Dresden. Mit zwölf Abgeordneten war die NPD im September 2004 in den Sächsischen Landtag eingezogen – jetzt sind es nur noch acht. Nach einem geheim durchgeführten Votum ist Klaus-Jürgen Menzel heute einstimmig aus der NPD-Fraktion ausgeschlossen worden. Vordergründig wurde der Rauswurf Menzels mit finanziellen Unregelmäßigkeiten des Landtagsabgeordneten begründet. Kolportiert wird in diesem Zusammenhang das schwebende Ansinnen der Finanzbehörden, auf Menzels Diäten zugreifen zu wollen. Bereits vor einem Jahr waren drei NPD-Abgeordnete aus der Partei ausgetreten.
Menzel hatte erst vor wenigen Tagen für Aufmerksamkeit gesorgt , als er sich – nicht zum ersten Mal – unmissverständlich zum Nationalsozialismus bekannte, Adolf Hitler einen “großen Staatsmann“ nannte und darüber hinaus erklärte: “Zum Führer stehe ich nach wie vor.“ Nachfolgend leise angedeuteter Kritik aus den eigenen Parteireihen hielt Menzel entgegen: “Wir dürfen uns doch nicht immer nur verkriechen“. Prompt handelte sich Menzel Strafanzeigen von SPD- und CDU-Abgeordneten wegen Volksverhetzung ein, denen die Staatsanwaltschaft jetzt nachgeht.
Der NPD-Führung konnten solch grobe Nazi-Lobeshymnen durchaus nicht recht sein, denn dort betreibt man neonazistische Politik lieber unterhalb der Strafbarkeits-Schwelle. Dennoch blieb heute Johannes Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der NPD im sächsischen Landtag, bei Allgemeinplätzen. Menzel vertrete nicht die Meinung von Fraktion und Partei, sagte Müller, vermied es aber, sich eindeutig vom Hitler-Lob Menzels zu distanzieren. “Er ist ein alter Mann“, tat Müller den Nazi-Lautsprecher Menzel ab.
Tatsächlich hatte Menzel die Presse schon auch mal mit eher abseitigen Sprüchen beglückt, wie etwa: “Odin ist in uns, wir sind die Kinder der Eiche“. Solche Weisheiten wie auch Menzels Hitler-Verehrung seien aber, so Johannes Müller heute, nicht der entscheidende Grund für den Rauswurf – an den NS-Parolen hat sich die sächsische NPD offenbar nicht gestört.
Kein Widerspruch kam von der NPD auch zu Menzels deutlich postulierten geopolitischen Ansprüchen, über die das Online-Magazin Telepolis bereits im Juli 2005 berichtete: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“
In einer heute verbreiteten Pressemitteilung der NPD-Fraktion unter dem Titel “Für saubere Verhältnisse auch in den eigenen Reihen“ wurde über Menzels Nationalsozialismus-Bezug keine Silbe verloren. Gegenüber der Presse erklärte Johannes Müller die Hitler-Sprüche vage als Menzels “Privatmeinung“. Das “notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Herrn Menzel und den anderen Abgeordneten“ sei nicht mehr gegeben, heißt es weiter in der Fraktions-Mitteilung. Unmittelbarer Auslöser für den Menzel-Rauswurf sei der Brief einer 80-jährigen Frau aus Norddeutschland gewesen, die sich “aus Verzweiflung“ an die Fraktion gewandt habe. Menzel habe sich von ihr einen vierstelligen Betrag geliehen, sie dann aber mit der Rückzahlung “über Monate“ hingehalten.
“Nach und nach“ seien weitere finanzielle Unregelmäßigkeiten Menzels bekannt geworden, so etwa eine Verurteilung wegen Subventionsbetrug, die er der Fraktion verschwiegen habe, “betrügerische Jagdreisen“, nicht zurückgezahlte Darlehen von Gesinnungsgenossen sowie Mietschulden und erhebliche Steuerschulden. Ein Finanzamt soll versucht haben, die Abgeordneten-Diäten von Menzel zu pfänden.
Die Fraktion hatte Menzel schon seit einiger Zeit nicht mehr im Landtagsplenum reden lassen. Dem Rauswurf aus der Fraktion soll auch ein Partei-Ausschlussverfahren folgen, das die Fraktion beim Parteivorstand beantragen will.
Der Fraktionsvorsitzende Holger Apfel gab den Saubermann und teilte mit, gerade angesichts des aktuellen Falls eines “betrügerischen ehemaligen Funktionärs in Thüringen“, der die Partei finanziell schwer belaste, wolle man “das Fehlverhalten Einzelner“ konsequent ahnden.
Im letzten Jahr hatte die sächsische NPD-Landtagsfraktion erhebliche Probleme gehabt, den vorgeschriebenen Rechnungsprüfungsbericht für das Jahr 2004 vorzulegen. Anfang Dezember 2005 erteilte Holger Apfel den Auftrag an den Wirtschaftsprüfer Werner Linn und legte den Bericht dann erst Anfang 2006 vor. Anfang Oktober 2006 berichtete das Nachrichtenmagazin Focus über eine Untersuchung der Parlamentsverwaltung, die in mehreren Schreiben an den Rechnungshof massive Hinweise auf Missbrauch von Fraktionsmitteln für die NPD-Parteiarbeit gegeben hatte.
Schon vor seinen Hitler-Lobpreisungen war Menzel ins Visier der Strafverfolger geraten. Bereits vor einem Monat verlor er seine Immunität als Landtagsabgeordneter, weil er wegen uneidlicher Falschaussage und versuchter Strafvereitelung vor Gericht muss. Nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft Dresden hatte Menzel einem Neonazi ein falsches Alibi verschafft, der bei Demonstrationen mehrfach auf politische Gegner eingeprügelt hatte.
Ende letzten Jahres waren die drei Abgeordneten Mirko Schmidt, Jürgen Schön und Klaus Baier aus der NPD ausgetreten. Mit der jetzigen Schrumpfung auf acht Abgeordnete muss die NPD-Landtagsfraktion mit weiteren finanziellen Einbußen rechnen, denn die vom Steuerzahler aufgebrachten Fraktionsmittel bemessen sich an der Größe der Landtagsfraktion. Nach Menzels Rauswurf verringern sich die Fraktionsmittel monatlich um 2.380 Euro, sagte ein Landtagssprecher.
[Dieser Artikel (Olaf Meyer/Albrecht Kolthoff) wurde am 14. November 2006 bei redok veröffentlicht.]