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Holger Apfel auf Kurs der NSDAP

Dresden. Innerhalb von drei Tagen beweist der NPD-Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag wiederholt, in wessen Geistes Gefolgschaft er sich und seine Kameraden sieht.

Erst am 9. Mai hatte Holger Apfel im Dresdner Landesparlament die Feststellung, dass unter scheinbarer Ägide von “überfremdungspolitischen Ungeheuerlichkeiten der schwarz-rot-gelb-grünen Volksabwickler“ das Ziel verfolgt werde, eine “entwurzelte Masse ethnokultureller Kastraten … schaffen“ zu wollen, auf das rechtsextrem-populistische Schild seiner Partei gehoben. Dabei führte der “’Wohlstandsnazi’ Apfel“ (Telepolis) unter anderem aus:

“… Wer nur noch – völlig unterschiedslos – ’Menschen’, aber keine Deutschen mehr kennt, den kann es auch nicht empören, wenn er in westdeutschen Großstädten verarmte deutsche Rentner in Mülleimern nach Pfandflaschen angeln sieht, während hinter ihnen staatsalimentierte orientalische Großfamilien oder arrogante Wohlstands-Neger daherstolzieren! Für wen das alles nur unterschiedslos ’Menschen’ sind, der vermag das schreiende Unrecht dieser Alltagsszene aus der ’Bunten Republik Deutschland’ nicht mehr zu erkennen …“

In der heutigen Landtagssitzung folgte nunmehr durch Holger Apfel eine “Verhöhnung von Gegnern der Nazi-Diktatur“ (n-tv). Der NPD-Fraktionsvorsitzende befand das 1933 stattgefundene Eintreten der damaligen SPD gegen das so genannte NSDAP-Ermächtigungsgesetz als “peinlich“. Zudem habe der Abgeordnete Otto Wels die Folgen dieses Gesetzes damals lediglich – so Apfel – als “larmoyant bejammert“. In besagter Rede gegen das NSDAP-Ermächtigungsgesetz hatte Wels seinerzeit unter anderem betont:

“… Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht … Wir Sozialdemokraten wissen, dass man machtpolitische Tatsachen durch bloße Rechtsverwahrungen nicht beseitigen kann … Aber auch das Rechtsbewusstsein des Volkes ist eine politische Macht, und wir werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewusstsein zu appellieren … Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten …“

In einer ersten Reaktion auf den erneuten Eklat-Auftritt von Apfel stellte der Abgeordnete Johannes Lichdi (Bündnis 90/Die Grünen) fest, die NPD-Fraktion “hat sich in der heutigen Landtagssitzung offen zu ihren nationalsozialistischen Wurzeln bekannt“. Der bündnisgrüne Parlamentarier betonte, die Rede von Otto Wels erinnere stets an die Verpflichtung, “die neuen Nationalsozialisten auf das Härteste zu bekämpfen“. Dagegen schlössen “die zynischen Bemerkungen Apfels unmittelbar an die Häme Adolf Hitlers in derselben Reichstagssitzung an. Offenbar identifiziert er sich mit den damaligen Nationalsozialisten“, so Lichdi.

[Dieser Artikel wurde am 11. Mai 2007 bei redok veröffentlicht.]

“Wohlstandsnazi“ Apfel, “Wohlstandsneger“ und ein Landtagspräsident

Wieder einmal schlägt der Fraktionsvorsitzende der NPD während einer Debatte im Sächsischen Landtag verbalreaktionär um sich

Das Salär aus Partei- und Abgeordnetenfunktionen sowie diversen Diensttätigkeiten in der rechtsextremen Sache sollte in der Summe Holger Apfel nicht unbedingt eine unterfinanzierte Lebenslage ermöglichen – im Gegensatz zu dem einen oder anderen straßenkämpfenden Anhänger der braunen Sache. Obwohl das häufige Auftreten von Apfel im stets gleich aussehenden hellgrauen Anzug durchaus anderes vermuten ließe. So eine – zugegeben unpolitische – Betrachtung würde allerdings aber höchstens einer Pseudo-Neid-Debatte unter Nazi-Kameraden Vorschub leisten. Denn was unterscheidet letztlich beispielsweise einen “VW-Golf-Nazi“ von dem “Daimler-Dienstwagen-Nazi“?

Holger Apfel möchte sich, geltungssüchtig wie er ist, unterscheiden – und sich gleichzeitig anbiedern. Zu gern würde er bei den so genannten Freien Nationalen Kräften aller Couleur zu entsprechender Anerkennung gelangen. Je weniger ihm das scheinbar gelingt, desto Aufsehen erregender – und provozierender – versucht er es durch Verbalradikalismen nach dem Motto: “Seht her, deutsche Nationalisten, euer Sprachrohr bin ich.“ Der Gedanke, dass Apfel für sich zudem stoßgebetsartig jedes Mal hinzufügt: “Ihr sollt kein Sprachrohr haben neben mir“, scheint so abwegig nicht.

Und so tritt ein Holger Apfel am 9. Mai vor das Plenum des Sächsischen Landtages und weiß nichts besseres, ausländische Bürgerinnen und Bürger als “staatsalimentierte orientalische Großfamilien“ und “arrogante Wohlstandsneger“ zu titulieren. Unter der Ägide von “überfremdungspolitischen Ungeheuerlichkeiten der schwarz-rot-gelb-grünen Volksabwickler“ sei es Ziel, jedenfalls so von Apfel akribisch herausgearbeitet und nationalistisch sprachrohrverbreitet, eine “entwurzelte Masse ethnokultureller Kastraten zu schaffen“. Für Apfel ist getreu seinem Credo aber natürlich klarer als deutlich, “dass man Neger und Tatarenstämme nicht einfach in Deutschland integrieren“ könne.

Der eigentliche Eklat liegt nicht in den Äußerungen eines Holger Apfel. Wer von dieser – mittlerweile arg geschrumpften – NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag als Politik-Ersatz etwas anderes erwartet hatte, der sollte spätestens nach der “Bombenholocaust“-Provokation eines schlechteren belehrt gewesen sein (Nur eine Landtagssitzung in Sachsen?). Der Skandal des 9. Mai im Dresdner Landesparlament besteht eher im beredten Schweigen von Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) während Apfels Auftritt.

Der NPD-Fraktionsvorsitzende ist als vorgeblich demokratischer Abgeordneter eigentlich auch für weniger aufmerksame Beobachter einfach nur noch aufsehendheischend lächerlich, was die unterschwellige Wirksamkeit der von ihm verbreiteten Ideologie allerdings nicht weniger gefährlich macht. Das Verhalten von Iltgen als Landtagspräsident dagegen ist nicht nur der demokratischen Verantwortung dieses Amtes in keiner Weise würdig. Daran ändert auch der von Erich Iltgen erst nachträglich gegen Holger Apfel erteilte Ordnungsruf nichts, nachdem der Landtagspräsident Apfels Äußerungen “im Parlament zunächst stillschweigend hingenommen hatte“ (ddp).

[Dieser Artikel wurde am 10. Mai 2007 bei Telepolis veröffentlicht.]

Festnahmen nach SSS-Razzia

Dresden. Bei einer Razzia wurden gestern Abend in Sachsen zahlreiche Objekte durchsucht und drei mutmaßliche Führungskader der verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) festgenommen. Sie sind verdächtig, trotz des Verbots die Aktivitäten der Neonazi-Gruppe weitergeführt zu haben. Die Festgenommenen hatten nach dem SSS-Verbot im April 2001 Funktionärsposten in der NPD übernommen.

Bei den inhaftierten Neonazis handelt es sich um Thomas Sattelberg, Thomas Rackow und Martin Schaffrath. Die drei gehörten der als “kriminelle Vereinigung“ verbotenen SSS an, Sattelberg und Rackow sind unter anderem bereits wegen SSS-Mitgliedschaft vorbestraft.

Am gestrigen Abend hatten Beamte der Staatsanwaltschaft Dresden und des Landeskriminalamtes eine Reihe von Wohnungen sowie die “Mühle am Brausenstein“ in Rosenthal-Bielatal durchsucht, wo Neonazis der Region bereits seit einiger Zeit einen Treffpunkt aufbauen. Dabei wurden die drei Aktivisten festgenommen. Für Sattelberg und Rackow will die Staatsanwaltschaft nun die Bewährung für ihre Haftstrafen widerrufen lassen, gegen Schaffrath wurde Haftbefehl erlassen.

Die sächsische NPD reagierte mit schwerem Geschütz auf die Festnahmen: der Fraktionsvorsitzende Holger Apfel forderte gar vom Justizminister die Entlassung des Dresdner Oberstaatsanwalts Jürgen Schär. Nach NPD-Darstellung hatten die Jungen Nationaldemokraten (JN) in der “Mühle am Brausenstein“ ein “Aktivisten- und Interessententreffen“ mit etwa 40 Teilnehmern durchgeführt, die alle vorläufig festgenommen worden seien.

Bei zahlreichen der Festgenommen seien anschließend Hausdurchsuchungen vorgenommen worden. Bei den Festgenommenen seien auch zwei persönliche Referenten des NPD-Abgeordneten Johannes Müller gewesen. Bei einem dieser beiden Referenten, der auch als ehrenamtlicher Schatzmeister der sächsischen NPD fungiere, sei im Zuge der Hausdurchsuchung “sämtliche Computertechnik beschlagnahmt“ worden.

Auf einer parteiunabhängigen Neonazi-Webseite hieß es zu der Razzia, bei der Veranstaltung habe Thomas Sattelberg einen Vortrag zum Thema “Entwicklung der nationalen Bewegung“ gehalten. 100 Polizisten und ein Staatsanwalt hätten den Veranstaltungsort “gestürmt“ und den Anwesenden “den Straftatbestand des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz“ vorgehalten. Bei 25 Neonazis seien anschließend Hausdurchsuchungen durchgeführt worden.

In einer Reihe von Prozessen waren im Laufe der letzten Jahre Dutzende SSS-Mitglieder verurteilt worden. Die SSS war in den vergangenen Jahren offenbar trotz Verbot aktiv geblieben. Sattelberg war bereits im August 2006 wegen Fortführung der Gruppe zu acht Monaten Haft verurteilt worden. Gegen einen weiteren SSS-Kader war im Dezember 2006 Anklage erhoben worden.

Neonazis machen Mühle des “Präsidenten“ flott

Die “Mühle am Brausenstein“ war in den vergangenen Wochen als Neonazi-Treff in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Seit Ende des vergangenen Jahres hatten Neonazi-Trupps aus dem Umfeld der verbotenen SSS und der NPD das alte Gemäuer im kleinen Ort Bielatal (1.800 Einwohner) nahe der tschechischen Grenze wieder auf Vordermann gebracht. “Der Eigentümer hat uns gebeten, beim Aufräumen zu helfen“, gab sich Thomas Rackow im Januar gegenüber der Sächsischen Zeitung unschuldig; die Aufräumarbeiten liefen mehr unter Privat- als Parteiinitiative, so Rackow.

Der Eigentümer ist in der braunen Szene nicht ganz unbekannt. Der 69-jährige Heino Janßen stammt aus dem niedersächsischen Zetel (bei Wilhelmshaven); die alte Wassermühle, zu DDR-Zeiten als Ferienheim genutzt, hatte er Anfang der 1990er Jahre von der Treuhand gekauft. Janßen agiert im Umfeld der von Horst Mahler inspirierten “Reichsbürgerbewegung“ und betreibt eine eigene Webseite unter dem großspurigen Titel “Zentralrat der Deutschen“ (ZD). Diesen “Zentralrat“ sieht Janßen als “einzige legitime Rechtsorganisation des fortbestehenden Deutschen Reiches mit seinem Staatsvolk“; seine wirren Schreiben etwa an den “BRD-Präsidenten“ unterzeichnet er mit “Präsident des ZD“.

Diesem “Präsidenten“ beim Aufräumen seiner heruntergekommenen Liegenschaft zu helfen, war freilich nicht der edle Zweck des Neonazi-Engagements. Das Objekt zu einem neuen Treffpunkt der Szene auszubauen, sei gut vorstellbar, sagte Thomas Rackow der Sächsischen Zeitung im Januar. Eigentümer Janßen wurde von dem Blatt zitiert: “Ein Vereinshaus soll es werden, jedoch kein öffentliches Haus, wie es einmal eines war“.

Die Nazi-Aktivitäten in der Mühle alarmierten Kommunalvertreter und Behörden. Einen “abgestimmten Maßnahmeplan“ kündigte der Bürgermeister Bernd Gottschald an, um einen braunen Szenetreff zu verhindern.

Bald darauf klangen die Neonazis zahmer. In einem an alle Haushalte des Ortes verteilten Handzettel “Blickpunkt Sächsische Schweiz“ sprach eine Interessengemeinschaft “Mühle Brausenstein“ von einem Mühlenmuseum. Kein NPD-Schulungszentrum, sondern ein offener Jugendtreff solle dort entstehen. Im Impressum des “Blickpunkt“-Blattes steht der NPD-Landtagsabgeordnete Johannes Müller, unterzeichnet war das Schreiben an die Bürger von Martin Schaffrath.

Dieser Schaffrath ist jedoch in Bielatal nicht unbekannt. Im Jahr 2003 sei er persönlich an einem Überfall auf den örtlichen Jugendklub beteiligt gewesen, schrieb Bürgermeister Gottschald im Rosenthal-Bielataler Dorfblatt. Ein Hohn sei seine nun demonstrierte Offenheit.

Drei SSS-Kader und NPD-Funktionäre

Thomas Sattelberg gilt als Anführer der SSS. Im Mai 2003 war er zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Im August 2006 stand er erneut vor Gericht: wegen Fortführung der verbotenen SSS bekam er eine Haftstrafe von acht Monaten.

Der gelernte Sozialpädagoge Sattelberg ist mittlerweile – wie sein politischer Ziehvater, der verstorbene Uwe Leichsenring – als Fahrlehrer tätig. Bei der NPD stieg er zu Vorstandsposten auf: Im September 2006 wurde er in den Landesvorstand der Jungen Nationaldemokraten (JN) gewählt. Zuständig ist er dort für das Referat “Politische Strategien“.

Thomas Rackow erhielt 2003 eine Jugendstrafe von zwei Jahren. Nach dem Verbot der SSS betrieb er die Neonazi-Internetseite “Heimatschutznetzwerk“, daneben betreute er auch noch die Webseiten der NPD Sächsische Schweiz. Bei einer Polizeirazzia wegen des Verdachtes der Weiterführung der SSS wurde im Dezember 2004 sein Computer beschlagnahmt. Schon einen Tag später konnte er vertrauten Kameraden verkünden: “Habe wieder nen Rechner, diesmal von nem MdL“ (Mitglied des Landtags). Welches NPD-Landtagsmitglied ihm einen neuen Rechner besorgt und damit die Weiterführung der verbotenen Gruppe unterstützt hatte, blieb offen; Kenner der Szene vermuteten Uwe Leichsenring als Computer-Lieferant.

Wie viele andere SSS-Mitglieder stieg Rackow in der NPD auf. Im April 2005 wurde er Kreisverbands-Vorsitzender der JN in Pirna, im Februar 2006 wurde er in den NPD-Kreisvorstand Sächsische Schweiz gewählt. Mittlerweile ist er stellvertretender JN-Landesvorsitzender und persönlicher Referent des NPD-Landtagsabgeordneten und Fraktionsgeschäftsführers Johannes Müller.

Laut Einschätzung der Dresdner Staatsanwaltschaft ist Martin Schaffrath, der einige Jahre jünger als seine Kumpane ist (Jahrgang 1982) und bisher noch nicht wegen SSS-Mitgliedschaft verurteilt wurde, als neuer führender Kopf der Gruppe anzusehen. Er betreibt in Pirna das Ladengeschäft “CrimeStore“, das im Dezember 2006 wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs Ziel einer Hausdurchsuchung durch die Polizei war. Seit kurzem ist er JN-Kreisvorsitzender Sächsische Schweiz.

[Dieser Artikel (Albrecht Kolthoff/Olaf Meyer) wurde am 5. April 2007 bei redok veröffentlicht.]

Rechtsextreme Schulstunden

Pirna. Die sächsische NPD konnte ihren Landesparteitag – begleitet von Protesten – in einem Beruflichen Schulzentrum der Kreisstadt abhalten. Der Demokratieauffassung der Rechtsextremisten folgend war allerdings nur ein Teil dieser Partei-Veranstaltung öffentlich.

Nach einem wochenlangen Rechtsstreit zwischen dem Landkreis Sächsische Schweiz und der NPD Sachsen ermöglichte letztendlich ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen die Durchführung des NPD-Landesparteitages am 4. März in der Aula des Berufsschulzentrums für Technik in Pirna. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Parteiengesetz. In dem Verfahren wurde die sächsische NPD durch den vormaligen stellvertretenden Parteivorsitzenden der “Republikaner“, Björn Clemens, vertreten. Über ein eventuell zukünftig geltendes generelles Nutzungsverbot für parteipolitische Veranstaltungen in Einrichtungen mit entsprechender Trägerschaft berät der Pirnaer Kreistag erstmals in der Woche nach dem nunmehr stattgefundenen NPD-Parteitag, politisch also für diesen expliziten Fall zu spät.

Im Vorfeld der relativ kurzfristig bekannt gewordenen NPD-Versammlung verwies die Pirnaer Aktion Zivilcourage auf die offensichtliche Verlogenheit der NPD, welche “einerseits die auf einer demokratischen Verfassung basierenden Rechte dieses Landes ständig einfordert“, andererseits hingegen aber “mit ihrer menschenverachtenden rechtsextremen Programmatik auf die Abschaffung dieser demokratischen Gesetzgebung“ abzielt.

Der Einzug der rund 150 NPD-Parteitagsteilnehmer, darunter nach Augenzeugenberichten Aktivisten der verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) sowie unter der Bewachung durch die Security des so genannten Selbst-Schutz Sachsen-Anhalt, wurde durch Proteste von gut 120 engagierten Bürgerinnen und Bürgern begleitet. Als Redner traten Landrat Michael Geisler (CDU), Pirnas Oberbürgermeister Markus Ulbig (CDU), der DGB-Vorsitzende (Dresden-Oberes Elbtal) Ralf Hron, die Pfarrer Martin Staemmler-Michael (Lohmen) und Christian Fleischer (Pirna) sowie Andrè Hahn (Linksfraktion.PDS im Sächsischen Landtag) auf.

Gegen Mittag demonstrierten – nachdem ihnen der Protest direkt vor dem Berufsschulzentrum in Pirna-Copitz von Polizeikräften verwehrt worden war – gut 50 Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen den NPD-Versammlung durch die Pirnaer Innenstadt.

Nach Medienberichten bestätigten die 75 Delegierten des NPD-Parteitages den bisherigen Landesvorsitzenden Winfried Petzold mit 86 Prozent der abgegebenen Stimmen im Amt. Als Stellvertreter ebenso wiedergewählt wurden Holger Apfel, Johannes Müller und Helmut Hermann. Beisitzer des aktuellen Landesvorstandes sind nunmehr Alexander Delle, Frank Rohleder, Andreas Storr, Arne Schimmer, Hartmut Gliemann, Torsten Hiekisch, Jürgen W. Gansel, Kathrin Köhler, Jens Schilling, Carmen Steglich und Wilko Winkler. Neuer Vorsitzender des NPD-Landesschiedsgerichtes wurde Harald Zander, als seine Stellvertreterin wurde Brigitte Lauterbach bestimmt. Die Medien-Öffentlichkeit wurde kurz nach den Wahlen der Landes-Vize-Vorsitzenden von der NPD-Versammlung ausgeschlossen. Bis in die Abendstunden des 5. März schwieg die NPD-Sachsen selbst auf ihrer Homepage zum Verlauf ihres Parteitages. Schließlich vermeldeten die Rechtsextremisten dann doch noch einen aus ihrer Sicht “erfolgreichen Landesparteitag“.

Das Sächsische Kultusministerium (Slogan: “Sachsen macht Schule“) sprach unterdessen im Zusammenhang mit dem Tagungsort von einem “bedauerlichen Fall“. Die Nachrichtenagentur ddp zitiert einen Ministeriumssprecher, dass die Staatsregierung nicht aktiv habe werden können, da es sich bei dem Pirnaer Schulhaus um eine Liegenschaft des Landkreises handele. Zudem habe “die Veranstaltung am Sonntag und damit außerhalb der Unterrichtszeit“ stattgefunden.

“Ein Parteitag in einer Schule – das sollte Schule machen“, so wird aus Pirna einer der geladenen Gastredner, der Fraktionsvorsitzende der Schweriner NPD-Landtagsfraktion, Udo Pastörs, zitiert. Geradezu zivilcouragiert – allerdings scheinbar lediglich plakativ – liest sich in diesem Zusammenhang übrigens der Paragraf 10 der “Benutzungs- und Gebührensatzung für die Überlassung schulischer Einrichtungen der Stadt Pirna“ mit letzter Online-Aktualisierung vom 26. November 2002: “Das unmittelbare Hausrecht an den schulischen Einrichtungen übt der Schulleiter – wenn dieser nicht anwesend ist – der Hausmeister aus. Den Anweisungen des Schulleiters/Hausmeisters haben die Inhaber der Benutzererlaubnis Folge zu leisten … Benutzer, die gegen diese Satzung verstoßen, kann der Schulleiter/Hausmeister mit sofortiger Wirkung von der Benutzung ausschließen.“

[Dieser Artikel wurde am 6. März 2007 bei redok veröffentlicht.]

Nitzsche gegenwärtig parteilos

Dresden. Nachdem der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche seine christlich-demokratische Parteimitgliedschaft beendet hat, befürchten sächsische CDU-Bundesparlamentarier den Wechsel des weit rechts-außen stehenden Populisten zur NPD.

Seinen heute bekannt gewordenen Partei-Austritt garnierte Henry Nitzsche mit erneuten Rechtfertigungsversuchen ob seiner wiederholt deutlich rechtsextremistisch angehauchten Verlautbarungen sowie mit Vorwürfen gegen die sächsische CDU-Führung bezüglich des politischen Umgangs mit ihm.

So publizierte die Sächsische Zeitung ein Interview mit Nitzsche, in dem dieser beispielsweise ausführte:

“Ich habe niemanden beleidigt, also kann ich mich auch bei niemandem entschuldigen. Ich habe nur einen Trend beschrieben. Ich fühle mich dabei vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Ich bin 1989 gerade für die Freiheit des Wortes auf die Straße gegangen. Im Gegensatz übrigens zu anderen Leuten in der CDU wie Sachsens Generalsekretär Michael Kretschmer oder führenden Repräsentanten unseres Freistaates wie Ministerpräsident Georg Milbradt. (…) Man mag mir zu Recht vorwerfen, dass ich bei der Vermittlung meiner Botschaften zu überzogenen und provokanten Formulierungen neige. Ich weiß, das ist eine Gratwanderung. (…) In hölderlinscher Lyrik erreichen wir die Bürger einfach nicht.“

Desweiteren führt Nitzsche in dem Interview an:

“(…) Meine umstrittenen Äußerungen sind schon Anfang Juni gefallen. Und als ich im Juli Herrn Kretschmer anrief, um ihn um seine Meinung zu fragen, erklärte er wörtlich: Ach, das geht gerade noch so. Der gleiche Mann hat auch noch nach parteiinternen Krisensitzungen im November erklärt, das war populistisch, was Du gesagt hast, aber ansonsten ging es. Nur drei Tage später beschimpft er mich dann aber öffentlich als eine rechtsradikale Belastung. Ein Chamäleon ist eine graue Maus gegen ihn. Dazu gibt plötzlich auch Milbradt als CDU-Landeschef Interviews und erregt sich über meine Bezeichnung ’Multikulti-Schwuchtel’ für den politischen Gegner und erklärt öffentlich, Nitzsche ist nur von unten fertigzumachen. Das ist für mich nicht nur eine Instinktlosigkeit. (…)“

Seinen Austritt aus der CDU ummantelte Henry Nitzsche mit einer vom indianischen Stamm der Dakota überlieferten und so von dem Parlamentarier zitierten Weisheit: “Wenn Du merkst, Du reitest ein totes Pferd, dann steige ab“.

Der sächsische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Georg Milbradt sieht – wie die Sächsische Zeitung weiter berichtet – dagegen “bei seiner Partei keine Fehler im Umgang mit dem Fall Henry Nitzsche“. In der CDU gebe es “keine rechtsextremistische Grauzone“. Mit dem Austritt Nitzsches aus der Partei sei der Fall für ihn erledigt, so Milbradt. Michael Kretschmer, der sächsische CDU-Generalsekretär, warf Nitzsche laut Focus online “Uneinsichtigkeit“ vor und wies die erhobenen Vorwürfe gegen die Parteiführung zurück.

Mittlerweile herrsche allerdings – wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtet – unter sächsischen Bundestagsabgeordneten “Sorge, dass … Henry Nitzsche zur NPD wechseln könnte“. Wie beim Online-Magazin Telepolis nach den zuletzt bekannt gewordenen rechts-außen Ausfällen von Nitzsche zu lesen war, hatte der Fraktionsvorsitzende der NPD im Sächsischen Landtag, Holger Apfel, am 30. November dem damals noch CDU-Mitglied Nitzsche öffentlichkeitsheischend geschrieben: “Sie wissen sicherlich so gut wie ich, dass Sie mit Ihrer politischen Positionierung keine Zukunft in Ihrer Partei haben“ – um den Politiker gleichzeitig aufzufordern: “Herr Nitzsche, schreiben Sie Geschichte und werden Sie erster Bundestagsabgeordneter der NPD!“.

[Dieser Artikel wurde am 15. Dezember 2006 bei redok veröffentlicht.]