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Sind die Wiesn angezündet …

… nein, nein und nochmals nein – das wurden sie natürlich keineswegs. Und schon gar nicht in Dresden, bei der sächsisch landeshauptstädtischen Oktoberfest-Ersatzveranstaltung namens Pichmännelfest, nahe am Haus der Presse. Aber es liest sich andeutungsvoll.

Womit wir quasi schon sogleich mittendrin statt nur dabei wären. Lesetechnisch. Stimmungsvoll. Prosaisch bebildert.

Denn im Dresdner Lokalteil der heutigen Sächsischen Zeitung gibt es unter der Rubrik Menschen in der Stadt kein Vorbeischummeln am Pichmännelfest. Unweit vom Haus der Presse, wir erinnern uns. Die wenigen Meter zwischen Presserefugium und Partyzelt scheint Nadja Laske mühelos überwunden zu haben. Denn es bricht hernach regelrecht aus ihr heraus, lebhaft sprudeln ihre Schilderungen.

Allein davon wird einem nur beim Lesen schon schunkelschummrig. Am morgendlichen Frühstückstisch. Ach, wäre man dabei gewesen. Aber die Laske Nadja lässt uns nicht außen vor.

Und der selbsternannte König von Mallorca war auch noch mit von der Partie bei der festlichen Pichmännel-Party. Der heimatliche Frühstückstisch wankt. Enjoy your emotions.

Wer nun die orgiastische Macht der Laske’schen Sprachbilder ohne papierenes Zeitungsrascheln auf sich wirken lassen will, ist allerdings leicht gehandicapt. Lesetechnisch. Denn bei sz-online.de baumelt ein Exclusiv-Schlösschen vor dem Lesegenuss. Gewissermaßen ein virtueller Coitus interruptus.

Aber ein klitzekleiner Leckerbissen sei vergönnt. So, als würde man selbst aus dem Dunkel der Nacht unbeobachtet durch einen der Festzeltschlitze auf das Treiben im Inneren schmulen können. Hand in Hand schunkelnd mit Nadja Laske im heimeligen Dresden, ihre Worte im Ohr –

“… Ahhh! Deutschland! Oktoberfest! Ahhhdeutschlandeierschecke sagt niemand … Der deutsche Osten schien lange resistent. Aber nun überschwemmt das Ozapfte auch Sachsen … Jürgen Drews will zum Auftakt in sein Cabrio steigen, doch der Motor stockt. Mehrmals dreht der 70-Jährige den Zündschlüssel … Nichts zu machen, kein vernünftiger Ton … er verlangt nach der Tontechnik … lässt den Motor wieder an. Doch die Karre verreckt … Dann kehrt das Cabrio quietschend zurück. Muss wohl der Keilriemen sein. Klingt scheußlich, aber der Wagen rollt … bis Onkel Jürgen mit dem Hintern einreißt, was er mühsam mit den Händen aufbaut … ’Puhhhhhh!’ … ’Puhhhhhh!’ … ’Puhhhhhh!’ …“

Das ist Heimat. Das ist Kultur. Sprache kann so viel.

Nadja Laske, you just made my day.

Schierke
(Weltfrieden? – Foto: O.M.)

“Das Wesen der Wiesn – Jürgen Drews sollte das Pichmännelfest rocken. Doch die Stimmung kippte noch vor den ersten Bierbänken.“, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 7. Oktober 2015

MedienScreen # 54 [Deutsche Opfer]

[Fundstück] Henryk M. Broder, Interview bei SPIEGEL ONLINE, spiegel.de, 6. Oktober 2015 –

(…) wenn ein Deutscher sich darüber aufregt, dass Köln, Dresden und Augsburg im Krieg bombardiert wurden, dann kann ich das nachvollziehen. Aber er sollte auch wissen, dass vorher deutsche Bomben auf Warschau, Coventry und Rotterdam abgeworfen wurden. Diese Kausalität, diese Chronologie sollte man in Deutschland schon kennen, bevor man sich darüber aufregt, was uns angetan wurde.

MedienScreen # 53 [Pressefreiheit und die ’Freiheit’ der Anderen]

[Fundstück] Uta Deckow, “Pressefreiheit ja – solange es die eigene Meinung deckt“, *Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), *mdr.de, 5. Oktober 2015 –

(…) wir alle erleben im Netz und auf den Veranstaltungen, wie einerseits alles als “Lügenpresse“ gebrandmarkt wird – kritische Artikel, Reportagen, Comedy-Sendungen. Aber, die zur eigenen Gedankenwelt passen, die werden fleißig kolportiert und geteilt. Wenn es passt, ist Lügenpresse eben gerade recht genug (…)

(…) Die Pressefreiheit ist in Gefahr. Wo sind wir hingekommen, wenn eines der wertvollsten Grundrechte unserer Verfassung nicht mehr gewährleistet ist? Die Menschen, die mitmachen und zuschauen, wie Journalisten bedroht werden, die aufhetzen und aufstacheln, diese Menschen stehen nicht mehr auf dem Boden unseres Grundgesetzes. Sie sind also Verfassungsfeinde.

Und ausgerechnet sie bezeichnen Politiker als Verräter? Ausgerechnet sie fordern, Asylbewerber müssten sich an die Verfassung halten? Ihnen sage ich – ach, fangen Sie doch bitte selbst damit an …

MedienScreen # 52 [BRDDR, Damaliger Dank Reloaded]

[Fundstück] Peter Richter, in “89/90“, Luchterhand Literaturverlag, 2015 –

(…) es würde Beton in unser Land gegossen werden bis jede alte Hitlerautobahn wieder als strahlend weißes Band in der Landschaft lag. Es würden Häuser in unsere Städte gebaut werden, die hässlicher, engherziger, dümmer aussehen würden als alles, was je gebaut worden war, aber die Älteren würden es schätzen, weil es neu war und sauber. Unsere Schmuddelecken würden verschwinden, Feldwege würden, wie im Westen, asphaltiert sein, und die alten, grauen Häuser würden mit Farbe zugeschmiert werden wie die Mädchen an der Straße jenseits der Grenze. Wir konnten das ahnen, wir hatten den Westen gesehen, besuchsweise, und es machte uns jetzt schon krank, dass wir auch noch Danke sagen sollten dafür (…)