Schlagwort-Archive: Rechtsextremismus

MedienScreen # 51 [Rational befreite mitteldeutsch sächsische Zone]

[Fundstück] Thorsten Mense, “Der nahe Osten“, konkret, 10/2015 –

(…) Die Flut, die Flüchtlinge, die Grenze zu Osteuropa – Sachsen war schon immer am liebsten Opfer. Ein kleines Bundesland, an den östlichen Rand der Republik gedrängt, vom gesamtdeutschen Kapital kurz freudig in die Höhe gehalten und dann gelangweilt zur Seite gelegt, nicht fähig, sich selbst zu finanzieren. Die neonazistischen Massendemonstrationen in Erinnerung an den “Bombenholocaust“ sind nicht zu verstehen ohne den Dresdner Opfermythos um die vermeintlich unschuldig bombardierte Stadt, Heidenau und Freital nicht ohne die Angst- und Opferrhetorik von CDU und Mitteldeutschem (!) Rundfunk (MDR) (…)

Der Bezug der rassistischen Wutbürger auf die Montagsdemonstrationen der Wendezeit, der Sachsens Elite so schwer aufstößt, ist dabei nur konsequent. Sie beweisen bloß ein weiteres Mal, dass “Volk“ in Deutschland nur völkisch zu denken ist (…)

Sachsen ist eben in vielerlei Hinsicht doch Mitteldeutschland – außer im geografischen. Die Menschen hier sind nicht unbedingt rassistischer als der Rest der Republik. Sie haben einfach weniger Hemmungen, ihren Hass offen auszusprechen und auszuleben, weil sie sich hier zu Recht vom “Volk“ beauftragt wähnen und kaum Strafverfolgung zu fürchten haben. Während Angriffe auf Flüchtlingsheime im Westen nachts und heimlich stattfinden, trifft man sich in Sachsen abends auf Bier und Bratwurst zum fröhlichen Pogrom. Schließlich hält hier Pegida in der Landeszentrale für politische Bildung Pressekonferenzen ab, und der MDR veröffentlicht eine Karte mit Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte unter der Überschrift “Angst vor Flüchtlingen“. Mit Aufklärung ist in der rational befreiten Zone nicht viel zu holen (…)

MedienScreen # 50 [Nebelfreier Rechts-Blick]

[Fundstück] Oliver Reinhard, “Die neue alte rechte Gefahr“, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 23. September 2015 –

(…) seit dem Skin-Überfall auf ein Konzert in der Berliner Zionskirche am 17. Oktober 1987 haben Volkspolizei und Staatssicherheit ihre Strategie geändert. Rechtsextremistische Vorfälle werden nicht mehr wie zuvor als “Rowdytum“ verharmlost und verschleiert. Die Behörden hatten einsehen müssen, dass Neonazis in der DDR eine feste Größe darstellten.

Damit waren sie schon damals schlauer als mancher heute, der immer noch behauptet, “so etwas“ habe es “bei uns“ nicht gegeben, vielmehr seien Rechtsextremismus und Rassismus reine Importware aus dem Westen. In den letzten Wochen wurde diese Behauptung wieder neu genährt. Man hörte sogar, dass auch die fremdenfeindlichen Ausschreitungen vor der Heidenauer Flüchtlingsunterkunft am 21. August von Westdeutschen initiiert worden seien. Was jeder Augenzeuge des Vorfalls mit Fug und Recht bestreiten kann. Doch alte Fehlurteile haben mitunter erstaunliche Langzeitwirkungen (…)

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(Argumentum Ad Infinitum? – Foto: O.M.)

Kurt Biedenkopf und der Nebel (ost)deutscher Niederungen

Er streift momentan durch viele Medien mit seinen in erweiterter Ausgabe veröffentlichten Tagebüchern, der vormals von nicht gerade wenigen so betitelte sächsische ’Landesvater’ Kurt Biedenkopf.

Auf einer prosaischen Zeitreise in die Historie und zurück lichten sich bei manchen Menschen in gewisser Altersweisheit zuweilen die Nebel der Vergangenheit. Muss aber auch nicht unbedingt sein. Kurt Biedenkopf?

Aktuell konnte bei DPA gelesen werden –

Die Ostdeutschen sind nach Ansicht des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) nicht besonders empfänglich für rechtsextremes Gedankengut. “Die große Mehrheit ist ’immun’ und bleibt es – wie in Westdeutschland, wo der Rechtsextremismus in Gestalt der Republikaner in Baden-Württemberg seinen Anfang nahm“, sagte er der Leipziger Volkszeitung (21. September). Es seien überwiegend Westdeutsche, “die ihn nach Osten bringen“. Dort, wo es ihnen gelinge, erzeugten sie zwar eine Protesthaltung, aber keine strategische Kraft.

Nicht ganz so aktuell – nun allerdings irgendwie doch wieder – konnte vor menschheitsgeschichtlich fast unbedeutender Zeit nachgelesen und schon damals gestaunt werden –

“In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden“ (Kurt Biedenkopf, November 2000).

Aber gut, dass wir noch einmal darüber gesprochen haben. Ja? So simpel.

Peinlich immerhin, dass erinnert werden muss. Und beileibe nicht allein an eine Biedenkopf’sche Geschichtsklitterung. So schlägt jemand also philosophisch verbrämt Opfern rechtsextremer Gewalt in West und Ost nachträglich wiederholt ins Gesicht.

Mit Altersweisheit hat das nichts gemein.

Bischofswerda: Des Volkes MDR

Auf der mitunter steinigen Straße der Berichterstattung agiert der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) zuweilen in vorderster Informationsfront. Unerschrocken, ob nun beispielsweise Bischofswerda das neue Heidenau ist. Dabei befindet sich die Sendeanstalt in Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrages gewissermaßen mit dem Gesicht zum Volke, ganz nah dran. Und ist zudem nicht erst seit gestern mit eigener App quasi up to date, also rein technisch gesehen. An der Sorgfaltspflicht wird wohl noch gewerkelt. Aber nah dran ist man schon beim MDR.

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(MDR-Nachrichten-App, 19. September 2015, 10:18 Uhr – Screenshot: O.M.)

Die Polizei vorort hatte immerhin die Augen offen. Naja, vielleicht nicht ganz so gewaltstrafrechtlich offen interpretierend wie der Mitteldeutsche Rundfunk. Es gilt das gesendete Wort?

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(Screenshots Polizeidirektion Görlitz: O.M.)

Nun sei dem MDR mitnichten unterstellt, lediglich ein kleiner Spartensender (Volksmund: Mit Deiner Rente) im Konzert der dritten Programme der ARD zu sein.

Schließlich betreibt die mitteldeutsche Drei-Länder-Sendeanstalt auch eigene Sparten. Und einige dieser Formate konzertieren augen- und ohrscheinlich unisono im großen Obhutsprogramm der Anstalt.

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(Screenshots Twitter: O.M.)

Werte Damen und Herren beim MDR, trauen Sie sich. Nennen Sie Bischofswerda auch für die Weltöffentlichkeit beim richtigen Namen. Schiebock. Das würde dann doch richtig gemütlich klingen. Trotz alledem.

  • “Asylgegner? Nazis? Kritik an Medienberichten zu Bischofswerda“ (flurfunk-dresden.de, 19. September 2015)
  • BILDblog.de6 vor 9 (21. September 2015)

Faust des Ostens: Zählappell – Rechtsextreme Hooligans in Sachsen

Beinahe wäre so ein kleiner ’Zählappell’ hinsichtlich der Faust des Ostens weniger oder mehr rechts liegen gelassen worden. Unbedingt öffentlich wurde bislang eine solche Zahlenspielerei nun aber auch nicht unbedingt betrieben. Wobei Zahlenspielerei gewiss nicht der richtige Terminus ist. So viele sind es nämlich gar nicht. Also, Zahlen. Und mittlerweile bei der Faust des Ostens. Scheint es.

Im Mai 2013 laufen Ermittlungen gegen mehr als 100 Beschuldigte der Faust des Ostens. Zitierte damals die Sächsische Zeitung Oberstaatsanwalt Jürgen Schär. Mitte Februar 2015 hat die Faust des Ostens dann etwa 40 Mitglieder. So die zu diesem Zeitpunkt von DPA zitierten Angaben von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Die Herren sowie beide Behörden sind sich arbeitsintensiv durchaus vertraut, ist zu vermuten, und nicht erst seit gestern.

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(Dresden, Februar 2011 – Foto: O.M.)

Im Zusammenhang der 2015’er Februar-Antwort des Innenministers (Vorgangs-Nummer 6/579) auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (DIE LINKE) legt Markus Ulbig etwa 160 Rechtsextremisten in der gewaltbereiten Fußballfanszene in Sachsen zugrunde. Aus dem Fanumfeld vom 1. FC Lok Leipzig wird die Gruppierung Scenario Lok als rechtsextremistisch eingestuft. Der Gruppe, die im Oktober vergangenen Jahres ihre Auflösung bekannt gegeben habe, seien etwa 70 Mitglieder zugerechnet worden. Im Umfeld des Chemnitzer FC gibt es mit der New Society und Kaotic Chemnitz zwei rechtsextreme Fangruppen mit zusammen etwa 50 Mitgliedern. Ja, und die Faust des Ostens aus der Peripherie von Dynamo Dresden eben noch.

(…) Die getroffenen Aussagen stießen beim Chemnitzer FC auf Unverständnis (…) wurde die “New Society“ vor drei Jahren hinsichtlich ihrer Symbolik vom Verein verboten. Gegen damalige Führungskräfte sind entsprechende Stadionverbote verhängt worden (…) [cfc-fanpage.de, 19. September 2012]

Wie schnell doch so ein gebrauchtes Jahr vergeht. Oder zwei. Oder drei.