[Fundstück] Gary Lineker, interviewt in DER SPIEGEL, 18. Februar 2017 –
(…) Die Deutschen machen vieles richtig. Die Stadien sind großartig, der Kommerz hält sich noch in Grenzen. Diese 50-plus-1-Regel, die die Stimmenmehrheit für Kapitalanleger verhindert, sollte die Liga unbedingt beibehalten. Sie ist der Damm, der euch vor Premier-League-Zuständen schützt. Ich habe gelesen, dass Leipzig diese Regel schon umgeht. Wenn man nicht aufpasst, wird Leipzig euer Chelsea. Dann ist der Weg für das Geld geebnet.
Wie nunmehr bekannt, hat das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) aktuell mal wieder ein richtungsweisendes Urteil gefällt. Völlig überraschend gegen Dynamo Dresden. Einmal mehr. Folgen soll dem fußballrichterlichen Spruch eine Sperrung des K-Blocks im Rudolf-Harbig-Stadion bereits beim nächsten Heimspiel gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth sowie die Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 60.000 Euro. Ein abgetrennter Bullenkopf im Stadioninnenraum beim DFB-Pokalspiel gegen RasenBallsport Leipzig liefert den Hauptvorwurf. Doch diesspieltäglich des damaligen 20. August beileibe nicht allein.
“Das was an Transparenten gezeigt wurde, geht weit über die freie Meinungsäußerung hinaus“, wird Hans E. Lorenz , Vorsitzender des DFB-Sportgerichts, zitiert.
Hat Herr Lorenz recht? In Diensten des DFB allein schon Kraft seines Amtes wegen? Oder überhaupt? Bilde sich jede und jeder eine eigene Meinung. In die meinungsfreiheitliche Zukunft unter Ägide des Deutschen Fußball-Bundes schauend? Mit einem Blick zurück –
Gegen das am 7. November vom Sportgericht des DFB verkündete Urteil kann die SG Dynamo Dresden (SGD) innerhalb der Frist einer Woche Einspruch vor dem DFB-Bundesgericht einlegen.
“Das Gericht verkennt nicht, dass das Risikospiel gegen RB Leipzig aufgrund der Bemühungen des Vereins gewaltfrei abgelaufen ist“, sagte Richter Lorenz. “Gleichwohl zeigen mehrere Fälle nach dem Pokalspiel, dass Dynamo Dresden derzeit aufgrund des Verhaltens Teile seiner Anhänger keine günstige Prognose gestellt werden kann“ (mdr.de, 7. November 2016).
“Selbstsichere bilden sich ein Urteil, Unsichere fällen es“ (Ernst Ferstl).
“Fanorganisationen verlassen Dialogstrukturen des DFB“. Hat diese aktuelle Meldung ernsthaft irgendwen verwundert? Nach all dem Hin und Her? Mehr her als hin? Nach all der Zeit? “Glaubt jemand in der Fan-Szene wirklich noch an den gewissen Hauch eines quasi wahrlich gleichberechtigten Dialogs?“, war doch bereits schon im Dezember des Jahres 2011, damals in den Zusammenhängen der Pyrotechnik-Debatte, eine der kritischen Thesen.
“Ja – (…) überhaupt miteinander sprechen zu wollen, ist kein Verbrechen. Es kommt eben nur manchmal auch auf den jeweiligen Gesprächspartner an (…).“
Dialog sieht anders aus. Und Einbahnstraßen führen in die eine Richtung letztendlich nirgendwohin.
Die Fanorganisationen ProFans, UnsereKurve, Queer Football Fanclubs und F_in Netzwerk Frauen im Fußball postulieren jetzt nur, was doch längst Tatsache war. Weniger oder mehr. Von Seiten der Verbandsebene. Einseitiger Dialog wird Monolog geheißen. Und sollte endlich auch deutlich als solcher benannt werden.
Mittlerweile also haben die Fanorganisationen “keinen dauerhaften und ernsthaften Willen des Verbandes DFB erkennen können, mit Fußballfans einen transparenten und zielführenden Dialog etablieren zu wollen. Die Arbeit der AG Fanbelange/Fanarbeit, dem einzigen Gremium für einen institutionalisierten regelmäßigen nationalen Dialog des DFB mit Fußballfans, wurde bisher konsequent aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Dadurch wird das Bild der Fußballfans fast ausschließlich durch polarisierende Politiker, Polizeigewerkschafter und Medien geprägt“.
“(…) Obwohl die Verbände die Einzigartigkeit der Fußballfankultur in Deutschland permanent loben, auch um damit höchstmögliche Erlöse in der Vermarktung des Profifußballs zu erzielen, werden Dialog und Kooperationen mit den Fußballfans immer wieder torpediert oder ausgebremst (…)“ [unsere-kurve.de, 14. Oktober 2015].
[Fundstück] “Warum Fans DFB-Strafen als willkürlich empfinden“, faszination-fankurve.de, 11. Juni 2015 –
(…) Allein in den vergangenen drei Tagen hat das DFB-Sportgericht 14 Vereine mit Geldstrafen belegt, weil sich Fans dieser Clubs Fehlverhalten geleistet haben sollen. Doch die Strafe gegen den Chemnitzer FC zeigt beispielhaft, warum die Strafen in der Fanszene als willkürlich empfunden werden.
Der Chemnitzer FC wurde u.a. wegen eines beleidigenden Banners im Bereich der CFC-Fans beim Heimspiel gegen Rot-Weiß Erfurt vom DFB-Sportgericht zu einer Geldstrafe verurteilt. “Während des Drittligaspiels gegen Rot-Weiß Erfurt am 18. April 2015 wurde im Chemnitzer Zuschauerblock kurzzeitig ein Banner mit beleidigendem Inhalt gezeigt”, heißt es dazu in der DFB-Mitteilung. Nur ist den CFC-Fans völlig unklar, welches Banner sie nicht hätten zeigen dürfen.
Auf Nachfrage von Faszination Fankurve bestätigt die Fanszene Chemnitz nochmals, was auf den Fotos der Partie schon zu sehen ist: Die Fans des Chemnitzer FC zeigten bei besagtem Spiel kein beleidigendes Banner.
Im Gästeblock wurde ein Banner mit der Aufschrift “Scheiß DFB” gehisst. Doch die DFB-Strafe wurde explizit wegen eines Banners im Fanbereich des CFC ausgesprochen. Bleibt nur noch ein Doppelhalter von Chemnitzer Fans, auf dem “Scheiß Red Bull” zu lesen war. Dieser wird schon mindestens seit dem 7. Spieltag der abgelaufenen Saison beim Heimspielen des CFC gezeigt, wie Fotos bei Faszination Fankurve belegen. Nach Aussage der Fanszene Chemnitz existiert dieser Doppelhalter sogar schon mehrere Jahre und wird vorzugsweise bei Heimspielen präsentiert.
Faszination Fankurve fragte nach Aussprache der Strafe gegen den Chemnitzer FC bei der Pressestelle des DFB nach, welches “beleidigende Banner” in der Strafe gemeint war. Die Pressestelle des Verbands antwortete wie folgt: “Die konkreten und detaillierten Inhalte eines Urteils gehen immer nur den Prozessbeteiligten bzw. dem Prozessbeschuldigten zu. Eine über unsere kurze Presseinformation hinausgehende Information ist daher leider nicht möglich. Zum allgemeinen, besseren Verständnis: Die Bemessung von Strafen richtet sich nach zahlreichen, auch vom Einzelfall abhängigen Faktoren. Im Falle von gemeldeten Bannern sind neben dem reinen textlichen Inhalt beispielsweise ihre optische Darstellung, Größe, Ort, Dauer und Häufigkeit des Zeigens sowie die Vorbelastungen und Reaktionen des Vereins zu berücksichtigen.” (…)
Es scheint als bestrafe der DFB in jüngster Zeit häufiger beleidigende Plakate. Wer dabei entscheidet, was eine Beleidigung ist und was nicht, ist völlig unklar (…)
[Dieser Beitrag wurde am 13. Juni 2015 bei Ostfussball.com publiziert.]
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