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Hooligans Elbflorenz: BGH-Urteil im Medien-Spiegel

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 22. Januar dieses Jahres sein Urteil (3 StR 233/14) im Verfahren gegen die Hooligans Elbflorenz verkündet, dem zufolge Hooligan-Gruppen nunmehr grundsätzlich als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können.

Das Landgericht Dresden verurteilte am 29. April 2013 fünf Männer wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, teilweise auch Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Die Angeklagten standen seit 24. August 2011 vor Gericht. Durch die Staatsanwaltschaft wurden sie beschuldigt, die Hooligans Elbflorenz gegründet und zahlreiche Gewalttaten in Zusammenhängen mit Fußballspielen von Dynamo Dresden angezettelt zu haben. Die Verteidigung der Beschuldigten war nach dem Dresdner Urteilsspruch vor dem BGH in Revision gegangen.

Nachfolgend streift der Blick, keinesfalls mit Anspruch auf Vollständigkeit, auszugsweise ein wenig durch den Medien-Wald und reflektiert durchaus divergierende Darstellungen sowie Kommentierungen rund um das Karlsruher Urteil. [om]

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(Foto: O.M.)

(…) Feste Hooligan-Gruppen können als kriminelle Vereinigungen angesehen und ihre Mitglieder damit härter bestraft werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Die Richter erklärten, für die Einstufung reiche es aus, wenn sich die Gruppen zu Massenschlägereien verabredeten und träfen. Zur Begründung hieß es, dass Körperverletzung selbst mit Einwilligung der Beteiligten sittenwidrig und strafbar sei (…) [mdr.de].

(…) Der BGH musste im konkreten Fall darüber entscheiden, ob die Verurteilung von fünf mutmaßlichen rechtsextremen Hooligans Bestand hat. Die Dresdner “Hooligans Elbflorenz“ – sie gilt als härteste und schlagkräftigste Gruppierung in Deutschland und traf sich oft sich nach den Spielen von Dynamo Dresden – war 2013 vom Landgericht Dresden als kriminelle Vereinigung eingestuft worden (…) Bei drei Angeklagten hoben die Richter das Urteil zwar zum Teil auf – das Landgericht muss deren Strafen neu bemessen -, grundsätzlich allerdings bestätigte der BGH das Urteil aus Dresden (…) [sueddeutsche.de].

(…) “Weil die Gruppierung der Angeklagten gerade auch auf die Ausübung von Tätlichkeiten im Rahmen von Schlägereien ausgerichtet war, bestand ihr Zweck und ihre Tätigkeit daher in der Begehung strafbarer (gefährlicher) Körperverletzungen“, heißt es im dem BGH-Urteil. Körperverletzung – auch bei freiwilligen und geplanten Zusammenstößen verfeindeter Hooligan-Gruppen – sei sittenwidrig und strafbar (…) “Diese kleine Gruppe hoch aggressiver Täter lebt unter dem Deckmantel des Fußballs ihre archaischen Gewaltfantasien aus“, sagte Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP): “Jetzt kann die Polizei gegen solche kriminellen Vereinigungen viel massiver und wirkungsvoller vorgehen.“ (…) [spiegel.de].

(…) Die 2009 aufgelösten “Hooligans Elbflorenz“ sind eine kriminelle Vereinigung gewesen, stellte der BGH (…) fest. Ziel sei es gewesen, Schlägereien zu organisieren und zu begehen. Der BGH bestätigte damit ein Urteil des Landgerichts Dresden und dem Grundsatz nach die Verurteilung von fünf Hooligans. Bei drei Angeklagten muss das Landgericht Dresden jedoch die Strafe noch einmal neu ermitteln (…) [sz-online.de].

(…) Die schweren Ausschreitungen gegen Döner-Imbissstuben in Dresden nach dem EM-Halbfinale Türkei–Deutschland 2008 rechneten die Strafrichter des BGH (…) nicht der kriminellen Vereinigung zu. Hier seien nur diejenigen zu verurteilen, die einen Tatbeitrag leisteten. Deshalb wurde das Urteil zur neuen Strafzumessung teilweise aufgehoben und an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dresden zurückverwiesen (…) [tagesspiegel.de].

(…) Das BGH-Urteil hat weitreichende Konsequenzen für alle Hooligan-Gruppen in Deutschland. Auch sie müssen nun damit rechnen, dass sie als kriminelle Vereinigungen eingestuft werden, wenn sie sich regelmäßig mit anderen Hooligan-Gruppen zu organisierten Schlägereien treffen (…) [tagesschau.de].

(…) Nun kann die Mitgliedschaft in einer Hooligan-Gruppierung oder auch nur deren Unterstützung mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Außerdem können die Ermittler die Telefone der Verdächtigen überwachen und die Vereinigung kann verboten werden (…) [dw.de].

(…) Eine kriminelle Vereinigung ist laut Strafgesetzbuch eine Gruppe, “deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen“ (129 StGB). Schon die bloße Mitgliedschaft kann mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe sanktioniert werden. Konkrete Straftaten müssen nicht nachgewiesen werden (…) [swp.de].

(…) Manche Paragrafen des Strafgesetzbuchs (StGB) genießen unter Juristen keinen guten Ruf; das Renommee des § 129 StGB, der die Bildung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung unter Strafe stellt, ist besonders schlecht. Das liegt vor allem an der Unbestimmtheit seines Tatbestands und damit an seiner Anfälligkeit für Überdehnung (…)

Ein weiteres Beispiel für den weiten Anwendungsbereich des § 129 StGB hat jetzt der Bundesgerichtshof geliefert und die einschlägige Verurteilung von Hooligans bestätigt. In ihrem Fall lässt sich das wohl begründen, denn immerhin haben sich die Täter ausdrücklich zur Schlägerei verabredet. Aber ist das eine kriminelle Vereinigung? Von Anfang an hat den § 129 StGB der Juristenwitz begleitet: Steuerberater, GmbH-Geschäftsführer und Rechtsanwälte werden vor einer Zusammenkunft gewarnt – sie könnte den Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung begründen [berliner-zeitung.de].

[Dieser Beitrag wurde am 23. Januar 2015 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

FCH vs. SGD – MDR spielt mit Pyro

Das Drittliga-Spiel am 29. November zwischen dem FC Hansa Rostock und der SG Dynamo Dresden (1:3) wurde von Schiedsrichter Daniel Siebert vor 20.500 Zuschauern im Ostseestadion für mehrere Minuten unterbrochen, die Mannschaften in die Kabinen geschickt. Live beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) sowie Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) waren die Ursachen für die Spielunterbrechung höchstens zu erahnen und wurden von den jeweiligen Reportern in eher holperiger Bildsprache beschrieben.

Beide Sendeanstalten zeigten sich durch die Münder ihrer Berichterstatter betroffen von der Vorgängen auf den Rängen und ließen unisono erklären, derart Geschehnissen keine Bühne bieten zu wollen. Unter dieser Art von Selbstzensur – vorab von den Redaktionen offenbar angewiesen – wurde von den beiden öffentlich rechtlichen Sendern der Bildungsauftrag folgend quasi mehr als nur ernst genommen, so als ob es kein Twitter, Facebook oder YouTube geben würde.

Besonders ernst nahm und nimmt augenscheinlich der MDR seinen Bildungsauftrag auf der ostdeutschen Straße der globalen Unwissenheit. Nein, nein, nein, den Chaoten bieten wir keine Plattform, so etwas zeigen wir nicht – fast stakkatoartige Kommentierungen der Spielunterbrechung in Rostock. Solche Bilder, so der unterstellte Tenor, sollen die Menschen draußen im Land – Berichterstattungspflicht hin oder her – gar nicht erst zu sehen bekommen. Und sich dabei vielleicht etwa auch noch eine eigene Meiniung bilden? Ne, ne, ne – da spielt der MDR nicht mit, ganz so als ob es kein Twitter, Facebook, YouTube oder Online-Foren aller Couleur geben würde, abgesehen von Sport- und Nachrichtensendungen anderer Fernsehanstalten.

Doch der MDR wäre nicht der Mitteldeutsche Rundfunk, wenn er nicht unnachgiebig um seinen Bildungsauftrag, für eine unabhängige und objektive Berichterstattung kämpfen würde. Und dem kommt der Sender schließlich aller folgsamen Selbstzensur zum Trotz doch noch mehr oder weniger schöpferisch – Achtung! Überraschung! – bei Facebook nach und lässt dortselbst Sport im Osten beinahe zeitgleich zur eigenen Beschneidung der Live-Übertragung eine gut anderthalbminütige Sequenz pyrotechnischer Ergüsse auf den Rängen des Ostseestadions vorführen [Link zum Video].

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(Screenshot: O.M.)

also im tv zeigt ihr es extra nicht aber hier??? scheinheiliges pack!!!” [Chris von Bullysen @ Facebook].

Danke MDR, für so viel aufrecht seriöse ‘Berichterstattung’.

“In einer von skandalösen Umständen begleiteten Partie hat der FC Hansa Rostock den Befreiungsschlag im Kampf gegen den Abstieg aus der 3. Liga verpasst”, bilanzierte sueddeutsche.de nach dem Spiel – und Gründe, dieser Einschätzung zu widersprechen, finden sich kaum welche.

Post Scriptum –

“(…) wir haben aktuell von der Polizei ‘ne Meldung ‘reinbekommen. Es soll aus den Reihen der Dresdner Fans Steinwürfe gegen Polizisten gegeben haben, Scheiben gingen offensichtlich zu Bruch (…)” [René Kindermann, Sport im Osten, 16:30 Uhr-Sendung des MDR am 29. November].

Herr Kindermann? Hallo? Welche Polizeimeldung aufgrund welcher journalistischen Überprüfung interpretierten Sie da vor laufender Kamera in die Welt hinaus?

Doch nicht etwa vorab die der Polizeiinspektion Rostock, in der es dann mit Datierung auf 19:14 Uhr letztendlich unter anderem heißt: “Im Anschluss an das Spiel haben mehrere Hundert Personen, die dem Fanspektrum des Vereins Hansa Rostock zuzurechnen sind, in der Hans-Sachs-Allee Polizisten sowie Gebäude mit Steinen beworfen. Anschließend begaben sich circa 70 Personen vor das Gelände der Polizeidienststelle in der Ulmenstraße. Durch Steinwürfe wurden mehrere Fensterscheiben beschädigt. Insgesamt 55 Störer konnten durch die Polizei festgesetzt werden. Bei allen erfolgte eine Identitätsfeststellung”.

Nachfragen wird ja wohl erlaubt sein. Antworten Sie auch, Herr Kindermann?

Post Post Scriptum –

Und noch einmal der Deutlichkeit halber – “(…) Nach dem Schlusspfiff kommt es im Umkreis des Stadions zu Ausschreitungen. Etwa 70 Hansa-Fans bewerfen auf dem Platz der Freiheit Polizisten mit Steinen (…)”. Diese Mitteilung der Ostsee-Zeitung wurde online auf 17:00 Uhr terminiert. Sport im Osten beendete seine Sendung rund eine Erdzeitstunde später …

[Dieser Artikel wurde am 29. November 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Marco Bertram – Gespräch zwischen den Welten

Seit einigen Tagen nun ist die Publikation “Zwischen den Welten“ von Marco Bertram auf dem Büchermarkt. Karsten Höft merkte in einer der ersten und in seiner zugegeben ’subjektiven Rezension’ zu der Veröffentlichung unter anderem an: “Das Buch mixt amüsant und spannend die persönliche Entwicklung einer ganzen (Fan-)Generation locker mit fußballerischen Fakten. Für mich steht das Buch als Synonym für die Entstehungsgeschichte von turus.net und warum Marco und ich das hier eigentlich machen: die Liebe zum Spiel mit all seinen Facetten auf und neben dem Platz. Als ’fettes Teil’ würde Marco sein Werk selber bezeichnen und das ist es wahrlich: 1.322 Gramm, 368 Seiten, 300 Fotos komplett in Farbe sprechen eine eindeutige Sprache“ (turus.net, 8. Oktober 2014).

Noch ein Fußball-Buch mehr also? Nur ein Fußball-Buch mehr also?

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(Foto: O.M.)

Aus gegebenem Anlass der Buchveröffentlichung sprach Stephan Trosien (NOFB Shop) mit dem Autor von “Zwischen den Welten“.

Nachfolgend wird dieses Gespräch auszugsweise dokumentiert –

[S.T.] Moin Marco, die vergangenen Monate haben wir hart an Deinem Erstlingswerk ‘Zwischen den Welten’ gearbeitet. Wie zufrieden bist Du mit dem Ergebnis und hast Du bereits erste Reaktionen bekommen?

[M.B.] Ein fröhliches ‘Moin’ zurück. Ich bin überaus zufrieden. Vor einem Jahr hätte ich es nicht erwartet, dass mein erstes Fußballbuch solch ein aufwändig gestalteter Brocken mit dermaßen vielen Fotos wird (…) Das Buch in gedruckter Form in den Händen zu halten, war ein herrliches Gefühl. Das letzte Jahr war wirklich hart. Ich stand – glaube ich – kurz vor dem totalen Burnout. Es ging ja nicht nur ums Schreiben – das tue ich jeden Tag auf turus.net -, sondern vielmehr schlauchte es, so tief in manche Dinge aus der Vergangenheit einzusteigen. Im Buch steckt quasi fast mein ganzes Leben (…) Und die ersten Reaktionen? Überaus erfreulich. Mein Umfeld zeigt sich sehr erfreut über die Tatsache, dass turus-Marco – in manchen Foren noch als Sambamarco bekannt – endlich was auf Papier gebracht hat.

[…]

[S.T.] Wie hast Du eigentlich die Veränderungen in den Fankurven in den vergangenen 24 Jahren wahrgenommen?

[M.B.] Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Schnell spricht man von der ‘guten alten Zeit’, doch Anfang der 90er war es nicht nur geil. Es gab auch viel Tristesse, halbvolle Stadien, verdammt ungemütliche Kurven an einem regnerischen Novemberabend. Die Fans waren meist unorganisiert. Solche knackige Märsche wie in der Gegenwart hätte ich mir damals gern gewünscht. Der Mob rannte damals ins Stadion, trank etliche Pilsetten, pöbelte auf Teufel komm raus. Klar, es war auf eine Art herrlich und unbeschwerlich (…) Fußballfans hatten keine Lobby, galten meist nur als Assis und Proleten. Die junge Generation ist heutzutage gut strukturiert. Da kann man teilweise nur den Hut ziehen. Sie mischen sich ein in die Vereinspolitik, kämpfen für ihre Rechte, für alte Vereinsembleme, kämpfen an gegen Unrecht und verschaffen sich Gehör. Was allerdings den Sicherheitswahn und die kommerziellen Auswüchse betrifft – da wird mir manchmal einfach nur schlecht. Kein Wunder, dass ich mich in den unteren Ligen wohler fühle.

[…]

[S.T.] Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?

[M.B.] Da gibt es einige Dinge. Stopp des Neubaus von gesichtslosen 0815-Stadien. Manch ein Gästeblock in der ersten und zweiten Bundesliga ist auch ein reiner Witz. So wie in der Alten Försterei – so muss das sein. Gäste sollen sich als Gäste fühlen – und nicht als notwendiges Übel, das man in einen Käfig in der äußersten Ecke oder auf den dritten Oberrang verfrachtet. Und ja, weniger Polizei! Klingt platt, ist es aber nicht. Was für sinnlose Aktionen ich sehen durfte in all den Jahren! Tausende Polizisten bei einem Fußballspiel. Ein totaler Irrsinn (…) Der Fußball wird nie ohne Polizei auskommen, doch das überaus martialische – und teilweise auch provokante – Auftreten manch einer Einheit muss nun wirklich nicht sein. Ich könnte mich jetzt in einen Rausch schreiben. Doch stopp, das ist ein weiteres Buch wert. Ich ergänze an dieser Stelle nur noch: Eintrittspreise im Fußballoberhaus runter! Erhalt der eingetragenen Vereine – echtes Mitspracherecht für Mitglieder beziehungsweise Fans! Solchen Konstrukten wie RasenBallsport Leipzig Einhalt gebieten. Mit einem vernünftigen Vereinsnamen und einem echten Logo, hätte man halbwegs mit leben können. Doch in dieser Form, ist es schwer, ein Befürworter solcher Vereine zu werden …

[S.T.] Gibt es eigentlich Stadien und Regionen, die Du unbedingt noch bereisen möchtest?

[M.B.] Schnell kristallisierte sich in den 90ern heraus, dass ich mich auf den Britischen Inseln, in Brasilien, auf dem Balkan und in Polen am wohlsten fühle. Die eine oder andere zukünftige Fußballtour darf mich gern in diese Gegenden führen. Untere Ligen in England – ein Projekt für die nahe Zukunft. Aber eines ist klar: Ich bin offen für manch eine Tour, doch tagelang in Nachtzügen zu pennen, die Nächte in Ruinen, in Parkanlagen und gammeligen Bahnhöfen zu überbrücken – aus diesem Alter bin ich raus. Ich hatte reisetechnisch so ziemlich alles ausprobiert – und ich hatte manches Mal mehr Glück als Verstand gehabt. Einige Touren waren nicht ohne – Kusshand nach oben, dass ich hier noch heil dasitzen darf und euch diese Zeilen schreiben darf.

[nofb-shop.de, 10. Oktober 2014]

Post Scriptum: Chapeau, Marco Bertram!

[Dieser Beitrag wurde am 10. Oktober 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

* Trailer zum Buch “Zwischen den Welten – Adrenalin pur: Fußball von 1990 bis 2014″ von Marco Bertram (YouTube, 23. September 2014)

Blickfang Ultra: Saisonrückblick 2013/14

Zum zweiten Mal nach 2013 präsentiert sich das aktuell saisonrückblickende Heft von Blickfang Ultra (BFU) im auffälligen A4-Format – insgesamt viermalig erschien nunmehr bereits diese durchaus aufwendig gestaltete Print-Publikation.

“(…) Der Aufwand, der hinter einem solchen Projekt steckt, ist wirklich enorm und motivieren kann phasenweise einzig und allein der Blick auf das letztjährige Resultat. In der Tat war ich selten zuvor so stolz auf ein Machwerk wie dieses. Und genau aus diesem Grund verwundert es doch etwas, dass die Bereitschaft zur Mithilfe bei einigen Gruppen beständig zu sinken scheint. Waren es in der vergangenen Saison noch 46 Gruppen, so sind wir aktuell bei nur noch 41. Einige sind neu hinzugekommen, andere abgesprungen (…)“ [Mirko Otto, “Salut!“ im Heft].

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Beim saisonalen 2010/11’er Rückblick präsentierten sich sieben und für die Saison 2011/12 acht Ultra-Gruppen aus dem ostdeutschen Raum in den BFU-Heften, 2012/13 gaben neun ostdeutsche Gruppierungen ihr Statement ab. Im BFU-Saisonrückblick 2013/14 kommen die folgenden zehn alphabetisch aufgelisteten Vertretungen zur Wort und Bild –

BLOCK U # 1. FC Magdeburg

“Das Gefühl, nach langer Zeit einmal wieder ernsthaft konkurrieren zu können, war Balsam für die gescholtenen Seelen der Clubfans.“

ERFORDIA ULTRAS # FC Rot-Weiß Erfurt

“Am Ende setzte die Ernüchterung ein – Platz zehn in der Liga und eine zerschmetternde Derbyniederlage im Pokalfinale warfen alles, was sich Verein und Fans das Jahr über gemeinsam aufgebaut hatten, über einen Haufen.“

HORDA AZZURO # FC Carl Zeiss Jena

“Plötzlich wurde offensichtlich, was in den Tagen seit der MV mehr oder minder verdrängt wurde. Die Stimmung in den eigenen vier Gruppenwänden war an einem Jahrhunderttief angekommen, nicht Wenigen war plötzlich zum Heulen zu Mute.“

RED KAOS 97 # FSV Zwickau

“Abgesehen von den steten Fahrten nach Berlin im gefühlten Zwei-Wochen-Takt, konnte nun endlich mal wieder in ’gute Gegner – schlechte Gegner’ unterschieden werden und so waren es vor allem die ’Bumskicks’, einstmals unsere Stärke, die jetzt für gelangweilte Gesichter und daraus resultierende Lethargie im Block sorgten.“

SAALEFRONT # Hallescher FC

“Engagement ist im Regelfall eine eher naturgegebene Sache, die die Leute selbst mitbringen müssen … früher oder später trennt sich eben doch die Spreu vom Weizen, so zeigt es uns die Erfahrung aus vielen Jahren Ultraszene.“

ULTRAS BFC # BFC Dynamo

“Das Ziel war ein gemeinsamer Block mit einer entsprechenden stimmlichen Stärke. Wir wollten gemeinsam den in unseren Augen ausbaufähigen Support bei den Heimspielen der letzten Jahre verbessern. Differenzen und Bedenken wurden aus dem Weg geräumt und der eigene Schatten übersprungen.“

ULTRAS CHEMNITZ # Chemnitzer FC

“Ja, auch die primitiven, rechtsoffenen, dauerbesoffenen und irgendwie im Jahr 2002 feststeckenden Ultras Chemnitz (sind jetzt alle Klischees angesprochen worden?) blicken wieder zurück auf die letzte Saison und während halb Ultra-Deutschland gelangweilt weiterblättert, freut sich der Rest auf die erquickenden Erlebnisse von Asi-Ronny und seinen 40 Säufern. Nun gut, den Gefallen wollen wir euch tun, also legen wir mal – wie immer – direkt mit einem Blick auf das sportliche Geschehen rund um den Chemnitzer FC los.“

ULTRAS DYNAMO # SG Dynamo Dresden

“Abgesehen von einigen Ausreißern nach oben war es eine durchwachsene Saison. Zwar behielt der K-Block bei den meisten Spielen die Oberhand in Sachen Lautstärke und Geschlossenheit, es darf aber nicht der Anspruch sein, sich am Gegner zu messen.“

ULTRAS GERA 99 # BSG Wismut Gera

“15 Jahre Ultras Gera: ein kleines, großes Jubiläum, und das (bisher) ganz ohne die gebührenden Feierlichkeiten. Was stimmt da nicht in Gera und bei UG 99?“

WUHLESYNDIKAT # 1. FC Union Berlin

“Wir werden uns in Zukunft wohl noch intensiver mit dem Thema Vereinsarbeit auseinandersetzen müssen, um die geschaffenen Werte und die Fankultur des 1. FC Union zu bewahren.“

So weit, so gut, betrachtet man die jährlich steigende Beteiligung aus ostdeutscher Sicht – plus Eins, plus Eins, plus Eins – am BFU-Projekt.

Gleichwohl wird seitens der Herausgeber, wie allerdings fast schon bei jeder Veröffentlichung der Saisonrückblicke, erneut aktuell wiederum die Frage gestellt, “ob es zukünftig überhaupt noch Sinn macht, das Projekt auch im kommenden Sommer zu stemmen. Aus derzeitiger Sicht natürlich noch gar nicht zu beantworten, mal schauen und abwarten, was die Zukunft so bringt. Jetzt aufzugeben und dem schnelllebigen Internet das Feld zu überlassen, wäre aber ja auch eigentlich doof und entspricht nicht dem Naturell eines Ultras …“ [Mirko Otto, “Salut!“ im Heft].

Blickfang Ultra Saisonrückblick 2013/14 ist zwar schon Ende Juli dieses Jahres veröffentlicht worden, ein Blick in die Publikation lohnt sich aber ganzjährig – und dokumentarisch darüber hinaus sowieso. Die aktuelle Broschüre ist bei einem Händler des eigenen Vertrauens durchaus noch erhältlich. Schade, wenn es nächstsaisonal nicht mehr so sein sollte.

[Dieser Artikel wurde am 8. Oktober 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

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Live-Fußball: 3, 2, 1 … MDR

Manche Zuschauerin und mancher Zuschauer mag sich doch etwas verwundert die Augen gerieben haben, als die Live-Bilder von der Begegnung FC Rot-Weiß Erfurt gegen RasenBallsport Leipzig über den heimatlichen Bildschirm flimmerten oder via Livestream auf dem Bildschirm des Rechners zu sehen waren. Aber warum?

Ja, da waren Menschen zu sehen. Fußballerisch beschäftigte Menschen auf dem mehr oder weniger grünen Rasen des Steigerwaldstadions – und zuschauende Individuen auf den Traversen. Sogar ziemlich gut besucht war augenscheinlich diese Begegnung in der 3. Liga am 8. Februar in Erfurt, wenn denn den Live-Bildern zu trauen war. Aber wem kann heute schon noch vorbehaltlos getraut werden …

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(Erfurt, 8. Februar 2014 – Foto: YouTube.com)

Und so sucht sich der informationshungrige Mensch der heutigen Zeit gern noch eine zweite Quelle, um vielleicht wenigstens annähernd Gewissheit zu erlangen, oder sich eben einfach nur mehrquelleninformiert eine eigene Meinung von den Geschehnissen bilden zu können. Beim Stand von 2:0 für die rasenballerischen Red-Bull-Artisten ist das Spiel gegen Ende sowieso so gut wie gelaufen, da lohnt sich vielleicht nebenbei – quasi mit dem Schlusspfiff von Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus – auch einmal ein Blick auf die blanke Statistik der Begegnung.

Erstaunlicherweise erblickte da der geneigte informationshungrige Mensch, die Live-Bilder des MDR aus Erfurt noch vor dem inneren Auge, neben dem Ticker zum Spielverlauf, den Aufstellungen der beiden Mannschaften und den Torschützen auch eine doch etwas ominös erscheinende Zahl, nämlich die der Zuschauer …

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(Screenshot: O.M.)

… der Mitteldeutsche Rundfunk live ist schon etwas ganz Besonderes.

“RW Erfurt hat das mitteldeutsche Derby gegen Aufsteiger und Neuling RB Leipzig verloren. Vor der Saisonrekordkulisse von 11.240 Zuschauern siegten die Messestädter im Steigerwaldstadion mit 2-0 und kamen damit zu ihren ersten Punkten im neuen Jahr“, so die News auf rot-weiss-erfurt.de – und mittlerweile stimmte dann auch bei mdr.de die Zuschauerzahl.

Gut, dass dem MDR so ein kleiner Lapsus zum ersten Mal passiert, ansonsten könnte ja die gebührenzahlende mitteldeutsche Seh- und Hörgemeinde leicht noch mehr verwirrt werden …

[Dieser Artikel wurde am 9. Februar 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]