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Faust des Ostens – to stand by?

Was hat der Monat August von vor drei Jahren mit aktuellen Ereignissen rund um die UEFA EURO 2016 (No signs before the time?) zu tun? Und Lille mit Dresden? Nichts. Richtig. Jedenfalls vordergründig.

Am 22. August 2013 teilte die Dresdner Staatsanwaltschaft offiziell mit, dass gegen fünf mutmaßliche Anführer der als kriminell eingestuften Fangruppe Faust des Ostens (FdO) aus dem Umfeld von Dynamo Dresden Anklage erhoben worden ist.

Die Bilder vom 12. Juni 2016 aus Lille sind allseits bekannt. Bis hin zu Berichterstattungen, denen allein der Terminus ’Osten’ wichtig schien. Egal ob herbeizitiert faustisch oder geografisch simpel in Zusammenhänge geschrieben.

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(Screenshot Google News – O.M.)

Wieder da? Die Faust des Ostens? Quasi auferstanden aus Ruinen?

“Sollte tatsächlich ein Faust-des-Ostens-Mitglied an den Krawallen beteiligt gewesen sein, so muss auch Sachsens Verfassungsschutz seinen Kenntnisstand überarbeiten. In Bericht 2015 wird die Gruppierung zwar als rechtsextremistisch eingeschätzt, allerdings heißt es dort weiter: Diese Fußballfanvereinigung ’trat nicht mehr mit eigenen Aktivitäten in der Öffentlichkeit in Erscheinung’. Ihre Mitglieder stünden aber weiterhin ’als Mobilisierungspotenzial für andere rechtsextremistische Aktivitäten zur Verfügung’“ (Sächsische Zeitung, 14. Juni).

Überraschung? Im Laufe der Geschichte?

“Das Landgericht Dresden hat es allerdings auch nach fast drei Jahren noch nicht geschafft, über die Eröffnung des Verfahrens [gegen die fünf mutmaßlichen FdO-Führungskader] zu entscheiden. Insgesamt ermittelte die Polizei im März 2016 gegen zwölf Mitglieder der Gruppe in insgesamt 15 Verfahren“ (a.a.O.).

Apropos (Selbst)Lauf der Geschichte: Zwischenzeitlich berichtete im Januar 2013 übrigens SPIEGEL ONLINE, dass in Dresden “mehrere Mitglieder der vermeintlich rechtsgerichteten ’Faust des Ostens’ über Monate mit der Polizei zusammengearbeitet haben“ sollen.

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(Dresden, Frühjahr 2015 – Foto: O.M.)

Aber das wäre dann schon wieder eine andere Geschichte. Vielleicht. Wer weiß …

UEFA EURO 2016. No signs before the time?

Betroffenheit. Entsetzen. Über allseits bekannten Bilder aus Frankreich, die mit dem fußballerischen Sport auf dem grünen Rasen nichts gemein haben. Landläufig. Erklärungsversuche allenthalben. Andere wiederum geben sich erstaunt, sind überrascht. Im Gastgeberland. Und nicht nur dort.

Polizeisprecher Thomas Geithner sagt, vor der Europameisterschaft habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass gewaltbereite Hooligans aus der Region Dresden vorgehabt hätten, nach Frankreich zu reisen … Nun habe sich die Lage “komplett geändert“. Die Dresdner Polizei werde ihre Maßnahmen korrigieren. Rund 70 Personen stünden im Visier. “Wir haben unsere Planung über den Haufen geworfen“, sagt Geithner (Sächsische Zeitung, 14. Juni).

Nun sind nicht allein aus bundesdeutschen Gefilden fußballaffine Einzelpersonen und Gruppierungen aller Couleur in Frankreich unterwegs. Das Spiel heißt schließlich Europameisterschaft.

In einem Gastgeberland, wo durchaus mehr Reactio als Actio den Alltag der Fanszene beherrscht. Die bereits vorab teilweise auch ihre ganz eigene Sicht auf das anstehende Spektakulum in ihrem Heimatland nicht hinter dem sprichwörtlichen Berg gehalten hat.

Im Mai dieses Jahres publizierte ERLEBNIS FUSSBALL in seiner Ausgabe Numero 69 einen “Lagecheck – Frankreich vor der Euro 2016“. Im Gespräch mit französischen Ultra-Gruppen (Tigers Lens, Brigada Sud Nice, Green Angels, Ultramarines, Indian Tolosa) ging es auf gut dreizehn Heftseiten darum, “was für Veränderungen dieses ach so tolle Event namens EM für die Fans vor Ort mit sich gebracht hat“. Und um Gefühle mit Blick auf das Großereignis.

“… Es gibt keine Gespräche zwischen den Fans, der Polizei, dem Staat, dem Verband und der Liga. Das einzige Mittel, das die Behörden wählen, ist Repression …“ (Lens)

“… für uns hängt diese EM vor allem mit langen Jahren voller Repression zusammen. Die Europameisterschaft ist und bleibt ein wichtiges Werkzeug der UEFA, um das Fußball-Business in den Vordergrund zu drängen. Es ist in erster Linie ein Kommerzevent. Um ehrlich zu sein, hoffen wir, dass die EM 2016 auf dem Niveau der Sicherheit ein Misserfolg wird …“ (Nice).

“… Letztlich hofft man aber auch auf zahlreiche Zwischenfälle und Ausschreitungen während der EM, um der Gesellschaft zu zeigen, wie unfähig die Verbände und weiteren involvierten Instanzen sind, ein solches Ereignis zu organisieren. Auf diese Art könnte man die Absurdität von Maßnahmen wie Auswärtsverboten, die wir innerhalb einer Saison regelmäßig erdulden müssen, aufzeigen, und man kann so die Verantwortlichen unglaubwürdig machen – Verantwortliche, die weder mit uns in den Dialog treten, noch eine Ahnung von den Kurven Frankreichs haben …“ (Bordeaux).

“… So wie dieses Event angegangen wird, kotzt uns das alles nur noch an. Die UEFA kommt mit ihren Sponsoren daher und alles andere wird bei Seite geschoben … Wie immer steht die UEFA über allen Gesetzen, und so wird einem mal wieder vor Augen geführt, was für ein mafiöses System das Ganze doch ist … Auf der anderen Seite sind wir neugierig, welche französischen und ausländische Supporter zu uns in die Stadt kommen werden …“ (St. Etienne).

“… wie jede Gruppe aus Frankreich, hat man eher gemischte Gefühle, was die EM anbelangt: Auf der einen Seite gibt es eine gewisse Vorfreude, dass sehr viele Leute aus überall zu diesem Fest kommen werden. Auf der anderen Seite sehen wir den Maßnahmen, die unsere Regierung unternommen hat, sehr kritisch entgegen. Denn eigentlich ist es nicht mehr die UEFA, die das Turnier organisiert, sondern eher die französische Regierung, die das Turnier nutzt, um ihre neue Repressionspolitik durchzusetzen; und letztendlich wird es dann die französischen Ultras treffen …“ (Toulouse).

“Die Zeichen der Zeit sind überall sichtbar, aber nicht gern gesehen“ (Ernst Ferstl). Die UEFA EURO-Spiele anno 2016 haben gerade erst begonnen.

Reges Fäustchen des Ostens?

Vor der Drittliga-Begegnung von Dynamo Dresden und FC Hansa Rostock am 19. März dieses Jahres auf dem Rasen im Rudolf-Harbig-Stadion begegneten sich Anhänger beider Vereine im Dresdner Stadtteil Löbtau –

[ULTRAS PYRO FANS, YouTube.com, 19. März 2016]

Die Polizei nahm unmittelbar mehr als 80 Personen vorübergehend in Gewahrsam. Gesamtermittlungen werden gegen 117 Verdächtige geführt.

Fast genau zwei Monate später, am 18. Mai, durchsuchte nun die Polizei Wohnungen in Dresden, Wilsdruff, Großenhain, Rostock, Anklam, Barth und Hamburg. Wie die Sächsische Zeitung berichtet, handelt es sich bei den 15 Beschuldigten “um Männer im Alter von 16 bis 31 Jahren, von denen sich offenbar zehn zu Dynamo Dresden und fünf zu Hansa Rostock zählen“. Ziel der aktuell erfolgten Beweissicherung sei es, “Hintergründe und Absprachen zu der Auseinandersetzung zu belegen“, beruft sich die Zeitung auf eine bezügliche Mitteilung von Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft.

Nach Darstellung von Gerichtsreporter Alexander Schneider ist unter den Beschuldigten “mindestens ein ’alter Bekannter’“ – “Ein 21-Jähriger, der zu den Rädelsführern der Fangruppierung namens ’Faust des Ostens’ (FdO) zählen soll“.

“Die FdO hatte mehrere Dutzend Mitglieder. Ab 2010 soll die Gruppe für erhebliche Straftaten verantwortlich sein, darunter Sachbeschädigungen im Stadion, Einbrüche, Angriffe auf Polizisten, Körperverletzungen, Schnapsdiebstähle. Die mutmaßliche Führungsriege der FdO wurde bereits im August 2013 unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden angeklagt. Seitdem ruht das Verfahren jedoch, da keiner der Beschuldigten in Haft saß. Für Haftsachen gilt das sogenannte Beschleunigungsgebot. Gerichte müssen diese Verfahren aufgrund des Freiheitsentzugs der Untersuchungsgefangenen vorzeitig verhandeln. Beschuldigte FdO-Angehörige sind seitdem jedoch immer wieder aufgefallen“ (Sächsische Zeitung, 19. Mai 2016).

Nach letzten behördlichen Angaben Mitte Februar 2015 umfasste die Faust des Ostens rund 40 Mitglieder. Im Mai 2013 bezifferte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär noch mehr als 100 Beschuldigte im Verfahren gegen die Gruppierung aus dem Umfeld von Dynamo Dresden. Öffentlich bekannt sind staatsanwaltlich laufende Ermittlungen gegen die Faust des Ostens seit Juni 2012.

Im aktuellen Vorgang sei übrigens nicht ausgeschlossen, “dass auch gegen die Hooligans aus Dresden und Rostock wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird“, zitiert die Sächsische Zeitung Oberstaatsanwalt Lorenz Haase.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 22. Januar 2015 sein Urteil (Az 3 StR 233/14) im Verfahren gegen die Hooligans Elbflorenz verkündet, dem zufolge Hooligan-Gruppen grundsätzlich als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können. Insbesondere auch, wenn sie sich “mit anderen Hooligan-Gruppen zu organisierten Schlägereien treffen“ (BGH-Urteil im Medien-Spiegel).

Wie lange die Ermittlungen im aktuellen Fall dauern werden, ist gegenwärtig noch unklar.

MedienScreen # 94 [Ende Fußballgelände?]

[Fundstück] Alexander Schnarr, “Ist das noch Fußball oder kann das weg? – 1. FC Magdeburg – SG Dynamo Dresden, 34. Spieltag, 2:2 (1:0)“, nurderfcm.de, 17. April 2016 –

(…) Die Sache ist doch: Alles, was jetzt über das Spiel geschrieben (werden) wird, gab es so oder so ähnlich schon ungefähr 1.000 Mal. Wortbaukausten gefällig? Bitte sehr: Randale, Randalierer, kam es zu, Krawalle, Ausschreitungen, verletzte Beamte, aggressive Fans, werfen, schlagen, Pfefferspray, Fußball, Magdeburger, Dynamo, überschattet … Das hat die Begegnung nicht verdient.

Nach dem die Redakteur*innen der Republik sich dann austoben durften – allen voran die, die vermutlich nicht mal vor Ort waren (Hallo, dpa!) – geht ja üblicherweise das Fingerzeigen und Schulterklopfen los. “Die haben angefangen!“ – “Aber die haben doch …!“ – “Provokation!“ – “Noch mehr Provokation!“ – “Immer zweimal mehr wie Du!“ Von einem überzogenen Polizeieinsatz wird die Rede sein. Und von ’krasser Action mit den Bullen’ (in Variationen). Und davon, wie man es [hier Name der Fanszene einsetzen] gezeigt hätte. Und wie man sich ungerecht behandelt fühlte. “Aber ich habe doch …“ – “Wir wollten doch nur ….“ – “Mimimi“.

Ich habe es so satt.

(…) Das Schizophrene ist nur, dass diejenigen, die diesen ganzen Plastikfußballquatsch so vehement ablehnen, ihn mit ihrem Ausleben von “Werten“ und “Fankultur“, wie gestern geschehen, fleißig mitproduzieren. Und das in ihrer Verteidigung der “einzig wahren Sache“ vermutlich nicht mal merken (…) Mit anderen Worten: Wenn “Traditionsduell“ bedeutet, sich die Sturmhaube überzuziehen, das Fangnetz vor der eigenen Kurve zu entfernen und nur darauf zu warten, sich gegenseitig aufs Maul zu geben, dann danke, aber nein, danke. Und wenn der Capo die Kurve mit den Worten “Viel Spaß beim Sachsen jagen“ verabschiedet, muss man sich über das, was dann nach einem “Traditionsduell“ so abgeht, auch nicht mehr groß wundern (…)