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Frau Lengsfeld sandmännchend. Irgendwas …

… und irgendwas ist ja immer.

Vielleicht ist Vera Lengsfelds Vita der Einen oder dem Anderen durchaus bekannt. Eine Auskennerin in der pipapolitischen Materie, irgendwie. Einst so in der DDR geheißen bürgerbewegt, später leicht grünlich angefärbt, urplötzlich weiter christdemokratisch unterwegs und hernach wohin auch immer – Deutschland einig Vaterland, und darüber hinaus?

Immerhin eine Frau aus dem Osten der jetzigen Bundesrepublik Deutschland, sich pipapolitisch – und darüber hinaus – auskennend. Könnte Frau oder Mann denken. Und vielleicht denken das einige auch. Anyway.

Urplötzlich entdeckt nun aktuell Frau L. ihr wohl längst tief schlummerndes Vibrieren für härtere Musik-Klänge – Rammstein halt, in Berlin, sonstwo, überhaupt.

Wie auch immer geartete Wokeness treibt Frau Lengsfeld ja dabei bestimmt nicht um – weil: “Den woken Medien wird nicht mehr geglaubt“ [V.L.].

In ihrer eigenen Blog-Postulierung  “Rammstein: Bösen Zungen glaubt man nicht“ (19. Juli d. J.) – verschiedentlich verlinkt, bei MeyView.com mit Absicht nicht – zitiert Frau L. uralte Rammstein-Texte vor sich hin, längst bekannt, aber Holla, die Waldfee – “’Manche führen, manche folgen’. Man kann sich entscheiden“ [V.L.].

Und Vera Lengsfeld – ihr anti-wokes Weltbild nun auch musikalisch neu entdeckend, oder was auch immer – kann interpretieren, auf ihre Art.

“(…) Es gibt noch mehr Bezug zur Herkunft dieser Ostband. In ’Die Puppe’, wird die Qual vernachlässigter Kinder thematisiert. Wenn die Schwester früh zur Arbeit geht, wird der Bruder mit einer Puppe im Zimmer eingeschlossen. Mir fiel sofort das 50er-Jahre-Lied ’Wenn Mutti früh zur Arbeit geht, dann bleibe ich zu Haus’ ein (…)“ [V.L.).

Aus ihrer scheinbar, wie gesagt urplötzlich, innerlich entdeckten Vibration für härtere Musik-Klänge, wie wohl Rammstein, folgt die Erkenntnis “(…) Bei ’Hier kommt die Sonne’ kann man grübeln (…)“.

Eine Frau aus dem Osten der jetzigen Bundesrepublik, sich pipapolitisch – und darüber hinaus – auskennend, wie unterstellt behauptet, grübelt halt auch zuweilen.

Post Scriptum: Möge dieses Zitat von V. L. zu einem uralten Rammstein-Text ebenda so stehen bleiben.

(vera-lengsfeld.de, 19. Juli 2023 – Screenshot: O.M.)

“Nun, liebe Kinder, gebt fein Acht“? – Das Sandmännchen aus dem DDR-Fernsehen gibt leicht irritiert an Pittiplatsch in den Märchenwald weiter.

Im Gegensatz zum ’lediglich’ singend klingenden Sandmännchen konnte Pitti einst wenigstens, zwar systemunterdrückt, aber immerhin, sprechen – und kann es auch heutzutage noch.

(Screenshot Twitter: O.M.)

Und beim Sandmännchen wiederum singsangt es nach wie vor weiterhin …

… aber irgendwas ist ja immer.

Pittiplatsch lebt …

… und zum aktuell 60. Geburtstag des Sandmännchens – Godfather of good Night – gönnte ihm Judith Kochendörfer bei Inforadio rbb sogar einen eigenen, klitzekleinen, Sidekick.

“(…) Das DDR-Kinderfernsehprogramm war überschaubar, aber hochwertig. Über Jahrzehnte hielt sich der Sandmann als einflussreichste Kindersendung einsam an der Spitze. Auch nach der Wende hat er nichts von seinem Kultcharakter eingebüßt. Bis heute sind das Männlein mit dem Spitzbart und seine Nebenfiguren Ikonen: Herr Fuchs, Frau Elster, die Ente Schnatterinchen, der Kobold Pittiplatsch, dieses ameisenhafte Wesen aus zwei braunen Kugeln mit Augen und Armen dran, und Moppi, der durchgeknallte Hund (…)“

[“Für uns Ostkinder war der Sandmann quasi Familienmitglied“, rbb24.de, 22. November 2019]

Ja, der “Nonkonformist … Outlaw aus dem Märchenwald“ (PPQ) – Pittiplatsch, der Liebe – ist unvergessen, lebendig nach wie vor, hier und da – mit besonderen Grüßen in die Pitti-Ruhmeshalle Politplatschquatsch.

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MedienScreen # 101 [DDR-Märchenwald. Die Akte Bummi.]

[Fundstück] “Tatort Märchenwald: Die Verbannung des Bummi“, politplatschquatsch.com, 25. September 2012 –

ppq_maerchenwald

Er war einer der ersten, die nach dem 2. Weltkrieg ein neues Zuhause im Märchenwald fanden. Der Bär Bummi, ein brummiger, sandgelber Kerl, leistete dem Meister Nadelöhr Gesellschaft, der die fröhlichen Kinder der Arbeiter und Bauern der sozialistischen DDR ab Ende der 50er Jahre immer Sonntagsnachmittag “Zu Besuch im Märchenland“ empfing. Erst der liebenswerte Plüschteddy mit dem großen Herzen bereitete das Feld für Schnattchen und Pittiplatsch, der 1962, kurz nach dem Mauerbau, in einem offensichtlichen Westpaket in die Schneiderstube kam, um systemerhaltende Streiche zu spielen und Rock-Roller-Sprüche wie “Ach, du meine Nase“ und das später durch PPQ weltweit bekanntgewordene “Platsch-Quatsch!“ in die Kamera zu sagen.

Dennoch war es nicht der Kobold, den der Bannstrahl traf. Pittiplatsch, bis heute Namensgeber eines der elaboriertesten Internetblogs, wurde nach Protesten von sozialistischen Pädagogen zwar für einige Zeit vom Sender genommen und hinter den Kulissen auf zahm umerzogen. Heiligabend 1962 durfte der runde schwarze Fex wieder Possen reißen und Schnatterinchen ärgern – nur wenige erkannten, dass der, der da wieder Faxen machte, ein gebrochener Mann war, ein Schatten seiner selbst. Ihm zur Seite gestellt worden waren nun die Kobolde Nickeneck, Drehrumbum der Runde und Wuschel, drei Figuren von großer Undurchsichtigkeit. Waren sie Spitzel, die auf ihn angesetzt wurden? Waren sie seine Betreuer, weil den Machthabern der labile Zustand Pittis nicht entgangen war und sie einen öffentlichkeitswirksamen Ausfall des Stars fürchteten?

Oder hatte Pitti selbst bei der Stasi unterschrieben? Entsprechende Gerüchte machten früh die Runde, konnten aber nie belegt werden. Doch der Ablauf der weiteren Ereignisse im Märchenwald spricht eine deutliche Sprache: So lange der gebürtige Wenigeröder Eckart Friedrichson, der in der Rolle seines Lebens den Nadelöhr gab, seine schützende Hand über die Märchenwäldler hielt, ging alles gut. Fröhlich sang er mit seiner großen Zauber-Elle, die als Ersatz für eine Gitarre diente, das Lied “Ich komme aus dem Märchenland“, kein leiser Hauch von kaltem Krieg wehte durch Studio.

Doch hinter den Kulissen, so behaupten Eingeweihte, schraubten die Realpolitiker längst an einer völligen Neuorientierung der kindlichen Sendung, der sie vorwarfen, zu wenig auf Klassenkampf zu setzen, die Völkerfreundschaft zu vernachlässigen und Anarchisten wie Pittiplatsch zu viel Raum zugeben. Mit Herrn Fuchs wurde von den maßgeblichen Kreisen in Pankow und Moskau ein typischer Vertreter des auf dem Boden der DDR endgültig geschlagenen Kleinbürgertums in die Wald-WG aufgenommen. Fuchs sollte als Zielscheibe für böse Späße Adenauer ersetzen. Der Hund Moppi kam als typischer Vertreter des Proletariats hinzu – er redete nicht viel, aber Blödsinn. Zeigte aber stets deutlich, dass er bereit war, die Sache der Arbeiter mit aller Kraft zu verteidigen. Gute Voraussetzungen für eine große Karriere nicht nur im Showgeschäft.

Dann kam der Tag, an dem Bummi-Bär starb. Ein Rollkommando aus Wünsdorf fuhr unangekündigt vor den Märchenwald-Studios in Babelsberg vor. Augenzeugen erinnern sich an sieben bis neun Männer in Uniformen der sowjetischen Fallschirmjägertruppe, eine Eliteeinheit, die für den KGB besonders knifflige Aufgaben erledigte. Während zwei Mann die Eingänge sicherten, so ein Zeitzeuge, seien die anderen in die Aufenthaltsräume der Darsteller gestürmt. “Dort wurde Bummi knallhart gepackt und rausgeschleift“, erinnert sich der Mann, der bis heute unter traumatischen Träumen wegen des Vorfalls leidet. Der in einem Lied besungene (“Bummi, Bummi“, oben) Star wurde stellvertretend abgestraft, vermuten Forscher heute, wo Stasiakten, die PPQ vorliegen, zumindest die halbe Wahrheit verraten.

Es soll eine Intervention von ganz oben, sprich aus Moskau gewesen sein, die zu dieser Aktion führte. Bummi verschwand spurlos. Eckhard Friedrichson verkraftete es nicht. Das Herz. Meister Nadelöhr, seit seiner Kindheit an Diabetis erkrankt, starb völlig unerwartet, für eine ganze Generation endete mit diesen beiden Verlusten die Kindheit. Das Ende der DDR, es deutete sich bereits an. Im Herbst danach folgte die Biermann-Ausbürgerung, später gingen auch Manfred Krug und Nina Hagen in den Westen, um nicht ebenfalls wie Bummi in die Sowjetunion verschleppt zu werden.

Den Feinden des Friedens im Märchenwald aber kam das nur recht. Hintergrund der Disziplinierungsaktion gegen Bummi, so wurde es später bei einer geheimen Parteiversammlung mitgeteilt, seien Hinweise darauf gewesen, dass der altgediente Bär mit seiner Rolle als Sidekick der dominanten Schnattchen und Pitti nicht mehr zufrieden gewesen sein. Bummi sei in Kreise geraten, die der DDR nicht wohlgesonnen gewesen seien, der Verdacht der Spionage und des Dissidententums habe im Raum gestanden, heißt es in den Stasi-Unterlagen, die von Mielke selbst gegengezeichnet wurden.

Gemeinsam mit der Stasi-Kinderabteilung entwarf der KGB den Plan, Bummi “zu seiner eigenen Sicherheit“ nach Moskau zu bringen. Offiziell wurde dann über den Sender erklärt, der beliebte Bär sei auf Reisen im sozialistische Ausland, um Freundschaft mit Bären aus aller Welt zu schließen. Die Lücke im Märchenwald schloß sein bärbeißiger sowjetischer Vetter Mischka, ein hochrangiger KGB-Offizier mit Einzelkämpferausbildung, der bis zum Ende der DDR tatsächlich mit Drohungen und zuweilen auch blanker Gewalt für stabile Verhältnisse im Märchenland sorgte. Gemeinsam mit Pittiplatsch und Schnatterinchen trat der alptraumhafte, dunkelhaarige Bär, der nach dem Chef der DDR-Auslandsaufklärung Mischa Wolf benannt worden war, auch in hunderten Ausgaben des Abendgrußes “Unser Sandmännchen“ auf. Noch laufen wissenschaftliche Untersuchungen, um zu ermitteln, welche Langzeitschäden die dauernde Konfrontation mit dem wortkargen Russen bei den Kindern verursacht hat.

Bummi hingegen, für viele ahnungslose DDR-Kinder immer noch ein Idol, wurde allenfalls zu hohen staatlichen Feiertagen aus seinem Moskauer Exil zugeschaltet. Er sagte dann ein paar Worte, Kenner spürten, dass er zuvor unter Drogen gesetzt worden war. Nach dem Mauerfall gab es einige hilflose Versuche des talentierten Plüschriesen, in sein altes Metier zurückzukehren. Keiner glückte. Heute lebt Bummi, immer noch schwer bewacht, inzwischen aber auch leicht umnachtet, in einem Heim für verdienstvolle Kulturschaffende der Sowjetunion in Wladiwostok. Interviewbitten von PPQ wurden von der Heimleitung ohne Begründung abgelehnt.

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Mit Dank & Gruß an PPQ und dortselbst im Original.

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MedienScreen # 89 [DDR-Märchenwald. Pittiplatsch, Schnatterinchen, Mischka. Geheimnisse?]

[Fundstück] Stefan Schwarz, “Pitti kam aus Afrika“, schwarzleser.de, 18. Oktober 2010 –

[…] Kurz gesagt geht es mir um den Nachweis, dass die Charaktere des DDR-Kinderfernsehens Problemlagen und Gruppenkonflikte des Ostens zwar im Puppenformat aber ansonsten völlig unverhüllt darstellten. Genauer gesagt: Was da jeden Abend über den Bildschirm flimmerte, war ein realistischer Spiegel der Gesellschaft, gegen die jede Prenzlberger Untergrund-Lesung wie eine Grußadresse ans Politbüro wirken musste. Dass die Oberen dessen nie gewahr wurden, kann man nur dem professionellen Tunnelblick der Parteizensoren zuschreiben, der – wie der Betrunkene seinen Schlüssel unter der Laterne – seine Feinde immer nur dort suchte, wo er sie üblicherweise zu finden hofft. Was also verkörperten die Figuren des DDR-Abendgrußes?

Pittiplatsch

Pittiplatsch wird immer als Kobold bezeichnet. Das ist nicht nachvollziehbar. Ein oberflächlicher Blick auf Begriff und Bild des Kobolds in der germanischen Mythologie zeigt, dass keinerlei Ähnlichkeiten bestehen. Tatsächlich ist Pittiplatsch von außerordentlich dunkler Hautfarbe, hat eine runde Nase und große leuchtende Augen (die Ähnlichkeit mit dem ehemaligen mosambiquanischen Präsidenten Samora Machel geht ins Doppelgängerische), trägt eine saucoole Pelzweste, wie sie später verständlicherweise von der afroamerikanischen Rapperszene (vgl. Piff Diddy) übernommen wurde. Wenn man jetzt dazu noch weiß, dass Pittiplatsch Anfang der 1960er plötzlich bei Meister Nadelöhr auftaucht, also in der Zeit der intensiven Kontaktaufnahmen zwischen dem sozialistischen Lager und den afrikanischen Befreiungsbewegungen drängt sich der Schluss auf, dass Pitti mitnichten ein Kobold sondern vielmehr ein zu Ausbildungszwecken in die DDR verschickter Afrikaner ist. Ethnisch gesehen ist Pittiplatsch wahrscheinlich ein Bantu. Mit Pitti (vermutlich von Suaheli “Pitia“ = “Vorbeikommen“) kommt Jahre vorm westdeutschen Gastarbeitermitfühl-Hit “Griechischer Wein“ die Migrantenproblematik im (ost!)deutschen Fernsehen zur Sprache. Denn Pittiplatsch erweist sich selbst als außerordentlich schwer integrierbar. Obschon er versucht, sich äußerlich seiner deutschen Umgebung anzupassen (Filzpantoffeln!), verleitet ihn seine typisch afrikanische Impulsivität und sein Hang zu Schabernack immer wieder zu Disziplinverstößen und sehr undeutschen Eigenmächtigkeiten, um die sich die Großzahl aller Märchenwaldgeschichten drehen. Ein weiteres Indiz seiner afrikanischer Abkunft ist sein ausgesprochener Familiensinn. Anders als die meisten deutschen, sonderbar verwandtenlosen Märchenwaldbewohner (ein Hinweis auf die zerrissenen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West?) hat Pittipatsch eine ausgedehnte Familie von ähnlich pflichtvergessenen, der protestantischen Leistungsethik abgewandten Radaubrüdern und -schwestern, die er mindestens einmal im Jahr besucht.

Schnatterinchen

Im scharfen Kontrast zu Pittiplatsch steht Schnatterinchen: Eine gelbe, damit – wie das Federkleid verrät – noch sehr junge, aber schon sichtbar korpulente und unaufgefordert altkluge Ente. Schnatterinchen, das fleischgewordene Hausbuch, die gegen alles, was spannender ist als Aufräumen und Stühlehochstellen, erhebliche Bedenken trägt, zeigt den jungen Fernseh-Zuschauern drastisch, was aus einem werden kann, wenn man die sozialistischen Moralgebote wirklich verinnerlicht. In ihrer demonstrativen Fadheit steht Schnatterinchen für einen asexuellen FDJ-Kreisleitungstypus, der auf die Beschränkungen des real existierenden Sozialismus reagiert, in dem er seine Individualität quasi wegpackt, und im hegelschen Sinne lieber “heiß auf Langeweile“ wird. Es ist sicher diesem abtörnenden Role Model zu verdanken, dass sich die allermeisten Mädchen in der DDR später dafür entschieden, keine “Schnattchen“ zu werden, wie die öde Flauschente in Kurzform hieß, sondern lieber “Schnittchen“.

Mischka

Die Ersetzung der braven deutschen Teddyfigur Bummi durch den russischen Schwarzbären Mischka Anfang der 70er Jahre, macht nun auch den Vorschulkindern klar, dass der Kurs Walter Ulbrichts, die DDR aus dem Status eines Satellitenstaates des russischen Kolonialreichs herauszuführen, auf der ganzen Linie gescheitert ist. Gleichsam mit der von Moskau beförderten Amtseinführung des gehorsameren Honeckers erscheint in der Parallelwelt des DDR-Abendgrußes der Bär Mischka als russischer Beobachter, der seine aufreizende dramaturgische Überflüssigkeit gar nicht zu verbergen sucht. Mischka, der Bär ohne Eigenschaften, der entbehrbare Bär, ist nicht auf Abenteuer und Geschichtchen aus. Er soll den Märchenwaldbewohner nur als Erinnerung dienen, dass es nicht nur den lustigen ostdeutschen Märchenwald gibt, sondern auch weniger lustige, aber dafür ausgedehnte boreale Nadelwaldzonen jenseits des Urals mit sehr unkomfortablen Barackensiedlungen.

[…] Natürlich ist diese kleine Soziologie des DDR-Abendgrußes unvollständig […]