Schlagwort-Archive: Kerstin Köditz

MedienScreen # 251 [Skinheads Sächsische Schweiz. Läuft. Wieder?]

[Fundstück] “Nur eine Party? – Am Männertag wurden in Pfaffendorf Polizisten angegriffen. Entsteht dort in der Sächsischen Schweiz eine neue Neonazi-Szene? Eine Spurensuche.“, Tobias Wolf, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 26. Juni 2020 –

[…] Von den 30 Festgenommenen in Pfaffendorf sind mindestens die Hälfte schon einmal durch politisch rechts motivierte Kriminalität strafrechtlich aufgefallen, vier von ihnen entpuppen sich als Ex-SSS-Mitglieder, so CDU-Innenminister Roland Wöller in einer Antwort auf die Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linke) […]

[…] Ein mit den örtlichen Verhältnissen Vertrauter sagt: “[…] Ich bin mir sicher, dass die gesamte Sächsische Schweiz mit solchen ’Feier-Immobilien’ übersät ist.“ […] “Die SSS-Leute sind alle noch da, aber seit dem Verbot gibt es nur noch lose Gruppen“ […]

Der Ausgang der Pfaffendorfer “Party“ passt in ein Muster, das sich seit Jahren entwickelt: gezielte Gewalt gegen Polizisten von Rechtsextremisten. Experten gehen davon aus, dass Ex-SSS-Leute auch bei den Krawallen vor einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau 2015 dabei waren und dass sich Rechtsextremisten jetzt auch bei den Corona-Demos beteiligen, die im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge als sachsenweit am aggressivsten gelten […]

Eine Anwohnerin sagt, für den Tourismus sei der Polizeieinsatz in Pfaffendorf nicht gerade förderlich. Aber man müsse doch mit den Rechtsextremisten reden, weil deren Meinung interessant sei, egal wie sie das selbst beurteile […]

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Faust des Ostens – On Ice?

Bereits vor fast genau zwei Jahren war in Sachen Strafverfahren gegen mutmaßlich führende Mitglieder der Faust des Ostens (FdO) zu lesen –

… Die Tatvorwürfe gegen die “auch rechtsextreme“ FdO belaufen sich auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und schweren Bandendiebstahl. In dem bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden anhängigen Verfahren gegen die Angeklagten der Faust des Ostens “ist jedoch fast fünf Jahre nicht Wesentliches mehr passiert. Da keiner der Angeklagten in Untersuchungshaft saß, sah sich die Kammer gezwungen, andere Prozesse vorzuziehen“, resümiert … die Sächsische Zeitung …

“(…) Vergangene Woche gab es ein wenig Bewegung. Die Richter haben das Verfahren eröffnet. Damit kamen sie der nach fünf Jahren drohenden Verjährung zuvor. Ein Prozesstermin ist derzeit jedoch nach Angaben des Landgerichts nicht in Sicht (…)“ [Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 4. Juni 2018].

Aktuell allerdings “ist sieben Jahre nach der Anklageerhebung immer noch kein Prozesstermin in Sicht“, so Karin Schlottmann in Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe) vom 28. Mai dieses Jahres. Die Information fußt auf einer Antwort der Obersten Justizbehörde des Freistaates Sachsen (SMJ) zu einer parlamentarischen Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linkspartei).

“(…) Die zuständige Staatsschutzkammer habe mitgeteilt, dass sie wegen fünf weiteren Strafverfahren mit Untersuchungshaft derzeit keinen Termin gegen die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe festsetzen könne.

Die Staatsanwaltschaft hatte am 19. Juli 2013 Anklage gegen die Hooligan-Truppe ’Faust des Ostens’ erhoben. Fünf Jahre später, am 28. Mai 2018, ließ die Staatsschutzkammer die Anklage zur Hauptverhandlung zu und verhinderte damit in letzter Minute die Verjährung der Vorwürfe.

Dennoch droht spätestens im April nächsten Jahres die Verjährung einzelner Tatvorwürfe (…)“ [Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 28. Mai 2020].

… à la Asterix – Quid novi?

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Faustrecht des Ostens?

Fast augenblicklich – nachdem ein Nazi-Mob seine Spur durch Connewitz gezogen hatte – verlautbarte inmitten Leipziger Allerlei-Ansagen die zuständige Polizeidirektion, hernach am 11. Januar dieses Jahres Festgesetzte des rechten Spektrums seien “aufgrund mitgeführter Utensilien dem Fußballfanklientel zuzuordnen“. Aus der kürzlich erfolgten Antwort von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 6/3840) der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz geht hervor, dass 147 Personen – und damit ein Großteil der insgesamt 215 Beschuldigten – keinen erkennbaren Fußballbezug haben.

Mithin befänden sich unter den Verdächtigen vier mutmaßliche Fans des FC Rot-Weiß Erfurt, zwei vom FC Carl Zeiss Jena sowie jeweils einer des Halleschen FC, Chemnitzer FC und von RasenBallsport Leipzig. Den Hauptteil mit 41 Beschuldigten rechnet das Innenministerium der Fanszene des 1. FC Lok Leipzig zu. Sechs davon sollen der als aufgelöst geltenden Gruppierung Scenario Lok angehören. Dem Umfeld von Dynamo Dresden werden 16 Verdächtige zugeordnet, darunter sechs von der Faust des Ostens. Gegen alle Beschuldigten wird wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt.

Nach letzten behördlichen Angaben umfasste vor gut einem Jahr die Faust des Ostens rund 40 Mitglieder. Im Mai 2013 bezifferte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär noch mehr als 100 Beschuldigte im Verfahren gegen die Gruppierung aus dem Umfeld des amtierenden Drittligisten Dynamo Dresden.

Die Sächsische Zeitung stellt nunmehr aktuell fest, Mitglieder der Faust des Ostens “konnten sich möglicherweise nur deshalb an den Ausschreitungen vom 11. Januar in Leipzig-Connewitz beteiligen, weil sie noch nicht verurteilt sind“.

Nach Recherchen der Zeitung liegt seit 19. Juli 2013 eine Anklage gegen fünf mutmaßliche Faust des Ostens-Rädelsführer bei der Staatsschutzkammer am Landgericht Dresden. “Bisher wurden nur einige wenige Mitglieder der Vereinigung als Einzeltäter bestraft. Mehrere Verfahren wurden an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben. Was aus ihnen wurde, konnte am Freitagnachmittag [12. Februar] in der Behörde nicht geklärt werden“ (Sächsische Zeitung, 15. Februar).

Dieser Sachverhalt lässt Reporter Thomas Schade resümieren: “Wäre es in allen Verfahren zu Verurteilungen gekommen, stünden die meisten Hooligans unter Bewährung und müssten möglicherweise in Haft, wenn sie weiterer Straftaten überführt würden.“

Staatsanwaltlich offiziell wird gegen die Faust des Ostens seit Juni 2012 ermittelt.

Faust des Ostens: Zählappell – Rechtsextreme Hooligans in Sachsen

Beinahe wäre so ein kleiner ’Zählappell’ hinsichtlich der Faust des Ostens weniger oder mehr rechts liegen gelassen worden. Unbedingt öffentlich wurde bislang eine solche Zahlenspielerei nun aber auch nicht unbedingt betrieben. Wobei Zahlenspielerei gewiss nicht der richtige Terminus ist. So viele sind es nämlich gar nicht. Also, Zahlen. Und mittlerweile bei der Faust des Ostens. Scheint es.

Im Mai 2013 laufen Ermittlungen gegen mehr als 100 Beschuldigte der Faust des Ostens. Zitierte damals die Sächsische Zeitung Oberstaatsanwalt Jürgen Schär. Mitte Februar 2015 hat die Faust des Ostens dann etwa 40 Mitglieder. So die zu diesem Zeitpunkt von DPA zitierten Angaben von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Die Herren sowie beide Behörden sind sich arbeitsintensiv durchaus vertraut, ist zu vermuten, und nicht erst seit gestern.

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(Dresden, Februar 2011 – Foto: O.M.)

Im Zusammenhang der 2015’er Februar-Antwort des Innenministers (Vorgangs-Nummer 6/579) auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (DIE LINKE) legt Markus Ulbig etwa 160 Rechtsextremisten in der gewaltbereiten Fußballfanszene in Sachsen zugrunde. Aus dem Fanumfeld vom 1. FC Lok Leipzig wird die Gruppierung Scenario Lok als rechtsextremistisch eingestuft. Der Gruppe, die im Oktober vergangenen Jahres ihre Auflösung bekannt gegeben habe, seien etwa 70 Mitglieder zugerechnet worden. Im Umfeld des Chemnitzer FC gibt es mit der New Society und Kaotic Chemnitz zwei rechtsextreme Fangruppen mit zusammen etwa 50 Mitgliedern. Ja, und die Faust des Ostens aus der Peripherie von Dynamo Dresden eben noch.

(…) Die getroffenen Aussagen stießen beim Chemnitzer FC auf Unverständnis (…) wurde die “New Society“ vor drei Jahren hinsichtlich ihrer Symbolik vom Verein verboten. Gegen damalige Führungskräfte sind entsprechende Stadionverbote verhängt worden (…) [cfc-fanpage.de, 19. September 2012]

Wie schnell doch so ein gebrauchtes Jahr vergeht. Oder zwei. Oder drei.

Staatsschutz-“Joker“ beim “Sturm 34“

Dresden. Am zweiten Prozesstag gegen fünf führende Kader der rechtsextremistisch-militanten Kameradschaft outete sich einer der Angeklagten nun auch öffentlich als Informant des polizeilichen Staatsschutzes – es bleiben weiter offene Fragen.

Bislang wurde eher orakelt, ob überhaupt und wenn, für welche Behörde – Polizei, Staatsschutz oder LKA – der als “Joker“ titulierte Angeklagte tätig gewesen sein könnte. “Aus den Akten ergebe sich nichts. Was vermuten lässt, dass sie unvollständig sind“ (Dresdner Morgenpost). Der 40-jährige hatte sich vor kurzem an den Petitionsausschuss des sächsischen Landtages gewandt, weil ihm die angeblich als Informant zugesicherte Straffreiheit nicht realisiert wurde. Der Vorsitzende Richter Martin Schultze-Griebler nannte es zu Beginn des zweiten Prozesstages einen “ausgesprochen schlechten Stil“, dass der Angeklagte in einer Zeitung detaillierte Angaben zu seiner vermeintlichen Tätigkeit für den Staatsschutz der Chemnitzer Polizei gemacht hatte, bevor er sich im Prozess dazu geäußert habe.

Nach seiner heutigen Darstellung hatte der “Joker“ bereits mehrere Monate vor Gründung des “Sturm 34“ regelmäßige Kontakte zum Staatsschutz gehabt. So habe er per SMS Hinweise über Aktivitäten der Kameradschaft an Mitarbeiter der Staatsschutzabteilung bei der Chemnitzer Polizei gesendet, zudem auch Fotos übergeben. Im Gegenzug habe er Handykarten und etwa 1.000 Euro erhalten. Außerdem bestätigte der Angeklagte Vorwürfe aus der Anklageschrift. Der “Sturm 34“ sei gegründet worden, um in der Region Mittweida eine “national befreite Zone“ zu schaffen. “Der Staatsschutz war über die Gründung informiert“, betonte er. Im bisherigen Prozessverlauf hatte die Staatsanwaltschaft angegeben, Matthias R. sei erst nach der Gründung der Kameradschaft auf die Ermittler zugegangen. Bei der Gründung des “Sturm 34“ Anfang März 2005 wäre er, so der Angeklagte, aber dabei gewesen.

In gewisser Weise merkwürdig ist es allerdings wiederum schon, dass in der –  redok vorliegenden – Verfügung zum Verbot der Kameradschaft durch den sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo (CDU) vom 23. April 2007 bei den detaillierten Schilderungen der “Sturm 34“-Gründung besagter Informant nicht namentlich erwähnt wird.

Unterdessen verlangt die Abgeordnete Kerstin Köditz (Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag) von Minister Buttolo Antworten darauf, warum durch das Innenministerium über Jahre und auch nach dem Verbot von “Sturm 34“ die Existenz der Vorläuferorganisation “Division Sächsischer Sturm“ verschwiegen und zudem nicht darüber informiert wurde, dass ein erheblicher Teil der Tatverdächtigen des “Sturm 34“ nicht aus dem Kreis Mittweida, sondern aus dem Kreis Stollberg beziehungsweise aus Chemnitz stammt. Zudem sollen durch die Staatsregierung Erkenntnisse über die “enge Verflechtung zwischen dem gewalttätigen ’Sturm 34’ und der NPD“ offen gelegt werden. So seien nach einem Bericht der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge aus dem Mai 2006 die meisten Angehörigen des “Sturm 34“ ausdrücklich dem NPD-Kreisverband Mittweida zugeordnet worden. Zudem gebe es Berichte, dass der “Sturm 34“ – wie vormals ebenso die Skinheads Sächsische Schweiz – den Saalschutz bei NPD-Veranstaltungen gestellt habe.

Der Vorsitzende Richter vor dem Landgericht Dresden machte schon am ersten Prozesstag deutlich: “Das Gericht wird nicht zögern, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, auch wenn das für einige Behörden unangenehm ist“. Gleichfalls hatte Schultze-Griebler klar gestellt, dass das Verfahren platzt, wenn eine Mitwirkung des Staatsschutzes an der Gründung der Kameradschaft offenkundig wird.

[Dieser Artikel wurde am 11. April 2008 bei redok veröffentlicht.]