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Bundesgerichtshof und “Dritte Halbzeit“

Seit nunmehr 24. August 2011 stehen fünf Männer unter anderem wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht. Die Dresdner Staatsanwaltschaft am dortigen Landgericht beschuldigt die Angeklagten, die Hooligans Elbflorenz gegründet und zahlreiche Gewalttaten in Zusammenhang mit Fußballspielen von Dynamo Dresden angezettelt zu haben.

Bei dem Prozess vor dem Landgericht Dresden geht es unter anderem auch um die juristische Wertung so genannter Drittortauseinandersetzungen, also um Verab­redungen (szenetituliert als FWW – Feld-Wald-Wiese) mit anderen Hooligan-Gruppen jenseits vom Geschehen in und um die Fußballstadien, um sich nach vereinbarten Regeln gegenseitig körperlich attackierend zu stellen.

Nun hat aktuell der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ein Urteil (Aktenzeichen 1 StR 585/12) bekannt gegeben, nach dessen Lesart es sittenwidrig und damit strafbar ist, wenn sich Gruppen zu Schlägereien verabreden und mit gegenseitiger Einwilligung verprügeln.

“Die Entscheidung betrifft nach Aussage der Richter auch ausdrücklich Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen“ (zeit.de). “Die Richter schaffen mit dem Urteil juristische Klarheit für handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen – häufig als ’Dritte Halbzeit’ bezeichnet. Das Argument, solche Schlägereien seien vergleichbar mit sportlichen Wettkämpfen, bei denen alle Beteiligten wüssten, was sie erwartet, wies das Gericht zurück“ (tagesschau.de). “Das Argument, solche Schlägereien seien vergleichbar mit sportlichen Wettkämpfen, ließen die Richter nicht gelten. Prügeleien könnten jederzeit eskalieren“ (spiegel.de).

Zu Beginn des Dresdner Gerichtsprozesses um die Hooligans Elbflorenz wird der Schweizer Soziologe und Hooligan-Experte Marice Illi von der Zeitschrift Jungle World folgendermaßen zitiert –

“Hooligans im klassischen Sinne, die ihre Aktionen bewusst planen und mit den gegnerischen Hooligans teils sogar in kollegialem Kontakt stehen, halten sich bei ihren Kämpfen an einen Ehrenkodex: gleich große Gruppen, kein schweres Schuhwerk, keine Waffen, kein Nachtreten bei Fall zu Boden. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass bei einem fairen Fight dies auch eingehalten wird. Unsere Gesellschaft, wenn auch immer zivilisierter, bringt ein gewisses Maß an Gewaltbereitschaft mit sich. Wenn durch solche Hooligan-Aktionen dieses Potential auf Feld, Wald und Wiese abgebaut werden kann, sehe ich darin nicht nur Nachteile.“

Beim nach wie vor andauernden Prozess vor dem Dresdner Landgericht wurde ein Grundsatzurteil zur Frage der Strafbarkeit solcher FWW-Drittortauseinandersetzungen erwartet. Der BGH in Karlsruhe hat gesprochen?

[Dieser Artikel wurde am 2. April 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Hooligans Elbflorenz: Bundesgerichtshof?

Mittlerweile sind vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden in Sachen Hooligans Elbflorenz weit mehr als zwölf Monate eines Jahres vergangen. “Fünf Angeklagte, zehn Verteidiger, fünf Richter, zwei Ersatzrichter, ein Staatsanwalt – und viele, viele Sitzungstage“, zog zwischenzeitlich die Sächsische Zeitung zum Jahrestag des Prozesses im August dieses Jahres Bilanz.

“Neben Körperverletzung und Landfriedensbruch müssen sich die Hooligans auch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor der Staatsschutzkammer verantworten. Das macht den Prozess zu etwas Besonderem. Noch nie wurden Hooligans in Deutschland wegen eines solchen Organisationsdelikts verurteilt“, so die Sächsische Zeitung in ihrer Print-Ausgabe vom 3. November.

“(…) Viele Zeugen wurden gehört. Soziologen referierten über ’modernen Hooliganismus’ und gewaltbereite Fußball-Fans, Techniker analysierten die Strahlrichtung von Handy-Funkmasten, um etwa den Aufenthaltsort von Angeklagten zu rekonstruieren, die in der [Dresdner] Innenstadt bei den Döner-Überfallen [nach dem EM-Halbfinale Deutschland vs. Türkei am 25. Juni 2008] miteinander telefonierten.

Bemerkenswert ist, dass es nie eine öffentliche Kritik an dieser Funkzellen-Abfrage der Polizei nach dem Überfall gab. Es könnte daran liegen, dass den Tätern ein rechtsextremes Motiv unterstellt wird (…)“ (Sächsische Zeitung)

Für den nunmehr 66. Verhandlungstag am 8. November wurde vorab angekündigt, drei der fünf Angeklagten würden sich ihrerseits auf persönliche Erklärungen einlassen wollen. Hintergründlich schien die politische Verortung der vor Gericht stehenden so genannten Rädelsführer Auslöser zu sein.

Doch dann kam es an besagtem Verhandlungstag anders als gedacht. Die Angeklagten äußerten sich nicht. “Anlass dafür ist die im Oktober bekannt gegebene Einschätzung der Staatsschutzkammer, dass alle fünf Angeklagten eine mehr oder weniger stark ausgeprägte rechte bis rechtsextreme Gesinnung verbinde“, berichtete am 9. November die Sächsische Zeitung. Der angebliche Vize-Chef der Hooligans Elbflorenz bedauere nunmehr, “dass er Familie und Freunden, darunter ein Afrikaner, eine Leumundsaussage vor Gericht zugemutet habe“. Und auch der mutmaßliche Anführer der mehr oder weniger elbflorenzianischen Hooligans überlege, ob er sich noch äußern werde, so jedenfalls die Sächsische Zeitung. “Ein Polizist, der seit 20 Jahren mit Fußball-Gewalt zu tun hat, sagte, er kenne die beiden Hooligan-Chefs – eine angeblich rechte Gesinnung dieser beiden sei ihm nicht bekannt.“

Durchaus bedeutungsschwanger werden übrigens Verteidiger der Angeklagten dahingehend zitiert: “Wir hoffen nun, dass es beim Bundesgerichtshof Richter gibt, die bereit sind, den Sachverhalt in seiner Gänze zu erfassen“.

[Dieser Artikel wurde am 12. November 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Offenbar rechte Attacke gegen “Nix Gut“

Winnenden. Der punkige Laden und Versandhandel in Baden-Württemberg wurde Opfer von Schmierereien mit rechtsradikalen und antisemitischen Inhalten.

Wie die Nachrichtenagentur ddp mitteilt, ist in der Nacht zu heute die Außenfassade der Firma “Nix Gut“ an ihrem Firmensitz in Winnenden verunstaltet worden. Auf Grund des Tatbestandes gehen Ermittler davon aus, dass die Täter aus der rechtsextremistischen Szene stammen.

So wurden nach Angaben der Polizei “die Schaufenster mit einem Hakenkreuz, einem Judenstern, dem Schimpfwort ’Rote Sau’ und dem Begriff ’raus’ beschmiert“. An der Eingangstür zur Firma wurden Aufkleber einer nicht näher bezeichneten rechten Jugendorganisation vorgefunden. Der Staatsschutz hat Ermittlungen wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidrigen Organisationen gegen Unbekannt aufgenommen.

Die Firma “Nix Gut“ bietet unter anderem die unterschiedlichsten Erzeugnisse mit durchgestrichenen Hakenkreuzen an, die ursprünglich eine Widerstandshaltung gegen rechtsextremistische Umtriebe artikulieren. Mitte März diesen Jahres hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das so betitelte “Hakenkreuz-Urteil“ des Landgerichtes Stuttgart aufgehoben und den 32-jährigen Betreiber von “Nix Gut“ frei gesprochen.

[Dieser Artikel wurde am 12. Juni 2007 bei redok veröffentlicht.]

Haftstrafe für Mahler rechtsgültig

Karlsruhe. Wie das Bundesverfassungsgericht am 10. November mitteilte, ist die Verfassungsbeschwerde von Horst Mahler gegen seine Verurteilung ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen worden. Nach dem der Rechtsextremist im August 2006 mit einem Revisionsantrag gegen seine Verurteilung bereits vor dem Bundesgerichtshof rechtlich den Kürzeren gezogen hatte, muss er nun die gegen ihn verhängte neunmonatige Haftstrafe wegen Volksverhetzung noch im November antreten.

Das Landgericht Berlin hatte es im Januar 2005 als erwiesen gesehen, dass Mahler im Jahr 2002 in den Räumen der Berliner NPD-Bundesgeschäftsstelle eine Schrift verteilt habe, worin von ihm der Hass auf Juden als “untrügliches Zeichen eines intakten spirituellen Immunsystems“ dargestellt wurde. Mahler berief sich im gesamten Verfahren immer wieder auf das Recht der freien Meinungsäußerung – allein bereits das Landgericht Berlin befand, dass der frühere NPD-Anwalt in dem 200-seitigen Schriftsatz zum Hass gegen die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Juden angestachelt und deren Menschenwürde verletzt habe.

[Dieser Artikel wurde am 11. November 2006 bei redok veröffentlicht.]