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MedienScreen # 22 [Im Fokus – Faust des Ostens]

Aus aktuellem Anlass nachfolgend auszugsweise reflektierend einen kleinen, in einzelnen Darstellungen und Kommentierungen durchaus divergierenden, Dokumentationsstreifzug durch den mehr als weniger offiziellen Medien-Wald rund um die Razzia gegen die Gruppierung “Faust des Ostens“ (FdO) in Dresden und der sächsisch-geografischen Umgebung – nicht ohne sich allerdings vorab eines Fremdkommentars zu bedienen; aufmerksame Leserinnen und Leser werden die zusammenhängenden Gründe sehr wohl zu erkennen wissen. [OM]

… die Tatsache, dass der Pressesprecher von Dynamo den MDR nach Anfrage darauf hinweisen muss, dass FdO von den eigenen Fans aus dem K-Block gejagt [wurde], ist ein Zeugnis , dass beim MDR kein tiefgründiger Journalismus betrieben wird … (…)

-> ce @ mdr.de | 6. Juni 2012 | 10:37 |

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(An der A17 bei Dresden im Frühjahr 2012 – Foto: O.M.)

(…) Bei Ermittlungen gegen die Fangruppierung “Faust des Ostens“ bei Dynamo Dresden haben die Dresdner Polizei und die Staatsanwaltschaft am Dienstagmorgen [5. Juni] in Sachsen insgesamt 17 Wohnungen und Firmenräume durchsucht. Dabei waren rund 130 Beamte im Einsatz, teilte die Polizei mit. Sichergestellt wurden vor allem zahlreiche Computer und Datenträger sowie Pyrotechnik, Spirituosen, Anabolika und ein Teleskopschlagstock (…)

(…) Betroffen waren 13 Männer im Alter zwischen 16 und 29 Jahren und eine 25 Jahre alte Frau. Sie gelten allesamt als Mitglieder beziehungsweise Unterstützer.

“Einzelne Personen, die dieser Gruppe zugeschrieben werden, haben Stadionverbot“, teilte Dynamo-Pressesprecher Enrico Bach auf Anfrage von DNN-Online mit. Ob Dynamo konkrete Namen weiterer Anhänger übermittelt bekommt, ist offen. Die Gruppe spiele im Stadion laut Bach keine Rolle mehr. Die Fansszene habe sich selbst reguliert und klar positioniert (…)

-> lvz-online.de | 5. Juni 2012 | 19:30 |

(…) Bei der “Faust des Ostens“ handelt sich um ein Netzwerk aus der Fanszene der SG Dynamo Dresden, dessen Mitglieder zum Teil rechtsextremistisch orientiert sind. Ihm rechnen die Ermittler bis zu 200 Personen zu, dem Führungskreis sollen etwa 20 Personen angehören (…)

-> sz-online.de | 5. Juni 2012 |

(…) Dynamo-Pressesprecher Enrico Bach bestätigte auf MDR-Anfrage, dass die “Faust des Ostens“ in der Dresdner Fanszene eine Rolle gespielt hat, verwies aber darauf, dass diese Gruppierung durch die aktive Fanszene selbst aus der Fankurve verbannt wurde (…)

-> mdr.de | 5. Juni 2012 | 22:26 |

(…) Die Beamten der Landes- und Bundespolizei durchsuchten ab 4.30 Uhr bis mittags allein zwölf Wohnungen in Dresden sowie weitere in Dippoldiswalde, Döbeln, Freiberg, Triebischtal und Höckendorf (…) “Wir ermitteln bereits seit Mitte letzten Jahres“, so Oberstaatsanwalt Lorenz Haase (…) Die Ermittler werteten daraufhin Strafverfahren mit Beteiligung von Dresdner Fans bundesweit aus. Ergebnis: Die “Faust des Ostens“ steht unter Verdacht, nur dem Zweck zu dienen, Straftaten zu verüben. Dazu zählen mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Beschädigungen der Stadion-Fassaden im Juli und Oktober 2011 (…)

-> Dresdner Morgenpost | 6. Juni 2012 |

(…) Festgenommen wurde niemand. Kistenweise wurden Computer, Handys, Speichermedien, Kleidung, Schals und dergleichen beschlagnahmt. Die Polizei stellte Sturmhauben, Handschuhe und Waffen sicher – drei Schlagringe, einen Teleskopschlagstock, mehr als 100 illegale LaBomba-Böller. Außerdem fanden die Beamten eine Vielzahl Spirituosen. Mit Ladendiebstählen von Schnaps und anderem, so der Verdacht, habe sich die Gruppe zum Teil finanziert (…)

(…) Nach der Razzia beginnt nun die eigentliche Ermittlungsarbeit – die Auswertung des beschlagnahmten Materials mit dem Ziel, der Gruppe nachzuweisen, dass sie eine kriminelle Vereinigung gebildet hat (…) Unklar ist, gegen wie viele Mitglieder insgesamt nun ermittelt wird.

Erstmals fiel die “Faust des Ostens“ Anfang 2010 bei Heimspielen von Dynamo Dresden mit ihrem Transparent auf – wenige Wochen nach der ersten Dresdner Großrazzia gegen mutmaßliche Fußball-Gewalttäter namens “Hooligans Elbflorenz“ im Dezember 2009 – ein Zufall? Laut Polizei gibt es Verdächtige, die beiden Gruppen zugerechnet werden. Fünf mutmaßliche Anführer der “Hooligans Elbflorenz“ stehen bereits seit August 2011 vor dem Landgericht Dresden – wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ein Ende des Prozesses ist noch nicht abzusehen (…)

-> Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe) | 6. Juni 2012 |

(…) Die Dynamo-Fans hatten bereits im Vorfeld gehandelt, allerdings im Geheimen. Nur Kennern der Dresdner Szene war aufgefallen, dass beim letzten Heimspiel die Fahne der Ultragruppierung “Faust des Ostens“ im Fanblock nicht mehr zu sehen war (…)

Die Ultras Dynamo, die Gruppierung, die die Dresdner Fankurve dominiert versteht sich selbst als unpolitisch. Damit das so bleibt, wurde offensichtlich die “Faust des Ostens“ vom rechten Rand ganz aus der Kurve gedrängt. Selbst die Internet-Seite von Faust des Ostens existiert nicht mehr. Was genau geschehen ist, darüber will der Capo der Ultras Dynamo eigentlich nicht reden: “Das ist Betriebsintern geklärt worden die ganze Geschichte. Mehr Auskunft kann ich dazu nicht geben. Das ist halt so, es muss auch Sachen geben, die unter Verschluss bleiben.“

(…) Die Dresdner Fanszene, die deutschlandweit ja über einen denkbar schlechten Ruf verfügt, hat also selbstständig das getan, was alle Fußballsozialpädagogen sich immer wünschen: Sie hat Initiative ergriffen und die Kurve selbst bereinigt (…)

-> dradio.de | 6. März 2012 |

[Dieser Beitrag wurde am 6. Juni 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

Kommandos 13. Februar?

Berlin. Der verhinderte Aufmarsch von Dresden gebiert nachträglich offenbar militante Drohgebärden aus dem rechtsextremen Milieu.

Dass der Verlauf des diesjährigen 13. Februar in rechtsextremen Strukturen und Zusammenhängen Spuren hinterlassen hat, ist unschwer zu verfolgen. Ob der für sie desaströse Tag die Szene letztendlich verunsichert oder eher zusammen geschweißt hat, bleibt allerdings abzuwarten.

Während die durchaus emotional geführten Auswertungsdiskussionen in den einschlägig bekannten rechtsextremen Internetforen langsam zu verebben scheinen, zeigt sich augenscheinlich, dass der Stachel der Blockade von Dresden – Keinen Meter gelaufen zu sein – bei einigen wohl doch viel tiefer im rechten Fleisch sitzt, als auch nur halböffentlich zugegeben. Nach ersten internen Irritationen beginnt die so genannte nationale Bewegung, nachdem es im unmittelbaren Umfeld des 13. Februar bereits beispielsweise in Gera und wiederholt in Pirna militante Aktionen gegeben hatte, offensichtlich noch offensiver zu agieren.

So wird mittlerweile beispielsweise aus Berlin berichtet, dass mehrere linke Organisationen und Aktivisten; größtenteils Unterzeichner des Blockadeaufrufs von Nazifrei! – Dresden stellt sich quer, Drohbriefe erhalten haben, in denen ein sich selbst so betitelndes “Kommando 13. Februar“ sehr andeutungsweise militant mitteilt: “… dein Leben interessiert uns brennend“. Teilweise sei den Briefen zudem ein Streichholz beigefügt gewesen, so die Nachrichtenagentur ddp. Aus offenbar ebenso rechtsextremen Zusammenhängen heraus war übrigens bereits am 14. Februar in einer anonymisierten E-Mail an redok unter anderem angekündigt worden: “Die kommenden 364 Tage werden ganz spannend“ und weiter: “was glaubt ihr denn was passiert wenn die Polizei nicht vor Ort ist ?“ (Schreibweise so im Original).

Unterdessen warnte Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in einem Tagesspiegel-Gespräch vor einer steigenden Aggressivität der rechtsextremen Szene. So könne sich eine “Jetzt-Erst-Recht-Stimmung“ entwickeln. Der rechtsextreme Veteran Christian Worch fordert derweil nach dem diesjährigen 13. Februar in Dresden auf seiner Website weniger als mehr verklausuliert: “Also: Umdenken. Flexibler planen. Koordinierter handeln. Egoismen zurückstellen. Und sich nicht mehr wie eine Hammelherde an einem einzelnen Ort einpferchen lassen“.

[Dieser Artikel wurde am 24. Februar 2010 bei redok veröffentlicht.]

Nazis in Dresden: Keinen Meter gelaufen

Dresden. Es sollte die größte europäische Neonazi-Demonstration werden, doch der rechtsextreme “Trauermarsch“ in Dresden kam nicht von der Stelle. Das jährliche Rechtsaußen-Spektakel musste sich auf eine Standkundgebung vor dem Bahnhof Dresden-Neustadt beschränken. Zudem waren deutlich weniger Rechtsextreme als zuletzt befürchtet in die sächsische Landeshauptstadt gekommen. Gegen deren Propagandaaktion wehrten sich weit über 10.000 Bürger und Nazigegner.

Die rechtsextreme Demonstration sollte um 12 Uhr beginnen. Doch am Mittag waren gerade ein paar Hunderte am Neustädter Bahnhof eingetroffen, darunter NPD-Chef Udo Voigt, der Parteibarde Frank Rennicke und der DVU-Vorsitzende Matthias Faust. Erst zwei Tage zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Rechtsextremen in Dresden demonstrieren dürfen. Ausgerechnet vor dem Bahnhof wollten sie sich versammeln, von dem aus während der Herrschaft des Nationalsozialismus Juden deportiert wurden. Dort hatten die Nazis im Oktober 1938 vor aller Augen über 700 Dresdner Juden nach Polen abgeschoben. Zwischen 1942 und 1944 war der Güterbahnhof Ausgangspunkt oder Zwischenstation für zahlreiche Deportationen in die Ghettos Riga und Theresienstadt sowie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Gegendemonstrationen waren am diesjährigen 13. Februar eigentlich nur jenseits der Elbe in der Altstadt erlaubt, in der Dresdner Neustadt waren sie nicht zugelassen. Dennoch versammelten sich Tausende dort, wo die Neonazis sich treffen wollten. Nach Angaben von Aktivisten hatten sich trotz Demonstrationsverbot an mindestens vier verschiedenen Orten um die 10.000 Menschen zusammengefunden, um den Neonazi-Aufmarsch zu blockieren. Polizei und Nachrichtenagenturen gaben sich zurückhaltender und sprachen von etwa 2.000 Blockierern, die den Aufrufen von linksgerichteten Organisationen und Bündnissen gefolgt waren.

Menschenkette in der Altstadt

In der Altstadt hatten sich Bürger aus verschiedenen politischen Richtungen versammelt. Erstmals sprach mit Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) eine hochrangige Vertreterin der Stadt zu Anti-Nazi-Demonstranten und selbst Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nahm an der Kundgebung teil. Später wurde eine Menschenkette als geschlossener Ring um die Altstadt gebildet, zu der sich erheblich mehr Teilnehmer fanden als erwartet. Zehntausend bildeten die Kette, hieß es von der Stadt; die Sächsische Zeitung berichtete sogar von 15.000.

Während dessen marschierten die Nazis in der Neustadt keinen Meter weit. Bis zum späteren Nachmittag waren es wohl an die 5.000, die der Monate langen Propaganda von rechtsextremen Parteien und Gruppen aller Schattierungen Folge geleistet hatten beziehungsweise zum Aufmarschort durchgekommen waren. Die Polizeidirektion Dresden bezifferte die Stand-Demonstrierer auf 6.400 Personen. Eigentlich war für diesen Tag bis zuletzt mit 8.000 Rechtsextremen gerechnet worden.

Die Blockaden der Nazigegner in der Neustadt hielten offenbar. Die Polizei hatte zunächst vereinzelt versucht, Sitzblockaden aufzulösen. Doch schon bald gestand Einsatzleiter Ludwig-Gerhard Danzl ein: “Die Polizei sieht sich außerstande, die Blockade zu räumen“. Nach Beendigung der Menschenkette in der Altstadt kamen noch viele von dort in die Neustadt und verstärkten die Blockaden. Zeitweilig schränkte die Polizei ohne ersichtlichen Grund die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten am Schlesischen Platz ein, mit der einzigen Erklärung: “Das ist jetzt eben mal so“.

Kein Marsch in der Neustadt

Den Neonazis blieb nichts anderes übrig, als vor dem Bahnhof Dresden-Neustadt zu verharren und dort eine Standkundgebung abzuhalten. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass sie keinen Meter ihrer vorgesehenen Demonstrationsroute laufen würden. Aber auch die Standkundgebung begann eigentlich nie so richtig, weil erheblich verspätet immer noch Demo-Teilnehmer eintrafen. Eine Gruppe von rund 100 Rechtsextremen beispielsweise erreichte den Versammlungsort quasi kurz vor Beendigung der Veranstaltung. Die bis dahin gehaltenen, fast endlos scheinenden Redebeiträge sowie die Sangesdarbietungen von Frank Rennicke waren ob der Akustik und zudem fast ständig über dem Platz kreisender Hubschrauber kaum weiter als bis zum inneren Rand des Schlesischen Platzes vernehmbar. Da ging es aber eigentlich auch schon nur noch darum, die rechte Menge ohne größere Zwischenfälle zurück zu ihren weiteren Abreisemöglichkeiten zu bringen.

Bereits früher am Nachmittag hatte offenbar eine Gruppe von Neonazis in der Neustadt das alternative Kulturzentrum Conni angegriffen; dabei soll es mehrere Verletzte gegeben haben. Auf rechtsextremen Internetseiten war vorab kaum verbrämt zur Gewalt gegen das Zentrum aufgerufen worden: “Kleiner Tipp an Dresdner: Das Conni liegt cirka 300 Meter rechts von der Hechtstraße, parallel in der Rudolf-Leonhard-Straße“, war durchgegeben worden.

Wurfgeschosse und Todes-Gerüchte

Gegen 16.30 Uhr wurden die Rechtsextremen auf dem Schlesischen Platz zunehmend aggressiver. Aus der Menge heraus flogen vereinzelt Wurfgeschosse und Böller in Richtung Polizei und Journalisten. Nach Angaben erlitten dabei sechs Polizei-Beamte leichte Verletzungen. Skandiert wurde unter anderem “Wir wollen marschieren“, “Straße frei für die deutsche Jugend“ und “Wir sind das Volk“. Es gab kurzzeitig einige Rangeleien der vorderen Reihen der Demo-Teilnehmer mit der Polizei. Über die Lautsprecher-Anlage wurde die Bundesrepublik Deutschland als “faschistisches System, wie es uns in der Schule gelehrt wurde“ tituliert, anwesende Polizeibeamte zum Wechseln auf die “richtige Seite“ aufgefordert. Das Absingen aller Strophen der deutschen Nationalhymne war eher kläglich. Die Lautsprecher-Verlautbarung der Demo-Leitung – mit dem gleichzeitigen Beschwichtigungsversuch “Bleibt ruhig!“ – es habe im Umfeld der Blockaden neben mehreren schwerverletzten Kameraden vielleicht “sogar durch die Polizei zu bestätigende zwei Tote“ gegeben, reihte sich nahtlos an.

Die Veranstalter des Nazi-Spektakels wollten eigentlich bis Mitternacht demonstrieren, doch die Veranstaltungsbehörde hatte den “Trauermarsch“ bis 17 Uhr begrenzt. Zu diesem Zeitpunkt erklärte die Polizei über Lautsprecher die Versammlung als beendet. Die Rechtsextremen aus ganz Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern wurden aufgefordert, in Züge zu steigen. Laut Polizei bestand für die Rechtsextremen “zur eigenen Sicherheit“ die einzig mögliche Fortbewegungsmöglichkeit per Bahn nach Dresden-Klotzsche, wo ein Großteil der Busse zur weiteren Abfahrt bereit gestellt wurde. Erfahrungsgemäß war während der Abreisebewegungen der Rechtsextremen noch mit verschiedenen Spontan-Aktionen zu rechnen. Tatsächlich wurde am Abend beispielsweise noch berichtet, dass mehrere Hunderte Rechtsextreme durch Pirna gezogen seien und das dortige Bürgerbüro der SPD-Landtagsabgeordneten Dagmar Neukirch militant attackiert hätten.

Nicht weit vom Versammlungsort der Rechtsextremen hatten die meisten Blockierer auch auf dem Albertplatz ausgeharrt. Dort begann gegen 18 Uhr eine Abschlusskundgebung, mit der die erfolgreiche Verhinderung des Neonazi-Marsches gefeiert wurde.

Erstmals ist es 2010 gelungen, den jährlichen Marsch der Rechtsextremen durch die sächsische Landeshauptstadt letztendlich so zu blockieren, dass er nicht einmal auch nur ansatzweise möglich wurde. Und erstmals seit Jahren hat die Zahl der sich zum 13. Februar in Dresden versammelnden rechtsextremen Demonstranten abgenommen.

[Letzte Bearbeitung: 23:55 Uhr]

[Dieser Artikel (Albrecht Kolthoff/Olaf Meyer) wurde am 13. Februar 2010 bei redok veröffentlicht.]

Es ist wieder Februar in Dresden

Gerade zum 65. Jahrestag der Bombardierung der Elbmetropole wollen Rechtsextremisten aller Provenienz besonders zahlreich gegen jeden Widerstand vor allem ihres eigenen Geschichtsbildes gedenken

“Für unseren neuen Bebauungsplan hätten Sie allein in Berlin 80.000 Häuser abreißen müssen. Leider haben die Engländer diese Arbeit nicht genau nach Ihren Plänen durchgeführt. Aber immerhin ist ein Anfang gemacht“, zitiert Ralph Giordano aus dem Jahr 1944 Adolf Hitler gegenüber seinem damaligen architektonischen Planer, Albert Speer. Berlin spielt im inszenierten Gedenkkult rechtsextremistischer Gedankengänger, neben anderen deutschen Städten, eine eher marginale Rolle. Ihr Fanal zelebrieren Neu- und Altnazis dagegen seit Jahren in Dresden.

Schon seit Beginn der 1990er Jahre, damals eher überregional als regional medial reflektiert, regte sich in Dresden couragierter Widerstand gegen die immer mehr werdenden rechtsextremen Geschichtsklitterer. Beobachter der Szene gingen allerdings bereits im Februar 2004 davon aus, “dass sich der jährliche Aufmarsch von um deutsche Bombenopfer des II. Weltkriegs trauernder Rechtsextremisten um den 13. Februar herum in Dresden zu den größten bundesweiten und zudem regelmäßigen Nazi-Aufmärschen etablieren könnte“ (Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?).

Sechs Jahre später nun wird in der sächsischen Landeshauptstadt der längst europaweit größte Aufmarsch von Rechtsextremisten aller Couleur stattfinden. Nachdem im vorigen Jahr (Fast wie immer im Februar in Dresden) rund 6.500 rechtsextreme Demonstranten ihre Gesinnung über die Straßen der Stadt trugen, werden am 13. Februar 2010 deutlich mehr erwartet. Geschuldet auch der Tatsache, dass dieser Tag im Jahr 2010 auf einen Sonnabend fällt und zudem die wegen interner Szene-Auseinandersetzungen ansonsten quasi vorab parallel stattfindende Demonstration der so genannten Freien Kräfte mit all ihrem Potential direkt in den originären Aufmarsch eingehen dürfte.

Die Aufregung in allen staatlichen Instanzen scheint nunmehr größer denn je, als ob die Entwicklung nicht absehbar gewesen wäre. Einzig sicher, dabei nicht unbedingt erfolgreich, schien sich in den letzten Jahren lediglich ein zunehmender bunt gefächerter Widerstand gegen das jährliche Dresdner Nazi-Event zu sein. Was allerdings wiederum in die durchaus beschaulich barocke politisch offizielle Dresdner Denkweise übersetzt heißt: Würde es keine Proteste gegen diesen rechten Aufmarsch geben, dann hätten wir in dieser Stadt auch keine Probleme, jedenfalls nicht am 13. Februar, und schon gar nicht so öffentlich.

Einige aktuelle politische und justiziable Entscheidungen (Früchte der eigenen Verbotsvorstellungen) vor dem diesjährigen 13. Februar werden wohl durchaus ihren Eingang in demokratietheoretische Annalen finden. Aber “was ist zu Dresden nicht schon alles geklöppelt, gebatikt und gelyrikt worden“? (Die kollektive Unschuld).

Das Szenario für den 13. Februar 2010 jedenfalls scheint angerichtet: Mehrere tausend Rechtsextremisten wollen in Dresden pseudo-gedenkmarschieren. Der Widerstand dagegen reicht mittlerweile von der politisch offiziös organisierten Menschenkette, über weit als 20 angemeldete Gegenveranstaltungen bis hin zum Aufruf verschiedenster Organisationen und Persönlichkeiten, den Aufmarsch der Rechtsextremisten mit gewaltfreien Mitteln nicht möglich zu machen.

Neben einem extra eingerichteten staatsanwaltlichen Notdienst wird, wie unterdessen das Sächsische Innenministerium bestätigte, das SEK der sächsischen Polizei am 13. Februar erstmals auch das Distanzmittel PepperBall anwenden können. Eine Verwaltungsvorschrift sei Anfang Februar 2010 erlassen worden.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen hat am 11. Februar letztendlich entschieden, dass die Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) ihren Aufzug am 13. Februar in der sächsischen Landeshauptstadt durchführen kann. Offenbar sollen die rechtsextremen Marschierer dabei auf ihrer Demo-Route auch durch den als links-alternativ geltenden Stadtteil der Neustadt geleitet werden. Vermutungen gehen davon aus, dass an diesem Tag deutlich mehr als 8.000 Rechtsextremisten in Dresden anwesend sein werden.

[Dieser Artikel wurde am 12. Februar 2010 bei Telepolis veröffentlicht.]

Razzia gegen Hooligans Elbflorenz

Dresden. Unter dem Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung gehen Polizei und Staatsanwaltschaft gegen eine Fangruppierung des Fußball-Drittligisten Dynamo vor. Ausgangspunkt der Ermittlungen waren Angriffe auf Dönerläden in Dresden. Die Ermittler sprechen von einem Mix aus unpolitischen, gewaltbereiten Männern und erklärten Rechtsextremisten.

So durchsuchten im Laufe des 15. Dezember Polizeibeamte insgesamt 58 Objekte – Wohnungen, Geschäftsräume, Fahrzeuge sowie eine Sporthalle – in Dresden, Pirna, Freital und anderen sächsischen Städten. Dabei wurden unter anderem Computer, Handys und Bekleidung konfisziert, vereinzelt seien auch Waffen sichergestellt worden. Medienberichten zu Folge waren an dem Einsatz rund 350 Beamte verschiedener sächsischer Polizeidirektionen, des Landeskriminalamtes Sachsen und der Bereitschaftspolizei beteiligt. Begleitend unterstützt wurde die Maßnahme außerdem von etwa 45 Mitarbeitern der Städte und Gemeinden.

Die Ermittlungen richten sich derzeit gegen 45 Personen im Alter zwischen 20 und 33 Jahren. Gegen 13 Personen wurde auf Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft Haftbefehl erlassen. Die Beschuldigten sollen der Gruppierung “Hooligans Elbflorenz“ angehören. Wie der Sachsenspiegel des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) berichtete, werde die Auswertungen der sichergestellten Beweismittel einige Zeit in Anspruch nehmen.

Ausgangspunkt der Ermittlungen war offenbar die militante Attacke auf einige Dönerläden in der Dresdner Neustadt unmittelbar im Anschluss an das Europameisterschaft-Halbfinale der bundesdeutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen die Türkei im Sommer 2008. Gerade erst Ende Juli 2009 erhielten zwei der dahingehend drei Angeklagten einen Freispruch vor dem Dresdner Amtsgericht vom Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs, da es dem Gericht an der zu einer Verurteilung “nötigen Sicherheit“ gefehlt habe. Zuvor war im März 2009 einer der offensichtlichen Drahtzieher besagten Überfalls wegen Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt worden. Den rassistischen Hintergrund der Tat wollten die Richter bei der Urteilsverkündung allerdings nicht erkannt haben.

Allen Angeklagten wurden damals seitens des AntifaRechercheTeams Dresden (ART) “enge Verbindungen zum Hooligan- und Fanszenesumpf von Dynamo Dresden“ attestiert. War im potentiellen Umfeld des Fußball-Drittligisten, mit zuweilen postulierten Ansprüchen einiger Anhänger, scheinbar nicht erst seit gestern nicht immer alles nur Forza Dynamo?

Der für die aktuellen Ermittlungen zuständige Oberstaatsanwalt Christian Avenarius sagte gegenüber dem MDR, bei den “Hooligans Elbflorenz“ handele es sich um einen “gefährlichen Mix“ aus weitgehend unpolitischen, aber gewaltbereiten und eindeutig rechtsextremistisch gesinnten Personen. Zudem gebe es Hinweise auf “mafiaähnliche Verhaltensweisen“. Der Kriminaldirektor der Dresdner Kriminalpolizei, Thomas Uslaub, betonte, so die Sächsische Zeitung, bezüglich des Gruppenzusammenhangs: “Unpolitische, aber dafür leicht beeinflussbare, gewaltbereite junge Männer ließen sich von erklärten Rechtsextremisten für deren Ziele einspannen“.

[Dieser Artikel wurde am 16. Dezember 2009 bei redok veröffentlicht. Nachpublizierung u.a. bei Publikative.org, 16. Dezember 2009]