Archiv der Kategorie: FoundPieces

MedienScreen # 296 [OliveGreen does not wilt any further?]

[Fundstück] “Was bleibt von den Grünen übrig?“, Peter Heimann, Kommentar, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 17. Oktober 2022 –

(…) Nach ihrem Bonner Parteitag ist klar, der Sonnenblume werden zwar wichtigste Wurzeln gestutzt (…) – aber alles ohne viel Tamtam und teils sogar gepriesen.

Nun ist es ja nicht dumm, eigene politische Träume an der rauen Wirklichkeit zu messen (…) Aber die Vehemenz, mit der sich grüne Ex-Zivis zu Waffenexperten qualifizieren, erstaunt ebenso wie manche Argumente für die grünen Zeitenwenden (…)

(…) Das zeugt von einer gewissen Beliebigkeit, je nach Perspektive Pragmatismus oder eben Opportunismus (…)

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Notabene – Der Zitator [OM] ist, als damals amtierender Stadtrat in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden sowie Regionalbüroleiter einer Bundestagsabgeordneten, – einen Tag nach dem Bielefelder ’Kriegsparteitag’ 1999 – einst aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgetreten.

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MedienScreen # 295 [Truth?]

[Fundstück] “Zitate zur Zeit …“, politplatschquatsch.com, 20. September 2022 –

Die Wahrheit! Was ist die Wahrheit? Die Wahrheit kann viele Schattierungen haben. Sie kann von den Umständen abhängen. Ich habe schon zu viele Wahrheiten erlebt.

Meist sind es die Umstände – Anschauungen, die zu einer gewissen Zeit in einer gewissen Gesellschaft Gültigkeit haben -, welche Wahrheit und Recht bestimmen. Und nicht oder nur selten – viel zu selten – allgemeingültige, beständige moralische Werte.

Vielleicht sehen Sie das anders. Vielleicht leben Sie in einer besseren Welt, vielleicht haben Sie nur die Kulissen betrachtet.

(’Mark Caine’ – in “Die Akte Coreolanus“, so zitiert @ PPQ)

[Mit Dank & Gruß an PPQ und dortselbst im Original.]

MedienScreen # 294 [What the Hell …?]

[Fundstück] Sibylle Berg, “Wir machen uns die kurze Zeit auf der Welt zur Hölle“, SPIEGEL ONLINE, 2. Juli 2022 –

(…) Beraubt jeden Gefühls einer angenommenen Sicherheit beobachten viele, wie die Welt sich trotz all der wunderbaren Digitalisierung zurückentwickelt. Keine neuen Formen des Zusammenlebens werden probiert, auch nicht die Idee eines neuen ökonomischen Systems – außer dem Siegeszug des Kapitalismus, welchen Namen von “Turbokapitalismus“ bis “Neofeudalismus“ man ihm auch geben mag (…)

Mit flackernden Nerven schlagen so viele um sich, süchtig nach dem kurzen Triumph des Sich-im Recht-Fühlens. Die meisten fühlen sich betrogen um ihre Ruhe, ihre Gewohnheiten, Rechte und Sicherheit und kämpfen gegen das große Gefühl der Sinnlosigkeit an. Der letzte Kampf, das letzte Aufbäumen der traumatisierten Massen ist nicht gegen die Ungerechtigkeit gerichtet, die Menschen nach ihrer Verwertbarkeit für die Märkte unterteilt; gegen die Gesetze, die Milliardären ein Steuerschlupfloch nach dem anderen bescheren und SchwarzfahrerInnen in den Knast bringen.

Der Kampf gilt jenen, die in der gleichen Ohnmacht nach einer Bedeutung suchen wie man selbst. Doch wie sollte man zuhören auf der sinkenden Titanic, wenn man angeschrien wird? (…)

Wie schön, wären die Menschen (…) altmodisch und würden wieder miteinander reden. Dem Ende unserer Zeitrechnung, das ich vermute – das durch jahrelange Fehlentscheidungen, einen drohenden Weltkrieg, unfähigen Regierungen, die genauso ratlos scheinen, wie wir alle, beschleunigt wird – in schöner Eintracht beizuwohnen, das klingt erfreulich.

MedienScreen # 293 [Far from Retired? Pittiplatsch.]

[Fundstück] “Pittiplatsch: Des Widerspenstigen Zähmung“, politplatschquatsch.com, 17. Juni 2022 –

(…) Hässlich, frech, schwarz und aus dem Osten, ungeachtet dessen aber laut und widerspenstig. Ein Migrant, dem das Land abhanden gekommen ist, kinderlos, aber selbst auch im hohen Alter noch ein Kind. Ein Punk, ein brauner Bomber, ein Glatzkopf mit der Stimme einer Krähe, bewundert, verachtet, geliebt und missbraucht. Das alles ist Pittiplatsch, eine Symbolfigur für das Überleben unter ungünstigsten Umweltbedingungen (…)

Dabei war die Karriere des Pittiplatsch, dem seine Schöpfer wie in kolonialen Zeiten durchweg üblich die Vergabe eines Nachnamens verwehrt hatten, schon zu Ende, als sie gerade erst begonnen hatte. Kurz nach dem Mauerbau ins Fernsehstudio geschoben, um die Stimmung im Volk mit systemerhaltenden Streichen, Rock-Roller-Sprüchen wie “Ach, du meine Nase“ und das später durch PPQ weltweit bekannt gewordene “Platsch-Quatsch!“ zu heben, flog Pitti, wie ihn seine Pupp*innenkolleg*innen in einer typisch ostdeutschen Verniedlichungsform nannten, nach Protesten besorgter Pädagogen wenig später schon wieder raus.

Ein frühes Opfer der damals noch jungen Cancel Culture, die in jenen Jahren der sozialistischen Zensur erst so grob entwickelt war, dass ihre Kinderschuhe es nicht vermochten, die Laufbahn des Bildschirmrebellen dauerhaft zu stoppen. Schon Heiligabend 1962 durfte der runde schwarze Fex wieder Possen reißen und Schnatterinchen ärgern – ein Stellvertretender aller Machos, Zyniker, Herrenwitzanhänger, den seine sagenhafte Herkunft aus einem Geschlecht von Kobolden, die seit alters her in einem sagenhaften Koboldland leben, vor jeder Kritik schützte. Pittiplatsch durfte das, denn er war Pittiplatsch (…)

Zu seinem 60. ist Pittiplatsch angekommen im neuen Deutschland, das in so vielen kleinen Dingen an das Land erinnert, aus dem er kommt. Auch dort wurde Kaisergeburtstag für Kunstfiguren gefeiert, die man sich eigens zu diesem Zweck sorgsam ausgedacht hatte. Auch dort durfte mitfeiern, wer seine Gängigkeit unter Beweis gestellt hatte, die Freundschaft zum großen Bruder war wichtig, der gemeinsame Kampf gegen Abweichler und daher gerade dieser Pittiplatsch, der das nonkorforme Element darstellte, den Markus Wolf, den Manfred Krug, den Jürgen Fuchs und Wolf Biermann im Puppenkörper, kantige Geschmeidigkeit, die richtige Grundüberzeugung, aber wandelbar wie die eines SPD- oder CDU-Politikers in der Russlandfrage.

Sein Denkmal hat der prototypische Deutsche, der Pittiplatsch längst geworden ist, bereits bekommen (…) Aus dem echten, abgelebten Frontschwein so vieler verbaler Schlachten mit Schnatterinchen, dem Tschekisten Mischka oder dem womöglich russischen Hund Moppi wurde ein weicher, wolliger Plüsch-Pitti, eine West-Figur mit feinem Pelz und falschen Zähnen, mit einer gelifteten Stimme und gekämmtem Haar. Diese Nachgeburt ist es, die nun überall gefeiert wird, als sei sie nicht längst gebrochen, ein vom System gezähmter Widerspenstiger, der nur noch seine Hofnarr-Rolle spielt, ohne sie wirklich zu fühlen.

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[Mit Dank & Gruß an PPQ’Pittis Geist wohnt hier’ – und dortselbst im vollständigen Original.]

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MedienScreen # 292 [Camouflage in OliveGreen. Arrived?]

[Fundstück] Sabine Rennefanz, “Militarisiert sich Deutschland gerade selbst?“, SPIEGEL ONLINE, 9. Juni 2022 –

(…) Dieselben Menschen, die einen früher in den sozialen Medien mit einem “Soldaten sind Mörder“ anbrüllten, wenn man die kostenlosen Bahnfahrscheine für Bundeswehrsoldaten verteidigte, brüllen jetzt jeden Zweifel an Waffen nieder und feiern die Aufrüstung der Bundeswehr. Auch der Wortschatz von Menschen, die für ihre sensible Sprache bekannt waren, ändert sich. “Die kann richtig was“, schwärmte zum Beispiel Wirtschaftsminister Robert Habeck (…) bei Maybritt Illner. Er sprach von der Panzerhaubitze 2000. Der Ex-Zivi klingt ein bisschen wie das Werbevideo von der Bundeswehr. Ja, was kann die Panzerhaubitze? “Wenige Geschütze erzielen eine immense Wirkung“, heißt es auf dem YouTube-Kanal der Bundeswehr. Zu “Game of Thrones“-Klängen rollt die Panzerhaubitze über leere Felder und feuert Schüsse ab, am Horizont taucht Rauch auf. Keine Toten, keine Verletzten. Sauber! (…)

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Notabene – Der Zitator [OM] ist, als damals amtierender Stadtrat in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden sowie Regionalbüroleiter einer Bundestagsabgeordneten, – einen Tag nach dem Bielefelder ’Kriegsparteitag’ 1999 – einst aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgetreten.

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