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Rechtsextreme Schulstunden

Pirna. Die sächsische NPD konnte ihren Landesparteitag – begleitet von Protesten – in einem Beruflichen Schulzentrum der Kreisstadt abhalten. Der Demokratieauffassung der Rechtsextremisten folgend war allerdings nur ein Teil dieser Partei-Veranstaltung öffentlich.

Nach einem wochenlangen Rechtsstreit zwischen dem Landkreis Sächsische Schweiz und der NPD Sachsen ermöglichte letztendlich ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen die Durchführung des NPD-Landesparteitages am 4. März in der Aula des Berufsschulzentrums für Technik in Pirna. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Parteiengesetz. In dem Verfahren wurde die sächsische NPD durch den vormaligen stellvertretenden Parteivorsitzenden der “Republikaner“, Björn Clemens, vertreten. Über ein eventuell zukünftig geltendes generelles Nutzungsverbot für parteipolitische Veranstaltungen in Einrichtungen mit entsprechender Trägerschaft berät der Pirnaer Kreistag erstmals in der Woche nach dem nunmehr stattgefundenen NPD-Parteitag, politisch also für diesen expliziten Fall zu spät.

Im Vorfeld der relativ kurzfristig bekannt gewordenen NPD-Versammlung verwies die Pirnaer Aktion Zivilcourage auf die offensichtliche Verlogenheit der NPD, welche “einerseits die auf einer demokratischen Verfassung basierenden Rechte dieses Landes ständig einfordert“, andererseits hingegen aber “mit ihrer menschenverachtenden rechtsextremen Programmatik auf die Abschaffung dieser demokratischen Gesetzgebung“ abzielt.

Der Einzug der rund 150 NPD-Parteitagsteilnehmer, darunter nach Augenzeugenberichten Aktivisten der verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) sowie unter der Bewachung durch die Security des so genannten Selbst-Schutz Sachsen-Anhalt, wurde durch Proteste von gut 120 engagierten Bürgerinnen und Bürgern begleitet. Als Redner traten Landrat Michael Geisler (CDU), Pirnas Oberbürgermeister Markus Ulbig (CDU), der DGB-Vorsitzende (Dresden-Oberes Elbtal) Ralf Hron, die Pfarrer Martin Staemmler-Michael (Lohmen) und Christian Fleischer (Pirna) sowie Andrè Hahn (Linksfraktion.PDS im Sächsischen Landtag) auf.

Gegen Mittag demonstrierten – nachdem ihnen der Protest direkt vor dem Berufsschulzentrum in Pirna-Copitz von Polizeikräften verwehrt worden war – gut 50 Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen den NPD-Versammlung durch die Pirnaer Innenstadt.

Nach Medienberichten bestätigten die 75 Delegierten des NPD-Parteitages den bisherigen Landesvorsitzenden Winfried Petzold mit 86 Prozent der abgegebenen Stimmen im Amt. Als Stellvertreter ebenso wiedergewählt wurden Holger Apfel, Johannes Müller und Helmut Hermann. Beisitzer des aktuellen Landesvorstandes sind nunmehr Alexander Delle, Frank Rohleder, Andreas Storr, Arne Schimmer, Hartmut Gliemann, Torsten Hiekisch, Jürgen W. Gansel, Kathrin Köhler, Jens Schilling, Carmen Steglich und Wilko Winkler. Neuer Vorsitzender des NPD-Landesschiedsgerichtes wurde Harald Zander, als seine Stellvertreterin wurde Brigitte Lauterbach bestimmt. Die Medien-Öffentlichkeit wurde kurz nach den Wahlen der Landes-Vize-Vorsitzenden von der NPD-Versammlung ausgeschlossen. Bis in die Abendstunden des 5. März schwieg die NPD-Sachsen selbst auf ihrer Homepage zum Verlauf ihres Parteitages. Schließlich vermeldeten die Rechtsextremisten dann doch noch einen aus ihrer Sicht “erfolgreichen Landesparteitag“.

Das Sächsische Kultusministerium (Slogan: “Sachsen macht Schule“) sprach unterdessen im Zusammenhang mit dem Tagungsort von einem “bedauerlichen Fall“. Die Nachrichtenagentur ddp zitiert einen Ministeriumssprecher, dass die Staatsregierung nicht aktiv habe werden können, da es sich bei dem Pirnaer Schulhaus um eine Liegenschaft des Landkreises handele. Zudem habe “die Veranstaltung am Sonntag und damit außerhalb der Unterrichtszeit“ stattgefunden.

“Ein Parteitag in einer Schule – das sollte Schule machen“, so wird aus Pirna einer der geladenen Gastredner, der Fraktionsvorsitzende der Schweriner NPD-Landtagsfraktion, Udo Pastörs, zitiert. Geradezu zivilcouragiert – allerdings scheinbar lediglich plakativ – liest sich in diesem Zusammenhang übrigens der Paragraf 10 der “Benutzungs- und Gebührensatzung für die Überlassung schulischer Einrichtungen der Stadt Pirna“ mit letzter Online-Aktualisierung vom 26. November 2002: “Das unmittelbare Hausrecht an den schulischen Einrichtungen übt der Schulleiter – wenn dieser nicht anwesend ist – der Hausmeister aus. Den Anweisungen des Schulleiters/Hausmeisters haben die Inhaber der Benutzererlaubnis Folge zu leisten … Benutzer, die gegen diese Satzung verstoßen, kann der Schulleiter/Hausmeister mit sofortiger Wirkung von der Benutzung ausschließen.“

[Dieser Artikel wurde am 6. März 2007 bei redok veröffentlicht.]

Die Mitte der Gesellschaft?

Braune Kreuze in Sachsen bei den Kommunalwahlen

Nach den Kommunalwahlen beeinflussen im Freistaat einige rechtsextreme Wählerhochburgen mehr denn je die politische Landschaft. Wer davor bisher die Augen verschlossen hat, wird auch nach diesem Wahlsonntag kaum unbedingt mehr sehen wollen.

Als landläufige Meinung gilt, Kommunalpolitik sei vor Ort noch die interessanteste Politik, quasi Politik zum Anfassen, wo noch jeder fast jeden kennt und Entscheidungen unmittelbare Auswirkungen haben. Kommunalwahlergebnisse hingegen erlangen kaum überregionale Beachtung. Ein genauerer Blick – beispielsweise nach Sachsen – lohnt sich da allerdings schon, vor allem in den rechtsextremen Politik-Bereich, der längere Zeit in den Wahlauswertungen unter Sonstige zusammengefasst wurde. Soll so eine Wahlbetrachtung nun auch noch einigermaßen interessant zu lesen sein, beginnt man wohl am günstigsten in vermuteten Ergebnisniederungen und steigert mit den Zahlen auch die Spannung. Bemerkenswert sind die sächsischen Kommunalwahlergebnisse rechtsaußen aber allemal.

In Dresden trat zur Kommunalwahl als sächsische Besonderheit ein so genanntes Nationales Bündnis (NB) an. Im NB vereinen sich unter Federführung der NPD – großspurig als “Zeichen für Deutschland“ angekündigt – Republikaner, DVU und Deutsche Partei. Der Versuch, sich durch die Namensgebung einen eher bürgerlich-nationalen Anstrich zu geben und dem Wähler eine NPD-Ferne vorzugaukeln, wurde aber allein schon durch die Tatsache ad absurdum geführt, dass der stellvertretende NPD-Vorsitzende Holger Apfel für das NB sowie gleichzeitig als EU-Spitzenkandidat der NPD angetreten ist. Das NB erzielte in der sächsischen Landeshauptstadt 4,0 Prozent und verfehlte mit drei Stadtratssitzen einen möglichen Fraktionsstatus nur denkbar knapp. Fast skurril mutet es allerdings schon an, dass Rechtsextremisten gerade in Dresden – lange Zeit immer wieder als ’Hauptstadt der Bewegung’ bezeichnet – eines ihrer eher schlechteren Resultate erzielten.

Weitere ausgewählte Wahlanteile der NPD: 5,8 Prozent für den Kreistag Muldentalkreis; 7,6 Prozent in Limbach-Oberfrohna; 8,3 Prozent in Pirna; 8,8 Prozent in Riesa; 9,1 Prozent für den Kreistag Sächsische Schweiz; 9,6 Prozent in Meißen; 9,7 Prozent in Neustadt; 10,4 Prozent in Struppen; 11,4 Prozent in Trebsen; 11,5 Prozent in Wurzen; 14,3 in Sebnitz; 20,7 Prozent in Königstein und 26,0 Prozent in Reinhardtsdorf-Schöna. Zudem wurde in den Stadtrat Chemnitz ein Anteil von 10,3 Prozent Republikaner gewählt. Die durchgängig geringe Wahlbeteiligung hilfsweise zu einer etwaigen Entkräftung der rechtsextremen Wahlergebnisse in Sachsen nutzen zu wollen, greift wohl aber als Beruhigungsargument eindeutig zu kurz.

Auffällig erscheint, dass in bisher bekannten Hochburgen rechtsextremen Wahlverhaltens kräftig zugelegt wurde. In Riesa – mithin auch Sitz der NPD-Postille “Deutsche Stimme“ – gelang es der NPD, ihr Wahl-Ergebnis von 1999 fast zu verdreifachen, in Wurzen zu verdoppeln. In Königstein stellt die NPD nunmehr, hinter der CDU, die zweitstärkste Stadtratsfraktion.

Ein dahingehend durchaus besonderes Territorium in Sachsen ist die Gegend der Sächsischen Schweiz, politisch auch bekannt geworden durch die – offiziell verbotenen – Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Dem schon bisher äußerst umtriebigen Königsteiner NPD-Stadtrat Uwe Leichsenring wurden bezüglich dieser Nazi-Schlägertruppe sehr enge Arbeitskontakte nachgesagt. Im Landkreis Sächsische Schweiz sind enge kommunalpolitische Kontakte vor Ort eben keine Seltenheit – und Wahlergebnisse nicht unbedingt immer überraschend. Auch in Sebnitz verdoppelte schließlich die NPD ihr 1999er Wahlergebnis. Und Beobachter der Szene gehen begründet davon aus, dass zumindest Teile der SSS nach wie vor aktiv sind – oder sich auch nur anders nennen. Jedenfalls werden politisch unliebsame Menschen beispielsweise durch einschlägige Websites aus der Region entsprechend deutlich ’begrüßt’.

Sachsen ist allerdings auch ein Bundesland, in dem die regionalen Medien rechtsextreme Erscheinungsformen fast ausschließlich nur zu Wahlzeiten wahr nehmen. Eine antifaschistische Demonstration, mitinitiiert von der PDS-Jugend, am Tag vor den Kommunalwahlen durch Pirna tauchte in den Berichterstattungen fast überhaupt nicht auf. Und nach den wohl eher unangenehmen und möglicherweise für den Tourismus abträglichen Wahlresultaten der Rechtsextremen suchen Politiker, wie der Land- und Kreistagsabgeordnete Andre Hahn (PDS), dann öffentlichkeitsheischend und betroffen nach Erklärungsversuchen. Auf der Demonstration gegen rechtsextreme Strukturen in seinem Landkreis wollte der Abgeordnete allerdings sein couragiertes Gesicht nicht zeigen. Sachsen ist aber auch ein Bundesland, in dem beispielsweise die Sächsische Zeitung in ihrer Wahlauswertung die 10,3 Prozent der Republikaner in Chemnitz mit einer Sternchen-Anmerkung lediglich unter “Wählervereinigungen“ dokumentiert.

Nicht unbekannt ist schließlich – allerdings nur von wenigen Politikern und Medien reflektiert -, dass alle bei der Bundestagswahl 1998 in Sachsen angetretenen rechten Parteien (NPD, Republikaner, DVU, Bund freier Bürger) zusammen gerechnet damals bereits 6,2 Prozent erreicht hätten. Der Kurort Rathen in der Sächsischen Schweiz war bis dato mit 15,8 Prozent rechtsextremer Stimmenanteile wahrscheinlich bundesweit unübertroffen. Überraschung ob der diesjährigen rechtsextremen Kommunal-Prozentzahlen sollte also niemand heucheln müssen. Relativ neu erscheint lediglich die Einschätzung des Verfassungsschutzes, der entsprechende Kandidaturen sowie rechtsextremes Wahlverhalten nicht mehr fast nur ausschließlich als Protest-Wahlverhalten, sondern auch in und aus der Mitte der Gesellschaft einordnet.

Noch in der Wahlnacht protestierten in Dresden rund 100 Menschen gegen den Einzug des Nationalen Bündnisses in den Stadtrat und besetzten kurzzeitig den Plenarsaal. Diese Spontan-Demo sei nur eine erste Reaktion auf die Wahl des NB, wurde erklärt. Bleibt allerdings abzuwarten, wie man sich in den Parlamenten zu den Rechtsextremen im täglichen Geschäftsgang und auch im Sitzungssaal verhalten wird. Am 19. September 2004 wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt – und die NPD hat “gestärkt … geschlossen, optimistisch und gut aufgestellt“ ein eindeutiges Ziel. Am 13. Juni jedenfalls verbuchte die NPD – durchschnittlich – sachsenweit bereits gut 3 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich und ihre politischen Aussagen.

[Dieser Artikel wurde am 16. Juni 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]