Schlagwort-Archive: Rechtsextremismus

Attacke aus dem “rechten Spektrum“ gegen Linienbus

Marl. In der Neujahrsnacht griffen augenscheinliche Rechtsextremisten in der nordrhein-westfälischen Stadt einen Bus und dessen Insassen an.

Wie die Nachrichtenagentur ddp mitteilte, hätten in jener Nacht in der Stadt im Kreis Recklinghausen “vier offenbar dem rechtsextremen Spektrum zugehörige Männer einen Linienbus attackiert und eine 25 Jahre alte Frau verletzt“. Die Geschädigte wurde ambulant in einem Krankenhaus behandelt.

Zuvor hatte das Polizeipräsidium Recklinghausen vom Wurf einer “Bierflasche gegen die Scheibe des Busses, die daraufhin zersplitterte“ berichtet. “Eine weitere Person schlug mit einem Stiel auf mehrere Businsassen ein“, so die Polizei weiter. Als Tatverdächtige wären vier Marler im Alter von 19 bis 30 Jahren ermittelt worden, von denen “mehrere“ dem “rechten Spektrum“ zuzuordnen seien.

Der Hintergrund der Nazi-Attacke – so vermutete jedenfalls die Westdeutsche Allgemeine (WAZ) – liege lediglich in einer “Fehde mit der autonomen Szene“ oder – wie es noch apolitischer ein Polizeisprecher in diesem Zusammenhang ausdrückte – “zwischen Personen, die politisch ganz offensichtlich nicht auf einer Wellenlänge liegen“. Gleichzeitig zeige aber “auch der Fakt, dass der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen hat, dass die Geschichte nicht gänzlich unpolitisch ist“ (WAZ) – Erstaunlich?

Eine Website der “Autonomen Nationalisten“ widerspricht der offiziellen Darstellung besagter Nacht-Ereignisse indes vehement – und sich selbst nicht weniger: Nach dem es “in der Silvesternacht … gegen 4.00 Uhr zu einem Angriff auf ein nationales Wohnprojekt in Marl“ gekommen sei, “… versuchten die Kameraden gegen 2.30 Uhr selbstständig die Störenfriede zu entfernen“. Die Attacke gegen den städtischen Linienbus und dessen zu diesem Zeitpunkt wohl ahnungslose Insassen erfolgte laut Polizeibericht gegen 2.50 Uhr am frühen Neujahrsmorgen.

[Dieser Artikel wurde am 3. Januar 2009 bei redok veröffentlicht.]

Sonnenwendfeier supported by Wehrsportgruppe?

Celle. Im Umfeld einer seit über 20 Jahren stattfindenden so genannten Sonnenwendfeier von Rechtsextremisten in der Lüneburger Heide wurden in diesem Jahr auch Waffen sichergestellt.

So bestätigte die Celler Polizei, dass bei umfangreichen Aktionen gegen Rechtsextremisten im Umfeld einer bereits seit Jahren um die Weihnachtsfeiertage herum auf einem Privatgrundstück in Eschede als Sonnenwendfeier deklarierten Veranstaltung zwei Objekte durchsucht wurden, wobei ein G-3-Gewehr und ein Kleinkalibergewehr konfisziert worden seien. Zudem wären bei der Polizeiaktion “zwei Männer mit einschlägig rechtsextremem Hintergrund verhaftet worden … einer der beiden Männer [sei] auch bei einer Wintersonnenwendfeier dabei gewesen … Damit dürfte die Veranstaltung auf dem Hof des Neonazis Joachim Nahtz in Eschede gemeint sein“ (Cellesche Zeitung).

“An der Sonnenwendfeier nahmen auf dem landwirtschaftlichen Anwesen 160 zum Teil amtsbekannte Personen aus ganz Norddeutschland teil. Sie verlief ohne Zwischenfälle“, bilanzierte die Celler Polizei am 21. Dezember. Einem Bericht zu Folge waren in diesem Jahr auf dem Anwesen des NPD-Mitglieds Nahtz unter anderem Thomas Wulff und Manfred Börm anwesend.

Bei den besagten Durchsuchungen – angeblich im Bereich Winsen – sei in einem Fall ein Sondereinsatzkommando der Polizei zum Einsatz gekommen. Neben den beiden Schusswaffen seien auch Munition und rechtsextremistisches Propagandamaterial beschlagnahmt worden. “Die Ermittlungen stehen erst am Anfang“, so ein Sprecher der Celler Polizei.

Wie die Cellesche Zeitung berichtete, habe die Polizei mitgeteilt, dass sich in letzter Zeit zudem “am Kalker-See zwischen Winsen und Wietze Rechtsextreme zu wehrsportlichen Übungen getroffen haben“. Bezüglich eines solchen Treffens Mitte Juli diesen Jahres ist dahingehend von “militaristischen Übungen“ die Rede. Die Anführerschaft dieser Wehrsportgruppe weise in Richtung eines 28-jährigen ehemaligen Bundeswehrsoldaten aus Winsen, der “in der Vergangenheit bereits wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz aufgefallen“ wäre. In der Region hatten bereits vor einigen Jahren die Aktivitäten des im September 1978 gegründeten NÜB (Nothilfstechnische Übungs- und Bereitschaftsstaffel e.V.), auch bekannt als Wehrsportgruppe Jürgens, für durchaus überregionales Aufsehen gesorgt.

Nach dem nicht zuletzt schon die 2007’er Sonnenwendfeier im Landkreis Celle alle Jahre wieder in den Fokus rückte, versucht die Celler Polizei nunmehr, “die Neonazi-Treffen bei Nahtz einzudämmen“ (Cellesche Zeitung). So gebe es Hinweise, dass “es sich um eine politische Veranstaltung handelt“ – “Wir werden mit dem Landkreis darüber reden“, wird der Leiter der Polizeiinspektion Celle zitiert.

[Dieser Artikel wurde am 28. Dezember 2008 bei redok veröffentlicht.]

Provinzielles Dresdner Neben-GehDenken

Während die europäische Rechte für den Februar 2009 in die sächsische Landeshauptstadt mobilisiert, gefällt sich die Oberbürgermeisterin der Stadt in spaltender Attitüde zum Widerstand gegen die Rechtsextremisten.

Die von Gesinnungsnazis aller Couleur jährlich zunehmend missbrauchten Gedenkfeierlichkeiten um den 13. Februar anlässlich der Bombardierung der sächsischen Elbmetropole im Jahr 1945 gibt es nicht erst seit gestern (vgl. Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?). Schließlich hat nicht zuletzt auch das Buch “Die kollektive Unschuld“ von Gunnar Schubert die Thematik – mithin weit bis in das so genannte bürgerliche Lager reichend – über die regionalen Grenzen hinaus thematisiert.

Im Jahr 2009 sollte nun der Widerstand gegen die rechtsextremistischen Februar-Aktivitäten um einiges anders, vereinter, werden (vgl. Wenn es wieder Februar wird in Dresden). Europas größten Naziaufmarsch gelte es zu stoppen – “friedlich und entschlossen!“, so die von Dresden ausgehende Initiative GehDenken.

Allerdings krankten zwischenzeitlich Teile des öffentlichkeitsheischend angefragten Unterstützer-Umfelds der Initiative ob ihres Engagements, beziehungsweise besannen sich auf ihre Partei-Räson. Denn just um den Zeitpunkt des Starts von GehDenken köchelte auch in Sachsen die Frage: Wie hältst du es mit der Partei DIE LINKE in Bezug auf die NPD? – Als ob der Belzebub mit dem Teufel verwandt wäre.

Der ehemalige Ministerpräsident Sachsens, Kurt Biedenkopf (CDU), zog Anfang November seine damals hochgejubelte Unterstützung für GehDenken mit der Begründung zurück, die Initiative könnte als Wahlkampfplattform missbraucht werden (vgl. Hinkendes GehDenken in Dresden?). Etwa gar inspiriert vom Schreiben eines regionalen CDU-Funktionärs an mehrere ausgewählte Unterstützerinnen und Unterstützer des GehDenken-Aufrufes, sie mögen ihr diesbezügliches Engagement doch bitte noch einmal gründlich überdenken?

Nunmehr hat die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) ihre vorgeblich bereits seit längerem geplanten Aktivitäten für die Dresdner Februar-Tage 2009 öffentlich gemacht, nach dem auch sie die Initiative GehDenken eher warten ließ, statt mit ihr gemeinsam zu agieren. Helma Orosz legt zwar großen Wert darauf, dass ihre Initiative keine Gegenaktion zu GehDenken sei. “Wie Frau Orosz es tut, wird es aber das, und das ist provinziell und gefährlich!“, resümierte sogar die Dresdner Morgenpost. Frau Orosz mag – so wird die Oberbürgermeisterin zitiert – keine politische Bundesprominenz zu so einem Anlass zum Auftakt des als Super-Wahljahr geltenden Jahres in ihrer Stadt. Demokratie lebe von Vielfalt, so Orosz jüngst gegenüber der Sächsischen Zeitung. Die Dresdner Oberbürgermeisterin verwies darauf, dass in den Februartagen 2009 das öffentliche Tragen einer weißen Rose als übergreifendes, verbindendes Symbol der Versöhnung dienen solle. Ist eine – an dieser Stelle durchaus herbeizitierte – Gleichstellung vom heutzutage gar anmutig öffentlichen Tragen einer Rose (vgl. Weiße Rosen in Dresden) und dem des damaligen Judensterns auch nur ansatzweise vergleichbar?

Nazis aller Couleur, deutschland- und europaweit, die jährlich im Februar vereint nach Dresden pilgern, werden wohl auch 2009 über den neu ausgerufenen staatlich-provinziellen Pseudo-Widerstand lediglich grinsen – Und wie immer marschieren?

[Dieser Artikel wurde am 21. Dezember 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]

Mehr als nur Forza-Dynamo in der Fankneipe

Dresden. In “Ackis Sportsbar“ unweit des Rudolf-Harbig-Stadions treffen sich offenbar nicht allein Anhänger des runden Leders regelmäßig.

Die Fankneipe – auch als Ackis Bierstube geläufig – geriet spätestens bei der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft in den öffentlichen Fokus. Nach dem EM-Halbfinalspiel zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland am 25. Juni attackierten vermummte Angreifer in der Dresdner Neustadt mehrere Döner-Läden und türkische Einrichtungen. Nachdem die Polizei den für sie überraschenden Tat-Hergang rekonstruiert und den Angriff schließlich auch öffentlich als gezielt vorbereitete Aktion eingeschätzt hatte, wurde publik, dass “sich die Täter in einer Kneipe am Straßburger Platz, nahe des Dynamo-Stadions, getroffen“ hätten, um von dort aus ihren Angriff jenseits der Elbe zu starten.

Im Juli erfolgte die erste Festnahme eines Tatverdächtigen, eines durchaus szenebekannten Dynamo-Hools, der “fest in der rechten Szene der Stadt Dresden verankert“ ist und bis dato zudem auch als Angestellter für die Sicherheitsfirma “Ihre Wache“ tätig war. Besagte Firma zeichnet unter anderem für die sicherheitstechnischen Aspekte bei Heimspielen der SG Dynamo Dresden verantwortlich.

“Als Kellner kriegst du nicht mit, wenn plötzlich welche gehen“, so einer der Betreiber der Fankneipe noch am 3. November gegenüber der Sächsischen Zeitung. Ein aktueller Blick auf “Ackis Sportsbar“ wirft allerdings schon die Frage auf, ob es in der Nacht vor einer antifaschistischen Demonstration am 18. Oktober in Dresden nötig schien, das “Ackis“ auch von bekannten Rechtsextremisten “bewachen“ zu lassen. In dieser Nacht hat sich Beobachtungen zufolge – abgesehen von anderen – auch ein Vorstandsmitglied des NPD-Kreisverbandes vor Ort befunden. Am 18. Oktober selbst sind zudem augenscheinlich erneut organisierte Nazis zum vorgeblichen Schutz des “Ackis“ vor Ort gewesen. In Erscheinung getreten ist dabei unter anderen ein bekannter “Nazi aus dem Umfeld des hiesigen NPD-Kreisverbandes“, welcher am 21. Juni diesen Jahres in Dresden an einem brutalen Angriff auf einen tschechischen Journalisten beteiligt gewesen ist.

“Ackis Sportsbar“ – so resümiert aktuell zusammenfassend das Dresdner AntifaRechercheTeam (ART) – ist für denjenigen, der es sehen will, offenbar nicht nur Forza Dynamo, sondern auch ein “Treffpunkt von organisierten Nazis“.

[Dieser Artikel wurde am 8. November 2008 bei redok veröffentlicht.]

Hinkendes GehDenken in Dresden?

Im Vorfeld der Februar-Gedenkfeierlichkeiten scheinen im demokratischen Spektrum derzeit plakative Äußerungen tonangebend zu sein.

Weit über 100 Unterstützerinnen und Unterstützer haben bislang den Aufruf “Europas größten Naziaufmarsch stoppen – friedlich und entschlossen!“ von GehDenken unterzeichnet. Zwischenzeitlich – Wenn es wieder Februar wird in Dresden – erregte eine als generell angekündigte CDU-Verweigerung des Ansinnens der Kampagne die Öffentlichkeit. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker erschien, deutlich öffentlich beleuchtet, im Unterstützerkreis von GehDenken. Gleichwohl wurde über einen Passus in der über von Weizsäcker bei wikipedia nachzulesenden Biografie – “Mit der Annahme der Wahl zum Bundespräsidenten ließ er die Mitgliedschaft in der CDU ruhen und nahm sie auch nach dem Ende seiner Amtszeit nicht wieder auf“ – mehr oder weniger parteipolitisch argumentiert.

Richard von Weizsäcker blieb ob seines Dresdner Engagements nachfolgend eher schweigsam. Nicht so der Kreisverbandsvorsitzende der Dresdner CDU, Lars Rohwer, der von Weizsäcker in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung bescheinigte, dieser habe “den Aufruf möglicherweise gutgläubig unterschrieben“, um gleichzeitig mehr feststellend als fragend zu formulieren: “Ich hinterfrage, ob er sich umfassend mit den Initiatoren auseinandergesetzt hat“. Rohwer, auch Mitglied des Sächsischen Landtags, hat sich jedenfalls auseinandergesetzt und schlussfolgerte in besagtem Interview – nach dem er einen Teil des GehDenken-Aufrufes als “aggressiven Inhalt“ einstufte: “Mit der Gegendemonstration macht man folgende Fehler: Man geht auf die Argumentation der Neonazis ein, indem man sagt: Es gab Opfer im Ausland durch die Angriffsmaschinerie der Nazis. Und deshalb waren Opfer in Dresden nur logisch. Das ist eine gefährliche Richtung, die nicht für Versöhnung steht …“. Patrick Gensing schrieb im Zusammenhang diesen Interviews hernach vom “Extremismus der Mitte“.

Nun verkündete GehDenken, es habe sich “der Ministerpräsident a.D. des Freistaates Sachsen, Kurt Biedenkopf, dem Aufruf GEH DENKEN zum 13./14. Februar 2009 in Dresden angeschlossen“. Und endstation-rechts fragte: “Biedenkopf auch gutgläubig?“. Kurt Biedenkopf (CDU) äußerte sich bislang zu seinem Engagement selbst nicht. Als amtierender sächsischer Landesvater hatte Biedenkopf noch im November 2000 – also weit nach dem Tod von Jorge Joao Gomondai Ende März 1991 in Dresden und des im September 1991 stattgefundenen Pogroms von Hoyerswerda – festgestellt: “In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden“. Sei’s drum, GehDenken?

Nachtrag vom 7. November 2008

Am gestrigen 6. November bestätigte das Büro von Kurt Biedenkopf, dieser habe in einem Brief an die Amadeu-Antonio-Stiftung seine weitere Unterstützung für GehDenken verweigert. Biedenkopf äußerte sich persönlich nicht. Bekannt wurde lediglich, dass der frühere sächsische Ministerpräsident als Begründung für seinen Rückzug die Befürchtung geltend gemacht habe, die Initiative von GehDenken könnte als Wahlkampfplattform missbraucht werden.

[Dieser Artikel wurde – zuerst ohne Nachtrag – am 1. November 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]