmal das sowieso schon reduzierte Kartenkontingent ausgeschöpft. Viele der ansonsten als reiselustig bekannten Dresdner Anhänger waren der Begegnung in Berlin einfach fern geblieben, augen- und ohrenscheinlich auch der Stimmungsmotor Ultras Dynamo. Richtigen Derby-Charakter wie in den Vorjahren hatte das Ganze so jedenfalls nicht, der war schon im Vorfeld auf der Strecke geblieben. Wenn das wiederum die Zukunft im Umgang mit der in sich wie auch immer differenzierten Fan-Szene sein soll, dann ist es einfach nur Schade für die Fußball-Kultur in diesem Land.

[Dieser Artikel wurde am 10. Mai 2008 bei Telepolis veröffentlicht. Nachpublizierung u.a. in “Der Zwölfte Mann – Fanprojekt Magazin“, Ausgabe 27, September/Oktober 2008]

Fußball-Nazis – neu entdeckt

Thüringen. Nicht erst seit gestern buhlen ausgewiesene Rechtsextremisten, ob in West oder Ost, um die Sympathie von Teilen der Fanszene im Umfeld von Fußballvereinen – ein exemplarischer Blick nach Hildburghausen offenbart einiges.

Oft und immer wieder wird aus dem thüringischen Schleusingen die Begebenheit kolportiert, als sich vor einiger Zeit der dortige Bürgermeister, Klaus Brodtführer (CDU), im falschen Film wähnte: Eines Tages stand in seinem Büro ein damals noch minderjähriger Neonazi und teilte ihm mit, er werde ihn in naher Zukunft aus dem bürgermeisterlichen Rathaussessel verdrängen. Der Bürgermeister hielt diese Ansage für naiv, woraufhin der auftretende NPD-Nachwuchskader Tommy Frenck ankündigte, schon bald wolle er in die Freiwillige Feuerwehr des Ortes eintreten und seine Gefolgsleute in den städtischen Sportvereinen wirksam werden lassen. Frencks Eintritt in die Feuerwehr konnte verhindert werden, weil alle anderen Mitglieder für diesen Fall ihren Austritt ankündigten. Im städtischen Sportverein “seien die Neonazis so isoliert gewesen, dass sie schnell das Weite gesucht hätten“ (ddp, 21. Januar 2008).

Im Thüringer Innenministerium gibt es keine statistischen Erkenntnisse zur Unterwanderung von Organisationen. Wenn Rechtsextreme sich in Vereinen engagierten, sei das zwar ärgerlich, aber noch keine Straftat, und tauche deshalb nicht in der Kriminalstatistik auf (ddp, 21. Januar 2008).

Anfang September 2007 berichtete eine sich selbst so bezeichnende Antifaschistische Gruppe Südthüringen zu Hildburghausen und “Sport und Spaß ganz Rechts“. Zuvor bilanzierte Der Rechte Rand, dass Thüringer Neonazis den Sport als Einfallstor zur Verbreitung ihrer Ideologie zu nutzen versuchen.

Bereits Ende August 2007 publizierte sport inside vom Westdeutschen Rundfunk (WDR): Die rechtsextreme Partei [NPD] nutze den Massensport für ihre ideologischen Zwecke. “Sie [die NPD] hat [allerdings] erkannt, ’dass die Bundesliga kein Feld für ihre politische Agitation ist’. ’Was sollen wir auf Schalke? Bei deren Fanarbeit bekommen wir ohnehin kein Bein auf den Boden’, sagt Klaus Beier (…). Dennoch will sie [die NPD] den Fußball – die liebste Freizeitbeschäftigung der Deutschen – nutzen, um in die ’Mitte der Gesellschaft’ einzusickern.“ Das funktioniere vor allem in Ostdeutschland, bei kleineren Clubs und im Amateurfußball, so die damalige WDR-Dokumentation.

Pseudoaktuell bemüht sich nunmehr der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) – “Die Sportsendung des MDR macht auch vor brisanten Themen nicht halt“ – darüber zu berichten, dass “Rechtsextremisten ein Hintertürchen gefunden [haben], um unter dem Deckmäntelchen eines Vereins aktiv in den Sport eingreifen zu können“. Durchaus zweifelhaften Ruhm hat der MDR übrigens in der näheren Vergangenheit beispielsweise durch undifferenzierte Berichte über angebliche Pistolenschüsse sowie ebenso herbei zitierte körperliche Übergriffe gegen Vereinsspieler auf dem Gelände der SG Dynamo Dresden erlangt. Auch die antisemitisch ausufernde Plakatierung von so genannten Fußball-Fans im Vorfeld eines Spieles in der Sachsenliga Ende Oktober 2007 schien dazumal – allerdings nicht nur – am MDR vorbei gegangen zu sein.

Frenck übrigens ist in das nahe gelegene thüringische Hildburghausen verzogen und hat dort mittlerweile schon vor einiger Zeit den so betitelten Fußballverein SV Germania Hildburghausen gegründet; zudem agiert er als Kreisvorsitzender und Verantwortlicher der Internetpräsenz des örtlichen NPD-Kreisverbandes. “Manche Neonazis ’spielen einfach nur gerne Fußball’“ (Frankfurter Rundschau).

Der MDR lässt derweilen Tommy Frenck unkommentiert verlautbaren: “Der Verein wird weiter wachsen – wir beabsichtigen auch Volleyball und Handball zu spielen“.

[Dieser Artikel wurde am 6. März 2008 bei redok veröffentlicht.]