Archiv der Kategorie: Hooltras

Datei “Gewalttäter Sport“ – open end?

Im Zuge der nach wie vor fast allgegenwärtigen Diskussion “Sicheres Stadionerlebnis“ publizierte WDR.de Ende Oktober dieses Jahres ein Glossar, in dem “die wichtigsten Begriffe in der seit Monaten laufenden Gewaltdiskussion“ erklärt worden sind, so beispielsweise –

Die Datei “Gewalttäter Sport“ besteht seit 1994. Von der nordrhein-westfälischen Polizei begründet, werden in dieser Datei alle bundesweit durch Gewalt und andere Verstöße aufgefallenen Fußballfans erfasst. Neben Straftätern werden laut NRW-Polizei “auch die Daten von Personen gespeichert, gegen die von der Polizei Personalienfeststellungen, Platzverweise und Ingewahrsamnahmen angeordnet wurden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich diese Personen zukünftig im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen an Straftaten von erheblicher Bedeutung beteiligen werden“. Fanorganisationen halten dies für eine unzulässige Kriminalisierung. Nach Angaben des NRW-Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) sind laut letzter Zählung aus dem Dezember 2011 insgesamt etwa 13.000 Personen in der Datei gespeichert.

“13.032 Personen in Deutschland sind in der Datei ’Gewalttäter Sport’ des Bundeskriminalamts erfasst“, lauteten die Angaben im SPIEGEL vom 26. März 2012.

Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) sorgt seit 20 Jahren – so ist offiziell zu lesen – “durch ihre bundesweite sowie internationale Arbeit für mehr Sicherheit im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen“. Zu den Aufgaben der ZIS im Inland gehören unter anderem “Anfragen, Datenpflege, Qualitätssicherung und rechtlicher Rahmen der ’Datei Gewalttäter Sport’“.

Im April 2010 wurde durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe eine fehlende rechtliche Grundlage der so genannten “Hooligan-Datei“ festgestellt. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht bezeichnete außerdem deren bereits zehn Jahre zurückliegende Einrichtung als illegal, da das Informationssystem auf keiner klaren Rechtsgrundlage beruhe (heise.de, 4. Juni 2010). “(…) man muss nicht unbedingt Hooligan sein, um in die Datei aufgenommen zu werden (…) wessen Personalien (…) einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, findet Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ und sieht sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“ (anwalt.de, 29. Februar 2012).

Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze veröffentlicht – so ist auch zum Aufgabenfeld für das Inland offiziell zu lesen – im Nachgang jeder Saison einen so betitelten ’Jahresbericht Fußball’. Der aktuelle ZIS Jahresbericht 2011/12 wurde nunmehr publiziert – “gut drei Wochen vor der angestrebten Verabschiedung des viel diskutierten Sicherheitskonzeptes der Deutschen Fußball Liga“ (welt.de). Gibt es, fragen wir mal – ein gutes Jahrzehnt zurückblickend – noch Fragen, oder eher schon vorausschauende Antworten?

[Dieser Artikel wurde am 20. November 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Post Scriptum zur Faust des Ostens

Im Zentralorgan Saisonrückblick 2011/2012 von Ultras Dynamo beleuchtet Marek Lange rückblickend die Fanszene – auch bezüglich der Geschehnisse um die Gruppierung Faust des Ostens – aus seiner Sicht der Dinge. Nachfolgend wird der bezügliche Abschnitt aus dem längeren Interview mit dem Fanbeauftragten des Dresdner Vereins dokumentiert –

(…) Zurück zur Fanszene. Es gab ja dieses Jahr bissl Stress mit anderen Fanclubs. Wie ist denn das so in der Geschäftsstelle angekommen? Wann hat man das wahrgenommen und wie?

Es ist natürlich wahrgenommen worden. Das fällt natürlich dem Verein auch auf, dass verschiedene Fahnen fehlen. Man glaubt gar nicht, wie fit zumindest Teile der Geschäftsstelle sind, was die Fans betrifft. Am ersten Tag, an dem die FdO-Fahne [“Faust des Osten“] nicht mehr gehangen hat, war das gleich Thema. Zur Spielauswertung fragte Stefan Henke, was mit der Fahne sei. Ich so: “Keine Ahnung. Was soll damit gewesen sein?“ Ich wusste natürlich, was da los war, aber es war noch nicht “offiziell“. Unser Sicherheitsbeauftragter Bunker erzählte dann, was er so mitbekommen hat. Es gab halt einen szeneinternen Reinigungsprozess. FdO hat ein paar Sachen gemacht, die der Kurve nicht gepasst haben. Und dann hat es eine Aktion gegeben, die das Fass zum überlaufen gebracht hat und daraus wurden dann Konsequenzen gezogen. Das wurde natürlich wohlwollend aufgenommen, weil die führende Gruppe ihrer Rolle auch gerecht wurde. Es hätte passieren können, dass der führenden Gruppe der Rang abgelaufen und sie verdrängt worden wäre. Aber wenn man den Anspruch hat, die führende Gruppe zu sein, sollte man dafür sorgen, dass der Ball bei der führenden Gruppe bleibt. Wenn irgendjemand in der Kurve beziehungsweise im Block Scheiße baut oder den Ruf des Blockes ruiniert, muss man dafür sorgen, dass das nicht mehr stattfindet. Das haben die Leute in gewisser Weise schon mitbekommen (…)

dehli_news_chemnitz_3_5_10
(Chemnitz, Mai 2010 – Foto: dehli-news.de)

Zentralorgan 2011/2012 –

[Auszug Vorwort] (…) auch szeneinterne Kämpfe kennzeichneten das Jahr als Zweitliganeuling. So war von unserem Spruch aus der Aufstiegssaison “Egal ob Jung oder Alt, was zählt ist der Zusammenhalt“ zu Beginn der Spielzeit nicht mehr viel zu spüren. Innerhalb der aktiven Szene tendierte der Zusammenhalt gen null. Der Konflikt wurde – begünstigt durch so manchen Vorfall – am Ende auf eine radikale Art gelöst. Es wurden Block- und Gruppenverbote ausgesprochen und auch durchgesetzt. Blicken wir zurück auf die ersten und letzten Spiele der Saison und ziehen einen Vergleich, so heißt das Fazit: “Alles richtig gemacht!“ (…)

[Auszug Nachwort] (…) Die Risse in der Szene wurden bereits thematisiert und sollen nicht detailliert durchgekaut werden. Nur so viel dazu: unschuldig daran sind wir natürlich auch nicht. Wir wollen der Motor sein, also müssen wir auch dafür sorgen, dass der Rest wie geschmiert läuft (…)

ULTRAS DYNAMO im Herbst 2012

[Dieser Beitrag wurde am 18. November 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Hooligans Elbflorenz: Bundesgerichtshof?

Mittlerweile sind vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden in Sachen Hooligans Elbflorenz weit mehr als zwölf Monate eines Jahres vergangen. “Fünf Angeklagte, zehn Verteidiger, fünf Richter, zwei Ersatzrichter, ein Staatsanwalt – und viele, viele Sitzungstage“, zog zwischenzeitlich die Sächsische Zeitung zum Jahrestag des Prozesses im August dieses Jahres Bilanz.

“Neben Körperverletzung und Landfriedensbruch müssen sich die Hooligans auch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor der Staatsschutzkammer verantworten. Das macht den Prozess zu etwas Besonderem. Noch nie wurden Hooligans in Deutschland wegen eines solchen Organisationsdelikts verurteilt“, so die Sächsische Zeitung in ihrer Print-Ausgabe vom 3. November.

“(…) Viele Zeugen wurden gehört. Soziologen referierten über ’modernen Hooliganismus’ und gewaltbereite Fußball-Fans, Techniker analysierten die Strahlrichtung von Handy-Funkmasten, um etwa den Aufenthaltsort von Angeklagten zu rekonstruieren, die in der [Dresdner] Innenstadt bei den Döner-Überfallen [nach dem EM-Halbfinale Deutschland vs. Türkei am 25. Juni 2008] miteinander telefonierten.

Bemerkenswert ist, dass es nie eine öffentliche Kritik an dieser Funkzellen-Abfrage der Polizei nach dem Überfall gab. Es könnte daran liegen, dass den Tätern ein rechtsextremes Motiv unterstellt wird (…)“ (Sächsische Zeitung)

Für den nunmehr 66. Verhandlungstag am 8. November wurde vorab angekündigt, drei der fünf Angeklagten würden sich ihrerseits auf persönliche Erklärungen einlassen wollen. Hintergründlich schien die politische Verortung der vor Gericht stehenden so genannten Rädelsführer Auslöser zu sein.

Doch dann kam es an besagtem Verhandlungstag anders als gedacht. Die Angeklagten äußerten sich nicht. “Anlass dafür ist die im Oktober bekannt gegebene Einschätzung der Staatsschutzkammer, dass alle fünf Angeklagten eine mehr oder weniger stark ausgeprägte rechte bis rechtsextreme Gesinnung verbinde“, berichtete am 9. November die Sächsische Zeitung. Der angebliche Vize-Chef der Hooligans Elbflorenz bedauere nunmehr, “dass er Familie und Freunden, darunter ein Afrikaner, eine Leumundsaussage vor Gericht zugemutet habe“. Und auch der mutmaßliche Anführer der mehr oder weniger elbflorenzianischen Hooligans überlege, ob er sich noch äußern werde, so jedenfalls die Sächsische Zeitung. “Ein Polizist, der seit 20 Jahren mit Fußball-Gewalt zu tun hat, sagte, er kenne die beiden Hooligan-Chefs – eine angeblich rechte Gesinnung dieser beiden sei ihm nicht bekannt.“

Durchaus bedeutungsschwanger werden übrigens Verteidiger der Angeklagten dahingehend zitiert: “Wir hoffen nun, dass es beim Bundesgerichtshof Richter gibt, die bereit sind, den Sachverhalt in seiner Gänze zu erfassen“.

[Dieser Artikel wurde am 12. November 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Dynamo Dresden: BILDen wir uns mal wieder ein Vorurteil

Journalismus ist zuweilen scheinbar relativ einfach. Einmal abgespeicherte Textbausteine lassen sich hernach fast beliebig oft und thematisch noch beliebiger einsetzbar verwenden, egal wofür und noch egaler, wie moosbewuchert die Recherche mittlerweile sein mag beziehungsweise vordem schon war – allein die stichwortliche Quote, die Auflage, die Online-Klickrate zählt.

“Köln zittert vor der Faust des Ostens“ titelzeilte eine auflagenstarke Boulevardzeitung jüngst vor dem Auswärtsspiel der SG Dynamo Dresden beim 1. FC Köln zum diessaisonalen 9. Spieltag der 2. Liga. Eine daraus suggeriert vorverurteilende Berichterstattung könnte ja durchaus Zufall gewesen sein. Wir merkten uns aber vorsichtshalber einmal einige der dazumal angewandten Textbausteine.

Nun spielt besagtes Boulevardblatt (’Angst, Hass, Titten und Wetterbericht’) genau dieses pseudo-journalistische Spielchen wiederholt. Zufall? Oder nur zufällig wie auch immer erneut unter das Volk zu streuende – quasi auf Halde liegender – Textbausteine nach der journalistisch bemäntelten Devise, sportpolitische Bildungsarbeit verrichten zu wollen, ja – regelrecht zu müssen?

Und so darf die Leserin und der Leser nunmehr vor dem aktuell anstehenden DFB-Pokal-Spiel der Dresdner Dynamos bei Hannover 96 großbuchstabig über die “Festung Hannover“ lesen, von “1000 Polizisten gegen Pokal-Hooligans“, der “Alarmstufe Rot in Hannover“ und nicht zuletzt auch wieder von “der berüchtigten ’Faust des Ostens’“. Vermutet da etwa jemand nur fast beliebige Textbausteine oder etwa sogar Recherchen, mit welchem Ziel auch immer? – Fragen über Fragen.

bild.de_30_10_12
(Screenshot: 30. Oktober 2012, 01:00)

“Welches Presseerzeugnis könnte denn beispielsweise so durch und durch investigativen Journalismus betreiben und diesen darüber hinaus auch noch so überaus journalistisch handwerklich korrekt publizieren?“, wurde erst Anfang Oktober dieses Jahres als Frage in den Raum gestellt (1. FC Köln vs. Dynamo Dresden: BILDer-Rätsel vorab) – ein Textbaustein?

[Dieser Artikel wurde am 30. Oktober 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Klartext zur Faust des Ostens

Im 2011/12’er Saisonresümee von Blickfang Ultra (BFU) widmen die Ultras Dynamo in ihrem Beitrag zum BFU-Heft dem Kapitel Faust des Ostens durchaus ein klein wenig Raum. Klartextlich sollte dies, auszugsweise und leicht redigiert, niemandem vorenthalten bleiben –

(…) Doch auch mit der (…) Gruppe “Faust des Ostens“ gab es Probleme. FDO ordnete sich zwar zum Großteil unter, leistete sich aber zunehmend Fehltritte (…) Da FDO stark mit dem A-Block Zwickau sympatisierte und Ultras Dynamo zu Red Kaos stehen, forderte man, dass sich Dresden komplett aus den Belangen in Zwickau raus hält. Als im weiteren Verlauf der Konflikt zwischen RK und dem A-Block immer mehr eskalierte, erteilte man FDO ein Verbot, die “A-Block“-Fahne im K-Block aufzuhängen. Gegen dieses Verbot wurde allerdings verstoßen. Genauso begannen einige (aber bei weitem nicht alle) Mitglieder und Sympathisanten der “Faust des Ostens“ immer mehr ihr eigenes Ding durchzuziehen. Hinzu kommen noch einige weitere Ereignisse.

Im Februar 2012 kam es dann zu einem Vorfall in einer Dresdner Diskothek, bei dem ein UD-Mitglied grundlos in deutlicher Überzahl körperlich schwerstens attackiert wurde. Von nun an war auch hier Feierabend! Die Beteiligten waren schnell ermittelt und es folgten zahlreiche Hausbesuche und weitere Ereignisse, bei denen die Fronten geklärt wurden. Zu oft hatten wir es verpasst, in den letzten Monaten Autorität zu zeigen, schließlich hätte man sich in Dresden niemals träumen lassen, dass auch wir uns einmal mit solchen sinnlosen Problemen auseinander setzen müssen.

fdo_auerswalder_blick_7_12
(Auerswalder Blick Nord, Sommer 2012 – Foto: O.M.)

Die letztendliche Konsequenz war natürlich auch hier ein Verbot der Gruppe Faust des Ostens durch Ultras Dynamo, was die verbliebenen FDO-Köpfe letztlich auch akzeptierten, wenn auch schmerzlich. Dieses Verbot beinhaltet unter anderen, dass weder Fahnen, noch Schwenker oder Kleidungsartikel von FDO im Stadion aufgehangen, geschwenkt oder getragen werden dürfen. Einige FDO’ler erhielten ein internes Stadion- und Diskoverbot für Dresden, andere durften, wie gesagt ohne FDO-Kleidung weiter ins Stadion.

Dass die Situation gerade mit FDO so eskalieren musste, wäre vermeidbar gewesen. Doch es wurde einfach versäumt, in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen und so haben einige, zum Großteil eher Randfiguren, den Blick für die Realität und vor allem den Respekt gegenüber Ultras Dynamo verloren. Aber die Konsequenzen müssen alle tragen. Mittlerweile ermittelt der Staat gegen FDO wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung (…)

[Dieser Beitrag wurde am 10. Oktober 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]