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Sächsische Rechtsextremisten nachdrücklich “auf leisen Sohlen“

Dresden. In einem als nicht-öffentlich deklarierten Bericht bilanziert das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen – mit Stand vom Juli 2006 – ein so tituliertes “Lagebild Rechts- und Linksextremismus für die Stadt Dresden“.

Während “ein Drittel der linksextremistischen Straftaten 2005 im Freistaat Sachsen … in Dresden verübt“ worden seien, käme die rechtsextremistische Szene “hingegen zunehmend auf leisen Sohlen daher“. So würde von rechtsextremistischer Seite – führt das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (LfV) aus – “versucht vor allem über Musikkonzerte und Fußballturnier die Jugend zu ködern“.

Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang vom LfV Sachsen – von den Dresdner Neuesten Nachrichten (DNN) so zitiert – besonders “die Gruppierung ’Freie Kräfte Dresden’ (auch ’Freie Nationalisten’ oder ’Freie Aktivisten’ oder ’Freie Strukturen’ genannt)“ – für aufmerksame Beobachterinnen und Beobachter der sächsischen Nazi-Szene bekannt unter dem Sammelsurium “Freie Offensive – nationalistisch – sozialistisch – revolutionär“. Diese rechtsextremistische Gruppierung – so das nicht-öffentliche Resümee des LfV – habe sich nach Selbsteinschätzung “aus den ’Rechts-Links-Kriegsschauplätzen’ zurückgezogen, um sich verstärkt der Jugendarbeit vor allem im Umland von Dresden“ widmen zu können.

Die von den DNN veröffentlichten Teile der Bestandsaufnahme des LfV Sachsen zählen darüber hinaus “rund hundert Aktive zur rechtsextremistischen Kameradschafts- und Skinheadszene“ und bewerten insbesondere die so genannten “Freien Kräfte Dresden“ sowie die “Junge Landsmannschaft Ostpreußen – Landesverband Sachsen/Niederschlesien“ als durchaus öffentlichkeitswirksam agierend.

Eine bisher vor allem von den “Freien Kräften Sachsen“ (FKS) praktizierte Wortergreifungsstrategie sei mittlerweile – so das LfV – einer angestrebten “Bürgernähe“ gewichen. Dahingehend bezieht sich der LfV-Bericht nach DNN-Angaben beispielsweise auf die aus rechtsextremistischen Kreisen initiierte so genannte “Antikapitalismus-Kampagne“. Zudem seien – offensichtlich in gewissen Zusammenhängen der Rubrik ’Bürgernähe’ angerechnet – in der Dresdner Region mehrere Skinhead-Bands wie “Sachsonia“, “Racial Purity“ und “Sence of Pride“ aktiv.

[Dieser Artikel wurde am 12. Dezember 2006 bei redok veröffentlicht.]

Braune Schwindsucht an der Elbe

Innerhalb weniger Tage büßt die sächsische NPD-Fraktion zwei Abgeordnete ein. Die weitere Entwicklung scheint offen

Nach dem Unfalltod von Ian Stuart Leichsenring, dem charismatischen Mäzen der Skinhead Sächsische Schweiz, schien in die Abgeordneten-Personalien der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag nach außen hin geordnete Ruhe eingezogen zu sein. Die unerwarteten und gleichfalls ungeordnet reflektierten Abgänge von Klaus Baier, Mirko Schmidt und Jürgen Schön aus der rechtsextremistischen Fraktion im Dezember 2005 galten pro Forma als erledigt. Die acht verbliebenen Abgeordneten suchten – so der Anschein – den noch engeren Schulterschluss. Der für Uwe Leichsenring nachgerückte René Despang fiel bei der quasi Neukonstituierung der Fraktion nicht einmal ansatzweise störend ins Gewicht – als ersatzweise Ergänzung allerdings ebenso wenig.

Der produzierte arbeitsam-geschlossene Schein leuchtete noch bis kurz nach dem durch die braune Achse Dresden-Schwerin erreichten Einzug der NPD in den Schweriner Landtag. Mittlerweile allerdings flackert das NPD-Fraktionslicht in Dresden nur noch mühsam. Die verbliebenen Leuchtreflexe zeigen unter der Tünche mehr Schatten als Licht.

Am 26. September schaffte der Immunitätsausschuss des Sächsischen Landtages in einem ersten Abstimmverfahren die Grundlage für die Möglichkeit einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung der NPD-Abgeordneten Holger Apfel, Klaus-Jürgen Menzel und Winfried Petzold. Gegen Apfel und Petzold sind Strafverfahren wegen Beleidigung, gegen Menzel wegen uneidlicher Falschaussage und versuchter Strafvereitelung anhängig. Das Landtagsplenum hob am 11. Oktober mit großer Mehrheit die Immunität der drei Abgeordneten auf.

Gut einen Monat nach seinem Immunitätsverlust ging Klaus-Jürgen Menzel dann auch noch seine Fraktionszugehörigkeit verlustig. Der bekennende Hitler-Verehrer hieß am Rande des NPD-Bundesparteitages in Berlin vor laufenden Kameras zum wiederholten Mal Adolf Hitler einen “großen Staatsmann“. Auf die geopolitisch aggressiven Ansprüche eines Herrn Menzel hatte Telepolis bereits im Juli 2005 aufmerksam gemacht: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“.

Am 14. November verkündete die NPD-Fraktion unter der Überschrift “Für saubere Verhältnisse auch in den eigenen Reihen“ den Fraktionsausschluss von Menzel. Begründet wurde dieser Ausschluss allerdings allein mit finanziellen Unregelmäßigkeiten des nunmehr fraktionslosen Abgeordneten. Fast umgehend sorgte Menzel dann am 16. November mit einer erneut eindeutig auf Hitler bezogenen Bewunderungsäußerung im Plenum des Landtages für einen weiteren Eklat. Auf Grund seiner Äußerungen ermittelt die Staatsanwaltschaft – über die bereits laufenden Verfahren hinaus – nunmehr auch wegen Volksverhetzung gegen Klaus-Jürgen Menzel.

In den Vormittagsstunden des 24. November durchsuchten Beamte auf Beschluss des Amtsgerichtes Dresden die Büroräume und die Wohnung des NPD-Abgeordneten Matthias Paul wegen des Verdachtes auf Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie. Die Immunität von Paul musste dazu nicht zwingend aufgehoben werden, da der Sächsische Landtag zu Beginn der jetzigen Legislatur richterlich angeordnete Durchsuchungen von Abgeordnetenräumlichkeiten grundsätzlich möglich gemacht hat. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) hatte zudem seine Zustimmung für die Durchsuchungen erteilt. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, sei gegen Paul hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe bereits seit einigen Wochen ermittelt worden. Beschlagnahmt wurden Rechner, Festplatten, Videos und Bücher aus dem Besitz von Paul. Bis dato wurde – jedenfalls nach Einschätzungen der Initiative Nazis in den Parlamenten – Matthias Paul “trotz seiner guten Kontakte zu militanten Neonazikameradschaften in seiner Region … eher der biederen, bürgerlichen, sachlich und skandalfrei arbeitenden Facette der NPD“ zugeordnet.

Nachdem Paul die ihm gegenüber geltend gemachten Straftatbestände als “absurd und rufschädigend“ bezeichnet und zurück gewiesen hatte, legte er noch am Abend des 24. November sein Landtagsmandat nieder und trat von seiner Tätigkeit im Kreisverband Meißen-Radebeul, sowie als Landespressesprecher und allen anderen Parteiämtern zurück.

In einer von der NPD-Landtagsfraktion verbreiteten Erklärung wurde mitgeteilt, Paul habe “gegenüber den Mitgliedern der Fraktion und des Parteivorstandes dargelegt“, dass und warum er hinsichtlich des gegen ihn erhobenen Straftatbestandes unschuldig sei. Der Entschluss zur Mandatsniederlegung sowie den Ämter-Rücktritten resultiere aus den “weltanschaulichen Positionen unserer Partei“ und diene “angesichts der ungeheuerlichen Vorwürfe“ dazu, “Schaden von der Partei abzuwenden“. Darüber hinaus beabsichtige Matthias Paul, sich “mit allen juristischen Mitteln“ gegen die erhobenen Vorwürfe zu wehren.

Wie zudem ebenfalls bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile Vorermittlungen gegen den NPD-Kreisverband Dresden aufgenommen. Ermittelt wird wegen etwaiger Verstöße gegen das Parteiengesetz hinsichtlich finanzieller Unregelmäßigkeiten bei der Kontenführung. Der gleichfalls als Sprecher der Landtagsfraktion agierende NPD-Kreis-Schatzmeister Holger Szymanski deklarierte die erhobenen Vorwürfe in einer ersten Stellungnahme als nichtig. Derweil kündigte der leitende Oberstaatsanwalt in Dresden an, gegen die drei Landtagsabgeordneten Apfel, Menzel und Petzold würde in Kürze Anklage erhoben werden. Klaus-Jürgen Menzel wurden in der Zwischenzeit durch den Landesvorstand der NPD die Partei-Mitgliederrechte entzogen. Gleichzeitig sei gegen Menzel “damit ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet“ worden.

Für Matthias Paul wird nunmehr Peter Klose “als ehemaliges langjähriges Landesvorstandsmitglied und Mitbegründer vieler Kreisverbände“ in den Sächsischen Landtag nachrücken. Klose wurde im November 2001 vom Amtsgericht Zwickau unter damaliger Zugutehaltung des Rechts auf freie Meinungsäußerung von der Anklage der Volksverhetzung freigesprochen.

[Dieser Artikel wurde am 25. November 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

Ermittlungen gegen Dresdner NPD

Dresden. Auf Grund einer nicht näher spezifizierten Anzeige hat die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen den NPD-Kreisverband Dresden aufgenommen. Geprüft werden derzeit mögliche Verstöße gegen das Parteiengesetz hinsichtlich finanzieller Unregelmäßigkeiten.

Wie die Dresdner Neuesten Nachrichten berichten, bestünde “der Verdacht, dass der Kreisverband Parteibeiträge oder Spenden auf Privatkonten zwischengeparkt hat“. Dabei handele es sich dem Anschein nach um einen Verstoß gegen die Finanzordnung, auf finanzielle Untreue deute nach gegenwärtigem Stand bisher nichts hin. NPD-Kreis-Schatzmeister Holger Szymanski – gleichfalls als Sprecher der Landtagsfraktion tätig – wies die Vorwürfe bezüglich etwaiger Verstöße gegen die Finanzordnung zurück.

[Dieser Artikel wurde am 24. November 2006 bei redok veröffentlicht.]

Im braunen Schlamm bei Pappritz

Die NPD-Postille Deutsche Stimme versuchte, ihr diesjähriges “Pressefest“ am Stadtrand von Dresden zu zelebrieren

Zum fünften Mal richtete die Deutsche Stimme zusammen mit der NPD ein so genanntes “Pressefest“ aus. Das Ziel anreisender Rechtsextremisten aller Couleur war dabei am 5. August das private Gelände eines Unternehmers kurz vor dem Ortseingangsschild von Pappritz. Der zu Dresden gehörende Ortsteil im Schönfelder Hochland verzeichnet gut 2.000 Einwohner. Sachsens amtierender Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) dürfte wohl als der prominenteste gelten. Doch weder Sachsens- noch Dresdner Polit-Obere protestierten gegen das Nazi-Spektakel. So fühlten sich Pappritzer Einwohner – abgesehen von antifaschistischem und bürgerlich couragiertem Widerstand – relativ allein gelassen mit dem, was sich da vor ihren Haustüren abspielte. Zudem im Vorfeld die CDU im Schönfeld-Weißiger Ortschaftsrat eine gemeinsame Erklärung als Zeichen gegen das Nazi-Pressefest verhindert hatte.

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(Pappritz am Abend des 4. August – Foto: O.M.)

Dabei zeigten sich die Pappritzer in ihrem Vor-Ort-Widerstand kreativ. Fast jeder Laternenpfahl im Ort trug am Morgen des 5. August Parolen gegen die Nazi-Veranstaltung. Transparente mit der Aufschrift “Pappritz ist bunt! Keine ’Rechten’ auf unserem Grund!“ überspannten die Ortseinfahrten. Größere Mengen Flugblätter wurden verteilt. Gleichzeitig parkten die Pappritzer ihren Ort teilweise selbst zu, um so anreisenden Nazis Abstellplätze zu verwehren. Dies wurde indes dadurch konterkariert, dass ein weiterer regionaler Unternehmer sein nahe gelegenes Feld als Parkplatz zur Verfügung stellte.

Bereits bei einer Informationsveranstaltung am 1. August in einem mit weit über 100 Teilnehmern überfüllten Pappritzer Gasthof artikulierte sich der Unmut der Anwohner über den Nazi-Auftritt deutlich. So erfuhr beispielsweise das Ansinnen eines Redners, die NPD-Veranstaltung doch aus demokratietheoretischen Gründen einfach einmal zu besuchen, deutlichen Widerspruch. Die Polizeidirektion Dresden hatte die Bürgerveranstaltung abgesagt. Das städtische Ordnungsamt entsandte lediglich eine Abteilungsleiterin. Die Sächsische Zeitung bilanzierte das städtische Verhalten zu Recht mit “völlig orientierungslos“.

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(Mehr oder weniger sprachlich geschliffen wurde online so eingeladen)

Der Leiter des Ressorts Rechtsextremismus beim Landesamt für Verfassungsschutz, Martin Döring, machte immerhin die Wertigkeit des Deutsche-Stimme-Pressefestes deutlich. Nach den Rudolf-Heß-Gedenkmärschen und den jährlichen Demonstrationen anlässlich der Zerstörung Dresdens sei dieses so genannte Pressefest mittlerweile die dritte rechtsextremistisch überregional bedeutsame Großveranstaltung mit enormer Binnenwirkung unter internationaler Beteiligung. Die Grundlage seiner weiteren inhaltlichen Einschätzung allerdings dürfte nur Döring selbst bekannt sein. So behauptete der Verfassungsschützer zum Ablauf bisheriger Pressefeste allen Ernstes, “erst dann, im zweiten Teil, merkt man den Rechtsextremismus“. Dabei bezog er sich auf die abendlichen Auftritte von Rechts-Rock-Bands nach den nachmittäglich eher BDM-folkloristischen Bänkeleien zur Gitarre.

Die braune Veranstaltung begann dann am 5. August mit einer Pressekonferenz. Einem Fernsehteam vom MDR wurde der Zutritt auf das Gelände verwehrt. Foto-Journalisten bekamen teilweise eine Art Leibstandarte gestellt, um missliebige Schnappschüsse unterbinden zu können. Im Mittelpunkt der Pressekonferenz stand der Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei präsentierte sich der NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs in geradezu typisch norddeutsch krachledernem Outfit. Rhetorisch nicht gerade übermäßig gewandt gelang es ihm zudem auch noch, keine politischen Inhalte zu vermitteln. Allein seine Behauptung, dass aus der sächsischen NPD-Landtagsfraktion keinerlei finanzielle Mittel zur Unterstützung für den Wahlkampf nach Mecklenburg-Vorpommern fließen würden, war ihm ein markiges “So dumm sind wir doch nicht!“ wert. Holger Apfel, derzeitiger Wahlkampfleiter im Norden der Bundesrepublik und NPD-Fraktionsvorsitzender in Sachsen, kündigte “wenig interne Saalveranstaltungen“ an. Stattdessen wolle man “den Dialog mit Bürgern“, denn “wir fühlen uns aus der Mitte des Volkes“. Apfel legt übrigens dieser Tage gerade sein Mandat beim so genannten Nationalen Bündnis im Dresdner Stadtrat nieder.

Bereits im Vorfeld der Deutschen-Stimme-Veranstaltung hatte die Initiative “Keine Geschäfte mit Nazis“ auf die Unterstützung dieses Pressefestes durch verschiedene Firmen hingewiesen. Dennoch schienen sich einige renommierte Brauereien den Umsatz nicht entgehen lassen zu wollen. Schon in den Vormittagsstunden bildeten sich zuweilen Schlangen vorwiegend kahlköpfiger Besucher an den Ständen von Landskron, Ur-Krostitzer, Warsteiner, Holsten, Krombacher und Feldschlößchen. In den Abendstunden kam es zu einer kameradschaftlichen Prügelei, Verlautbarungen zufolge wegen des Bierpreises. In Nazi-Foren ist dahingehend von rund 50 Beteiligten zu lesen. Der Polizeibericht konstatierte “tätliche Auseinandersetzungen zwischen Veranstaltungsteilnehmern mit zwei Verletzten“.

In seiner Eröffnungsrede kurz nach 12 Uhr auf der noch lückenhaft gefüllten Wiese offenbarte Deutsche-Stimme-Verlagsleiter Jens Pühse, man habe doch “erhebliche Schwierigkeiten“ gehabt, die Veranstaltung an diesem Ort vorzubereiten. Aber es seien nunmehr ja “noch Tausende Kameraden auf dem Weg nach Pappritz“. Diese Ankündigung erwies sich allerdings als bloßes Wunschdenken. Statt mit der vom Verfassungsschutz noch am 1. August prognostizierten Teilnehmerzahl von bis zu 8.000 füllte sich die Wiese bis in die späten Nachmittagsstunden mit zirka 4.500 Rechtsextremisten. Von der NPD war zuvor gar von 9.000 bereits im Vorverkauf erworbenen Eintrittskarten zu hören gewesen. “Wir haben am Eingang sehr akribisch gezählt“, erklärte der Pressesprecher der Polizeidirektion Dresden, Thomas Herbst, gegenüber Telepolis. Somit würde die angegebene Teilnehmerzahl der Realität sehr nahe kommen.

Der Eintrittspreis zum braunen Spektakel betrug 22,50 Euro an der Tageskasse. Den Pappritzern wurde mittels einer Gutschein-Aktion kostenloser Zutritt angeboten. Für Kinder bis 12 Jahre war der Eintritt generell frei. Es gab ein Extra-Kinderprogramm – “Die Hexe Ragna kommt und geht mit allen Kindern auf eine lustig-spannende Märchenreise“. Erstaunt registriert wurde vom pilgernden nationalen Jung- und Altvolk, dass die am mecklenburgischen Wahlstand angebotene “Schulhof-CD“ (Aufdruck: “GRATIS!“) nur gegen 2 Euro Spende zu haben war.

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(Foto: O. M.)

Die verzögerte Anreise der “Fest“-Teilnehmer hatte eine ihrer Ursachen in einer auf der Hauptzufahrtsstraße stattfindenden Demonstration. Gut 600 vorwiegend dem autonomen Spektrum zuzuordnende Nazi-Gegner blockierten mit ihrem Aufzug über Stunden den Straßenverkehr auf der Bautzener Straße in Richtung Pappritz. Die von der NPD eiligst verbreitete Ausweich-Anreise-Route zeigte sich aus straßenbaulichen Gründen für Busse als nicht passierbar. Im Laufe des Tages verzeichnete die Polizei mehrere Sachbeschädigungen an Bussen und PKW sowie Angriffe auf anreisende Rechtsextremisten. Dahingehend wurden Ermittlungen wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung aufgenommen.

Am frühen Nachmittag inspizierte der Staatsschutz das Gelände der mit sich selbst feiernden Nazis nach indizierten Waren und Symbolen. Allein der Schriftzug “Selbst-Schutz Sachsen-Anhalt“ würde im Nachgang ob einer eventuell rechtlichen Relevanz bezüglich des darin groß dargestellten “SS“ weiter geprüft. Weitere Verdachtstatbestände wurden auf Nachfrage von Telepolis verneint. Allerdings räumten die Staatsschutzvertreter ein, auch in Sachsen sei das Zeigen der vormaligen Thor-Steinar-Runen nicht rechtmäßig. Man habe sich zudem beim Kontrollgang auch eher auf die Verkaufsstände, denn auf getragene Textilien oder Tätowierungen orientiert.

Den Beamten scheint – über die verboten Runen in Größenordnungen hinaus – einiges nicht beachtenswert gewesen zu sein. Beispielsweise mehrere Shirt-Träger mit der aufgedruckten Darstellung einer offensichtlichen Krematoriums-Silhouette und der im Rauch der Schornsteine zu lesenden unmissverständlichen Botschaft “Friedmann hörst Du uns“. Auffällig viele Anwesende postulieren ihren wohl übergreifend gleichen Ehrentag mit “Geboren am 20. April“. “White Power“, “Wir bleiben braun“, “Eure Galgen sind schon gezimmert“ und Codes wie “168:1“ sprechen darüber hinaus eine deutliche Sprache. Gegen sieben anreisende Rechtsextremisten wurden wegen des Tragens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Strafverfahren nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch eingeleitet. Ansonsten seien, so Polizeisprecher Herbst, “bei einer Jugendschutz- und Medienstreife auf dem Veranstaltungsgelände keine Verstöße festgestellt“ worden.

Siegfried Tittmann, stellvertretender DVU-Bundesvorsitzender und Mitglied der Bremer Bürgerschaft, suhlte sich verbal nachträglich im “Donnerhall“, der während der Fußball-Weltmeisterschaft durchs Land gegangen sei – “Steht auf, wenn Ihr Deutsche seid!“ Jürgen Rieger, bekannter rechtsextremer Szene-Anwalt, hetzte gegen dunkelhäutige Menschen. Herbert Schweiger, Freiwilliger der Waffen-SS und jetziger Buch-Autor, palaverte vom “Überleben der gesamten weißen Rasse“ in einem seiner Meinung nach kurz bevorstehenden Dritten Weltkrieg – “Heil Euch!“ Derweil regnete es immer wieder länger in Strömen. Die Festwiese versank mehr und mehr im Schlamm. Der Feld-Parkplatz verschlammte ebenso und war überfüllt. Im Dorf parkende Nazis stießen auf verbal heftigen Widerspruch aus der Bevölkerung.

Kurz nach 17 Uhr endete das Bürgerfest gegen die Nazi-Veranstaltung am einige Kilometer entfernten Ullersdorfer Platz. Daran beteiligten sich rund 300 Besucher. Viel zu wenige hätten dort ihren Protest deutlich gemacht, fanden die Mitinitiatoren von Bürger.Courage und DGB. Der gleichen Meinung waren die vereinzelt anwesenden Landtags- und Stadtratsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen, Linkspartei.PDS, CDU und SPD. In Pappritz selbst veranstalteten Einwohner ein Volleyball-Turnier und widmeten dies dem Protest gegen Rechts. Abends sahen Pappritzer mit Gleichgesinnten gemeinsam den Chaplin-Film “Der große Diktator“.

Während Dunkelheit und immer heftigerer Regen über dem rechtsextremistischen Pressefest nieder gingen, stieg dort der Alkoholpegel ins teilweise Komatöse. Mehrere Teilnehmer mussten nach Polizeiangaben “wegen übermäßigem Alkoholgenuss oder Unterkühlung behandelt werden“. Andere Nazi-Gruppen durchstreiften unbehelligt den Ort, traten Protest-Plakate herunter und präsentierten hernach stolz ihren Kameraden die Beute. Fraglich bleibt, was geschehen wäre, wenn nicht die Polizei wenigstens einen Teil des zum Ende hin in stürmisch-regnerischer Dunkelheit liegenden Veranstaltungsgeländes ausgeleuchtet hätte.

Die Abreise der Rechtsextremisten nach 23 Uhr verlief ähnlich unkoordiniert wie schon die Anreise. Wobei zu beobachten war, dass ein regelrechter Home-Run vom schlammigen Gelände – aus welchen Gründen auch immer – bereits weit vor 22 Uhr noch während des hämmernden Rechts-Rocks einsetzte. Der NPD dürfte es sehr schwer fallen, Pappritz nachträglich als erfolgreiches “Pressefest“ um zu interpretieren. Und daran hat nicht allein nur das Wetter seinen Anteil.

[Dieser Artikel wurde am 8. August 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

The Great Dresden Swindle

Nicht nur eine Propagandalüge von Goebbels überdauert Jahrzehnte

Dieses Werk hat Gunnar Schubert, durchaus bekannt als KONKRET-Autor, lange umgetrieben. Es ist dem Foliant anzumerken, positiv wohlgemerkt. Denn “was ist zu Dresden nicht schon alles geklöppelt, gebatikt und gelyrikt worden“?, fragt Schubert unter der gewagten Kapitel-Überschrift “Der poetische Bombenholocaust“. Und nun – so im Geleit der Publikation – “noch ein Buch über die Bombardierung im Februar 1945 auf Dresden? Noch ein Plädoyer für oder wider die Befreiung der Welt von den Deutschen? Noch eine Berechnung der Totenzahlen, der Bombenabwurfmenge, des unermesslichen Leids derer, die es nicht gewesen sind?“.

Nach der Lektüre von Schuberts Buch lautet die Antwort: Es ist keineswegs lediglich ’noch ein Buch’ zu Dresden, ein beliebiges schon gar nicht. Denn der Autor nimmt sich detailliert und kenntnisreich vieler der zahlreichen Legenden um die Bombardierung Dresdens an – und widerlegt sie mit dem ihm eigenen schriftstellerischen System Stück um Stück. Letztendlich lässt Schubert nicht viel übrig von den Mythen deutscher Opfer der mittlerweile wieder gern so betitelten “alliierten Terrorangriffe“. Übrig bleiben allerdings historische Tatsachen, die einige so vielleicht nicht gern zur Kenntnis nehmen werden wollen. Bedauerlicherweise sind dem Buch indes weder ein Personen-, noch ein Sachregister ergänzend beigefügt worden.

Über 22 Kapitel, untersetzt mit 180 Literaturverweisen und Anmerkungen, spannt Schubert seinen mitunter sprachlich brillanten historischen Bogen. Wobei garantiert nicht alles thematisch Relevante letztlich wohl auch einbezogen werden konnte. Beginnend mit den “Lügen der Zeitzeugen“ führt der Autor dabei die Leserin und den Leser über die “Lüge von der unschuldigen Stadt“ hin zu den “Lügen der Aufrechner“ und lässt dabei die “Tieffliegerlüge“ nicht rechts liegen. Über die “Phosphorlüge“, die “Atombombenlüge“, die “Lüge von der Kunst- und Kulturstadt“, die “Lüge von den Mitwissern“ sowie die “Totalitarismuslüge“ findet der Verfasser schließlich “kein gutes Ende“ im “Tal der Erbarmungslosen“.

Denn, so Schubert an dieser Stelle: “Wer versucht die Einzelteile des Great Dresden Swindle zu sortieren, gerät in einen tiefen Sumpf von Hörensagen, Behauptungen, Oral History und der Ventilierung dieses schier undurchdringlichen Lügenkonstrukts durch Negationisten, Revisionisten und staatsideologische Propaganda. (…) Inferno, Hölle, der Tod von Dresden. So schreit und heult eine Volksgemeinschaft, zusammengehalten aus der Abwehr von Realität und Argument. Denn es mangelt ihnen, den einzigen, den wahren Opfern, nicht nur an Schamgefühl, sondern auch an Schuldverständnis (…) Die Bombardierungen, das kann nicht oft genug gesagt werden, waren nicht Ursache, sondern lediglich die vorhersehbare Wirkung, dessen, was die Deutschen wissentlich und willentlich verbrochen hatten. Mit der von der Nazi-Propaganda in die Welt gesetzten Lüge von der ’Sinnlosigkeit der Angriffe’ verhöhnen Leute wie der Ministerpräsident Georg Milbradt oder der Negationist Andreas Brie die wenigen, die tatsächlich unschuldig starben“.

Der Autor betreibt, dies sei keineswegs verschwiegen, in seinem Werk darüber hinaus unter anderem auch einen kleinen Exkurs “Was vom Antifaschismus in der DDR übrigblieb“ und betrachtet den gesamtdeutschen 13. Februar in einer “Chronologie von der Wiedervereinigung bis heute“ – so zusammengefasst von aufmerksamen Beobachtern Dresdner Ereignisse allerdings für inhaltlich noch ergänzenswert gehalten. Die Lektorin Schuberts, Marit Hofmann – von ihm ironisch als “langjährige Führungsoffizierin“ vorgestellt – steuert dem Werk einen unbedingt nicht zu vernachlässigenden Gastbeitrag “Der Tod ist ein Meister aus Dunkeldeutschland – Denkmalpflege auf sächsisch“ bei.

“Weder will der Autor eine neue religiöse Sonderbewegung initiieren, noch hofft er, den Unbelehrbaren, den Menschenfeinden innerhalb und außerhalb der Stadt, zu Einsichten zu verhelfen. Es ist in seiner Unvollständigkeit der Versuch, ’Dresden’ aus der isolationistischen Sicht herauszuholen und für ein wenig Gedankenfreiheit zu sorgen“, so das postulierte Credo des Autoren. Bei diesem durchaus als gelungen zu resümierenden Versuch überlässt es Schubert zudem auch keinen Mutmaßungen, seine eigenen politischen Ambitionen betreffend: “Erst wenn man der Lüge von der unschuldigen Stadt ein Ende bereitet, wird man denen gerecht, die wirklich unschuldig umkamen: Verfolgte des Naziregimes, Kriegsgefangene, Kinder“.

Gunnar Schubert lebt schon viele Jahre in besagter Stadt an der Elbe – mithin “in der weltlichen Vorhölle, dem Sendegebiet des MDR“ – und beweist sich mit diesem Werk als profunder Kenner der ’Dresden’-Materie. Sein Buch widmet er “denen, die gegen Deutschland und diese Deutschen, die es ihnen nie vergessen werden, gekämpft haben“. Eine Veröffentlichung, die weit über Dresden hinaus berechtigte Aufmerksamkeit erregen dürfte.

  • Gunnar Schubert. Die kollektive Unschuld – Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde. Konkret Literatur Verlag. Hamburg. 2006.

[Dieser Artikel wurde im April 2006 bei IDGR veröffentlicht. Nachpublizierung u.a. bei hagalil.com, 30. April 2006]