Hooligans Elbflorenz: Anwaltliche Worte

Am 22. Januar 2015 verkündete der Bundesgerichtshof (BGH) sein Urteil (3 StR 233/14) im Verfahren gegen die Hooligans Elbflorenz, dem zufolge Hooligan-Gruppen nunmehr grundsätzlich als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können.

Zuvor hatte das Landgericht Dresden am 29. April 2013 fünf Männer wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, teilweise auch Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Angeklagten standen seit 24. August 2011 vor Gericht. Durch die Staatsanwaltschaft wurden sie beschuldigt, die Hooligans Elbflorenz gegründet und zahlreiche Gewalttaten in Zusammenhängen mit Fußballspielen von Dynamo Dresden angezettelt zu haben. Die Verteidigung der Beschuldigten war nach dem Dresdner Urteilsspruch vor dem BGH in Revision gegangen.

Anfang April dieses Jahres wurde unterdessen seitens der anwaltlichen Vertretung im Namen der fünf Angeklagten Beschwerde gegen das BGH-Urteil beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

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(Spuren der Zeit – Foto: O.M.)

Das Magazin Blickfang Ultra (BFU) ließ im kürzlich erschienenen Heft 35 einen der Anwälte der Hooligans Elblorenz zu Wort kommen. Nachfolgend werden die anwaltlichen Darstellungen auszugsweise dokumentiert –

Die Entscheidung liegt noch nicht in schriftlicher Form vor. Dennoch wurde darüber bereits ausführlich in der Presse berichtet. Vieles davon entspricht nicht den Tatsachen. Anderes wird verschwiegen. Als Anwalt, der die Revision eines der Angeklagten vertreten hat, halte ich es für erforderlich, einiges klarzustellen.

(…) Das LG Dresden unterstellte den Angeklagten gleichwohl politische Motive (…) Es sah den Vorwurf als berechtigt an, es habe sich um eine politisch motivierte und insbesondere ausländerfeindliche Vereinigung gehandelt. Die organisierten Drittortauseinandersetzungen auf der grünen Wiese oder auch spontane Prügeleien beim Fußball in der Nähe der Stadien seien nur ein Betätigungsfeld der Vereinigung gewesen. Der wahre Zweck der Vereinigung sei weit darüber hinausgegangen.

Der Bundesgerichtshof ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die ausländerfeindlichen Aktionen in Dresden nichts mit der Vereinigung zu tun hatten. Ausgehend von dem, was das Landgericht Dresden in sein Urteil geschrieben habe, habe es weder eine politisch motivierte noch eine ausländerfeindliche Vereinigung gegeben. Eine Vereinigung habe überhaupt nur insoweit bestanden, als dass unpolitische Drittortauseinandersetzungen auf der grünen Wiese organisiert worden seien. Es habe zwar einzelne Teilnehmer gegeben, die sich daneben an ausländerfeindlichen Aktionen beteiligten. Aus dem Urteil des LG Dresden ließe sich das aber nur für einen der Angeklagten schlussfolgern. Für die übrigen vier Angeklagten gelte das nicht. Der BGH hat das Urteil des LG Dresden deshalb insoweit aufgehoben (…)

Die wesentliche Aussage des BGH ist danach, dass es grundsätzlich strafbar sein soll, wenn sich mehr als zwei Personen prügeln, auch wenn alle damit einverstanden sind. Es handelt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dann grundsätzlich um eine gefährliche Körperverletzung. Damit machen sich alle Teilnehmer an spontanen Prügeleien an einem Spieltag oder Drittortauseinandersetzungen auf der grünen Wiese stets wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar.

Und wenn das alles in einem organisierten Rahmen (Trikots, Training, gemeinsame Anfahrt etc.) geschieht, bilden die daran Beteiligten eine kriminelle Vereinigung. Nachdem Drittortauseinandersetzungen auf der grünen Wiese gar nicht anders als organisiert denkbar sind, muss nach der Entscheidung des BGH jetzt jeder Teilnehmer daran damit rechnen, wegen gefährlicher Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verfolgt zu werden. Um sich strafbar zu machen, reicht es im weiteren auch schon aus, einen Bus zur Verfügung zu stellen, die Trikots einer Mannschaft zu waschen oder irgendetwas anderes zu tun, was die Organisation der Drittortauseinandersetzung unterstützt.

Konsequenz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist allerdings nicht nur die Strafbarkeit vor allem organisierter Drittortauseinandersetzungen, sondern sie ermöglicht es der Polizei außerdem, zur Gewinnung von Informationen radikal zu ermitteln. Es reicht künftig ein Anfangsverdacht aus (…), ganz egal, ob sich der Verdacht bestätigt. Der bloße Verdacht der Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gibt der Polizei dazu die jederzeitige Möglichkeit.

Ich persönlich gehe deshalb auch davon aus, dass die Entscheidung genutzt werden wird, um sich mit Hilfe derartiger Methoden vereinfacht Einblicke in die Strukturen der Fan-Szene zu verschaffen.

Selbstverständlich werden wir das Urteil des BGH nicht hinnehmen. Die Befreiung vom Vorwurf, eine politisch motivierte und ausländerfeindliche Vereinigung zu sein, wird aller Voraussicht nach zwar dazu führen, dass keiner der verbliebenen Angeklagten eine Inhaftierung befürchten muss. Es kann nach unserem Verständnis aber nicht sein, dass die Strafbarkeit einer einvernehmlichen Prügelei davon abhängen soll, ob zwei sich miteinander schlagen oder ob ein Dritter oder Vierter hinzukommt, zumal bei den Drittortauseinandersetzungen erwiesenermaßen so gut wie nie schwere Verletzungen auftreten, während beim Boxen jedes Jahr Kämpfer sterben. Zahlreiche weitere Kampfsportarten sind viel gefährlicher als Drittortauseinandersetzungen und trotzdem nicht verboten. In letzter Konsequenz sind nach dem Urteil des BGH nunmehr auch Prügeleien im Eishockey und sogar Mannschafts-Paintball strafbar. Das Urteil führt damit zu Unterscheidungen, für die es keinen rationalen Grund gibt (…)

(…) Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass bis zu einer erfolgreichen Anfechtung die vom BGH nunmehr gesetzten Maßstäbe die Strafverfolgung prägen werden.

Prof. Dr. Endrik Wilhelm, Rechtsanwalt

[Dieser Beitrag wurde am 21. April 2015 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]