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Soko vs. 1.349 Neonazis

Leipzig. Nach einer am 17. Oktober in der westsächsischen Stadt aufgelösten Demonstration versucht die Staatsanwaltschaft, gegen alle Beteiligten aus dem rechtsextremen Spektrum Strafverfahren einzuleiten.

An jenem Oktobertag war es aus den Reihen der in Leipzig zusammen gekommenen Jung- und Alt-Nazis “zu Rechtsverstößen aus der Versammlung gekommen“ (NPD-Blog), woraufhin seitens der Polizei der ursprünglich geplante Aufmarsch der Rechtsextremisten vorzeitig aufgelöst wurde.

In Absprache mit der Staatsanwaltschaft werden nunmehr gegen alle damalig festgestellten 1.349 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Strafverfahren wegen des Verdachtes auf Landfriedensbruch eingeleitet. Seit dem 23. Oktober ist dahingehend eine “Sonderkommission Neonazi“ tätig, welche Videomaterial, Zeugenaussagen “und Erkenntnisse der in der rechten Szene agierenden V-Leute“ auswertet. Eingebunden seien “Beamte nahezu aller Kommissariate, darunter Top-Ermittler für organisierte Kriminalität und Hooligan-Experten“.

“Wir gehen zunächst davon aus, dass alle verdächtig sind und müssen nun ermitteln, inwieweit sich jeder Einzelne durch seine Handlungen strafbar gemacht hat“, erklärte Staatsanwalt Ricardo Schulz. Neben der Ausübung von Gewalt gelten auch Anfeuerungsrufe und das Decken von Gewalttätern in der Menschenmasse als Landfriedensbruch (Dresdner Morgenpost, 24. Oktober 2009).

[Dieser Artikel wurde am 24. Oktober 2009 bei redok veröffentlicht.]

Auftrag Deutsches Fußball-Fan-Reich?

Dresden. Einige Anhänger des Drittligisten Dynamo Dresden fühlen sich offenbar dazu berufen, plakativ Anleihe bei der Rechtsrock-Band Stahlgewitter nehmen zu müssen.

Bei der Begegnung SV Werder Bremen (A) gegen SG Dynamo Dresden umrahmten am 12. Spieltag der 3. Liga in der Saison 2009/10 wie so oft zahlreiche Zaunfahnen die Partie. Wie ebenso üblich, kursieren seit dem in verschiedenen Fan- und Ultra-Foren Schnappschüsse dieses Events.

In einem deutschsprachigen Ultra-Forum wurde indessen eine verblüffende Ähnlichkeit einer der Dresdner Zaunfahnen-Losungen von besagtem Tag in Bremen mit einem Liedtext der Rechtsrock-Band Stahlgewitter festgestellt.

“Die BRD ist uns egal und völlig gleich – für uns zählt nur Sachsens Königreich“

(Bremen, 3. Oktober 2009 – Foto: Frank Dehlis, dehli-news.de)

“(…) Die BRD ist uns egal und völlig gleich,
denn unsere Heimat ist das Deutsche Reich.
Die Republik ist uns egal, vollkommen gleich,
denn unser Auftrag ist und bleibt das Deutsche Reich (…)“
[vgl. Stahlgewitter: Auftrag Deutsches Reich]

Das Antifaschistische Info Blatt (AIB) berichtete in seiner Sommer-Ausgabe 2009 über “Dresdner Neonazi-Hooligans und die SG Dynamo Dresden“, hauptsächlich im Zusammenhang mit den Übergriffen in der Dresdner Neustadt nach dem Türkei-Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft 2006 und einer späteren Attacke von Dresdner Nazis gegen einen Zeugen einer diesbezüglichen Gerichtsverhandlung.

Bezüglich der vormals im AIB darüber hinaus erhobenen Vorwürfe gegen die Vereinsführung der SG Dynamo Dresden, beispielsweise –

“[…] verweigerte der Verein im Jahr 2008 ohne Begründung eine Aktion im Rahmen von ’FARE’ (Football against Racism in Europe), die durch die Faninitiative vorbereitet wurde […]“

“[…] ist es auch nicht verwunderlich, dass auch auf der offiziellen Dynamo-Homepage Bilder von Unterstützungstransparenten für Willy Kunze, den verurteilten und mit Stadionverbot belegten Neonazischläger auftauchen. Zwar hatte der Verein Zaunfahnen, die keinen Dynamobezug haben, untersagt. Aber bis zum letzten Spieltag der Saison tauchten die ’Alles Gute Willy’ und ’Grüße in den Knast’-Transparente bei den Spielen auf […]“

– scheint der amtierende Pressesprecher, Enrico Bach, auch auf mehrmalig dahingehende Anfragen von redok, nicht in der Lage zu sein, richtigstellend antworten zu können. Immerhin ist ja zumindest die Stahlgewitter-Anleihe vom Auswärts-Auftritt einiger Dynamo-Fans am 3. Oktober in Bremen offenbar nicht in der aktuellen Bildergalerie auf der Homepage des Vereins gelistet. Hat ja auch fast niemand gesehen – und bemerkt?

Am 15. Oktober verlautbarte die SG Dynamo Dresden, sich in Zusammenarbeit mit der Dresdner Fan-Initiative 1953international mit verschiedenen Aktionen an der europaweiten Aktionswoche 2009 des internationalen Fan-Netzwerks Football Against Racism in Europe (FARE) zu beteiligen.

Heißt es das jetzt in Dresden etwa auch von offizieller Seite? – “Faschos passen hier nicht rein!“

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Ergänzung vom 19.10.2009

Mittlerweile hat der Verein zu den beiden im AIB erhobenen Vorwürfen sowie zu dem obigen redok-Bericht Stellung genommen.

Laut Dynamo-Pressesprecher Enrico Bach hatte der Verein im Jahr 2008, wie in den Vorjahren, an der FARE-Woche teilgenommen und am damaligen 25. Oktober im Stadionheft einen bezüglichen Text veröffentlicht. Dagegen sei in gemeinsamer Entscheidung mit dem Hauptsponsor verweigert worden, die Trikotfläche bei einem Spiel der FARE beziehungsweise der lokalen Initiative zur Verfügung zu stellen, “was angesichts der wirtschaftlichen Situation des Clubs auch nachvollziehbar ist und sicher nicht nur in Dresden so entschieden wurde oder worden wäre“.

Das “Grüße-in-den-Knast“-Banner weise Dynamo-Logos auf, sei aber keiner speziellen Person zuzuordnen. Dem Verein sei es nicht möglich, “diese Grüße pauschal zu verbieten und die Straftäter, die eine Strafe absitzen, aber deswegen ja gesellschaftlich nicht abgeschrieben werden, per se aus seiner Fanszene auszuschließen“. Bilder mit “Alles-Gute-Willy“-Bannern seien bei einer stichprobenhaften Suche in der Bilder-Datenbank mit etwa 3.000 Bildern zum Thema “Fans“ nicht gefunden worden; bei einem konkreten Hinweis würden sie entfernt.

Die beim Auswärtsspiel in Bremen aufgetauchten fragwürdigen Banner seien bereits intern auf eine schwarze Liste gesetzt worden, die der Verein bei zukünftigen Auswärtsspielen verschicken werde und um deren Verbot die Heimvereine gebeten werden. Das im obigen redok-Bericht angesprochene Banner (“Die BRD ist uns egal und völlig gleich“) erschließe sich dem Nicht-Nazi-Liedgut-Kenner nicht sofort, sei aber jetzt auf die Liste mit aufgenommen worden.

[Dieser Artikel wurde am 18./19. Oktober 2009 – mit einem Foto gleichen Motivs von bultras.net – bei redok veröffentlicht.]

Tönende Stille im Motorradclub

Leipzig. In der Nacht zum 9. August beendeten Polizeikräfte im Domizil des in der Stadt ansässigen Steelwings MC ein Konzert der rechtsextremen Szene.

So hatten sich ab den Abendstunden des 8. August im Leipziger Stadtteil Lindenau rund 80 Personen mit augenscheinlich einschlägigem Szene-Bezug eingefunden, um den Klängen von Short Cropped (Belgien) und Kampfzone (Deutschland) lauschen zu können. Offenbar überließ dafür der Steelwings MC Leipzig seine Räumlichkeiten den Rechtsextremisten.

Ermittlungshinweise führten im Laufe der Abend- und Nachtstunden zur Sicherung des Motorradclubs durch ein Großaufgebot der Polizei und zur Auflösung der Veranstaltung.

Alle Personen wurden einer Personenkontrolle unterzogen und identifiziert, teilte die Polizeidirektion Leipzig mit. Zu Widerstandshandlungen oder anderen Straftaten sei es während der Konzertauflösung nicht gekommen.

Unterdessen verlautbarten die Steelwings auf ihrer Homepage, dass in der besagten Nacht auf ihrem Club-Gelände eine von ihnen gestattete private Geburtstagsfeier stattfinden sollte. Leider sei im Vorfeld der Fehler gemacht worden, “nicht in der Tiefe zu hinterfragen, wer denn auf der Gästeliste stehen würde“. Der Steelwings MC Leipzig distanzierte sich gleichzeitig “ausdrücklich von jedwedem extremen Gedankengut“ und erklärte: “Wir sind kein von politischen Motiven getriebener Club und noch weniger stehen wir der ’Rechten Szene’ nahe.“

[Dieser Artikel wurde am 10. August 2009 bei redok veröffentlicht.]

Keine VIP-Lounge für die NPD

Dresden. Der in der 3. Liga spielberechtigte Fußball-Verein Dynamo korrigiert umgehend das VIP-Karten-Angebot seines Sportrechtevermarkters an den Deutsche-Stimme-Verlag.

Die offensichtliche Genugtuung darüber, dass “der groteske Kampf gegen Rechts ad acta gelegt und Normalität im Umgang mit der NPD“ einziehen würde, quoll noch vor wenigen Stunden quasi aus jeder Zeile einer Pressemitteilung der NPD. Vorausgegangen war dem ein Schreiben an den NPD-Verlag Deutsche Stimme in Riesa, in welchem durch den Sportrechtevermarkter der SG Dynamo Dresden (SGD), Sportfive, “der Deutschen Stimme für die Saison 2009/2010 VIP-Karten angeboten“ worden waren.

(Schnappschuss im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion, 2007 – Foto: O.M.)

Innerhalb kurzer Zeit dürfte allerdings die klammheimliche Freude der sächsischen Rechtsextremisten über ihren vermeintlichen VIP-Status im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion wieder verflogen sein. Die Pressestelle der SGD verlautbarte, für den Vermarkter Sportfive habe ein externer Dienstleister 18.000 Adressen ausgewählt und diese angeschrieben. Innerhalb der Aussendung für die Werbekampagne zur Vermarktung des neuen Dresdner Fußballstadions sei dabei, sachsenunkundig oder unsensibel sei dahin gestellt, das Anschreiben an den Deutsche-Stimme-Verlag “offenbar durchgerutscht“.

Gegenüber SPIEGEL-Online erklärte Peter Tauber, Pressesprecher der SGD: “Glauben Sie mir, wenn es die letzten vier Logen wären und die uns den 40-fachen Preis zahlen – wir würden an diese Leute keine Plätze verkaufen.“

Noch vor einigen Jahren gab es aus der damaligen Führungsetage des Dresdner Fußball-Vereins nicht so deutliche Worte – beispielsweise als Anfang August 1998 beim Spiel gegen VFC Plauen im Rudolf-Harbig-Stadion das Transparent “NPD Sächsische Schweiz grüßt Dynamo Dresden“ gehisst und nur wenige Tage später beim Spiel gegen den Dresdner SC im Stadiongelände dieses Plakat erneut zu sehen war und zudem ungehindert rechtsextremistische und antisemitische Wahlwerbung betrieben werden konnte (Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 20. August 1998; DER SPIEGEL, 24. August 1998).

“Dynamo ist unpolitisch. Dennoch gibt es ein klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus“, zitiert die Sächsische Zeitung im aktuellen Zusammenhang den SGD-Pressesprecher. Die Saison 2009/2010 beginnt für die 3. Liga in wenigen Wochen – in Dresden ohne Rechtsextremisten, jedenfalls im VIP-Bereich. Seliges Forza Dynamo also allenthalben?

Unterdessen betont der Dynamo-Vermarkter Sportfive bezüglich des Fauxpas beim Versand der VIP-Angebote: “Die Schuld liegt bei uns und nicht beim Verein und dafür möchten wir uns entschuldigen“.

Gibt man übrigens derzeit auf der Homepage der NPD Sachsen Suchbegriffe wie beispielsweise “Fußball“, “Dynamo Dresden“, oder gar “VIP“ ein, erscheint immer wieder “Ergebnisse gesamt: 0“.

[Dieser Artikel wurde am 23. Juni 2009 bei redok veröffentlicht.]

Scharfes Wahlkampf-Schwert gegen Polen

Görlitz/Sachsen. NPD und DSU plakatieren äußerst aggressiv gegen den osteuropäischen Nachbarn. Der Tatbestand der Volksverhetzung allerdings bedarf scheinbar noch eindeutigerer Ausfälle.

Erst kürzlich zündelten schon im Raum Dresden Rechtsextremisten in einem Wahl-Informationsblatt unterschwellig nicht nur gegen Ausländer. Nunmehr hat in den ostsächsischen Regionen der aktuelle Wahlkampf von Rechtsaußen ein noch tieferes Niveau erreicht. So haben in den letzten Tagen “Wahlplakate der rechtsextremen NPD und der rechtskonservativen DSU … beiden Parteien Anzeigen wegen Volksverhetzung eingebracht“ (n-tv.de).

Die NPD gefällt sich in Ostsachsen mit dem vielfach plakatierten Aufruf “Polen-Invasion stoppen!“, ebenso geht die DSU mit polenfeindlichen Plakaten auf Stimmenfang, machte die sächsische Landtagsabgeordnete Astrid Günther-Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) öffentlich.

Allerdings scheinen die gegen NPD und auch DSU mittlerweile erfolgten Strafanzeigen offenbar nur wenig Erfolgschancen zu haben. Durch die Aufschrift “Polen-Invasion stoppen!“ sei nach einer Vorprüfung der Tatbestand der Volksverhetzung als nicht erfüllt angesehen worden, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Görlitz (ddp). Nach Erläuterungen zum entsprechenden Strafgesetzbuch-Paragrafen 130 liege Volksverhetzung nur vor, wenn entsprechende Äußerungen gegen Teile der inländischen Bevölkerung gerichtet seien. “Jetzt lenken die deutschen Neofaschisten ihre Aggressionen direkt gegen die Polen“, kommentierte die polnische Gazeta Wroclawska.

Aktuell stellt sich die Lage so dar, “dass die Wahlplakate vorerst weiter … hängen bleiben. Die Stadtverwaltung als Ortspolizeibehörde [könnte] die Abnahme anordnen. Dazu müssten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sein“ (Sächsische Zeitung).

[Dieser Artikel wurde am 29. Mai 2009 bei redok veröffentlicht.]