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Hooligans bei Pegida – Überraschung?

So ganz neu ist die Ansage von Tatjana Festerling nun wahrlich nicht. Die Botschaft als solche kursiert seit einiger Zeit bereits im World Wide Web. Immerhin stammt das letztendlich dokumentierende Video von einer Veranstaltung am 29. Oktober dieses Jahres.

“… Wir haben eben von Anfang an bei Pegida, muss man so sagen,  Hooligans und Leute aus dem Sicherheitsgewerbe gehabt, die von Anfang an für Sicherheit gesorgt haben, also, was ich damit sagen will ist eigentlich, dass es in Dresden weniger Berührungsängste gibt, wie hier jetzt zum Beispiel im Westen, zu den bösen Hooligans, hier hat man ja eigentlich immer Vorurteile und so weiter, aber in Dresden sind es also wirklich die, auch teilweise von Dynamo und so weiter, die für Sicherheit gesorgt haben …“ (O-Ton Festerling bei der Burschenschaft Germania Halle zu Mainz).

Scheinbar große Überraschung. Jetzt. Bei einigen.

Das Sächsische Staatsministerium des Innern (SMI) will von den Hooligan-Ordnern bei Pegida nichts gewusst haben, Innenminister Markus Ulbig (CDU) sei entsetzt, berichtet aktuell mdr.de unter Berufung auf einen Bericht der Zeitung mit den vier großen Buchstaben. “Ob Staatsschutz und Polizei auch nichts davon wussten, dass Hooligans das Sicherheitspersonal bei Pegida stellen, ist unklar“(mdr.de, 17. November, 10:12 Uhr). Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen? “Die Wahrheit ist immer konkret“ (Wladimir Iljitsch Uljanow).

Pegida mobilisiert Alt-Hooligans, Neonazis und Wutbürger*innen (Fussball-Gegen-Nazis.de, 21. November 2014), Die Pegida-Miliz aus dem Stadion (Zeit Online, 12. Januar 2015), Pegida in Dresden: Fußball-Hooligans sind bei Demos dabei (Spiegel Online, 13. Januar 2015), Dresdner Hooligans suchen Nähe zu Pegida (NOZ Online, 13. Januar 2015), Pegida trifft Dynamo (Sächsische Zeitung, 24. Januar 2015), Hooligans als Schutztruppe (FAZ Online, 2. Februar 2015) – und leise aus dem Off raschelt beim Zurückblättern die ’Lügenpresse’ …

“Nicht lesen wollen ist schlimmer, als nicht lesen können“ (Volkmar Frank).

MedienScreen # 59 [Dresden, Kristallnacht]

[Fundstück] “Keine Hetze am Jahrestag der Hetze“, Kommentar von Oliver Reinhard, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 9. November 2015 –

(…) Auch ohne jedes Jahr selbst des 9. Novembers zu gedenken, kann und sollte man die Würde dieses Datums und der Erinnerung respektieren und verteidigen, wenn sie verletzungsgefährdet ist. Und diese Gefahr besteht. Denn heute vor 77 Jahren wurden auch in Dresden Menschen allein aufgrund ihres Jude-Seins massenhaft diskriminiert, bedroht, verletzt, gefoltert, ermordet und ihr Gotteshaus niedergebrannt.

Deshalb ist es eine ganz und gar entwürdigende Vorstellung, dass ausgerechnet am Jahrestag dieser Schandtaten Tausende Menschen in Dresden wie üblich Hetzredner bejubeln, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihres Glaubens pauschal als Schmarotzer, Betrüger und Verbrecher diskriminieren.

(…) An einem solchen Tag darf kein Platz für Diskriminierung und Hetze sein. Nicht auf dem Ex-Hitler-Platz, nicht anderswo in Dresden. Nirgendwo.

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[“Kristallnaach“, BAP, Album Vun drinne noh drusse, Veröffentlichung: 24. August 1982]

[Tirnaog An-Clar, YouTube.com, 21. Januar 2010]

MedienScreen # 58 [Polemisches KZ?]

[Fundstück] Patrick Gensing, “Pirinccis PR-Coup: Gute KZs, schlechte KZs?“, Publikative.org, 1. November 2015 –

Er hatte eine Rede angekündigt, die Maßstäbe setzen würde – und er hat Wort gehalten. Der “Pegida“-Auftritt von Akif Pirincci beschäftigt weiterhin die Öffentlichkeit, die nun versucht, seine Hetzrede zu interpretieren, was angesichts von Inhalt und Form nicht ganz einfach ist. Immerhin Medienkritiker Niggemeier kennt die ganze (Un-)wahrheit.

Seit Monaten und Jahren versucht der Autor Akif Pirincci durch Beleidigungen und Obszönitäten sein Image als Bad Boy des deutschen Kulturbetriebs zu festigen. Doch nun wirft ausgerechnet Pirincci den deutschen Medien Rufschädigung vor und will, so ist es zu lesen, Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche durchsetzen.

Der Vorwurf: Medien hätten eine seiner Aussagen falsch wiedergegeben. Pirinçci sagte beim einjährigen Jubiläum der Pegida-Bewegung in Dresden vor knapp zwei Wochen:

“Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert. Es gäbe natürlich auch andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

In der Stellungnahme der Anwaltskanzlei, die der “Welt“ vorliegt, heißt es:

“Diverse Medien haben eine Äußerung unseres Mandanten aus seiner heftig kritisierten Pegida-Rede aufgenommen und in rechtswidriger Weise entstellt. Herrn Pirinçci wurde dabei unterstellt, er habe für die Wiedereröffnung von Konzentrationslagern zur Bewältigung der Flüchtlingskrise plädiert, wo genau das Gegenteil richtig ist. Tatsächlich äußerte er überspitzt-sarkastisch seine Sorge, dass sie wieder eröffnet werden könnten, und zwar gegen ’Fremdenfeinde’.“

Unterstützt wird diese Darstellung von Medienkritiker Stefan Niggemeier, der schreibt:

Man konnte das, was Pirinçci an diesem Abend gesagt, schon wenig später wörtlich nachlesen. Man konnte es sich unmittelbar danach und bis heute auf YouTube anschauen. Trotzdem hat ein großer Teil der Medien das, was er gesagt und gemeint hat, falsch wiedergegeben und tut es teils noch heute.

Also mal wieder die dummen, sensationsgeilen Medien! So eindeutig, wie Niggemeier es einfach behauptet, ist die Angelegenheit aber keineswegs: Viele Leute, die sich die Rede angehört haben, verstanden ebenfalls, dass Pirincci sich auf Flüchtlinge bezogen habe. Schon erstaunlich, dass sich ein Schriftsteller so ungenau auszudrücken weiß – und das auch noch in einer recht delikaten Angelegenheit, denn Pirincci wird sich wohl bewusst sein, dass die deutsche Öffentlichkeit bei dem Begriff KZ hellhörig wird.

Andere Begriffe wie “Umvolkung“ oder “Kinderfickerpartei Die Grünen“ oder “Vergewaltigungsfrühling“ oder die “üblichen deutschen Parasiten und Wichsmenschen aus der Migrationsmafia auf dem Schoße von Pro Asyl“ sowie anderer rassistischer Schmutz fallen da fast schon nicht mehr auf.

Medienkritiker Niggemeier beklagt nun, viele Medien hätten “den Zusammenhang weggelassen“ bei der Äußerung von Pirincci. Stimmt das? Vor der Äußerung Pirinccis zu den KZs als “andere Alternative“ hetzte er in bewährter Manier dagegen, dass sich Flüchtlinge, die illegal nach Deutschland kämen, hier sich und ihre Clans durchfüttern ließen. Zugleich sprach er von Politikern, die dem eigenen Volk die Ausreise nahelegen würden. Dann ließ er eine längere Pause, in der das Publikum “Widerstand“ skandierte. Als Pirincci dann den umstrittenen KZ-Satz geäußert hatte, gab es anerkennendes Gelächter im Publikum – und selbst “Pegida“-Gründer Bachmann entschuldigte sich nach der Rede öffentlich, so wie auch viele anderen Zuhören offenkundig genau das verstanden hatten, was laut Pirincci und Niggemeiner nicht gemeint war.

Die Interpretation von Texten ist zumeist nicht eindeutig, hier ist aus meiner Sicht ebenfalls keine absolute Unwahrheit, wie Niggemeier sie verkündet, auszumachen. Pirincci könnte die KZs als Alternative zu dem angeblichen Leben der Flüchtlinge in Deutschland auf Luxusniveau verstehen. Man kann aber auch argumentieren, Pirincci habe sich auf die Politik bezogen, die gerne “Asylkritiker“ in KZs sperren wolle. Darüber kann man natürlich diskutieren – aber was ist denn das bitte für eine Frage? Und aus vielen von Niggemeier ausgewählten Beispielen für ein angebliches Armutszeugnis der deutschen Medien geht übrigens auch gar nicht hervor, ob Pirincci das eine oder andere gemeint habe.

Wir sind der Volk?

Und selbst wenn man die Pause in der Rede ausklammert und nur den unmittelbaren Zusammenhang des Zitats anschaut, ist der Sachverhalt keineswegs ganz eindeutig, denn Pirincci sagte:

Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert.

Mit “ihm“ dürfte das Volk gemeint sein, aber wer ist “er“? Der Volk? Oder der Kasseler CDU-Politiker? Oder am Ende womöglich doch “der“ Flüchtling?

Selbstverständlich behauptet Pirincci nun, Letzteres könne gar nicht gemeint gewesen sein. Aber so eindeutig wahr oder unwahr wie Niggemeiers Medienkritik es gerne hätte, ist die Stelle selbst bei genauer Analyse nicht. Das grölende Publikum jedenfalls verstand das, was es hören wollte – und möglicherweise auch sollte.

Morgen, also Montag (19. 10. 2015), werde ich anläßlich des einjährigen Bestehens von PEGIDA in Dresden auftreten und einen hübschen Text vorlesen, der in Sachen Wutrede in diesem Lande Maßstäbe setzen wird. Es wird um die Verbrechen gehen, die man diesem Volk gegenwärtig antut. […] Ach, Herr Staatsanwalt, bitte immer den Gesamtzusammenhang sehen und sich keine Wort-Rosinen rauspicken. So doof bin ich nämlich auch nicht … (Akif Pirincci auf seiner Homepage)

Tatsächlich gab es in vielen Medien falsche oder zumindest irreführende Darstellungen der Pirincci-Rede, weil eine Eindeutigkeit des Gesagten behauptet wurde. Genau eine solche Eindeutigkeit behauptet Niggemeier nun gleichfalls, wenn er schlicht Pirinccis Argumentation folgt und von einem “Armutszeugnis“ für deutsche Medien schreibt.

Relativierung von Nazi-Verbrechen

Ganz unabhängig von der Frage, wie man den KZ-Satz nun interpretiert, wenn man sich auf so eine Diskussion einlassen möchte, könnte man darüber nachdenken, dass auch die “überspitzt-sarkastische“ Darstellung, wonach Politiker die Asylkritiker am liebsten in KZs (= Vernichtungslager) sperren würden und diese sozusagen die Juden von heute seien, den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen könnte.

Auch über eine mögliche Relativierung von NS-Verbrechen könnte man nachdenken. Das Internationale Auschwitz Komitee kritisierte die KZ-Bemerkung Pirinçcis treffend als “ein widerliches Signal der Schamlosigkeit“. Die Instrumentalisierung des Begriffes KZ lasse die Überlebenden deutscher Konzentrationslager, die KZ am eigenen Leib erfahren hätten, fassungslos und verstört zurück.

Und dabei ist es vollkommen zweitrangig, ob Pirincci selbst die KZs nun für Flüchtlinge auserkoren hätte oder ob er sich ein Szenario zusammenspinnt, in dem ein CDU-Politiker das Volk in solche Lager sperren möchte. Dem “Skandal-Autor“ ging es offenkundig darum, wie seine oben zitierte Ankündigung für die Rede zeigt, einfach mal “KZ“ zu sagen und einen Skandal zu provozieren. Das hat geklappt. Und nun kann er sich auch noch als Opfer der “Lügenpresse“ feiern lassen – mit gutem Leumund.

Leises Servus zum Offline des kleinen Akif

Webmaster Torsten schämt sich. Für sich. Als ob er nicht wahrgenommen hätte, was er da selbst so vor sich hin webmasterte. Bislang. Und das nicht erst seit vorgestern. Webmaster Torsten postuliert Scham, als ob er unkundig sei. War da nicht vor kurzem beispielsweise noch irgendwie die Schreibe von der ’Verschwulung der Gesellschaft’ beim ’Tanz mir den Joseph Goebbels’? Im Blog von Akif Pirinçci. Betreut von Webmaster Torsten. Der sich jetzt zu schämen scheint. Seit gestern erst? Bereits dereinst “durchfuhr es [ihn] wie ein Blitz …“

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(Screenshot Twitter – O.M.)

“… schon damals“. Ach. Ja? Webmaster Torsten. Zeit fließt. Letztendlich folgt Ihr “Freund Akif“ jüngst bei Pegida auf dem Dresdner Theaterplatz. Sie erinnern sich? “… Wo andere dich anmaßend und verleumderisch, ja, manche sogar hetzerisch und islamphobisch hielten, hielt ich dich für amüsant und manchmal sogar klug …“

“Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu seh’n, manchmal muss man fragen, um sie zu versteh’n!“

Das Leben ist keine Sesamstraße? Wohl wahr. Ach, Webmaster Torsten, so lange haben Sie ausgehalten. Treu. Durchgehalten im virtuellen Schützengraben der vordersten Wortfront. Viel erdulden müssen. Dem verbalen Stahlgewitter getrotzt. Tapfer. Und jetzt, wenn es denn wie überliefert stimmt, wollen Sie von der Fahne gehen? Schämen Sie sich. Aber das machen Sie – “und nicht nur fremd“ – ja sowieso schon.

Post Scriptum: Dem ins Feld geführten Terminus vom “willigen Vollstrecker“ kann so oder so schwerlich widersprochen werden. Mea culpa?

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(Nach Webmaster Torsten kam das Off – Screenshot: O.M.)

Pegida: Sie sind, was volkt

Dresden, Theaterplatz, 19. Oktober 2015 –

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(Screenshots Twitter – O.M.)

(…) “Es ist nicht einfach an diesem Abend der widerlichste Rassist von allen zu sein. Aber Akif Pirinçci schafft es gerade.“ Er spricht von Muslimen, die “Ungläubige mit ihrem Moslemsaft vollpumpen“ und spricht von “KZ’s, die leider nicht mehr in Betrieb sind“ (…) (neues-deutschland.de, 20:30 Uhr).

[Martin Buchholz – “Wir sind, was volkt: Vom Ur-Sprung in der deutschen Schüssel, ein satirisches Schizogramm“ – möge ob der Verballhornung eines seiner Werke nachsichtig sein.]