Archiv der Kategorie: ReftLight

Dokumentation – Football without politics?

Die Frage geistert schon längst und immer wieder durch die Stadionkurven. Spätestens 2004 in einen öffentlicheren Fokus gerückt, einst aktuell, heute aktueller, und morgen?

Aus permanent gegebenen Anlässen der Nachwelt, auszugsweise dokumentarisch, durchaus erhaltenswert –

(…) Eine schier endlose Debatte – früher im Fanpulk und am Stammtisch, heute oftmals in Internetforen: Viele Fußballfans versuchen durch die Losung “Keine Politik im Stadion“ politische Einflüsse jeder Art von sich zu weisen (…) Egal ob links oder rechts – Hauptsache gemeinsamer Vereinssupport. Diese Meinung scheint sich seit jeher durchzusetzen (…)

Aber was bedeutet das? Komplett hinter der Vereinspolitik stehen? Fan-Repression unterstützen, die der Verein zulässt? Das wäre doch Quatsch. Noch dazu ist da die Frage, ob solch eine Ignoranz rechten Haltungen bis hin zu Gesängen nicht doch Tür und Tor öffnet – und langfristig gesehen auch den neonazistischen Nestbauern (…)

(…) Wenn es politisch ist, seine Aufmerksamkeit oder sein Hirn am Stadioneingang abzugeben, dann sollten Fans nicht davor zurückschrecken, es reinzuschmuggeln, nur weil der Begriff verteufelt ist (…)

(…) Auch das Private ist und wirkt politisch. “Football without politics“ ist demnach eine verfängliche Losung, die am besten mit ”Fußball ohne Nachdenken“ übersetzt werden sollte.

[Michael Eichener, “Keine Politik im Stadion? – Über das Politische im so genannten Unpolitischen“, in: “Ballbesitz ist Diebstahl“, BAFF (Hrsg.), Verlag Die Werkstatt, 2004]

MedienScreen # 239 [Venceremos! Virtuell? And so on?]

[Fundstück] Margarete Stokowski, “Hass-Stürme im Netz – Solidarität muss bedingungslos sein“, SPIEGEL ONLINE, 31. Dezember 2019 –

(…) das Internet ist kein verwunschener Wald. Die Dinge, die hier passieren, folgen bestimmten Regeln, nur dass die Regeln vielen nicht bekannt sind. Nazis sind nicht so kreativ, ihre Einschüchterungsversuche haben immer wieder dieselbe Dynamik. Und doch stehen einzelne Menschen, Redaktionen, ArbeitgeberInnen oft völlig gelähmt vor dem Spektakel, wenn erneut jemand betroffen ist (…)

(…) Hass im Netz ist keine Magie, aber selbst wer sie für ein mystisches Spektakel hält, sollte wissen, dass es eine Art Gegenzauber gibt: bedingungslose Solidarität und aktive Unterstützung der vom Hass Betroffenen (…)

Gremlizas Express stops. Something remains.

Aus gegebenem Anlass noch einmal hervor gekrämert

“(…) in einem Land, dem Peter Alexander der deutsche Frank Sinatra war und Helene Fischer wahlweise als Erbin von Marlene Dietrich oder die deutsche Streisand gilt, ist nichts unmöglich (…)“ [’gremlizas express’, konkret, 1/2016]

* Hermann L. Gremliza, 20. November 1940 – 20. Dezember 2019 *

(…) Wie groß die Lücke ist, die Hermann L. Gremliza (…) hinterlässt, lässt sich in etwa abschätzen an seiner Kolumne “Gremlizas Express“ auf der letzten Seite jeder “Konkret“-Ausgabe. Hier demonstrierte der glühende Karl-Kraus-Verehrer eindrucksvoll, dass linkes Denken nicht nur eine Frage der richtigen Haltung, sondern auch der richtigen Sprache ist. Gremliza war ein linker “Waldorf & Statler“ in Personalunion (das schlagfertige Seniorenduo aus der “Muppets Show“), der sich beißend und reißerisch von seiner Empore der Selbstgewissheit herunter über seine Zeitgenossen lustig machen konnte. Und, zum Leidwesen der Kritisierten, darin auch meist recht behielt (…)

Hermann L. Gremliza hinterlässt der Nachwelt ein gewaltiges Werk. Tröstlich allein ist, dass er nun wieder mit dem 2013 verstorbenen Satiriker Horst Tomayer, ein langjähriger Weggefährte aus “Konkret“-Zeiten, vereint ist. Wo immer sich die beiden jetzt auch befinden, können sie dort ihr politisches Comedy-Duo “Sehr gemischtes Doppel“ wiederaufnehmen.

[“Stachel im Fleisch der deutschen Linken“, Andreas Busche, Der Tagesspiegel Online, 24. Dezember 2019]

(…) Während die Frankfurter Straßenkämpfer Joschka Fischer und Thomas Schmid heiße Zähren um die im Gefängnis sterbenden Kombattanten von der RAF vergossen, zog Gremliza dem Sentiment die messerscharfe Analyse vor: “Ulrike Meinhofs Weg in den Untergrund begann, als Sozialdemokraten einen Goebbels-Referenten zum Bundeskanzler wählten.“ So nämlich hob sein Nachruf auf seine Vorgängerin in der konkret-Chefredaktion an.

Wie Ulrike Meinhof brillierte Gremliza als Kolumnist und mähte mit seinem messerscharfen Verstand alles nieder, was rechts von ihm stand und dumm genug war, sich öffentlich zu äußern (…)

[“Freibeuter mit messerscharfem Verstand“, Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung Online, 23. Dezember 2019]

(…) Man konnte sich an Gremliza reiben. Doch wenn man sich auf ihn einließ, konnte man aus dem Streit mit ihm lernen oder unterhalten werden. Nur ein Beispiel: Obschon Gremliza nie einen echten Shitstorm erleben musste – dafür war konkret einfach nie digital genug -, lieferte er mit “Stürmerscheiße“ das passende Vokabular dafür. Welch Eleganz (…)

[“Der polemische Bourgeois“, Alexander Nabert, taz.de, 23. Dezember 2019]

“Die Wahrheit ist immer konkret“ (Wladimir Iljitsch Uljanow).

(Screenshot Twitter: O.M.)

MedienScreen # 236 [Bernd Höcke. Helau?]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Wo nicht die Banane, sondern die Republik matschig ist“, SPIEGEL ONLINE, 5. Dezember 2019 –

(…) Geschichte wiederholt sich nicht. Deshalb ist es auch ziemlich egal, ob man Herrn Höcke “Faschist“ nennen darf, was jetzt manche Antifaschisten gerne tun, vor allem im Fernsehen, in der kindlichen Hoffnung, dann würden “die Menschen“ sagen: Ja wenn das so ist!, und wieder SPD wählen oder wenigstens AKK. Dabei übersehen sie, dass Herr Höcke nicht gewählt wird, obwohl er Faschist ist, sondern weil er es ist. Und dass Herr Höcke sich nicht wie Rumpelstilzchen in der Luft zerreißt, wenn man seinen geheimen Namen herausgefunden hat. Die heutige Jugend jeden Alters glaubt leider an Zauberwörter und denkt, “Faschismus“ sei, wenn man Juden hasst, albern spricht und Antifaschisten zusammenschlägt. Das täuscht (…)

– Nachschiebsel –

“Der Mann heißt Bernd, ich weiß das aus der ’heute-show’“ [Hans-Ulrich Rülke (FDP), Landtag von Baden-Württemberg, Oktober 2017].