Schlagwort-Archive: Journalismus

MedienScreen # 250 [Imaginierter Journalismus]

[Fundstück] Hans Hoff, “Der Begriff ’Journalist’ ist nicht mehr zu gebrauchen“, DWDL.de, 24. Mai 2020 –

(…) Noch immer sind Journalisten in ihrer großen Masse sehr ehrenwerte Menschen, die eine sehr ehrenwerte Arbeit erledigen. Diese Arbeit ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden (…) Die meisten Journalisten hat das gequält, aber sie haben sich nicht beirren lassen, sie haben einfach noch eine Schüppe drauf gelegt, weil sie das, was sie tun, mit Überzeugung und Leidenschaft tun (…)

Die Bezeichnung Journalist beinhaltet keine Trennschärfe mehr. Sie sagt nichts mehr aus über den Menschen, der in Fragebögen Journalist als Berufsbezeichnung einträgt. Wenn ich sage, dass ich Journalist bin, dann gehöre ich automatisch zu einer Vereinigung, in der sich auch Hersteller von Regenbogenpostillen, so genannten Reichweitenportalen und boulevardesken Jauchegruben tummeln. Ja, sie tummeln sich dort nicht nur, sie geben zunehmend den Ton an, weil ihre Produkte angesichts von zurückgehenden Reichweiten traditioneller Medien ein immer stärkeres Gewicht erlangen.

Es gibt Mistschleudern wie “Der Westen“, Dumpfportale wie “Express“, Hetzblätter wie “Bild“ und Lügenorgane wie “Die Aktuelle“. Überall dort arbeiten Menschen, die sich als Journalisten bezeichnen. Sie zeichnen sich mehrheitlich dadurch aus, dass ihnen komplett egal ist, was sie transportieren, so lange sie mit ihrem Output genügend Deppen einfangen und am Ende die Zahlen stimmen. Sie optimieren ihre Produkte der Form nach und scheren sich einen Dreck um Inhalte (…)

Sie nennen sich Journalisten, aber ihre Berufsbezeichnung wird mit jedem Tag, da die Verunstalter jeglicher Wahrhaftigkeit erfolgreich ihr Werk verrichten, wertloser (…)

MedienScreen # 87 [Fischer im Recht. Journalismus und Qualität als solche]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Im Rausch – Warum dürfen wir nicht betrunken Auto fahren? Sie glauben es zu wissen? Wenn Sie sich da mal nicht täuschen.“, Zeit Online, 1. März 2016 –

Bitte erlauben Sie mir, liebe Leser der heutigen Kolumne, einen kleinen Rückblick auf die vorausgegangenen vier voranzustellen (…)

(…) Von 30 Journalisten, mit denen der Kolumnist gesprochen hat, meinten 29, sie selbst, ihr Medium, ihre Redaktion und ihre Arbeit könnten unmöglich mit den (angeblich feindseligen, “pauschalisierenden“ oder verzerrenden) Urteilen des Kolumnisten gemeint oder getroffen sein. Diesem mangele es eklatant an Differenzierung, Genauigkeit und Unterscheidung von “Qualität“ und “Nicht-Qualität“. Ein besonders schmerzlicher Vorwurf: Der Kolumnist “betreibe das Geschäft von Pegida“. Manche meinten, im Vertrauen, man dürfe die von mir kritisierten Beispiele sowieso nicht dem “Qualitätsjournalismus“ zurechnen (…)

(…) Verehrte Qualitätsjournalisten! Lassen Sie mich (…) sagen, dass ich diesen Begriff, den Sie für sich ausgewählt haben, um sich von irgendeinem verachteten Untergrund zu differenzieren (wenn er nicht dabei ist), ausgesprochen albern finde. Es ist daher wahrscheinlich, dass er mir etwas ironisch herausrutscht. Kein Richter, Rechtsanwalt, Schriftsteller oder Musiker würde auf die Idee kommen, sich öffentlich als “Qualitätsjurist, -musiker usw.“ zu bezeichnen, um sich damit von einer imaginären Bande von Nichtskönnern abzuheben, die immer aus denen besteht, die gerade nicht mit am Tisch sitzen. Schon das (ganz ernsthafte!) Hervorheben des Begriffs des “Qualitätsjournalismus“ und der Vorwurf an den Kolumnisten, er verwende dieses Wort “ironisch“ (wohl wahr!), offenbart das Jammertal eines Berufsstands, der sich als solcher ständig in einer Selbstbehauptungs- und Verteidigungsposition wähnt (…)

MedienScreen # 85 [Fischer im Recht. Journalismus und neutrale Qualität]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Verbrechen, Strafe, Presse – Was von Strafe zu halten ist, darüber schwankt die Einschätzung der Medien: Mal ist sie Allheilmittel, dann wieder Verderberin, Erlöserin oder Inbegriff staatlicher Arroganz.“, Zeit Online, 23. Februar 2016 –

(…) Wer als Journalist allein “in einen Markt hinein“ produziert (oder produziert wird), kann bestenfalls affirmativ abbilden, was vorgegeben ist. Selbstverständlich bleibt (oder wird) er dabei nicht “neutral“: Bestätigung eines eingeübten Verständniskonzepts ist das glatte Gegenteil von Neutralität.

Daher ist die bis zur Ermüdung benutzte Ausrede für schlechte journalistische Arbeit, man erfülle doch nur die Wünsche der Leser/Zuschauer/Hörer, nichts als ein billiger Spruch, der die eigene Kenntnislosigkeit, Ratlosigkeit oder Machtlosigkeit bemänteln soll. Für den da angesprochenen Rezipienten, den “lieben“ Leser und die “liebe“ Zuschauerin, ist es nicht mehr als ein Tritt in den Hintern (…)

MedienScreen # 83 [Fischer im Recht. Vereinfachtes Volksempfinden]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Lücke oder Lüge – Die Presse berichtet gern über das Strafrecht: Das tatsächliche, das erwünschte, das fiktive. Notfalls erfindet sie es selbst.“, Zeit Online, 16. Februar 2016 –

(…) “Pegida“ und AfD sind wahrlich die Letzten, die das Volk über die Angrenzung von Wahrheit und Lüge, Wirklichkeit und Bewertung aufzuklären in der Lage sind. Dass dies zurzeit von manchen geglaubt wird, ist nicht allein die Schuld des Schicksals, des sächsischen Essens oder der Schwäche der griechischen Volkswirtschaft. “Mitursächlich“ sind vielmehr Systeme der medialen Vereinfachung, Verdummung und Fehlinformation. Sie mögen teilweise, im Bereich der sogenannten Boulevardpresse, auf echten Verschwörungen zur Destruktion beruhen (“alles kaputtschreiben“). Überwiegend beruhen sie aber bloß auf Feigheit, Gewöhnung, Abwehr, Kenntnismangel (…)

MedienScreen # 81 [Fischer im Recht. Überdrehtes Gotham City?]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Presse und Strafrecht – Die ’Lügenpresse’ berichte falsch über die Wirklichkeit der Kriminalität und des Strafrechts, hören wir aus Sprechchören vermeintlicher Wahrheitskenner. Ganz so einfach ist das nicht.“, Zeit Online, 9. Februar 2016 –

(…) “Wahrheit“ entsteht nicht da draußen in der Kälte, wie Banane, Fruchtsorbet oder Ergebnisse von Bundesligaspielen, und hat uns gefälligst geliefert zu werden. Wahrheit und Lüge sind vielmehr ein Teil von uns selbst. Nachrichten an sich sind wie Keime in der Luft: Erst in einer Petrischale formt sich der Bakterienteppich (…)