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MedienScreen # 37 [Regionalliga NordOst, Steppender Bär?]

[Fundstück] Marco Bertram, “Regionalliga Nordost: Hort der Angst und am-Raddreher, oder doch das Fußballparadies?“, turus.net, 23. April 2015 –

(…) Zwei Klicks weiter fällt indes ein anderer Bericht ins Auge. Mein Lächeln wird zu einem Stirnrunzeln. “Fear and Loathing in der Regionalliga Nordost“. Veröffentlicht in der Sportrubrik von vice.com. Ins Auge fällt selbstverständlich die Foto-Collage, die als knackiger Aufmacher dient. Schwarz gekleidete Fans auf einem Zaun, mächtig Pyrotechnik in der Babelsberger Nordkurve, rennende behelmte Polizisten und der beschmierte Mannschaftsbus des FSV Zwickau. Der Wilde Osten?! Beim Herunterscrollen ahne ich bereits, was kommen wird (…)

(…) dann mal geschaut, wie der englische Autor die Regionalliga Nordost beschreibt.

Ich wäre sogar mit entspannter Neugier an diesen Text herangegangen, wenn nicht auf der FB-Seite von VICE Sports Deutschland mit folgenden beiden Sätzen angefüttert wird: “Die Qualität der Spiele ist niedrig, dafür die Bierpreise umso niedriger.”, “Schlägereien, fliegende Feuerwerkskörper und Naziparolen. – Willkommen in der Regionalliga Nordost.” Der erste Satz ist bereits eine Frechheit, denn weltweit dürfte es kaum eine andere vierte Liga geben, in der solch ein guter Fußball gezeigt wird wie in Deutschland. Sicherlich wird auch das Niveau in der vierthöchsten englischen Profiliga (League Two) nicht allzu übel sein, von daher mag man die Meinung eines Engländers noch durchgehen lassen (…) Beim Satz mit den Schlägereien und Naziparolen kommt indes schon fast Brechreiz auf (…) Müssen wieder einmal sämtliche Klischees bedient werden, um Leser zu ziehen?

Ja, ja. Der Osten. Dumpf. Gefährlich. Rechtslastig. Und der Fußball der Regionalliga Nordost ist auch noch unter aller Sau. Na, Hauptsache das Bier ist billig. Fein, fein (…) Aber zum Text: Gleich im ersten Abschnitt wird etwas von Provinzstädtchen, ewigen Talenten, gefallenen Helden und B-Elfs gesprochen. Und auch die verlotterten Tartanbahnen werden herangezogen. Der Wind, der einen so romantisch um die Ohren bläst. Vom blinden Fanatismus ist die Rede, und vom absoluten Desinteresse der anderen. Wovon ist hier die Rede? Von der dritten Spielklasse in Bosnien und Herzegowina oder in Mazedonien?

Provinzstädtchen? Fünf von 16 Regionalligisten kommen in der laufenden Saison aus Berlin. Ob die U23-Teams von Hertha BSC und des 1. FC Union Berlin sowie der extrem zuschauerschwache Berliner AK 07 bereichernd sind, ist die andere Frage. Allerdings bleibt der Fakt, dass fünf Mannschaften aus der deutschen Hauptstadt kommen. Hinzu kommen die Vertreter aus Potsdam-Babelsberg, Magdeburg und Jena. Allesamt ganz gewiss keine Provinzstädtchen. Und die anderen Vertreter? Halberstadt? Neustrelitz? Zwickau? Sicherlich keine Großstädte, aber sicherlich auch keine Dörfer. War der Autor des Textes bereits einmal dort? (…)

Im Jahr 2012 zog es den Autor Mike, der von England (Anhänger des Rochdale FC) nach Deutschland zog, zum ersten Mal in ein regionales Stadion. Er besuchte das Duell SV Babelsberg 03 vs. Karlsruher SC und seitdem war er “wider besseren Wissens vom Regionalligavirus befallen” (…)

Mike hatte sich sofort in Nulldrei verliebt und begleitete den Verein trotz diverser sportlicher Klatschen in die Regionalliga Nordost. Prima so. Wäre alles schön soweit, wenn nicht die große Klischee-Schublade aufgezogen werden würde. “Der Gang in den Wild Wild East.” Was soll ich dazu sagen? (…) Ja, den “Wilden Osten” gab es mal – und der hatte kurz nach dem Mauerfall in der Tat sehr hässliche Seiten. Die negativen Auswüchse wird wohl niemand in Frage stellen. Allerdings leben wir inzwischen im Jahr 2015 – und der Osten ist keinesfalls mehr der Osten wie vor 20 Jahren, als manch ein derzeitiger junger aktiver Fan der Gegenwart noch in den Windeln lag (…)

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(Friendly Far East, Phan Thiet – Foto: O.M.)

Zurück zum besagten Text bei VICE (…) nun kommt es zum Geschehen auf den Rängen. So seien in der Regionalliga Nordost die Fans der wahre Star. Und diese drehen völlig am Rad. Mal kurz überlegen. Wer dreht wo am Rad? Wenn es nach der Stimmung geht, drehen die deutschen Fußballfans – im Gegensatz zur derzeitigen Situation in den Stadien der oberen englischen Spielklassen – wirklich am Rad. Von der 1. Bundesliga bis hinunter zu den Regionalligen. Kein Phänomen im Osten unseres Landes. Auch im Südwesten und Westen gibt es Viertligisten, bei denen schon mal ganz kräftig “am Rad gedreht wird”.

Aber jetzt. Dieser Satz musste wohl sein: “Doch da wir in der Regionalliga Nordost spielen, wo überwiegend Teams aus den neuen Bundesländern am Start gehen, sind auch rechtsgerichtete Parolen oft nicht weit entfernt.” Möchte man in England auch solche stumpfen Klischee-Aussagen über ihre Regionen lesen? Burnley! Ist das nicht dieses verdammte Nest, wo nur hirnlose Hooligans und rechte Schläger die Pakistaner jagen? Und ja, sind englische Fußballfans nicht von Hause aus unterbelichtet, fettleibig und alkoholsüchtig? Richtig! Das möchte niemand in England lesen. Und ich würde auch im Traum nicht daran denken, das ernsthaft zu behaupten. Also! Rechtsgerichtete Parolen? Wo genau? Wir nehmen jetzt an dieser Stelle erst einmal die Konfliktspiele gegen den 1. FC Lok Leipzig und den BFC Dynamo außen vor. Erster Fakt: Tritt Babelsberg 03 mit seiner links-alternativen Fanszene an, kriechen beim Gegner durchaus Personen mit rechtem Gedankengut aus den Löchern. Das wird niemand bestreiten wollen, allerdings wollen wir ja über die Regionalliga Nordost als Ganzes sprechen.

Also nochmals: Jena? Magdeburg? Zwickau? Drei RL-Vertreter mit großer Anhängerschaft. Am Rad drehen? Rechtsgerichtete Parolen? Wohl eher kaum. Und falls aufgetretene Tore zum Innenraum der Magdeburger Old-school-Garde für Erschrecken sorgte – das ist kein ostdeutsches Phänomen. Solche Vorgänge können durchaus auch mal in Köln und Essen bestaunt werden (…) Aber nochmals: Wir sprechen von der gesamten Regionalliga Nordost. Etwaige Vorfälle in Aachen würde man schließlich auch nicht auf die gesamte Regionalliga West projizieren.

Ja, ich wirke – auf gut Deutsch gesagt – angepisst. Zurecht. Denn als jemand, der mit dem Fußball in dieser Region aufgewachsen ist, lese ich ungern von einem, der erst seit 2012 den Fußball hierzulande besucht, ungern folgendes: “Die Regionalliga Nordost erfüllt alle Stereotypen im Bezug auf Ostdeutschland, angefangen bei noch harmlosen Mode-Fauxpas auf der Tribüne, die meist mit der Jeans- und Turnschuhauswahl zu tun haben, über lächerliche Schlager-Klubhymnen bis hin zu Fan-Gewalt und rechtsextremen Parolen.” (…)

Der untere Teil des Textes wird richtig grässlich. “Doch der Fußball in den neuen Bundesländern war nicht immer eine solche Tristesse. Zu Zeiten der DDR waren ostdeutsche Vereine noch auf der europäischen Fußballbühne vertreten …” Und weiter: “Neben dem Feld schneidet der 1. FC Magdeburg von den vier Mannschaften noch am besten ab, wenn auch nur sehr relativ betrachtet … Leider sind Gewaltausbrüche dieser Art bei Spielen des 1. FCM keine Seltenheit. Das Spiel gegen mein Team aus Babelsberg in der letzten Saison musste gleich zwei Mal unterbrochen werden, weil Magdeburger Fans das Spielfeld stürmten und gefährliche Pyrotechnik zum Einsatz kam.” Mir fehlen die Worte. Und das vor allem deshalb, weil ich mich beim 1. FC Magdeburg recht gut auskenne (…) Falls Pyrotechnik indes generell strikt abgelehnt wird, sollte das im Text durchaus deutlich rübergebracht werden.

Dass es noch dicker kommt, war beim Lesen zu erwarten. “Doch im Vergleich zum BFC Dynamo sind die Fans des 1. FCM noch echte Engel. Zu sagen, dass der BFC Dynamo der verhassteste Fußballverein in Deutschland ist, wäre noch eine Untertreibung. Diesen Ruf hat man sich aber auch redlich verdient.” Schön, dass man als 2012-Fußball-Hinzugezogener eine solch klare Äußerung treffen kann (…) Fertig ist der ostdeutsche Salat!

Ein weiterer Auszug aus dem besagten Bericht: “Und nein, das sind eben leider keine Einzelfälle. Ich könnte noch unzählige weitere Beispiele anbringen – etwa über den FSV Zwickau, dessen Fans auch nicht gerade Kinder von Traurigkeit sind. Oder über Polizisten, die ihren Frust darüber, zu ‘Drecksvereinen’ wie Babelsberg geschickt zu werden, an uns Fans auslassen, indem sie nur allzu gern zu Schlagstock und Pfefferspray greifen. Denn eine Sache muss dir klar sein: In der Regionalliga Nordost hört dich niemand schreien.” Unzählige weitere Beispiele? Nur zu. Wenn schon, denn schon. Der Bericht versickert allerdings in den letzten Abschnitten (…)

Mein persönliches Fazit: Schön, dass das Bier prächtig lief. Besser macht es den Bericht trotzdem nicht. Ich gehe jetzt in die Küche, tanke einen Becher Wasser nach, drehe nochmals eine Runde auf dem Tempelhofer Feld und lasse den wirklichen einstigen Wilden Osten im Geiste nochmals Revue passieren. Auch wenn sich manch ein Heranwachsender still und heimlich genau diesen in der Gegenwart wünscht und erwartet – sorry, genau diesen Klischeebehafteten gibt es nicht mehr. Was nicht heißen soll, dass es in den ostdeutschen Fankurven nicht rockt! 😉

***

Mit Dank & Gruß an Marco Bertram.

[Dieser Beitrag wurde am 27. April 2015 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 36 [Dynamo Dresden oder der Untergang des Abendlandes]

[Fundstück] “Dynamo versenkt das Abendland“, spuckelch.wordpress.com, 24. April 2015 –

300 Flüchtlinge lädt Dynamo gegen Duisburg ins Stadion ein. Eine tolle Idee dachten viele! Doch es regt sich Kritik. Dabei wird nicht etwa gegen das auf den ersten Blick Naheliegende protestiert: Muss man den armen Flüchtlingen ausgerechnet Dynamo in der aktuellen sportlichen Verfassung zumuten? Haben sie nicht schon genug Leid erlebt? Und wer will schon Duisburg sehen? Verstößt das nicht gegen die Menschenwürde?

Nein nein. Die braun-gelben Abendlandretter machten unter anderem auf den Facebookseiten der “SG Dynamo Dresden” und der “SG Dynamo Dresden Fans” ihrem Ärger Luft und öffneten den Gutmenschen rund um den Verein die Augen. Bei Pegida ist ja grad nicht so viel los.

Denn was keiner sehen will: Jetzt nehmen uns diese Asylanten auch noch die leeren Sitzplätze weg und mit Sicherheit nach dem Spiel sogar mit. Dann werden sie verhökert, um sich davon das neuste Smartphone kaufen zu können. Mit dem sie dann ihre Drogengeschäfte abwickeln.

Und kein Stadion der Welt kann eine ungebremste Flüchtlingsflut verkraften. Erst sind es nur 300 aber die vermehren sich doch wie verrückt! Und plötzlich sind die Tribünen islamisiert. Der ungebremsten Sektoren-Überfremdung sind Tür und Tor geöffnet. Das D im Dynamowappen wird durch einen Halbmond ersetzt (…)

Doch es kommt noch viel schlimmer. Spuckelch liegt die Liste der im Stadion geplanten Regeländerungen für das Flüchtlingsspiel vor:

  • Es darf nur gen Mekka gejubelt werden.
  • Tore von Nichtausländern werden aberkannt.
  • Es gibt nur alkoholfreies Bier.
  • Flüchtlinge dürfen Drogen mit ins Stadion nehmen. 3000 deutsche Dynamofans werden verpflichtet, diese Drogen auch zu kaufen.
  • Auf den Flüchtlingssitzen werden nagelneue Markenturnschuhe ausgelegt.
  • Jeder der 300 Flüchtlinge bekommt vor dem Spiel eine Verpflegungspauschale in Höhe von 1953 Euro.
  • Jeder Flüchtling bekommt beim Verlassen des Stadions einen Flachbildfernseher mit Sky-Abo ausgehändigt.
  • Frauen müssen sich beim Betreten des Stadions verschleiern, dürfen dafür aber die Dynamofahne nehmen.
  • Wegen des Schweinefleischs wird die Bratwurst aus dem Stadion verbannt …

Lutz Bachmann übernehmen Sie.

P.S.: Eure Angst vor kriminellen, pöbelnden, belästigenden, brutalen Flüchtlingen (lassen wir hier mal euer Rassisten-Feigenblatt des Kriegsflüchtlings weg) ist genau die gleiche dumme Angst, wie sie Menschen in Bielefeld, Ahlen, Münster, Osnabrück, Düsseldorf … vor den brutalen, randalierenden, Züge und Städte verwüstenden, faschistischen und pöbelnden Dynamofans haben.

In beiden Fällen haben Scheißtypen den Ruf aller versaut. Allerdings wenn alle Dynamofans über einen Kamm geschoren werden, regt ihr euch maßlos darüber auf und nennt es Hetze.

Das hat nichts mit Nationalitäten zu tun, sondern mit Kinderstube und Geisteszustand. Man muss kein Ausländer sein, um ein Idiot zu sein.

[Dieser Beitrag wurde am 25. April 2015 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 35 [Ultras nach BGH-Urteil nicht mit Hooligans gleichgesetzt]

[Fundstück] “Bundesgerichtshof erweitert den Begriff der kriminellen Vereinigung nicht“, fananwaelte.de, 12. März 2015 –

Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte kritisiert die Kommentierung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22.01.2015, 3 StR 233/14, zur Frage der Einordnung von sogenannten Hooligan-Gruppierungen als krimineller Vereinigung. Ohne die schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten, wurden nach Bekanntwerden der Entscheidung angeblich erweiterte polizeiliche Befugnisse insbesondere von Seiten der Polizeigewerkschaften begrüßt. Insbesondere wurde suggeriert, der BGH habe die “kriminelle Vereinigung” begrifflich erweitert.

Dies ist jedoch nicht zutreffend. Der Bundesgerichtshof nimmt mit seiner Entscheidung keine Erweiterung des Begriffs der kriminellen Vereinigung vor, sondern hält seine ständige Rechtsprechung aufrecht. Eine Ausdehnung des Begriffs der kriminellen Vereinigung beispielsweise auf Ultrafangruppen lässt sich durch das Urteil des Bundesgerichtshofs gerade nicht begründen.

Nach der Rechtsprechung des BGH setzt eine kriminelle Vereinigung voraus, dass Ziel und Zweck einer Personenvereinigung die Begehung von Straftaten ist, wobei sich – als wesentliches Abgrenzungsmerkmal zu nichtkriminellen Vereinigungen – die Gruppenmitglieder unter Zurückstellung ihrer individuellen Einzelmeinung der Willensbildung der Organisation und diesem Ziel unterwerfen.

Dies ist bei Ultrafan-Gruppierungen nicht der Fall. Die Mehrheit der Mitglieder von Ultrafan-Gruppierungen verfolgt das Ziel, die jeweilige Fußballmannschaft zu unterstützen und stellt das verbindende Fußballerlebnis in den Vordergrund. Das Begehen von Straftaten ist nicht das gemeinsame Ziel, was bereits aus der Heterogenität der Zusammensetzung folgt. Das Urteil des BGH stellt eine reine Einzelfallentscheidung dar und betrifft nicht die Ultrafan-Gruppierungen (…)

[Dieser Beitrag wurde am 23. März 2015 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 34 [Pegida, Dresden, Dynamo]

[Fundstück] Christoph Ruf, “Pegida trifft Dynamo – Die Abendspaziergänge führen nicht nur am Dresdner Stadion vorbei, sie beschäftigen auch den Fußball-Drittligisten“, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 24. Januar 2015 –

(…) Robert Schäfer weiß, dass die Hooliganszene ein integraler Bestandteil von Pegida ist (…) Der Geschäftsführer von Dynamo Dresden hat dann auch registriert, dass einige Kritiker von seinem Verein gerade deshalb ein deutliches Bekenntnis gegen Pegida fordern.

Ihnen hält er entgegen, dass genau das einem Sportverein gar nicht zustehe. “Wir müssen uns als Sportverein politisch neutral verhalten.” Doch das bedeute nicht, dass sich Dynamo nicht positionieren dürfe (…) Genau das tue man seit Jahren: “Erst im November ist unsere Mannschaft mit dem Schriftzug ‘Love Dynamo, hate racism’ aufgelaufen.” Die vielen Dynamo-Schals bei Pegida-Demos sieht Schäfer auch nicht so gerne: “Wer mit unseren Fanutensilien auf eine Pegida-Demo geht und Mitglied ist, verstößt gegen unsere Satzung. Dafür müssen wir weiter sensibilisieren.”

Aus diesem Grund hat Dynamo auch Anfang Januar einen Aufruf unterzeichnet, in dem man sich (…) von rechts abzugrenzen versucht: “Die Dresdner Vereine setzen sich für Akzeptanz und Respekt sowie gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ein.” (…)

Fremdenfeindlich ist man bei Pegida angeblich ja nicht. Außerdem heißt es: “Aus Sicht des Sports ist es wichtig, den berechtigten Interessen der Bürger zuzuhören, ihre Sorgen ernst zu nehmen (…) und in einen offenen und fairen Dialog einzutreten.”

Entsprechend groß ist der Protest in den sozialen Netzwerken, auch Dynamo-Fans sprechen davon, man könne die Formulierung als “Kumpanei” mit Pegida auffassen. Dabei merkt man den Formulierungen eher an, dass die Verfasser vor allem eines nicht wollen: anecken (…)

Mindestens 500 Hooligans dürften an jenem Montagabend in Dresden gewesen sein, viele Beobachter sind sich einig: Es sind wohl eher mehr. Die meisten von ihnen kommen aus Sachsen, auch der Berliner FC Dynamo ist gut vertreten. Wenn die Organisatoren der “Hooligans gegen Salafisten”-Demos derzeit so zurückhaltend sind, liegt das – neben internem Zwist – auch daran, dass viele ihrer Aktivisten bei Pegida und den Ableger-Demos untergekommen sind (…)

Natürlich ist nicht jeder Hooligan ein Rechtsradikaler (…) Doch auch bei der bisher letzten Demo in Dresden wird klar, dass viele von ihnen tief in der rechten Szene verwurzelt sind (…) Und so fügen sich die Freunde der dritten Halbzeit bestens ein in die Masse der Pegida-Teilnehmer, die mehrheitlich aus Rentnern und Ehepaaren mittleren Alters besteht. Die Fußball-Hools reden hingegen nicht mit der Presse (…)

Dass jeden Montag Hunderte Kameradschaftsaktivisten und andere Neonazis mitmarschieren, ist allerdings ebenfalls Teil der Wahrheit (…) An diesen Leuten scheint hier aber keiner Anstoß zu nehmen.

(…) “Man muss Dynamo als Verein zugestehen, dass er in seinem Einflussbereich engagiert gegen Rassismus vorgeht”, sagt er [Danilo Starosta, Fachstelle Jugendhilfe – Demokratiewerte gegen Rechtsextremismus].

In der Fankurve, dem K-Block, wo die Ultras das Sagen haben, habe es keine Mobilisierung für Pegida gegeben, betont Starosta. Die Meinungen über Pegida gehen in Dresden auseinander. Auch im Stadion.

[Dieser Beitrag wurde am 24. Januar 2015 bei Ostfussball.com publiziert.]

FCH vs. SGD – MDR spielt mit Pyro

Das Drittliga-Spiel am 29. November zwischen dem FC Hansa Rostock und der SG Dynamo Dresden (1:3) wurde von Schiedsrichter Daniel Siebert vor 20.500 Zuschauern im Ostseestadion für mehrere Minuten unterbrochen, die Mannschaften in die Kabinen geschickt. Live beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) sowie Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) waren die Ursachen für die Spielunterbrechung höchstens zu erahnen und wurden von den jeweiligen Reportern in eher holperiger Bildsprache beschrieben.

Beide Sendeanstalten zeigten sich durch die Münder ihrer Berichterstatter betroffen von der Vorgängen auf den Rängen und ließen unisono erklären, derart Geschehnissen keine Bühne bieten zu wollen. Unter dieser Art von Selbstzensur – vorab von den Redaktionen offenbar angewiesen – wurde von den beiden öffentlich rechtlichen Sendern der Bildungsauftrag folgend quasi mehr als nur ernst genommen, so als ob es kein Twitter, Facebook oder YouTube geben würde.

Besonders ernst nahm und nimmt augenscheinlich der MDR seinen Bildungsauftrag auf der ostdeutschen Straße der globalen Unwissenheit. Nein, nein, nein, den Chaoten bieten wir keine Plattform, so etwas zeigen wir nicht – fast stakkatoartige Kommentierungen der Spielunterbrechung in Rostock. Solche Bilder, so der unterstellte Tenor, sollen die Menschen draußen im Land – Berichterstattungspflicht hin oder her – gar nicht erst zu sehen bekommen. Und sich dabei vielleicht etwa auch noch eine eigene Meiniung bilden? Ne, ne, ne – da spielt der MDR nicht mit, ganz so als ob es kein Twitter, Facebook, YouTube oder Online-Foren aller Couleur geben würde, abgesehen von Sport- und Nachrichtensendungen anderer Fernsehanstalten.

Doch der MDR wäre nicht der Mitteldeutsche Rundfunk, wenn er nicht unnachgiebig um seinen Bildungsauftrag, für eine unabhängige und objektive Berichterstattung kämpfen würde. Und dem kommt der Sender schließlich aller folgsamen Selbstzensur zum Trotz doch noch mehr oder weniger schöpferisch – Achtung! Überraschung! – bei Facebook nach und lässt dortselbst Sport im Osten beinahe zeitgleich zur eigenen Beschneidung der Live-Übertragung eine gut anderthalbminütige Sequenz pyrotechnischer Ergüsse auf den Rängen des Ostseestadions vorführen [Link zum Video].

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(Screenshot: O.M.)

also im tv zeigt ihr es extra nicht aber hier??? scheinheiliges pack!!!” [Chris von Bullysen @ Facebook].

Danke MDR, für so viel aufrecht seriöse ‘Berichterstattung’.

“In einer von skandalösen Umständen begleiteten Partie hat der FC Hansa Rostock den Befreiungsschlag im Kampf gegen den Abstieg aus der 3. Liga verpasst”, bilanzierte sueddeutsche.de nach dem Spiel – und Gründe, dieser Einschätzung zu widersprechen, finden sich kaum welche.

Post Scriptum –

“(…) wir haben aktuell von der Polizei ‘ne Meldung ‘reinbekommen. Es soll aus den Reihen der Dresdner Fans Steinwürfe gegen Polizisten gegeben haben, Scheiben gingen offensichtlich zu Bruch (…)” [René Kindermann, Sport im Osten, 16:30 Uhr-Sendung des MDR am 29. November].

Herr Kindermann? Hallo? Welche Polizeimeldung aufgrund welcher journalistischen Überprüfung interpretierten Sie da vor laufender Kamera in die Welt hinaus?

Doch nicht etwa vorab die der Polizeiinspektion Rostock, in der es dann mit Datierung auf 19:14 Uhr letztendlich unter anderem heißt: “Im Anschluss an das Spiel haben mehrere Hundert Personen, die dem Fanspektrum des Vereins Hansa Rostock zuzurechnen sind, in der Hans-Sachs-Allee Polizisten sowie Gebäude mit Steinen beworfen. Anschließend begaben sich circa 70 Personen vor das Gelände der Polizeidienststelle in der Ulmenstraße. Durch Steinwürfe wurden mehrere Fensterscheiben beschädigt. Insgesamt 55 Störer konnten durch die Polizei festgesetzt werden. Bei allen erfolgte eine Identitätsfeststellung”.

Nachfragen wird ja wohl erlaubt sein. Antworten Sie auch, Herr Kindermann?

Post Post Scriptum –

Und noch einmal der Deutlichkeit halber – “(…) Nach dem Schlusspfiff kommt es im Umkreis des Stadions zu Ausschreitungen. Etwa 70 Hansa-Fans bewerfen auf dem Platz der Freiheit Polizisten mit Steinen (…)”. Diese Mitteilung der Ostsee-Zeitung wurde online auf 17:00 Uhr terminiert. Sport im Osten beendete seine Sendung rund eine Erdzeitstunde später …

[Dieser Artikel wurde am 29. November 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]