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HFC: HallenserFanCasting?

Angenommen, nur mal angenommen, man wäre aus Dresden. Und nicht aus Magdeburg. Siegpunkt Eins? Weiter angenommen, man würde sich in Dresden zu einem fußballerisch amtierenden Drittliga-Verein hingezogen fühlen, und nicht in Magdeburg. Siegpunkt Zwei? Darüber hinaus angenommen, man würde – was in der aktuellen 3. Liga zwangsläufig ist – zu einem anstehenden Auswärtsspiel beim Halleschen FC (HFC) antreten müssen und dabei ein wenig von den sich zum 1. FC Magdeburg hingezogenen Bördemenschen lernen wollen. Wäre das dann etwa Siegpunkt Drei? Bereits im Vorabbereich der Drittliga-Begegnung am 7. Februar zwischen Hallescher FC und Dynamo Dresden zum diessaisonalen 24. Spieltag?

Man könnte ja, angenommen, dieser Tage jetzt vielleicht in Halle unterwegs sein. Unfreiwillig oder freiwillig. Sagen wir mal, in der Nähe des Wosz-Fanshops. Beispielsweise. Und dabei ob der Witterung ein rot-weißes Zipfelmützelchen auf dem Haupt tragen. Oder ein ebenso gefärbtes Schälchen um den zuweilen frostig gefährdeten Hals. Als fußballerisch interessierter Dresdner, der nicht aus Magdeburg stammt, vielleicht eher unwahrscheinlich. Aber im Bereich der Möglichkeiten. Theoretisch. In Sachsen-Anhalt ist so einiges möglich. Also in Halle. Wo wir ja gerade unterwegs sind. In Gedanken. Einfach so.

Als nicht nur von Magdeburgern durchaus lernfähiger Dresdner könnte man seinen, wenn überhaupt ausgeprägt vorhandenen, sächsischen Dialekt verstellen. Zum Beispiel im Wosz-Fanshop. In Halle. Und eine sachsen-anhaltinische Mundart – so es diese denn wirklich gibt – nachahmen. Oder sächsisch-anhaltinisch. Irgendwie. Geschickt angelernt. Aber beileibe nicht von Magdeburgern. Sondern im Selbststudium. Lernfähig eben. Als weltoffener Dresdner. Mitunter.

Derweil im Wosz-Fanshop – oder bei Tim Ticket beziehungsweise PS Union – der kurzzeitig vom HFC gestoppte Kartenvorverkauf für das Heimspiel gegen Dynamo Dresden wieder anläuft, erinnern wir uns.

“Bei der 1:2-Derbypleite gegen den FCM waren fast 4.000 Gästeanhänger im Erdgas Sportpark erschienen. Das normale Kontingent bei solch einem Sicherheitsspiel liegt bei 1.200 Tickets. So etwas soll nicht noch einmal passieren“ (Mitteldeutsche Zeitung Online, 25. Januar).

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(hallescherfc.de – Screenshot: O.M.)

Der Hallesche FC scheint lernfähig. Oder täuscht der Schein? Apropos täuschen. “Der Verkauf von maximal 4 Tickets pro Person an den o.g. VVK-Stellen erfolgt ausschließlich an HFC-Mitglieder bzw. HFC-Dauerkartenbesitzer und an Anhänger welche unserem Halleschen FC zuzuordnen sind“ (Faninformation des HFC, 25. Januar).

Aus Fehlern lernen, heißt siegen lernen. Ein Slogan, der dem HFC zuzuordnen ist? Hand in Hand mit dem Ticketing-Dienstleister. Der wiederum versichert, “dass aktuell mehr als 95 Prozent der bisher verkauften 1.169 Tickets für die Blöcke 6 bis 10 halleschen Anhängern zuzuordnen sind“. Und überhaupt: “Am Spieltag selbst erhalten Personen, welche augenscheinlich als Anhänger der SG Dynamo Dresden zuzuordnen sind, ausdrücklich keinen Zutritt für diese Blöcke auf der BWG-Tribüne“ (HFC-Faninformation).

So zuordenbar lernfähig braucht sich wohl HFC-Präsident Michael Schädlich nicht – wie nach dem letzten “Vorverkaufsdesaster“ (Mitteldeutsche Zeitung) – noch einmal bei den Hallenser Fans entschuldigen.

Wobei: “Manche Menschen sind derart perfekte Verwandlungskünstler, dass man sie ohne weiteres der Gattung des Chamäleons zuordnen könnte“ (Helga Schäferling). Aber das wäre dann schon wieder eine andere Geschichte. Abseits des Fußballs. Vielleicht. Und schwer zuzuordnen.

Wird die Fußball-Welt zu Gast bei Freunden sein?

Nach einem Oberliga-Spiel wurde der nigerianische Spieler Ogungbure angegriffen, die Polizei jedoch ging nur gegen ihn vor

Es sind noch wenige Wochen bis zum Großereignis der Fußball-Weltmeisterschaft, die unter dem Slogan Die Welt zu Gast bei Freunden steht. Letzte Vorbereitungen dazu scheinen nahezu abgeschlossen. Reine Fußballwelt-Freundesbilder erwarten uns, so wird es versprochen – quasi ein unpolitisch-freundschaftliches Willkommen der Nationen in bundesdeutschen Gefilden.

Fußballerische Weltklasse konnte dem Punktspiel in der NOFV-Oberliga Süd zwischen dem Halleschen FC und Sachsen Leipzig vor rund 3.000 Zuschauern am 25. März wahrlich nicht unterstellt werden. Die Partie erregte vielmehr durch Geschehnisse Aufmerksamkeit, die nicht so recht ins freundschaftsbeseelte WM-Vorfeld zu passen scheinen, aber in bundesdeutschen Fußball-Stadien nicht erst seit gestern zu beobachten sind. So weist beispielsweise bereits seit Jahren das Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) mit einer Wanderausstellung und einem Online-Nachrichtendienst auf den Tatort Stadion hin. Die Liste von Beispielen für offenen Rassismus und Diskriminierung in der bundesdeutschen Fußballwelt scheint eine Dokumentation ohne Ende.

Abgesehen von Ausschreitungen an besagtem Tag zwischen Anhängern beider Oberliga-Mannschaften im Halleschen Kurt-Wabbel-Stadion wurde der dunkelhäutige Leipziger Spieler Adebowale Ogungbure fortwährend mit gegrunzten Affenlauten von den Rängen verhöhnt. Nach Spielschluss dann – mitgereiste Leipziger hatten mittlerweile den Rasen gestürmt – attackierten Hallenser Zuschauer den Nigerianer körperlich, als dieser den Platz in Richtung Kabine verlassen wollte. Ogungbure wurde bespuckt, geschlagen und “Drecksnigger“ geheißen. Der 24-Jährige reagierte auf die Angriffe vor der Haupttribüne des Stadions mit einem offensichtlich verächtlich gemeinten Hitlergruß. Diesen wollte er nach eigener Darstellung so auch “nicht als Tolerierung der NS-Bewegung“ verstanden haben wissen. “Ich wurde geschlagen und wusste nicht, wie ich mich wehren sollte. In meiner ganzen Karriere wurde ich noch nie so schlecht behandelt wie in dieser Oberliga. Ich bin kein Affe oder Bimbo, sondern ein Mensch“, erklärte sich Ogungbure.

Wegen Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole wurde aufgrund von Zeugenaussagen gegen den Nigerianer seitens der Polizei erst einmal Anzeige erstattet, während man die verbalen und körperlichen Angriffe auf ihn anscheinend in Ordnung oder vernachlässigbar fand. Die Hallenser Staatsanwaltschaft hat immerhin die polizeilichen Ermittlungen gegen Adebowale Ogungbure gestern wieder eingestellt: “Das Zeigen des Hitlergrußes war in diesem Fall nicht strafrelevant. Ogungbure wurde provoziert, er identifiziert sich nicht mit den Zielen verfassungsfeindlicher Organisationen.“ Der Präsident des FC Sachsen Leipzig, Rolf Heller, übte gleichzeitig Kritik am Verhalten der Sicherheitskräfte: “Das Weggucken der Polizei ist bedenklich“. Solche Vorfälle können gerade im Vorfeld der Fußball-WM nur den erstaunen, der bisher nicht sehen wollte.

Für den erweiterten Schutz der Freundschafts-Fußball-Weltmeisterschaft beabsichtigt Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) in Absprache mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das bereitstehende Bundeswehrkontingent von bisher geplanten 2.000 Soldaten auf 7.000 zu erhöhen. Der Koalitionspartner SPD signalisierte keine verfassungsrechtlichen Bedenken – “schließlich würden die Soldaten nicht mit der Waffe in der Hand eingesetzt“.

[Dieser Artikel wurde am 29. März 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]