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UEFA EURO 2016. No signs before the time?

Betroffenheit. Entsetzen. Über allseits bekannten Bilder aus Frankreich, die mit dem fußballerischen Sport auf dem grünen Rasen nichts gemein haben. Landläufig. Erklärungsversuche allenthalben. Andere wiederum geben sich erstaunt, sind überrascht. Im Gastgeberland. Und nicht nur dort.

Polizeisprecher Thomas Geithner sagt, vor der Europameisterschaft habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass gewaltbereite Hooligans aus der Region Dresden vorgehabt hätten, nach Frankreich zu reisen … Nun habe sich die Lage “komplett geändert“. Die Dresdner Polizei werde ihre Maßnahmen korrigieren. Rund 70 Personen stünden im Visier. “Wir haben unsere Planung über den Haufen geworfen“, sagt Geithner (Sächsische Zeitung, 14. Juni).

Nun sind nicht allein aus bundesdeutschen Gefilden fußballaffine Einzelpersonen und Gruppierungen aller Couleur in Frankreich unterwegs. Das Spiel heißt schließlich Europameisterschaft.

In einem Gastgeberland, wo durchaus mehr Reactio als Actio den Alltag der Fanszene beherrscht. Die bereits vorab teilweise auch ihre ganz eigene Sicht auf das anstehende Spektakulum in ihrem Heimatland nicht hinter dem sprichwörtlichen Berg gehalten hat.

Im Mai dieses Jahres publizierte ERLEBNIS FUSSBALL in seiner Ausgabe Numero 69 einen “Lagecheck – Frankreich vor der Euro 2016“. Im Gespräch mit französischen Ultra-Gruppen (Tigers Lens, Brigada Sud Nice, Green Angels, Ultramarines, Indian Tolosa) ging es auf gut dreizehn Heftseiten darum, “was für Veränderungen dieses ach so tolle Event namens EM für die Fans vor Ort mit sich gebracht hat“. Und um Gefühle mit Blick auf das Großereignis.

“… Es gibt keine Gespräche zwischen den Fans, der Polizei, dem Staat, dem Verband und der Liga. Das einzige Mittel, das die Behörden wählen, ist Repression …“ (Lens)

“… für uns hängt diese EM vor allem mit langen Jahren voller Repression zusammen. Die Europameisterschaft ist und bleibt ein wichtiges Werkzeug der UEFA, um das Fußball-Business in den Vordergrund zu drängen. Es ist in erster Linie ein Kommerzevent. Um ehrlich zu sein, hoffen wir, dass die EM 2016 auf dem Niveau der Sicherheit ein Misserfolg wird …“ (Nice).

“… Letztlich hofft man aber auch auf zahlreiche Zwischenfälle und Ausschreitungen während der EM, um der Gesellschaft zu zeigen, wie unfähig die Verbände und weiteren involvierten Instanzen sind, ein solches Ereignis zu organisieren. Auf diese Art könnte man die Absurdität von Maßnahmen wie Auswärtsverboten, die wir innerhalb einer Saison regelmäßig erdulden müssen, aufzeigen, und man kann so die Verantwortlichen unglaubwürdig machen – Verantwortliche, die weder mit uns in den Dialog treten, noch eine Ahnung von den Kurven Frankreichs haben …“ (Bordeaux).

“… So wie dieses Event angegangen wird, kotzt uns das alles nur noch an. Die UEFA kommt mit ihren Sponsoren daher und alles andere wird bei Seite geschoben … Wie immer steht die UEFA über allen Gesetzen, und so wird einem mal wieder vor Augen geführt, was für ein mafiöses System das Ganze doch ist … Auf der anderen Seite sind wir neugierig, welche französischen und ausländische Supporter zu uns in die Stadt kommen werden …“ (St. Etienne).

“… wie jede Gruppe aus Frankreich, hat man eher gemischte Gefühle, was die EM anbelangt: Auf der einen Seite gibt es eine gewisse Vorfreude, dass sehr viele Leute aus überall zu diesem Fest kommen werden. Auf der anderen Seite sehen wir den Maßnahmen, die unsere Regierung unternommen hat, sehr kritisch entgegen. Denn eigentlich ist es nicht mehr die UEFA, die das Turnier organisiert, sondern eher die französische Regierung, die das Turnier nutzt, um ihre neue Repressionspolitik durchzusetzen; und letztendlich wird es dann die französischen Ultras treffen …“ (Toulouse).

“Die Zeichen der Zeit sind überall sichtbar, aber nicht gern gesehen“ (Ernst Ferstl). Die UEFA EURO-Spiele anno 2016 haben gerade erst begonnen.

MedienScreen # 109 [UEFA EURO 2016. Selfless Heroes?]

[Fundstück] Thomas Strunz, zitiert in DER SPIEGEL, 4. Juni 2016 –

(…) Schnittstelle ist die Nationalmannschaft. Dort spielst du für die Ehre. Geld spielt dabei überhaupt keine Rolle (…)

– Nachschiebsel vom 28. Juni –

“(…) Mathematik und Journalismus vertragen sich nicht. Trotzdem sind einige Rechenübungen fällig. Denn ab jetzt verdienen die deutschen Spieler bei der EM richtig Geld. 50.000 Euro gab es für das gewonnene Slowakei-Spiel, beim Sieg im Viertel- und im Halbfinale winkt jeweils die gleiche Summe, macht 150.000, für den Titel gäb’s das gleiche obendrauf. Maximal also 300.000 Euro für jeden der 23 Spieler. Alles in allem spendiert der DFB 6,9 Millionen. Das ist manchem sein Ganzes (…)“ [Heinrich Maria Löbbers, Kolumne “Abseits“, Sächsische Zeitung, 28. Juni 2016]

Im Auge des Krah

Gute Freunde kann niemand trennen, lautet eine landläufige Weisheit. Und Freunde stehen einander bei, besonders in der Not. Wenn sie echt sind. Über Kameradschaft hinaus.

Mehr oder weniger sinnhafte Volksweisheiten gibt es ja einige. Zuweilen nicht einmal von Parteigrenzen aufzuhalten. Da ist einer in der FDP, ein anderer nennt die CDU seine politische Heimat. Passiert.

Nun gut, einer der beiden sieht sich eher parteipolitisch unabhängig. So als amtierender Oberbürgermeister der sächsischen Landeshauptstadt.

Der andere wiederum, so munkelt es hier und da, erwarb Meriten beispielsweise bei Tätigkeiten als “weltweiter Anwalt der Piusbruderschaft“ mit “Kanzleisitz in Dresden“ (Alternative Dresden News, 5. August 2011).

Einer der beiden, Dirk Hilbert, hat Aufmerksamkeit. Welche auch immer. Allein aus seiner Position heraus. Der andere wiederum sucht offenbar noch die ihm letztendlich vorhergesehene Beachtung. Hier und da.

“’Lange Wickelröcke sind unmoralisch, weil hässlich’. Diese provokante These vertritt Maximilian Krah, der sich selbst als Vollblutanwalt, Vollblutkatholik und Vollblutvater bezeichnet“ (Katholische Nachrichten, 6. Oktober 2015). Plakativ flach herbeizitiertes Beispiel? Geschenkt.

Möglicherweise sucht der Mann aber einfach nur Freunde. Auch über Parteigrenzen hinweg. Oder politische Gruppengräben überwindend. Letztendlich kennen sich Maximilian Krah (CDU) und Dirk Hilbert (FDP) eventualiter ja sogar. In Dresden ist einiges möglich …

Apropos Pegida: Da war doch mal diese Kathrin Oertel. Eben jene, die nunmehr offenbar als Mitarbeiterin für die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt (Oppa, hol’ die Flaggen vom Boden) arbeiten möchte. Na hallo, Frau Oertel kann ja mal Leute kennen. Und scheinbar auch gekannt werden. Zart geschützt und verteidigte politische Freundesbande hier und da? Wer weiß.

Kann man sich Freunde aussuchen? Also: politische? Und sprachlich sodann wehrhaft füreinander einstehen? Die selbst gewählte Wagenburg per se verteidigen? Ohne sich zu kennen? Fragen über Fragen …

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(Screenshot Twitter: O.M.)

Eine literarische Anleihe? In aller Freundschaft? Politisch verbrämt? “Was er unter Freundschaft zu verstehen habe, erfuhr er nie“ (Heinrich Mann in Professor Unrat). Historisch ohne Zusammenhang? Schade. Aber einen Versuch war es wert.

“Wer sich als Mann an Schönheit, und dazu gehört nunmal ein gewisser Sex Appeal, nicht still erfreuen kann, muss an sich arbeiten“ (Maximilian Krah, a.a.O.). Billig aus dem Kontext gezerrt? Unpolitisch? Hat mit der Frage von Matthias Meisner nichts gemein? Und mit der Krah’schen Antwort noch weniger? Bleibt aber einfach mal so stehen. Wie auch immer. Sei’s drum.

Erbärmlich ist wohl manches. Hier und da. Aber das wäre dann schon wieder eine andere Geschichte. In Dresden. Oder anderswo.

– Nachschiebsel vom 16. Juli –

“(…) Vorwürfe, er sei rechtslastig, lässt er an sich abprallen. ’Ich bin realistisch’ (…)“ [“Der Provokateur“, Maximilian Krah porträtiert von Andreas Weller, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 16. Juli 2016]

– Nachschiebsel vom 19. September –

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(Screenshots Twitter: O.M.)

– Nachschiebsel vom 21. September –

(…) Eine Internetseite, auf der offen zum Austritt aus der CDU aufgerufen wird, und wenige Stunden später ein Fax, das den Abgang offiziell macht: Maximilian Krah hat seinen Unmut über die CDU, ihre Asylpolitik und seinen Austritt zelebriert (…) [Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 21. September 2016]

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(Screenshot Twitter: O.M.)

– Nachschiebsel vom 8. Oktober –

(…) Kürzlich trat Krah mit großem Aplomb aus der CDU aus – nun geht er den logischen nächsten Schritt: “Ich werde nächste Woche den Vorsitzenden des AfD-Kreisverbandes Dresden treffen und mit ihm die Modalitäten meines Beitritts besprechen“ (…) [“CDU-Refugees Welcome“, DER SPIEGEL, 8. Oktober 2016].

StreetArt # 91 [Nazi Activists Sleep In Hitler’s Room. Paranormal Activity?]

Dresden (2016) –

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(’Nazi Activists Sleep In Hitler’s Room. Paranormal Activity?’ – Foto: O.M.)

* “I Sleep in Hitler’s Room – An American Jew Visits Germany”. Tuvia Tenenbom. The Jewish Theater of New York. 2011.

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– Nachschiebsel –

“(…) Seit gut einem Jahr sorgt das als Schokopackhaus bekannte Gebäude in Dobritz immer wieder für Schlagzeilen. Vor allem politisch rechts motivierte Sprüche und Parolen sind an der Fassade zu lesen (…)“ [Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 18. November 2016]

Reges Fäustchen des Ostens?

Vor der Drittliga-Begegnung von Dynamo Dresden und FC Hansa Rostock am 19. März dieses Jahres auf dem Rasen im Rudolf-Harbig-Stadion begegneten sich Anhänger beider Vereine im Dresdner Stadtteil Löbtau –

[ULTRAS PYRO FANS, YouTube.com, 19. März 2016]

Die Polizei nahm unmittelbar mehr als 80 Personen vorübergehend in Gewahrsam. Gesamtermittlungen werden gegen 117 Verdächtige geführt.

Fast genau zwei Monate später, am 18. Mai, durchsuchte nun die Polizei Wohnungen in Dresden, Wilsdruff, Großenhain, Rostock, Anklam, Barth und Hamburg. Wie die Sächsische Zeitung berichtet, handelt es sich bei den 15 Beschuldigten “um Männer im Alter von 16 bis 31 Jahren, von denen sich offenbar zehn zu Dynamo Dresden und fünf zu Hansa Rostock zählen“. Ziel der aktuell erfolgten Beweissicherung sei es, “Hintergründe und Absprachen zu der Auseinandersetzung zu belegen“, beruft sich die Zeitung auf eine bezügliche Mitteilung von Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft.

Nach Darstellung von Gerichtsreporter Alexander Schneider ist unter den Beschuldigten “mindestens ein ’alter Bekannter’“ – “Ein 21-Jähriger, der zu den Rädelsführern der Fangruppierung namens ’Faust des Ostens’ (FdO) zählen soll“.

“Die FdO hatte mehrere Dutzend Mitglieder. Ab 2010 soll die Gruppe für erhebliche Straftaten verantwortlich sein, darunter Sachbeschädigungen im Stadion, Einbrüche, Angriffe auf Polizisten, Körperverletzungen, Schnapsdiebstähle. Die mutmaßliche Führungsriege der FdO wurde bereits im August 2013 unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden angeklagt. Seitdem ruht das Verfahren jedoch, da keiner der Beschuldigten in Haft saß. Für Haftsachen gilt das sogenannte Beschleunigungsgebot. Gerichte müssen diese Verfahren aufgrund des Freiheitsentzugs der Untersuchungsgefangenen vorzeitig verhandeln. Beschuldigte FdO-Angehörige sind seitdem jedoch immer wieder aufgefallen“ (Sächsische Zeitung, 19. Mai 2016).

Nach letzten behördlichen Angaben Mitte Februar 2015 umfasste die Faust des Ostens rund 40 Mitglieder. Im Mai 2013 bezifferte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär noch mehr als 100 Beschuldigte im Verfahren gegen die Gruppierung aus dem Umfeld von Dynamo Dresden. Öffentlich bekannt sind staatsanwaltlich laufende Ermittlungen gegen die Faust des Ostens seit Juni 2012.

Im aktuellen Vorgang sei übrigens nicht ausgeschlossen, “dass auch gegen die Hooligans aus Dresden und Rostock wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird“, zitiert die Sächsische Zeitung Oberstaatsanwalt Lorenz Haase.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 22. Januar 2015 sein Urteil (Az 3 StR 233/14) im Verfahren gegen die Hooligans Elbflorenz verkündet, dem zufolge Hooligan-Gruppen grundsätzlich als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können. Insbesondere auch, wenn sie sich “mit anderen Hooligan-Gruppen zu organisierten Schlägereien treffen“ (BGH-Urteil im Medien-Spiegel).

Wie lange die Ermittlungen im aktuellen Fall dauern werden, ist gegenwärtig noch unklar.