Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen beobachtet im Freistaat “erstmals“ Fußballfans “wegen rechtsextremer Umtriebe“, berichtet die Sächsische Zeitung am dritten September-Wochenende dieses Jahres. Dabei handelt es sich um vier Gruppierungen, in denen offensichtlich Neonazis agieren, beruft sich die Sächsische Zeitung auf eine aktuelle Darstellung von Innenminister Markus Ulbig (CDU).
Nach Angaben des Staatsministers zählen die Fan-Gruppen Scenario Lok und Blue Caps LE aus dem Umfeld des 1. FC Lok Leipzig sowie – den Chemnitzer FC tangierend – New Society/NS Boys und Hoonara zu den aktuellen Beobachtungszielen des Verfassungsschutzes in Sachsen.
(…) Sie tauchen im aktuellen Verfassungsschutzbericht nicht auf. Daraus lässt sich schließen, dass der Geheimdienst mit Ausnahme der bereits 2009 beobachteten “Blue Caps“ die Anhänger erst seit Kurzem im Visier hat (…) [Sächsische Zeitung]
(Auerswalder Blick Nord, Sommer 2012 – Foto: O.M.)
Daraus wiederum lässt sich für die Leserin und den Leser allerdings schließen, dass – mit Ausnahme der angeblich bereits 2009 beobachteten Blue Caps – die besagten Fan-Gruppierungen quasi seit vielleicht erst vorgestern mehr oder weniger existent sind.
Wie weit darf die Verarschung der öffentlichen Wahrnehmung, auch bei einem per se unterstellt gutgemeinten Ansinnen (“Kampf gegen Rechtsextremismus“, Sächsische Zeitung), durch eine landesbehördliche Institution mit bundesweiter Einbindung eigentlich von demokratischen Gremien unhinterfragt so schamlos billig plakativ betrieben werden?
P.S.: Fans aus dem Umfeld von Dynamo Dresden werden – Markus Ulbig zufolge – gegenwärtig nicht durch das LfV Sachsen überwacht. Gegen die “derzeit nicht in Erscheinung tretende Gruppierung“ Faust des Ostens läuft allerdings unterdessen ein Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (Im Fokus – Faust des Ostens).
[Dieser Artikel wurde am 16. September 2012 bei Ostfussball.comveröffentlicht.]
P.P.S.: (…) Die getroffenen Aussagen stießen beim Chemnitzer FC auf Unverständnis. Bei MDR-Online kommt heute CFC-Geschäftsstellenleiter Lutz Fichtner zu Wort, dem derzeit keinerlei Informationen vorliegen, dass der Verein oder einzelne Fans unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen würden. Im Gegenteil, die Gruppierung “Hoonara“ bestünde in ihren Strukturen bereits seit dem Jahr 2000 nicht mehr; ebenso wurde die zweite Gruppe, die “New Society“ vor drei Jahren hinsichtlich ihrer Symbolik vom Verein verboten. Gegen damalige Führungskräfte sind entsprechende Stadionverbote verhängt worden (…) [cfc-fanpage, 19. September 2012]
Wie die Sächsische Zeitung am 11. Juni berichtete, habe – wohl im Zusammenhang mit der gerade begonnenen UEFA EURO 2012 – der Co-Ausrichter Polen die sächsischen Behörden “um Unterstützung im Kampf gegen Hooligangewalt gebeten“. So sei von der polnischen Polizei ein Ersuchen zur Übermittlung von relevanten Personendaten an die entsprechenden sächsischen Dienststellen gerichtet worden.
Aus einer Antwort des Innenministeriums des Freistaates auf eine Anfrage der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen geht hervor, dass Sachsens Polizeidirektionen bis Ende Mai dieses Jahres Angaben zu 126 Personen zusammengetragen haben, die in der Vergangenheit durch wie auch immer geartete Störungen von Fußballspielen auffällig geworden sind. Offiziell gelten rund 300 Anhänger von Fußballvereinen in Sachsen – so die Sächsische Zeitung – als gewalttätig.
(Freie Fahrt? – Foto: O.M.)
Die angeblich aktuell erhobenen Datensätze seien zunächst an die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) übermittelt worden. Gegenwärtig prüfe Sachsens Polizei allerdings, “ob weitere Personendaten übergeben werden sollen“, so jedenfalls die Sächsische Zeitung, ohne Umfang und Adressaten für den Datentransfer weiter zu benennen.
[Dieser Artikel wurde am 11. Juni 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]
Aus aktuellem Anlass nachfolgend auszugsweise reflektierend einen kleinen, in einzelnen Darstellungen und Kommentierungen durchaus divergierenden, Dokumentationsstreifzug durch den mehr als weniger offiziellen Medien-Wald rund um die Razzia gegen die Gruppierung “Faust des Ostens“ (FdO) in Dresden und der sächsisch-geografischen Umgebung – nicht ohne sich allerdings vorab eines Fremdkommentars zu bedienen; aufmerksame Leserinnen und Leser werden die zusammenhängenden Gründe sehr wohl zu erkennen wissen. [OM]
… die Tatsache, dass der Pressesprecher von Dynamo den MDR nach Anfrage darauf hinweisen muss, dass FdO von den eigenen Fans aus dem K-Block gejagt [wurde], ist ein Zeugnis , dass beim MDR kein tiefgründiger Journalismus betrieben wird … (…)
-> ce @ mdr.de | 6. Juni 2012 | 10:37 |
(An der A17 bei Dresden im Frühjahr 2012 – Foto: O.M.)
(…) Bei Ermittlungen gegen die Fangruppierung “Faust des Ostens“ bei Dynamo Dresden haben die Dresdner Polizei und die Staatsanwaltschaft am Dienstagmorgen [5. Juni] in Sachsen insgesamt 17 Wohnungen und Firmenräume durchsucht. Dabei waren rund 130 Beamte im Einsatz, teilte die Polizei mit. Sichergestellt wurden vor allem zahlreiche Computer und Datenträger sowie Pyrotechnik, Spirituosen, Anabolika und ein Teleskopschlagstock (…)
(…) Betroffen waren 13 Männer im Alter zwischen 16 und 29 Jahren und eine 25 Jahre alte Frau. Sie gelten allesamt als Mitglieder beziehungsweise Unterstützer.
“Einzelne Personen, die dieser Gruppe zugeschrieben werden, haben Stadionverbot“, teilte Dynamo-Pressesprecher Enrico Bach auf Anfrage von DNN-Online mit. Ob Dynamo konkrete Namen weiterer Anhänger übermittelt bekommt, ist offen. Die Gruppe spiele im Stadion laut Bach keine Rolle mehr. Die Fansszene habe sich selbst reguliert und klar positioniert (…)
-> lvz-online.de | 5. Juni 2012 | 19:30 |
(…) Bei der “Faust des Ostens“ handelt sich um ein Netzwerk aus der Fanszene der SG Dynamo Dresden, dessen Mitglieder zum Teil rechtsextremistisch orientiert sind. Ihm rechnen die Ermittler bis zu 200 Personen zu, dem Führungskreis sollen etwa 20 Personen angehören (…)
-> sz-online.de | 5. Juni 2012 |
(…) Dynamo-Pressesprecher Enrico Bach bestätigte auf MDR-Anfrage, dass die “Faust des Ostens“ in der Dresdner Fanszene eine Rolle gespielt hat, verwies aber darauf, dass diese Gruppierung durch die aktive Fanszene selbst aus der Fankurve verbannt wurde (…)
-> mdr.de | 5. Juni 2012 | 22:26 |
(…) Die Beamten der Landes- und Bundespolizei durchsuchten ab 4.30 Uhr bis mittags allein zwölf Wohnungen in Dresden sowie weitere in Dippoldiswalde, Döbeln, Freiberg, Triebischtal und Höckendorf (…) “Wir ermitteln bereits seit Mitte letzten Jahres“, so Oberstaatsanwalt Lorenz Haase (…) Die Ermittler werteten daraufhin Strafverfahren mit Beteiligung von Dresdner Fans bundesweit aus. Ergebnis: Die “Faust des Ostens“ steht unter Verdacht, nur dem Zweck zu dienen, Straftaten zu verüben. Dazu zählen mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Beschädigungen der Stadion-Fassaden im Juli und Oktober 2011 (…)
-> Dresdner Morgenpost | 6. Juni 2012 |
(…) Festgenommen wurde niemand. Kistenweise wurden Computer, Handys, Speichermedien, Kleidung, Schals und dergleichen beschlagnahmt. Die Polizei stellte Sturmhauben, Handschuhe und Waffen sicher – drei Schlagringe, einen Teleskopschlagstock, mehr als 100 illegale LaBomba-Böller. Außerdem fanden die Beamten eine Vielzahl Spirituosen. Mit Ladendiebstählen von Schnaps und anderem, so der Verdacht, habe sich die Gruppe zum Teil finanziert (…)
(…) Nach der Razzia beginnt nun die eigentliche Ermittlungsarbeit – die Auswertung des beschlagnahmten Materials mit dem Ziel, der Gruppe nachzuweisen, dass sie eine kriminelle Vereinigung gebildet hat (…) Unklar ist, gegen wie viele Mitglieder insgesamt nun ermittelt wird.
Erstmals fiel die “Faust des Ostens“ Anfang 2010 bei Heimspielen von Dynamo Dresden mit ihrem Transparent auf – wenige Wochen nach der ersten Dresdner Großrazzia gegen mutmaßliche Fußball-Gewalttäter namens “Hooligans Elbflorenz“ im Dezember 2009 – ein Zufall? Laut Polizei gibt es Verdächtige, die beiden Gruppen zugerechnet werden. Fünf mutmaßliche Anführer der “Hooligans Elbflorenz“ stehen bereits seit August 2011 vor dem Landgericht Dresden – wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ein Ende des Prozesses ist noch nicht abzusehen (…)
-> Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe) | 6. Juni 2012 |
(…) Die Dynamo-Fans hatten bereits im Vorfeld gehandelt, allerdings im Geheimen. Nur Kennern der Dresdner Szene war aufgefallen, dass beim letzten Heimspiel die Fahne der Ultragruppierung “Faust des Ostens“ im Fanblock nicht mehr zu sehen war (…)
Die Ultras Dynamo, die Gruppierung, die die Dresdner Fankurve dominiert versteht sich selbst als unpolitisch. Damit das so bleibt, wurde offensichtlich die “Faust des Ostens“ vom rechten Rand ganz aus der Kurve gedrängt. Selbst die Internet-Seite von Faust des Ostens existiert nicht mehr. Was genau geschehen ist, darüber will der Capo der Ultras Dynamo eigentlich nicht reden: “Das ist Betriebsintern geklärt worden die ganze Geschichte. Mehr Auskunft kann ich dazu nicht geben. Das ist halt so, es muss auch Sachen geben, die unter Verschluss bleiben.“
(…) Die Dresdner Fanszene, die deutschlandweit ja über einen denkbar schlechten Ruf verfügt, hat also selbstständig das getan, was alle Fußballsozialpädagogen sich immer wünschen: Sie hat Initiative ergriffen und die Kurve selbst bereinigt (…)
Mitte Mai beantwortete das Sächsische Staatsministerium des Innern eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Sächsischen Landtag unter der Thematik “Hooligans mit besonders hoher Gewaltbereitschaft 2010“.
Dabei wurde die Frage “Wie viele Hooligans aus Sachsen werden in die Kategorie C (…) bei der ’Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze’ des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes eingeordnet?“ wie folgt beantwortet: “Aktuell werden ca. 290 Personen im Umfeld sächsischer Fußballvereine der Kategorie C zugerechnet (…)“.
(…) Die Polizei unterteilt Fußballfans in drei Kategorien: Als “Kategorie A“ werden friedliche Fans, die nur das Spiel sehen wollen, bezeichnet. Die “Kategorie B“ umfasst die so genannten “gewaltbereiten“ Fans, die nicht mit der Absicht kommen, Gewalt auszuüben, aber Aggressionspotenzial in sich tragen. Die “gewaltsuchenden“ Fans dagegen, die als “Kategorie C“ bezeichnet werden, sind an den Fußballspielen weniger interessiert als an Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und der Polizei (…) [wikipedia.org]
Auf eine weitere Teil-Frage der Kleinen Anfrage (Drucksache 5/2076), “Wie viele Hooligans stehen welchen konkreten Fußballklubs aus Sachsen nahe?“, antwortete das Sächsische Innenministerium (Aktenzeichen 31-0141.50/5449):
Den sächsischen Fußballvereinen werden durch die zuständigen Dienststellen aktuell Personen der Kategorie C wie folgt zugerechnet:
SG Dynamo Dresden – 75
1. FC Lokomotive Leipzig – 80
Chemnitzer FC – ca. 20-30
FC Erzgebirge Aue – ca. 30
FC Sachsen Leipzig – 28
FSV Zwickau – 50
Dem Umfeld des Chemnitzer FC werden zudem noch ca. 20 so genannte Althooligans zugerechnet, die bereits seit mehreren Jahren nicht mehr als Störer bei Fußballspielen in Erscheinung getreten sind.
“Kein Frieden im Fußballstadion“ beschrieb darauf folgend die Sächsische Zeitung wenige Tage nach der Veröffentlichung dieses parlamentarischen Vorgangs die bezügliche Situation im Freistaat Sachsen.
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg befand übrigens in einem Urteil Mitte Dezember 2008, dass der so genannten “Hooligan-Datei“ die Rechtsgrundlage fehle. So habe das Bundesinnenministerium eine Rechtsverordnung zu erlassen, welche die Sammlung besagter Daten regelt, stellte das Gericht damals fest. Zuvor hatte bereits im Mai 2008 das Verwaltungsgericht Hannover die Datei für rechtswidrig erklärt. “Seit Jahren speichert das Bundeskriminalamt (BKA) Informationen über Hooligans und Personen, die bei Sportereignissen, vor allem beim Fußball, auffällig geworden sind. In der Datei ’Gewalttäter Sport’, inoffiziell auch ’Hooligan-Datei’ genannt, werden inzwischen knapp 10.000 Menschen aufgelistet“ (Hamburger Abendblatt, 18. Dezember 2008).
Erst im April 2010 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe “erneut die fehlende rechtliche Grundlage der Verbunddatei ’Gewalttäter und Sport’ moniert (…) In diesem Sommer wird sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Datei ’Gewalttäter und Sport’ befassen. Nach den Karlsruher Urteilen spricht manches dafür, dass auch das Bundesverwaltungsgericht die Datei für rechtswidrig erklärt“ (spiegel.de). Aktuellen Angaben zufolge umfasst die bundesweite Datei “Gewalttäter und Sport“ mittlerweile zirka 11.000 Einträge.
[Dieser Artikel wurde am 25. Mai 2010 bei Ostfussball.comveröffentlicht.]
Auf einer Konferenz am 4. Februar in Dresden wurde für den sächsischen Freistaat durch Vereine, das Innenministerium und den Fußballverband ein deutlicher Rückgang von Krawallen in Fußball-Stadien bilanziert. Allerdings könne diesbezüglich längst noch keine Entwarnung gegeben werden, wurde seitens des Innenministers, Markus Ulbig (CDU), betont. Darüber hinaus sieht Klaus Reichenbach, Präsident des Sächsischen Fußballverbandes (SFV), besagtes Problem “noch nicht aus der Welt“. Besonders die Oberliga werde weiterhin als Sorgenkind gesehen – “dort wo auch bei Ortsderbys klassische Rivalitäten ins Spiel kommen“. Dahingehend oder überhaupt konkret zu beziffernde Fallzahlen des bilanzierten Berichtszeitraumes wurden allerdings nicht öffentlich vorgelegt – lediglich angeblich aktuelle Angaben zu gewalttätigen Fußball-Fans publiziert.
So habe sich deren Anzahl bei einigen Vereinen mittlerweile reduziert. Beispielsweise wären beim 1. FC Lokomotive Leipzig in der Saison 2006/2007 noch 300 Fans der “Kategorie B“ gelistet gewesen, derzeit seien noch 200 erfasst worden; die “Kategorie C“ enthalte statt vormals 150 noch 80 Personen. Beim FC Sachsen Leipzig werden 60 “B“’ler und 30 “C“’ler, beim FC Erzgebirge Aue 200 “B“’ler sowie 30 “C“’ler und beim Chemnitzer FC neben 80 Fans der “Kategorie B“ ebenso 60 in der “Kategorie C“ verortet. Sachsenweit die meisten Gewalttäter würden aus dem Umfeld der SG Dynamo Dresden stammen, mit registrierten 500 “B-Fans“ und 75 “C-Fans“.
In der amtlich offiziösen Einteilung gelten in der “Kategorie A“ Menschen als friedliche Fans, die nur das Spiel sehen wollen. Die “Kategorie B“ umfasst die so genannten “gewaltbereiten“ Fans, die nicht mit der Absicht kommen, Gewalt auszuüben, aber Aggressionspotenzial in sich tragen. In der “Kategorie C“ wiederum werden die “gewaltsuchenden“ Fans erfasst, die weniger an den Fußballspielen als an Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und der Polizei interessiert sind – eine eher starr schablonenhafte Kategorisierung größerer Personengruppen. Die Polizei, so jedenfalls ein Fazit der Dresdner Konferenz, bleibe “in Sachsens Fußballstadien auch künftig der ’zwölfte Mann’“.
[Dieser Artikel wurde am 4. Februar 2010 bei Ostfussball.comveröffentlicht.]
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