Archiv der Kategorie: MedienScreen

MedienScreen # 269 [Talk to go]

[Fundstück] Margarete Stokowski, “Talkrunden im TV – Schweigen kann so sexy sein“, SPIEGEL ONLINE, 2. Februar 2021 –

(…) Es ist ein Problem, dass politische Talksendungen unterhalten müssen, aber zugleich eben Themen behandeln, bei deren Behandlung Unterhaltung als Priorität nicht unbedingt hilfreich ist. Das kann manchmal gut gehen, es kann aber eben auch komplett schiefgehen, sodass Talkformate oft nur noch die Karikatur einer echten Diskussion sind. Wobei es durchaus unterhaltsam und zugleich der Sache dienlich wäre, wenn in einer politischen Talksendung eine der befragten Personen nach einer Frage einfach aufsteht, sich die Mikrokabel aus der Kleidung zieht und sagt: “Es tut mir leid, ich muss erst mal einmal um den Block gehen und darüber nachdenken, bin gleich wieder da.“ (…)

Faust des Ostens – Years later

Was ist zur selbst so ernannten Faust des Ostens (FdO) – sehr frei nach Gunnar Schubert – “nicht schon alles geklöppelt, gebatikt und gelyrikt worden“? Und die Jahre zogen ins Land …

Aktuell berichtet just die Dresdner Morgenpost (tag24.de, 4. Februar): “Doch nun könnte der Prozess noch diesen Monat in Dresden beginnen.“ Überraschung?

Naja – “Nach knapp acht Jahren, die diese Anzeige schon beim Landgericht Gericht Dresden vorliegt, gibt es nun erste Terminvorschläge der zuständigen Kammer“, liest es sich dann etwas genauer. Irgendwie. Denn – Überraschung?: “Terminiert wurde noch nicht. Der Prozess könnte diesen Monat schon beginnen, aber der Auftakt beispielsweise auch erst im Mai sein“, wird Landgerichtssprecher Thomas Ziegler zitiert.

Staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen die FdO werden, jedenfalls offiziell, seit Juni 2012 geführt. “Letzte Straftaten bekannter Mitglieder verzeichnet das Justizministerium noch im Dezember 2020“, so die Dresdner MoPo.

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MedienScreen # 268 [Kulinarisch kulturelle Kulturlandschaften]

[Fundstück] Alexander Osang, “High Noon am Strand“, DER SPIEGEL, 30. Januar 2021 –

(…) Jeden Morgen lese ich, noch im Bett, in einem speziellen Corona-Newsletter, wie es Künstlern so geht, ohne Publikum, was sie machen, was sie lesen, fernsehen, worüber sie lachen, was sie kochen. Die meisten Kulturschaffenden leben anscheinend vegan. Niemand isst ein Spiegelei zum Frühstück, von Speck will ich gar nicht reden. Die Schlemmer unter den Autoren, Malern, Schauspielern und Musikern essen Porridge mit einem Schuss Hafermilch. Ich frage mich, was das alles mit der deutschen Kunst macht. Um munter zu werden, lese ich anschließend ein paar Kolumnen von Harry Rowohlt, der auf öffentlichen Lesungen rauchte und Whisky trank. Er sah nicht so gesund aus und ist auch schon tot. Seine Texte aber sind sehr lebendig.

Ein klassisches Rowohlt-Zitat lautet: “Freiheit ist, wenn man sich morgens fragt, was man wohl tun wird, Zwang ist, wenn man es weiß.“ (…)

MedienScreen # 266 [Maradona in Retrospect]

[Fundstück] Lars Quadfasel, “Nachspielzeit“, konkret, 1/2021 –

Wenn einer der Großen das Zeitliche segnet, ist Nostalgie angesagt: Berühmte Tore werden noch einmal gezeigt, berühmte Siege noch einmal gefeiert, und die Älteren erklären wissend, dass das damals noch echter Fußball war, nicht wie heute, wo Götze Mammon regiert. Das ist selbstverständlich Blödsinn, schon allein, weil das Gleiche auch vor vierzig Jahren schon im “Kicker“ stand. Wer sich die Mühe macht, einmal ein ganzes Maradona-Spiel anzuschauen, wird vor allem vom Eindruck der Trostlosigkeit überwältigt: Was für ein Geholze und Gestochere das in Wirklichkeit doch war; wie oft die Bälle verspringen oder planlos nach vorne gedroschen werden und wie schwer zu entscheiden ist, ob es sich bei den zahllosen Tritten von hinten in die Hacken um zynisches Kalkül handelt oder schlicht um Unvermögen. Umso stärker die Erleichterung über den kleinen stämmigen Wuschelkopf, der als einziger wirklich etwas mit dem Ball anzufangen weiß (…)

Ob Maradona nun wirklich “der Größte“ war oder nicht, ist eine eher müßige Frage. Was er mit Sicherheit war, war mehr als nur das (…)

Der spanische Autor Manuel Vázquez Montalbán schrieb einmal, Maradona symbolisiere das Versprechen des Lumpenproletariats auf Emanzipation. Da ist sicherlich etwas dran; erst recht, weil Maradonas Auftreten nach seiner aktiven Karriere – fettleibig, von Alkohol- und Drogenexzessen gezeichnet, auf der Flucht vor der Steuer, der Mafia und den Unterhaltszahlungen – die Assoziation noch einmal verstärkt. Aber darin allein geht dessen Bild nicht auf (…)

Im aufgeklärten Fußball ist für die Parusie, die Wiederkehr des Messias, kein Ort mehr vorgesehen. Was einerseits natürlich ein wenig traurig stimmt, andererseits aber nur heißen kann, dass sie dann wohl woanders stattfinden muss.

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