Schlagwort-Archive: Dresden

Übergriffe in Sachsen-Anhalt und Sachsen

Halberstadt/Dresden. In der Nacht zum 22. Dezember erfolgten in beiden Städten gewalttätige Attacken von augenscheinlichen Rechtsextremisten. Dabei erlitt in Halberstadt eine 19-Jährige schwere Verletzungen, in Dresden wurden zwei 21-jährige gebürtige Sudanesen und ein 20-jähriger Dresdner leicht verletzt.

Die junge Frau war in der Nacht in einem Halberstädter Park einer Gruppe begegnet und von jener als “Zecke“ beschimpft worden. Von einer 21-jährigen Frau sowie zwei 24 und 27 Jahre alten Männern wurde sie mehrfach ins Gesicht geschlagen, getreten und sexuell belästigt. Dadurch erlitt das Opfer schwere Verletzungen und wurde in einem Krankenhaus stationär behandelt. Die drei – der Polizei bekannten und eindeutig der rechten Szene zuzuordnenden – Tatverdächtigen wurden kurz nach der Tat dingfest gemacht. Laut Agenturberichten hat die 21-jährige noch auf dem Weg zum Polizeirevier den Hitlergruß gezeigt. Gegen die drei Rechtsextremisten wurden Haftbefehle erlassen.

In der gleichen Nacht wurden vor einer Dresdner Diskothek zwei Sudanesen von 10 bis 15 Unbekannten angegriffen. Nach Polizeiangaben beschimpften die Angreifer die beiden jungen Männer wegen ihres Aussehens. Im Weiteren wurde ein zu Hilfe eilender Dresdner ebenfalls attackiert. Die drei Opfer erlitten leichte Verletzungen. Nach ersten Ermittlungen soll es sich bei den Angreifern um Personen handeln, “die auch im Umfeld von Fußballspielen durch Gewalttätigkeiten auffallen“. Das zuständige Staatsschutzdezernat und szenekundige Beamte der Dresdner Kriminalpolizei haben in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung mit fremdenfeindlichem Hintergrund aufgenommen.

[Dieser Artikel wurde am 23. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

“Ich muss an meinem Weltbild arbeiten“

Dresden. Das Landgericht hat einen bekennenden Rechtsextremisten wegen tätlicher Angriffe auf Ausländer und vom Täter als linksgerichtet eingeschätzte Menschen zu drei Jahren Haft verurteilt. Er war in der Straßenbahn von der Videoüberwachung bei seinen Attacken aufgenommen worden.

Der 27-jährige hatte bereits im Dezember 2006 einen 22-Jährigen in einer Straßenbahn mit einem Ziegelstein attackiert und verletzte dabei sein Opfer schwer. “Knapp fünf Monate später schlug er einem anderen Studenten mit der Faust ins Gesicht“, berichtet die Sächsische Zeitung. Den beiden deutschen Studenten seien dabei allein ihre Rastalocken zum Verhängnis geworden.

In einer Julinacht dieses Jahres ging der Schläger – wiederum in einer Straßenbahn – zielstrebig auf einen Inder zu, “beugte sich zu dem Sitzenden hinunter und sagte zu ihm, dass er aussteigen solle. Der Student lehnte das ab. Daraufhin schlug der Mann zu“ (Polizei Dresden) und benutzte dabei mehrfach einen Schlagring. Als “unverständlich“ bezeichnete Thomas Herbst, Dresdens Polizeisprecher, damals den Vorgang schon allein deswegen, weil auf den Videoaufzeichnungen aus der Straßenbahn weitere Fahrgäste zu sehen waren, von denen allerdings niemand einschritt und auch die Polizei nicht informiert wurde.

Der Täter wurde nach der Veröffentlichung der Bilder aus der Straßenbahn-Videoüberwachung dingfest gemacht. Bei einer Wohnungsdurchsuchung seien zudem rechtes Propagandamaterial sowie diverse Schlagwerkzeuge sichergestellt worden.Der nunmehr vor dem Landgericht Dresden wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagte Christian Schrack gehört nach eigenen Angaben der rechtsextremen Szene an und legte zum vorgestrigen Prozessauftakt ein Geständnis ab.

Der Vorsitzende Richter befand in der Verhandlung, dass Schrack “das Opfer allein wegen seiner Hautfarbe angegriffen“ habe. Außerdem sah es das Gericht “als erwiesen an, dass er bereits zuvor zwei deutsche Studenten wegen ihrer langen Haare angegriffen hatte“ (Reuters).

Christian Schrack – der nach eigenen Angaben Kontakte unter anderem auch zur NPD pflegt – wurde heute rechtskräftig zu drei Jahren Haft verurteilt. Die Dresdner Morgenpost zitiert den Rechtsextremisten, angeblich in Schlussfolgerung einer von ihm praktizierten Denkphase in der Untersuchungshaft: “Prügeln ist keine Lösung … So geht das nicht. Ich muss an meinem Weltbild arbeiten.“ Noch vor Gericht hatte er angegeben, “aus Hass auf Ausländer und Linke“ (Reuters) sowie “aus Fremdenhass und Frust gehandelt zu haben … Aus der rechten Szene aussteigen will er jedoch nicht“ (Sächsische Zeitung).

[Dieser Artikel wurde am 19. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Anti-Antifa, Behörden und Rechtsstaat

Nürnberg/Dresden. Staatliche Behörden nutzen offenbar bei ihren Ermittlungen auch gern schon mal von der Anti-Antifa veröffentlichte Porträtaufnahmen. In Nürnberg bedienten sich Polizisten bei einer Neonazi-Internetseite, auf der Fotos von Nazigegnern veröffentlicht worden waren.

“Die bayerische Polizei nutzt Internetseiten von Neonazis für Ermittlungen gegen Personen aus dem linken Milieu“, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ). Dieses eher ungewöhnliche und so nicht vordergründig zu vermutende Vorgehen einer Behörde ist am 12. Dezember von einem Sprecher des Polizeipräsidiums Nürnberg gegenüber der SZ bestätigt worden.

Dem vorausgehend hatten zwei Polizeibeamte bei einem Verfahren vor dem Nürnberger Amtsgericht angegeben, einer älteren Frau zwecks einer angestrebten Täterermittlung mehrere Fotos vorgelegt zu haben, die sie sich von einer rechtsextremen Internetseite besorgt hatten. Die Frau hatte zwei Studenten bei einer in Nürnberg angemeldeten Demonstration gegen den Weltwirtschaftsgipfel fotografiert und gefilmt.

Beide wurden von der 60-jährigen auf Grund einer angeblichen Rangelei wegen Nötigung beschuldigt. In Folge der Fotoschau im braunen Dämmerlicht wurden von der Rentnerin dann zwei Personen angezeigt, die – so die zu Hilfe genommene Anti-Antifa-Darstellung – an Demonstrationen gegen Rechtsextremisten teilgenommen hatten und dabei offenbar von jenen fotografiert worden waren. Die zwei wegen Nötigung Beschuldigten wurden mittlerweile von dem zuständigen Amtsgericht freigesprochen.

Im Nachgang räumte die so agierende Polizeibehörde – in diesem Fall die Nürnberger Polizeiinspektion West – immerhin ein, dass die verwendeten Bilder “’vermutlich illegal’ auf den von Rechtsextremisten publizierten Seiten veröffentlicht wurden“. Allerdings sei eine Verwendung auch solcher Fotos “im Einzelfall“ durchaus gängige Praxis.

Nach Darstellung der SZ rechtfertigten Polizei und Innenministerium das so praktizierte Vorgehen. Schließlich seien Ermittler laut Strafprozessordnung dazu verpflichtet, öffentlich zugängliche Quellen zu nutzen, wolle man sich nicht dem Vorwurf der Strafvereitelung aussetzen.

Vielleicht hätten die staatlichen Organe gut daran getan, sich zumindest ansatzweise darüber zu informieren, wessen “Informationen“ sie sich da in durchaus gängiger Praxis zu bedienen scheinen. Die “Anti-Antifa“ sieht sich als “nationaler Informationsdienst“, der “Infos über linke Gruppen, Personen und antinationale Zusammenhänge“ beschafft und veröffentlicht. Dabei gehen die Macher der Denunziations-Webseiten anonym vor:

“Aus den staatlichen Repressalien/Divergenzen entspringt für uns eine weitere Notwendigkeit, die Notwendigkeit zur Anonymität. Da wir ständig mit der Gefahr leben müssen, dass unsere – von staatlicher Seite eigentlich zu leistende aber meist unterlassene – Arbeit kriminalisiert wird, ist es in den meisten Fällen unserer Aktivitäten versagt, offen aufzutreten. Anti-Antifa-Arbeit ’mit offenem Visier’ wäre in diesem System dümmlich und selbstmörderisch.“

Wer dabei als “linke Gruppen“ oder “antinationale Zusammenhänge“ behandelt wird, hängt allein vom Feindbild und der Definition der Neonazis ab:

“Angriffspunkte sehen wir grundsätzlich überall dort, wo national denkende Personen ausgegrenzt, benachteiligt oder angegriffen werden.“

Auf besagter Internetpräsenz der Anti-Antifa wird übrigens auch beispielsweise der Abgeordnete des Sächsischen Landtages Johannes Lichdi (Bündnis 90/Die Grünen) porträtiert – als “Grüner Linksextremist“. Seit fast einem Jahr bereits ist die Dresdner Anti-Antifa-Akte ein brisantes Thema – geografisch zwar ein wenig fern von Nürnberg, aber doch irgendwie so nah.

[Dieser Artikel wurde am 13. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Rechtsextreme Aktionsnacht

Sachsen. In mehreren Städten hinterließen auf den Nikolausmorgen hin offenbar Rechtsextremisten ihre deutlichen Spuren. Die Eingangsbereiche zahlreicher Behörden wurden mit Ketten verschlossen und mit Plakaten beklebt.

Laut Agenturberichten sind nach der Nacht auf den 6. Dezember im Freistaat Sachsen verstärkt augenscheinlich rechtsextremistische Aktivitäten zu registrieren gewesen, beispielsweise an Eingangstüren von Rathäusern, Amtsgerichten, Finanzämtern und Schulen.

Davon betroffen seien unter anderem Meißen, Triebischtal, Pirna, Görlitz, Zittau, Löbau, Ebersbach, Leipzig und Geithain. Den Berichten zufolge wurden Ketten und Plakate angebracht sowie Türschlösser verklebt, wie ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) bestätigte. Auf den Plakaten wären Schriftzüge wie “Wegen Volksverrat geschlossen“ und “Das System in Ketten legen“ zu lesen gewesen.

Auch in Dresden waren am Morgen des 6. Dezember an mehreren Orten weniger als mehr rechtsextrem verbrämte Parolen entdeckt worden. Ein extremistischer Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, so das LKA Sachsen.

[Dieser Artikel wurde am 6. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Rechte Randale: Diskussion nur unter Polizeischutz

Dresden. Neonazis bedrängten gestern Abend eine Diskussionsrunde über Rechtsextremismus mit dem für dieses Thema zuständigen Oberstaatsanwalt in der Dresdner TU: Eine Frau wurde ins Gesicht geschlagen, die Polizei musste die Neonazis vor die Tür setzen.

Die Veranstaltung am Abend des 5. Dezember im Hörsaalzentrum der Technischen Universität (TU) Dresden – organisiert vom Studentenverband der Linkspartei und der Rosa Luxemburg Stiftung – stand unter dem Thema “Rechtsextremismus – Was bringen Verbote“. Als Referent war der für politisch motivierte Straftaten zuständige Oberstaatsanwalt, Jürgen Schär, angekündigt.

Kurz vor Beginn drangen zirka 40 Neonazis – sich selbst als “Nationale Sozialisten“ bezeichnend – in das Hörsaalzentrum ein, störten und bedrängten dort die bereits versammelten Diskussionsteilnehmer. Erst das Eingreifen von Polizeikräften ermöglichte es den Veranstaltern, ihr Hausrecht durchzusetzen. Etwa 50 Beamte mussten auch weiterhin das Gebäude schützen, denn nachdem die Neonazis an die Luft gesetzt worden waren, marschierten sie lautstark um das Haus. Dabei trommelten sie gegen die Hörsaal-Fenster, an denen mittlerweile die Rollläden geschlossen wurden. Die Randale war so massiv, “dass die Veranstaltung erheblich gestört wurde“, so die Veranstalter. Oberstaatsanwalt Schär musste seinen Vortrag unterbrechen. Unter den vor Ort anwesenden Anhängern der rechten Szene befanden sich – nach ddp-Informationen – auch mehrere NPD-Funktionäre. Ein maßgeblicher Anteil beim wiederholt militanten Agieren der Neonazis kann für diesen Abend in Dresden den regionalen Kadern Jens Baur, Maik Müller, Sven Hagendorf und Ronny Thomas zugeordnet werden.

Berichten zufolge wurde im Vorfeld der Veranstaltung eine junge Frau von einem Neonazi ins Gesicht geschlagen. Die Sprecherin der Polizeidirektion Dresden, Jana Ulbricht, bestätigte gegenüber redok einen tätlichen Angriff und eine daraufhin erstattete Anzeige wegen Körperverletzung. Eine Person wurde während der abendlichen Vorfälle vorübergehend festgenommen, wie die Polizeisprecherin ebenfalls bestätigte. Zu dem bei indymedia genannten Namen des Festgenommenen, Sven Hagendorf, äußerte sie sich aus Datenschutzgründen nicht. “Ein unbelehrbarer 36-Jähriger wurde in Gewahrsam genommen“, umschreibt eine spätere Pressemitteilung der Dresdner Polizei diese vorübergehende Festnahme.

Die Organisatoren der Diskussion zeigten sich “froh, die Veranstaltung trotz des Störversuches erfolgreich durchgeführt haben zu können“. Auch zukünftig würde mit Veranstaltungen das Thema Rechtsextremismus aufgegriffen werden. Dabei lasse sich die Linke Hochschulgruppe auch weiterhin “nicht einschüchtern“.

Ungestört blieb im Übrigen laut ddp eine Veranstaltung in einem Nachbarraum: Dort hielt Bundeskanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) einen Vortrag zum Thema “Die Macht des Wortes“.

Wie die Polizeidirektion Dresden mitteilte, wurden nach der Nacht zum 6. Dezember an mindestens sieben Orten in der Stadt Schriftzüge mit rechtsextremen Inhalten vorgefunden. Staatsanwaltschaft und Dezernat Staatsschutz haben Ermittlungen wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen aufgenommen.

[Dieser Artikel wurde am 6. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]